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Maria Jansen
Zwischen Kreativität und Kasse
Das neue Urhebervertragsrecht bringt keine
bedeutenden Verbesserungen
Was für den Schlosser der Stundenlohn ist
für freiberufliche Künstler, Komponisten, Autoren,
Fotografen ihr Honorar. Auf dieser Basis verkaufen Urheber von
Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst an die so genannten
Verwerter - das sind Verlage, Sendeanstalten, Produzenten - das
Recht, ihre Werke zu nutzen, das heißt, sie zu
vervielfältigen und zu verbreiten oder öffentlich
zugänglich zu machen. Zeitungsartikel, Bilder, Filme,
Musikstücke sind im Sinne des Urheberrechts "persönliche
geistige Schöpfungen" und die Urheber sind gegen die unbefugte
wirtschaftliche Auswertung dieser Leistungen in Deutschland durch
das Urheberrechtsgesetz und Artikel 14 des Grundgesetzes
(Gewährleistung des Eigentums) geschützt.
Hinter diesem gesetzlichen Schutz - so
zumindest verstehen ihn viele der rund 250.000 Urheber und
Künstler in Deutschland - steht der Wunsch des Gesetzgebers,
dass die Urheber und Künstler am wirtschaftlichen Erfolg ihrer
Werke beteiligt sind und so eine realistische Chance besteht, sich
durch die Schöpfung nachgefragter Werke den Lebensunterhalt zu
verdienen.
Viele Jahre war der Interessenausgleich
zwischen Urhebern, Verwertern und der Allgemeinheit, deren
Interesse am Zugang zu Wissenschaft und Kultur ebenfalls
geschützt ist, gut eingespielt. Doch die neuen
Möglichkeiten, geschützte Werke per Digitaltechnik ohne
Qualitätsverlust beliebig oft zu kopieren und um die Welt zu
schicken, einerseits und die zunehmende Konzentration in der
Medien- und Kulturwirtschaft andererseits haben neue
Begehrlichkeiten geweckt. So stöhnen Journalisten, Autoren und
Übersetzer seit Jahren unter dem steigenden Druck durch
Verleger, Produzenten und Sendeanstalten, die ihre wirtschaftliche
Machtstellung dazu missbrauchen, den freiberuflich Tätigen die
Erlaubnis für digitale Mehrfachnutzungen ihrer Werke
abzunötigen, ohne ihnen dafür eine Vergütung
anzubieten.
Stärkung der
Verhandlungsposition
Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der
Deutsche Bundestag vor mehr als drei Jahren dem Gesetz zur
Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und
ausübenden Künstlern (Urhebervertragsgesetz) zugestimmt.
Seit dem 1. Juli 2002 haben Urheber und Künstler in
Deutschland einen einklagbaren Anspruch auf eine angemessene
Vergütung für jede Nutzung ihrer Werke (Paragraf 32 UrhG)
und die Urheberverbände sind dazu aufgerufen, mit den
Verwertern oder ihren Verbänden die Höhe der angemessenen
Vergütung auszuhandeln und entsprechende Vergütungsregeln
aufzustellen (Paragraf 36 UrhG).
In der Begründung des Entwurfs
heißt es dazu, freiberufliche Fotografen, Journalisten und
andere Urheber seien zwar rechtlich gesehen Unternehmer, doch
"tatsächlich sind sie aber zumeist eher lohnabhängigen
Arbeitnehmern vergleichbar". Vor allem freiberufliche Urheber, die
sich beim Abschluss von Verträgen in einer eher schwachen
Verhandlungsposition befinden, sollen durch die Reform
gestärkt werden. Die betreffende Rechtslage sollte daher eine
Angleichung an die Regelung anderer freier Berufe wie Ärzte
und Architekten und Rechtsanwälten erfahren, bei denen die
Vergütung bereits gesetzlich normiert ist.
Um es vorweg zu nehmen: Vorzeigbare
Ergebnisse im Sinne der Gesetzesbegründung gibt es in den drei
Jahren kaum. Nur in Ausnahmefällen scheint das neue
Urhebervertragsgesetz kurzfristig die Verhandlungsposition von
Urhebern bisher verbessert zu haben. So hätten sich manche
öffentlich-rechtliche Sendeanstalten - darunter das ZDF und
der SWR - "im Umfeld des neuen Urhebervertragsrechts dazu bereit
erklärt, eine lange gestellte Forderung umzusetzen und
Regelungen aus den Haustarifverträgen für freie
Mitarbeiter auch auf die Autoren und Regisseure zu übertragen,
die für freie Produzenten arbeiten, und ihnen die Wiederholung
ihrer Beiträge extra zu honorieren", berichtet der Vorsitzende
der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, Thomas Frickel.
Die bislang einzige Einigung auf gemeinsame
Vergütungsregeln zwischen dem Verband Deutscher Schriftsteller
in ver.di (VS) und einer repräsentativen Anzahl deutscher
Belletristikverlage kam nach langwierigen Verhandlungen nur mit
Hilfe einer Mediation durch das Ministerium für Justiz
zustande. "Damit wird das Urhebervertragsrecht von 2002 endlich in
einem wichtigen Bereich mit Leben erfüllt. Ich hoffe, dass
dieser Durchbruch auch weiteren Bereichen der Kulturwirtschaft Mut
macht, einen Kompromiss zu suchen", freute sich
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zum Abschluss der Mediation
im November 2004. Unter den Belletristikautoren wurde das Ergebnis
hingegen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Als
"Rückfall in die 50er-Jahre" bezeichnete denn auch Ernst Piper
die Verhandlungsergebnisse nach deren bekannt werden in der
"Frankfurter Rundschau", weil einzelne Passagen hinter bereits
üblichen Honorarstaffelungen zurückblieben. So sei es
seit vielen Jahren üblich, dass die Honorarstaffel für
das Taschenbuch spätestens bei einer Auflage von 100.000
Exemplaren zehn Prozent erreichte (bei den neuen
Vergütungsregeln sind es nur noch acht Prozent). Bei buchnahen
Nebenrechten wie bei Übersetzungen in andere Sprachen, bei
Hörbüchern oder Buchclubausgaben hätten Verlage
jahrzehntelang einen Erlösanteil von 60 zu 40 zu Gunsten des
Autors gezahlt, während der Kompromissvorschlag nur eine
50-50-Regelung vorsieht.
Das von der damaligen Bundesjustizministerin
Herta Däubler-Gmelin (SPD) intendierte Ziel, dass die
Verbände der Urheber die Höhe der Vergütung "in
gleicher Augenhöhe" mit den Vertragspartnern aushandeln,
scheint so ohne weiteres nicht umsetzbar zu sein. "Es ist uns nicht
leicht gefallen, diesem Vorschlag zuzustimmen", räumte denn
auch der VS-Vorsitzende Fred Breinersdorfer ein, "aber wir sehen in
den Zeiten von Hartz IV, in dieser Vereinbarung, mit der
Mindeststandards geschaffen wurden, eine wirksame Absicherung gegen
Honorardumping".
Begegnung auf Augenhöhe
fraglich
Die Urheberverbände haben sich
inzwischen auf schwierige Verhandlungen mit den unterschiedlichen
Verwertergruppen eingestellt. Bereits im August 2002 hatten etwa
die Journalistengewerkschaften Deutsche Journalisten Union in
ver.di (dju) und der Deutscher Journalisten Verband (DJV) ihre
gemeinsamen Entwürfe für Vergütungsregeln bei
Tageszeitungen und bei Zeitschriften an die Verlegerverbände
übermittelt. Von der im Urheberrechtsgesetz vorgesehenen
Möglichkeit, nach einer so langen Verhandlungsdauer ein
Schlichtungsverfahren einzuleiten, wollen die Urhebervertreter
derzeit trotzdem keinen Gebrauch machen. "Weil wir der Auffassung
sind, dass wir in den Verhandlungen auf einem guten Weg sind",
begründet ver.di-Urheberrechtler Wolfgang Schimmel. Die
Materie sei komplex, schließlich gelte es, ein Regelwerk
für so unterschiedliche Publikationen zu finden wie den
konfessionellen Zeitschriften, die eher wie Tageszeitungen zu
behandeln sind, der bunten Massenpresse wie dem "Stern" und
Zeitschriften wie der hoch spezialisierten "Juristischen
Wochenschrift". Noch wird über die Rahmenbedingungen
verhandelt. Doch erst, wenn es darum geht, wie viel für welche
Nutzungen zu zahlen ist, würde sich zeigen, ob eine
Verhandlungslösung möglich ist, die Urhebervertreter in
ein Schlichtungsverfahren gehen oder sich andere Vertragspartner,
etwa einen einzelnen Verlag oder einzelne
Verleger-Landesverbände suchen.
Nur die Verhandlungen der literarischen
Übersetzer, deren branchenübliche Honorierung in der
Begründung zum Urhebervertragsrecht als unredlich und
unangemessen im Verhältnis zur erbrachten Leistung eingestuft
wurde, sind bislang gescheitert, nachdem die zum Zweck der
Verhandlung gegründeten Verlegerver-einigungen aus den
Bereichen Belletristik und Sachbuch sich im Herbst 2003
aufgelöst haben. "Die Vorstellungen beider Seiten lagen sehr
weit auseinander," begründete dies der Sprecher der
Verlegervereinigungen, Thomas Schwoerer, im "Börsenblatt
für den Deutschen Buchhandel". "Ich finde es
außerordentlich enttäuschend, dass die Verleger sich aus
den Verhandlungen zurückgezogen haben, obwohl sie im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens immer wieder betont haben, dass ein
Urhebervertragsgesetz eigentlich nicht notwendig sei, weil sie sehr
wohl gewillt seien, sich ohne gesetzlichen Druck mit uns Urhebern
auf angemessene Honorare zu einigen," kommentiert die Vorsitzende
des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer (VdÜ),
Gerlinde Schermer-Rauwolf.
Die Folgen: Ein gutes Dutzend Klagen auf
Anpassung von Übersetzerverträgen aus dem Jahr 2001 an
eine angemessene Vergütung wurden nach dem Scheitern der
Verhandlungen noch kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist in
München, Hamburg und Berlin eingereicht. Dem vom VdÜ
beantragten Schlichtungsverfahren vor dem Berliner Kammergericht
wurde inzwischen stattgegeben und ein Schlichter bestellt.
Außerdem ist der VdÜ im Frühsommer 2004 in
Einzelverhandlungen mit der Verlagsgruppe Random House
eingestiegen.
Mühevolle
Interessenvertretung
Zumindest vorübergehend führt die
Verhärtung der Fronten bei den literarischen Übersetzern
zu einer Verschlechterung der finanziellen Situation, obwohl laut
einer vom VdÜ beim Münchener IMU-Institut in Auftrag
gegebenen Studie die Übersetzertätigkeit schon zuvor
nicht ausreichte, "einen auch nur einigermaßen angemessenen
Lebensunterhalt zu verdienen". Im Bestreben, die Standards
möglichst niedrig zu halten, würden, so Gerlinde
Schermer-Rauwolf, die Verlage inzwischen hinter dem bereits
üblichen Status quo zurückbleiben. So wären vor der
Urheberrechtsreform viele der etablierten Verlage bereit gewesen,
neben der branchenüblichen Seitenhonorierung zusätzlich
einen Anteil von einem Prozent am Verkaufserlös ab 10.000
verkauften Exemplar zu bezahlen - ein Verhandlungsspielraum, der
seit dem Streit über die angemessene Vergütung in
etlichen Fällen auf eine Beteiligung von 0,5 Prozent ab 30.000
verkauften Exemplar geschrumpft ist.
Erst in einigen Jahren wird sich zeigen, ob
das neue Urhebervertragsrecht zur gewünschten Verbesserung der
Einkommenssituation freiberuflicher Urheber führt oder ob die
einklagbaren Mindeststandards, wie von manchem Urheber
befürchtet, dauerhaft zur Beschneidung von
Verhandlungsspielräumen eingesetzt werden. Sicherlich steht
jedoch schon jetzt fest: Wie immer die Vergütungsverhandlungen
zwischen Verwertern und Urhebern in den verschiedenen Bereichen
ausgehen - und sich auf das jeweilige Honorarniveau niederschlagen
-, müssen die Urheber die angemessene Vergütung weiterhin
individuell bei jeder Honorarvereinbarung und im Zweifel vor
Gericht durchsetzen.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.
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