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Herbert Grab
"Freude lernt leicht und trägt weit"
Künstler, Pädagogen und Schüler
erschließen neue Wege
Freudig lernen - angesichts mancher schulischen Realität
mutet das an wie ein Bild aus fernen Zeiten. In der Verbundschule
der hohenlohischen Gemeinde Schrozberg läuft seit drei Jahren
ein Pilotprojekt mit dem Ziel, freudiges Lernen in unseren Tagen
Wirklichkeit werden zu lassen. Künstler, Pädagogen und
Schüler sind dort der vertrauensbildenden Wirkung auf der
Spur, die freies Gestalten auf die Lernatmosphäre und auf
jeden Einzelnen ausübt. Das Kultusministerium
Baden-Württemberg, die Robert Bosch Stiftung und die
gemeinnützige Akademie für Information und Management
unterstützen das Projekt. Jetzt soll es auf andere Schulen
ausgeweitet und in die Lehrerfortbildung einbezogen werden.
"In den Sommerferien gehe ich zehn Tage lang in die Schule - zu
einem Workshop." Vanessa König besucht die neunte Klasse
Hauptschule der Verbundschule in Schrozberg. Und wenn sie zehn Tage
ihrer Sommerferien in der Schule verbringt, dann ist das für
sie alles andere als ein Opfer. Ebenso wenig wie für ihre
Mitschülerinnen und Mitschüler, die dabei sind.
"the ART of learning"
Seit drei Jahren ist Vanessas Schule Schauplatz eines viel
versprechenden Experiments im Spannungsfeld zwischen Kunst und
Bildung. Dessen Ziel, so der Initiator Kurt Bubeck, Musiker,
Komponist und früher selbst Musiklehrer: "Es geht darum,
Verständnis für den hohen Wert freien Gestaltens zu
wecken und dies sozial robust in Schule und Gesellschaft zu
verankern. Denn aus freiem Gestalten erwächst freies Denken
und Handeln, erwachsen kommunikative Offenheit, soziale Kompetenz
und das Gefühl für die Kraft eigener Initiative." Das
alles, ist Bubeck überzeugt, sind wesentliche Elemente einer
friedlichen, sozialen Gesellschaft, die ihre Probleme kreativ und
mit Sinn fürs Gemeinwohl löst.
Rund zwanzig Künstler - vom Musiker und Komponisten
über Filmemacher, Maler und Schriftsteller bis hin zum
Regisseur und Choreographen - arbeiten in Schrozberg unter dem
Titel "the ART of learning" mit Lehrern und Schülern zusammen.
Sie bemalen einen bislang ungenutzten Raum, entwickeln gemeinsam
Theaterstücke und führen sie auf, komponieren eigene
Lieder, trommeln in Percussions-Workshops oder lernen, mit freiem
Gesang auf eine Situation zu antworten. Vardan Bubeck, in der
Künstlergruppe zuständig für den Bereich Theater:
"Kreativität braucht zuerst Freiwilligkeit und ein angstfreies
Sich-Einlassen auf die Situation. Wir öffnen Räume, in
denen die Jugendlichen spüren und umsetzen können, was
sie wirklich wollen. Das macht neugierig und hilft ihnen ihr
schöpferisches Potenzial zu erschließen. Die Kinder
entdecken plötzlich, wie viel Spaß es macht, kreativ zu
sein."
Eine Einschätzung, die Dorothea Conrad, Musiklehrerin in
Schrozberg, bestätigt: "Als wir mit unserer Zehnerklasse die
Idee hatten, eigene Abschluss-Songs zu komponieren, entwickelte
sich daraus ziemlich schnell ein erstaunlich lebendiger kreativer
Prozess." Das begann damit, dass die Schüler sich entgegen der
ursprünglichen Vorgaben ihrer Lehrerin selbst zu Gruppen
zusammenfanden. In diesen Gruppen entstanden fünf sehr
unterschiedliche musikalische Lösungen zum gemeinsamen Thema.
"Die Schüler erlebten als sehr positiv, dass sie hier einen
Freiraum hatten, in dem sie nicht gegängelt wurden. Und sie
waren selbst erstaunt, welche Talente in ihnen schlummern."
Dass mit den Aktionen von "the ART of learing" gleich die ganze
Schule im positiven Sinne umgekrempelt wird, "ist natürlich
nicht der Fall", dämpft Brigitte Löchner, Klassenlehrerin
einer dritten Grundschulklasse in Schrozberg, allzu hohe
Erwartungen. "Aber die Künstlergruppe setzt offene, kreative
Impulse in den vielfach formalistischen und hierarchischen
Strukturen des Schulalltags."
Impulse, die nicht sofort "in abprüfbare Ergebnisse
münden", aber dennoch für die Entwicklung junger Menschen
sinnvoll und wichtig seien. Sie jedenfalls habe beobachtet, dass
die Aktionen und Workshops nicht wenige Schüler
"sensibilisiert haben für Mitarbeit. Sie fühlen sich
verantwortlich und als wichtigen Teil der kreativen Prozesse".
Unter anderem sei damit ein guter Nährboden für die
Arbeit an einer Schulcharta geschaffen worden, "in der wir
gemeinsam ein Fundament für das Selbstverständnis unserer
Schule definieren wollen", erklärt Brigitte Löchner. Und
sie verweist auf die neuen Bildungspläne, "die
erklärtermaßen die Sozialkompetenz der Schüler
fördern und sie in Entscheidungsprozesse einbinden wollen. Im
Grunde tun wir genau das in diesem Projekt."
Kompetenz stärken
Die Robert Bosch Stiftung hat das dreijährige Modell von
Schrozberg im Rahmen ihres Programms "Kreation Schule" mit 90.000
Euro gefördert. "Unser Ziel ist, die musische Kompetenz bei
Schülern zu stärken", schildert Frank Albers,
Projektleiter Kunst und Kultur bei der Robert Bosch Stiftung, das
Anliegen der Stiftung. "Hier haben die Akteure mit relativ geringen
Mitteln Großartiges bewirkt - übrigens auch was die
Profilbildung für die Schule angeht. Wir werden Schrozberg
ganz sicher anderen Schulen als Modell präsentieren."
Inzwischen haben die beteiligten Künstler und
Pädagogen aus ihren Ideen und Aktionen eine Vielzahl konkreter
Unterrichtsprojekte entwickelt. Sie sollen jetzt über
Schrozberg und das bisherige Schulmodell hinaus zum Einsatz kommen.
Mit im Boot ist dabei die gemeinnützige Akademie für
Information und Management Heilbronn-Franken (AIM). Sie will
Angebote der Künstlergruppe in ihre Bildungsarbeit für
Schüler und Lehrer integrieren. AIM-Geschäftsführer
Harald Augenstein: "Wir sehen darin eine Bereicherung unserer
Bildungsangebote und eine Hilfe, um Schulen bei ihrer
Weiterentwicklung und der Weiterentwicklung ihres Schulklimas zu
unterstützen."
Der Autor ist freier Journalist und lebt in Pliezhausen.
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