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Ulrike Schumacher
Musik macht die Kleinen klug
Modellprojekt in Kindertagesstätten
füllt eine Lücke
Diese Kiste hat es in sich. Heiß begehrt
ist ihr Inhalt. Kleine Hände greifen nach Klanghölzern,
Handtrommeln, Rasseln, Triangeln oder Glöckchen. Von Musik
sind Kinder immer wieder fasziniert. Besonders wenn
Instrumentalspiel, Gesang und Bewegung zusammenkommen, weiß
Sina Schneider, Erzieherin in einem Kindergarten der
niedersächsischen Gemeinde Grasberg. Für die Mädchen
und Jungen, die sich hier im großen Kreis aufgestellt haben
und erste Erfahrungen mit den Instrumenten sammeln dürfen, die
sie stolz vor ihren Bäuchen halten, ist das ein spannender
Prozess. Wie klingt das, wenn man zwei Hölzer aufeinander
schlägt? Was passiert, wenn die Hand mal mehr und mal weniger
kräftig das Glöc kchen oder die Rassel
schüttelt?
Motorik, Spracherziehung, Raumerfahrung - all
das vereint sich in diesen klangvollen Momenten, in denen die
Kinder spielerisch lernen und sich nicht scheuen, mit den
Instrumenten etwas auszuprobieren. "Trommeln ist am
schönsten", schwärmen Brian und Pia-Marie. Und im Kreis
zu hüpfen, finden die beiden Fünfjährigen, "ist auch
klasse!" Deren strahlende Gesichter unterstreichen, was Experten
einen "nachweislich positiven Effekt auf die
Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, auf
Konzentrationsfähigkeit und soziale Kompetenz"
nennen.
Musik und aktives Musizieren sollte in
Kindergärten auf keinen Fall zu kurz kommen, findet auch die
Bertelsmann Stiftung und unterstützt ein
niedersächsisches Fortbildungsprojekt für Erzieherinnen
und Erzieher unter dem Titel "Kita macht Musik", ein bundesweit
einzigartiges Projekt. Es soll mithelfen, die Musikerziehung in
Kindertageseinrichtungen zu verbessern. Kursanbieter sind die
Volkshochschulen, den Unterricht gestalten musikpädagogische
Fachkräfte der örtlichen Musikschulen. Grundlage ist eine
Kooperation des Landesverbandes niedersächsischer Musikschulen
mit dem Verband der Volkshochschulen Niedersachsens, genauer dem
Verbund vhsConcept, dem mehr als 60 Volkshochschulen des
Landesverbandes angehören und der es sich zur Aufgabe gemacht
hat, in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales
Weiterbildungsprogramme und Lehrgänge zur Qualifizierung und
Fortbildung anzubieten.
Positive Stimmung steigt
Mit ihrem Projekt stoßen die
Kooperationspartner in eine Lücke, die es angesichts von PISA
eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn Musik, hat der
Frankfurter Pädagogikprofessor Hans Günther Bastian in
einer Langzeitstudie herausgefunden, "macht klug". Wer ein
Instrument lernt, fordert seine Intelligenz heraus. Das ist nicht
die einzige Erkenntnis. So fördere musikbetonter Unterricht
auch die soziale Kompetenz, begünstige eine emotional positive
Stimmung im Klassenverband und dämpfe Aggressionspotenziale
und Vandalismus. Zwei Stunden Musikunterricht in der Woche - davon
kann der Pädagogikprofessor allerdings nur träumen. Die
Realität sieht anders aus. Nicht selten spielt Musizieren im
Unterricht überhaupt keine Rolle.
Eine Entwicklung, von der auch
Beschäftigte in Kindertagesstätten ein Klagelied singen
können. "Musik war das erste, was während der Ausbildung
aus dem Stundenplan gestrichen wurde. Und für musikalische
Fortbildungen fehlt das Geld", berichtet eine Erzieherin, die im
Volkshochschulverband Lilienthal, Zeven, Osterholz an "Kita macht
Musik" teilnimmt. Auch Sina Schneider macht hier mit. Sie ist eine
von 16 Frauen, die nach der Arbeit nicht die Füße
hochlegen, sondern für ihren Job nochmal ordentlich powern.
Bis in den späten Freitagabend hinein und sonnabends von 9 bis
18 Uhr steht für sie bis Januar nächsten Jahres
Unterricht in Stimme und Singen, Rhythmuserfahrung, Musik und
Bewegung sowie Instrumentalspiel auf dem Plan. Hinzu kommen noch
lernpsychologisches und musikphysiologisches Hintergrundwissen
sowie methodisch-didaktische Anregungen für die praktische
Umsetzung im Arbeitsalltag. Vor allem darum geht es bei der
Fortbildung. Kinder an Musik heranzuführen und sie anzuregen,
sich intensiver mit ihr zu beschäftigen.
Damit soll Musikschulen und
Musikfachkräften keineswegs Konkurrenz gemacht werden, betont
Ute Welscher, Projektleiterin für musikalische Bildung bei der
Bertelsmann-Stiftung. Es gehe vielmehr darum, den "sicheren und
selbstbewussten Umgang mit den eigenen musikalischen
Fähigkeiten zu vermitteln", damit man Mädchen und Jungen
in Kindertageseinrichtungen ein ansprechendes Vorbild sein
könne und eine Umgebung schaffe, die den Kindern
vielfältige musikalische Reize beschert. Ute Welscher:
"Gemeinsames Singen und Tanzen, Bewegungsspiele, Klatsch- und
Fingerspiele sowie das Experimentieren mit Klängen und
Geräuschen sind Anregungen, die Kinder benötigen, um ein
eigenes musikalisches Handlungsrepertoire entwickeln zu
können."
Hoch motivierte Erzieherinnen
Die Kursteilnehmerinnen sind nicht nur hoch
motiviert. Sie lassen sich diese Motivation inklusive
Abschlussarbeit auch etwas kosten. Rund 450 Euro pro Person
müsse man für die Fortbildung rechnen, sagt Ute Welscher.
Die Bertelsmann Stiftung schießt pro Person 125 Euro hinzu.
Auch wenn die Träger zu den Gebühren noch etwas
beisteuern, für den Großteil der Fortbildungskosten
greifen die Erzieherinnen und Erzieher in die eigene Tasche.
"Würden wir die Fortbildung mit einer höheren Summe
bezuschussen", so die Projektleiterin der Bertelsmann Stiftung,
"ist die Chance geringer, dass das Projekt
weiterläuft."
Noch ist "Kita macht Musik" Modellversuch in
nur einem Bundesland. Ziel ist jedoch, das Kooperationsmodell
zwischen Kindertagesstätten, Volkshochschulen und Musikschulen
auch auf andere Bundesländer zu übertragen. Und zwar ohne
Bezuschussung. Von Seiten der Stiftung ist das Projekt bis Mitte
2007 genehmigt.
30 niedersächsische Kommunen machen
derzeit mit. Ein großes Interesse, das Ute Welscher auch wegen
der hohen Rückmeldequote freut. Zum Projekt gehört eine
Evaluation, die den Einfluss der Fortbildung auf die
Häufigkeit und Qualität der musikalischen Angebote in den
Kindertagesstätten beleuchtet und die Kooperation zwischen
Volkshochschule und Musikschule in den Blick nimmt, auch um zu
sehen, in welchen Bereichen das Projekt noch
verbesserungsbedürftig ist. Im kommenden Jahr liegen die
Ergebnisse der Evaluation dann schriftlich vor, so dass andere
Bundesländer von den Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren
und die Übertragbarkeit des Konzepts prüfen könnten.
Ute Welscher hofft auf einen Schneeballeffekt von Verband zu
Verband. Interesse ist bereits signalisiert worden.
Internet:
www.bertelsmann-stiftung.de
Die Autorin ist Historikerin und arbeitet als
freie Journalistin in Bremen.
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