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Ines Gollnick
"Ich bin Künstler und Dienstleister"
Schauspieler Yorck Dippe
Bester Darsteller, das muss wie Musik in den Ohren eines Mannes
klingen, der die Kunst beherrscht, ein anderer zu sein, als er
selbst ist. Und wenn dann eine Auszeichnung noch mit 3.000 Euro
attraktiv dotiert ist, rücken gelegentliche
Existenzängste erst einmal ein Stück in den Hintergrund.
Yorck Dippe, Mitglied des Bonner Schauspielensembles, hatte die
Jury beim 24. NRW-Theatertreffen "spiel.auf.zeit" überzeugt.
Der 35-Jährige spielte die Rolle des Doktor Wangel in Henrik
Ibsens "Die Frau vom Meer" in der Regie von Thirza Bruncken. Wangel
ist Landarzt und Vater zweier Kinder.
Er holt sich mit der "Frau vom Meer" eine heimliche Obsession
ins Haus. "Das war eine besonders schöne Arbeit", so Dippe.
Offenbar drückt sich dies in seiner Rollenumsetzung aus. Dippe
habe "wohltuend den Formalismus der Inszenierung mit seinem
authentischen Spiel konterkariert und die Regievorgabe dennoch
nicht gesprengt. Eine überzeugende Gratwanderung", meinte die
Jury. Das sieht der Theatermann nicht ganz so. Die Formulierung
"hört sich für ihn an, als würde er gegen den Strich
der Regie Akzente setzen". So interpretiert er seine
Rollenumsetzung jedoch nicht.
3.000 Euro extra sind viel Geld für einen
Theaterschauspieler in Zeiten, wo die kommunalen Kassen leer und
Spartenreduzierungen keine Seltenheit sind. Als er vor zehn Jahren
mit einem zweijährigen Stück-vertrag anfing, verdiente er
rund 2.600 Mark. Und Gagenverhandlungen sind seitdem nicht
einfacher geworden. 2004 gab es auch am Bonner Schauspiel eine
Nullrunde. Dippe ist keiner, der laut klagt, aber er ist sich
bewusst: "Man steht als Schauspieler immer etwas auf der Kippe. Mit
Gagenerhöhungen ist es nicht einfach", berichtet der Mime aus
den Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre. Zwar lasse sich mit
Bescheidenheit vom Schauspielerdasein leben, aber es sei schwer. Er
spielt zwar fest in Bonn, lebt aber in der Kölner
Südstadt mit Frau und Kind, weil das bezahlbarer ist.
Doch er hat es nicht anders gewollt. Der gebürtige Bremer,
Jahrgang 1969, erlebte in der Abiturphase in
"Frühlingserwachen" eine Initialzündung.
Straßenmusik hat er gemacht, Saxophon gespielt. Anfang der
90er-Jahre ließ er sich an einer privaten Münchner
Schauspielschule ausbilden, finanzierte sich mit Kneipenjobs am
Wochenende. Einfach bewerben, hieß anschließend die
Strategie. "Mit etwas Glück wird man zum Vorsprechen
eingeladen, mit noch mehr Glück genommen." Oberhausen
engagierte ihn 1995. "Das war eine sehr positive Erfahrung." 2003
ging fast das gesamte Ensemble mit Klaus Weise nach Bonn. "Man
durfte mit", kommentiert Dippe den Wechsel.
"Die Frau am Meer" in den Kammerspielen in Bonn-Bad Godesberg
ist abgespielt. In der neuen Saison wird Dippe als König
Gunter im Nibelungenlied zu sehen sein. Wenn er nicht nur
schauspielern, sondern auch singen darf und soll, mehrstimmig wie
in "Call my number", einer musikalischen Revue, dann füllt ihn
seine Arbeit erst richtig aus, meint der Mime, dann fühlt er
eine große Identität mit dem, was er tut. Deshalb freut
er sich auch auf die "Dreigroschenoper" in der nächsten
Spielzeit. Verbindlich am Theater zu arbeiten, gefällt ihm -
aus finanziellen und künstlerischen Erwägungen. "Man
entwickelt sich gemeinsam weiter", so seine Erfahrung. Sicherlich
ist mit Dreharbeiten fürs Fernsehen viel schneller Geld zu
verdienen, zwei Drehtage entsprechen ungefähr einer
monatlichen Theatergage. Doch bleibt für Dippe das
Theaterspielen "das Interessantere und Wahrhaftigere".
Außerdem gibt es zeitliche Probleme, wenn man einen
Festvertrag beim Theater hat. Dass ihm seine angenehme Stimme
Sprecherjobs beim WDR beschert, ist eine schöne
Begleiterscheinung, die ihn natürlich freut.
Die Kunst, ein anderer zu sein, das sei das Schwierige und der
Reiz am Schauspielerberuf. Methodisch arbeitet er von außen
nach innen, um die Rolle mit sich zu "füllen". Er kann
für sich festhalten, dass er größer und
größer spielt, sich steigert, gewachsen ist an seinen
Aufgaben. Doch natürlich ist eine alte Frage auch für ihn
immer wieder eine aktuelle: "Wie schaffe ich es, mich besser
auszudrücken?"
Und natürlich hängt die Zukunft des Schauspielers von
der Zukunft des Theaters ab. Dippe und seine Ensemblekollegen und
-kolleginnen beschäftigen Publikumsreaktionen und
Spielplangestaltung. Was hat das mit uns zu tun, wenn wir weniger
Publikum haben? Es geht darum, die berühmte "4. Wand"
aufzulösen. Ensemblegespräche und Publikumsdiskussionen
sind eine fester Bestandteil im Schaupielerdasein, nicht nur die
Leistung auf der Bühne. "Der Schauspieler ist aufgerufen
mitzudenken." Dippe bringt sein Selbstverständnis mit wenigen
Worten auf den Punkt: "Ich bin Künstler und Dienstleister."
Die Art zu denken, könnte mithelfen, seine Existenz zu
sichern.
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