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Olaf Zimmermann
Für die Künstler mehr
Aufmerksamkeit
Brotlos - aber glücklich?
Wird über den Arbeitsmarkt Kultur
gesprochen, war in den vergangenen Jahren vor allem von den
Wachstumspotenzialen dieser Branche die Rede. Das Land
Nordrhein-Westfalen hat mit seinen Kulturwirtschaftsberichten
bereits am Ende der 80er-Jahre das Signal gesetzt, dass der Kunst-
und Kulturbereich nicht allein von öffentlichen Mitteln lebt,
sondern auch ein Markt ist, in dem Umsätze erwirtschaftet
werden und der Arbeitsplätze bietet. Bezeichnenderweise wurden
diese Kulturwirtschaftsberichte vom Wirtschaftsministerium des
Landes in Auftrag gegeben, nicht zuletzt um unter Beweis zu
stellen, dass der Kultur- und Medienbereich den Strukturwandel
dieses Bundeslandes unterstützen kann.
Teilweise entstand eine richtige Euphorie
über die Potenziale dieses Arbeitsplatzsegmentes. So ist es
nicht verwunderlich, dass andere Bundesländer mit
Kulturwirtschaftsberichten nachzogen und sich einige Länder
Wachstumsschübe von diesem Marktsegment erhofften. Berlin
beispielsweise setzte vor der großen Krise der
Tonträgerindustrie darauf, Musikhauptstadt Deutschlands zu
werden. Die Ansiedlung der Branchenriesen Sony und Universal Music
wurde ebenso gefeiert wie der Umzug des Musiksenders MTV nach
Berlin. Und noch im Herbst des vergangenen Jahres lobte
Kulturstaatsministerin Christina Weiss bei der Vorstellung der
Studie "Kulturberufe in Deutschland" den Arbeitsmarkt Kultur als
Vorreiter für den Strukturwandel in der Arbeitswelt, da hier
Flexibilität, Mobilität, Offenheit im Denken und im
Handeln gefordert sind.
Steiniger Berufsweg
Parallel zu diesen - teilweise
erfüllten, teilweise nicht erfüllten - Hoffnungen auf den
Arbeitsmarkt Kultur wurden an verschiedenen Universitäten und
künstlerischen Hochschulen Aufbaustudiengänge im
Kulturmanagement eingerichtet und zwischenzeitlich kann an
Fachhochschulen Kulturmanagement auch grundständig studiert
werden. Der Arbeitsmarkt Kultur ist ein großer Bereich und
wächst in seiner Attraktivität. Dazu tragen sicherlich
auch Fernsehsendungen wie "Deutschland sucht den Superstar" und
andere bei, die suggerieren, jeder könne den Aufstieg in den
Starhimmel schaffen und dabei unterschlagen, dass die meisten
Künstlerinnen und Künstler einen eher steinigen Berufsweg
gehen und einen sehr langen Atem brauchen.
Bei all der Aufmerksamkeit, die der
Kulturwirtschaft und damit verbunden dem Arbeitsmarkt Kultur zu
teil wird, wird der so genannte kreative Kern dieses Bereiches, die
Künstlerinnen und Künstler, oftmals vergessen. Dabei sind
sie es, die künstlerische Produkte erschaffen beziehungsweise
interpretieren und erst dann können diese vermarktet
werden.
Der bereits erwähnten Studie
"Kulturberufe in Deutschland", die vom Arbeitskreis Kulturstatistik
erstellt wurde, ist zu entnehmen, dass ein erheblicher Teil,
nämlich insgesamt 63 Prozent , der Freiberufler im
Kulturbereich einen Jahresumsatz erwirtschaften, der unter 16.617
Euro liegt. Sie werden bei diesem niedrigen Jahresumsatz von der
Umsatzsteuerstatistik nicht mehr erfasst und können deshalb
als Nichterfasste identifiziert werden. Als Untersuchungsbasis
wurden Lehrer für musische Fächer, Architekten und
Raumplaner, Fotografen, Bühnen-, Film- und
Rundfunkkünstler, Schriftsteller und Journalisten, Bildende
Künstler und Restauratoren, Designer, Musiker und Artisten
genommen. Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, dass bei anderen
Selbstständigen außerhalb des Kulturbereiches das
Verhältnis genau umgekehrt ist. Hier erwirtschaftet die
Mehrzahl, nämlich 61 Prozent einen Umsatz, der über
16.617 Euro liegt.
Betrachtet man die Einkommenssituation der in
der Künstlersozialkasse (KSK) Versicherten, so verdichtet sich
das Bild der niedrigen Einkommen von selbstständigen
Künstlerinnen und Künstlern. Am 1. Januar 2005 lag das
Durchschnittseinkommen der in der KSK Versicherten bei 11.091 Euro
im Jahr. Trotz dieser eher trüben Einkommensaussichten
wächst die Zahl der Versicherten stetig. Zum 30. Juni 2005
wurde erstmals die Marke von 140.000 Versicherten
überschritten. Ein Ende des Zuwachses an Versicherten ist
nicht abzusehen.
Auch in jenen Berufsgruppen, in denen bis vor
einigen Jahren der Status als Angestellter üblich war, nimmt
die Tätigkeit von Selbstständigen zu, was wiederum einen
Anstieg der in der KSK Versicherten nach sich ziehen wird. Die
Deutsche Orchestervereinigung, die Gewerkschaft der
Orchestermusikerinnen und -musiker, weist bereits seit einigen
Jahren darauf hin, dass die Zahl der Absolventen an
Musikhochschulen deutlich über der der freiwerdenden Stellen
in Orchestern liegt. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass sich
längst nicht nur Absolventen der deutschen Musikhochschulen
auf die wenigen freien Stellen bewerben, sondern es sich
selbstverständlich und notwendigerweise um einen
internationalen Arbeitsmarkt handelt.
Und auch bei den Fernseh- und
Filmschauspielern sind Veränderungen unverkennbar. Bislang
konnten sie engagementlose Zeiten oder die Vorbereitung auf neue
Rollen durch das ihnen zustehende Arbeitslosengeld
überbrücken. Da Film- und Fernsehschauspieler auch bei
kurzen Engagement von wenigen Drehtagen stets
sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, entstand ein
Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ab dem 1. Februar 2006 entsteht
durch die Hartz-Gesetzgebung dieser Anspruch erst, wenn für
die letzten zwei Jahre eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung von zwölf Monaten nachgewiesen wurde.
Bislang sind die letzten drei Jahre maßgeblich. In der Branche
wird davon ausgegangen, dass die Mehrzahl der Beschäftigten in
der Film- und Fernsehbranche die neuen Voraussetzungen nicht
erfüllen wird. Die Film- und Fernsehschauspieler drängen
deshalb verstärkt in die Selbständigkeit und damit auch
in die Künstlersozialversicherung, da eine
sozialversichungspflichtige Beschäftigung in der Zukunft immer
öfter keine Absicherung von zeitweiser Arbeitslosigkeit
über das Arbeitslosengeld mehr gewährleistet und deshalb
als nicht mehr lohnend angesehen wird.
Nach diesen düsteren Aussagen zum
Arbeitsmarkt Kultur stellt sich die Frage, was junge Menschen dazu
bewegt, einen Beruf zu ergreifen, der die Aussicht auf
Unsicherheit, Unstetigkeit, harte Arbeit bei geringem Verdienst
bietet. Was fasziniert die vielen tausend jungen Menschen, die
jährlich einen Studienplatz an einer Kunst- und
Musikhochschulen anstreben und es auch nach einer vergeblichen
Bewerbung ein zweites, ein drittes und ein zehntes Mal versuchen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass zum Künstlerberuf
Obsession gehört. Künstlerinnen und Künstler,
insbesondere die Schöpfer künstlerischer Werke
müssen dieser Berufung folgen. Ihre Kreativität, ihre
Ideen suchen den künstlerischen Ausdruck. Dabei ist der
künstlerische Schaffensprozess oft schmerzlich, von Irrwegen
und Misserfolgen gekennzeichnet. Die Erfolge und die
öffentliche Anerkennung wiegen dieses auf. Oftmals reicht
schon die Hoffung auf den Erfolg um einen lebenslanges
persönliches Ringen um die eigene Kreativität zu
rechtfertigen. Künstlerinnen und Künstler wollen sich
exponieren, sie suchen die Anerkennung durch Dritte, sie streben
nach Öffentlichkeit. In wohl kaum einem anderen Beruf wird die
Suche nach öffentlicher Anerkennung so positiv sanktioniert
wie bei Künstlerinnen und Künstlern. Da der innere
Schaffensdruck so immens ist, lassen sich Künstlerinnen und
Künstler glücklicherweise auch nicht von düsteren
Verdienstaussichten und einer schwierigen Marktsituation
abhalten.
Ich denke, dass auch ausübende
Künstlerinnen und Künstler - also Musiker, Tänzer
und Schauspieler - diese innere Überzeugung haben müssen.
Dennoch haben sie oftmals einen anderen Berufseinstieg und einen
anderen Berufsalltag. Musiker und Tänzer fangen bereits als
kleine Kinder mit der Berufsvorbereitung an. Was als Spiel und
Freizeitbeschäftigung beginnt und für die Mehrzahl auch
bleibt, mündet bei einigen in eine Berufslaufbahn als Musiker,
Tänzer oder Schauspieler. Der wesentliche Unterschied zu
Bildenden Künstlern, Schriftstellern oder Komponisten besteht
darin, dass die ausübenden Künstler ein bereits
bestehendes Werk interpretieren, wohingegen die Urheber erst das
Werk schaffen und aus dem Nichts heraus eine Symphonie, ein Lied,
einen Schlagertext, ein Bild, einen Roman, eine Skulptur oder
anderes schaffen. Dazu gehört neben dem unabdingbaren
Handwerkszeug auch der innere Druck, die Obsession.
Kunst- und Musikhochschulen versuchen bereits
bei den Aufnahmeprüfungen herauszukristallisieren, ob das
Potenzial für eine schöpferische oder ausübende
Künstlertätigkeit vorhanden ist. Nur ein kleiner Teil der
Bewerber wird aufgenommen. So bewerben sich für die
Aufnahmeprüfung als Schauspieler oftmals 1.000 junge Menschen
und es erhalten schließlich zehn bis 15 den begehrten
Studienplatz.
Während des Studiums ist es die Aufgabe
der Hochschullehrer immer wieder die Frage aufzuwerfen, ob eine
künstlerische Laufbahn der richtige Weg ist. Und danach muss
jeder Einzelne seinen Weg suchen, ein Alleinstellungsmerkmal, das
die eigene Arbeit gegenüber der anderer auszeichnet,. Ob dies
immer glücklich macht, muss jeder für sich entscheiden,
für viele Künstlerinnen und Künstler ist es der
einzig mögliche Lebensweg.
Die Verpflichtung des Staates
Für die Gesellschaft ist Kunst mehr als
das Produkt eines Einzelnen. Kunst ist Reflektion der Gesellschaft,
Kunst verweist auf einen transzendenten Sinn, Kunst ist schön
- und zwar auch in ihrer Hässlichkeit, Kunst berührt die
Sinne und die Seele des Menschen. Kunst entwickelt die
Gesellschaft.
Weil Kunst etwas anderes ist als die
Herstellung von Staubsaugern, Bügeleisen oder anderem besteht
die Verpflichtung des Staates zur Kunst- und Kulturförderung.
Für die Künstlerinnen und Künstler ist neben der
direkten Förderung in Form von Aufträgen oder Stipendien
die Künstlersozialversicherung ein wichtiges, vielleicht sogar
das wichtigste Instrument der Künstlerförderung. Sie
ermöglicht den Künstlerinnen und Künstlern die
Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken-, Pflege und
Rentenversicherung und ist damit ein wichtiger Teil der sozialen
Sicherung. Die Stärkung und Sicherung der
Künstlersozialversicherung ist daher eine wesentliche kultur-
und sozialpolitische Aufgabe.
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen
Kulturrates, Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission
"Kultur in Deutschland".
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