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Florian Kain
Künstlerische Frischzellenkur
Das St. Pauli Theater in Hamburg
Die Erwartungen waren hoch, als in Hamburg vor zwei Jahren
bekannt wurde, dass ausgerechnet Ulrich Waller zum neuen
Künstlerischen Leiter des St. Pauli-Theaters avancieren
würde. Ulrich Waller - das war ein Name, den man in der
Hansestadt nach acht schwierigen, aber erfolgreichen Jahren an den
Hamburger Kammerspielen eher mit dem ernsten Fach als mit der
leichten Muse verband, für die das St. Pauli-Theater in der
mehr als 160 Jahre zählenden Geschichte seiner Existenz vor
allem stand.
Doch das einzige Hamburger Theater, das 1943 ohne Bombentreffer
blieb - es brauchte einfach dringend eine künstlerische
Frischzellenkur. Waller wurde dieser Job zwar zugetraut. Doch der
Neid auf das neue Engagement hielt sich in der Theaterszene dennoch
in Grenzen. Das lag an den schwierigen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen, denen sich Waller freiwillig aussetzte:
Schließlich wechselte er von den staatlich subventionierten
Kammerspielen zu einem Privattheater, das allenfalls für
bestimmte Stücke Projektförderung erhalten konnte. Das
lag aber auch an dem künstlerischen Wagnis: 15 Jahre lang
hatte das Hamburger Publikum im St. Pauli-Theater nur noch
Gastspiele, aber keine eigenen Inszenierungen mehr erlebt. Dem
Renommee des Hauses war das nicht gerade zuträglich. Und
Waller war fest entschlossen, eine Kehrtwende einzuleiten.
Hommage an den Kiez
Dabei gab er aber nicht den radikalen Regisseur, der partout
alles Etablierte auf den Kopf stellte. Sondern er knüpfte
schon in seiner ersten Spielzeit 2003/2004 konsequent an die
Tradition des alten Hamburger Volkstheaters an. Was Waller wollte,
davon bekam das Publikum der Elbmetropole schon nach der Premiere
des ersten Stücks eine Ahnung, mit dem die Neupositionierung
des Hauses begonnen wurde. Es hieß "Auf der Reeperbahn - die
St. Pauli-Revue". Eine Geschichte ausgerechnet jener Meile, auf der
das Theater auch selbst zu Hause ist, eine Revue aus zehn Sketchen
und Liedern, mit bekannten Hamburger Figuren wie der
"Zitronen-Jette" oder dem Tenor Richard Tauber. St. Pauli wie es
singt und tanzt. Eine Hommage an den Kiez zwischen 1814 und 1943,
wie er in der einheitsgrauen Realität längst nicht mehr
existiert. Und ein großer Erfolg. Denn die Hamburger lieben
es, wenn man ihrer Stadt die Referenz erweist - und Waller liebt
Hamburg und seine Geschichten.
Der Neustart glückte durch das Engagement von
Bühnenstars wie Ulrich Tukur, Eva Mattes, Christian Redl,
Monica Bleibtreu und Hannelore Hoger, von denen viele mit und unter
Waller bereits an den Kammerspielen gearbeitet hatten. Weitere
Hamburg-Hommagen wie "Der Lord von Barmbek" oder "Die Jungs mit dem
Tüdelband" wechselten sichin der Folgezeit mit anspruchsvollen
Neu-Inszenierungen wie Edward Albees "Wer hat Angst vor Virgina
Woolf", "Drei Mal Leben" von Yasmina Reza oder einer Wallerschen
Variante der "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht ab. Dazu kamen
weiterhin Gastspiele bekannter Kabarettisten, wie sie auch schon
vor Wallers Einstieg im St. Pauli-Theater zu sehen waren.
In insgesamt 822 Vorstellungen konnte das Kiez-Theater mit
dieser Mixtur bis Ende der zweiten Spielzeit immmerhin 346.000
Zuschauer anlocken. Der seit dem Führungswechsel erzielte
Umsatz beträgt 7.615.000 Euro. Ein Ergebnis, durch das sich
Waller, der das Haus gemeinsam mit Direktor Thomas Collien
führt, in seiner Überzeugung gestärkt sehen kann,
dass sich mit guter, intelligenter Unterhaltung durchaus Geld
verdienen lässt.
Aber reicht das auch zum Überleben? In der Vergangenheit
trotzdem gerade so. Denn Theater ist teuer. "Nach jeder Produktion
stehen wir finanziell mit dem Rücken zur Wand", gibt Waller
zu. Auch der engagierte Förderkeis, den Collien und Waller im
Rü-cken haben, kann daran nichts grundlegendes ändern.
Wichtiger ist das Sponsoring, ohne das in der Vergangenheit sicher
vieles nicht möglich gewesen wäre. In der Hapag
Lloyd-Stiftung hat das St. Pauli-Theater einen treuen Hauptsponsor
gefunden, der gerade um zwei Jahre verlängert hat. Das Logo
prangt auf allen Werbeplakaten des Hauses. Seit Juli 2005 gibt es
mit der König Brauerei und dem Eintrittskartenanbieter Ticket
Online sogar noch zwei weitere Geldgeber. Bislang liegen die
hierdurch eingenommenen Beträge bei 740.000 Euro. Doch das
alles sind dennoch nur "Tropfen auf dem heißen Stein", wie
Collien zugibt. Und auch die Projektförderung der
Kulturbehörde - in den zurückliegenden zwei Jahren gut
100.000 Euro - können die fehlenden Subventionen, die die
Stadt anderen Privattheatern durchaus gewährt, nicht ersetzen.
In den zurückliegenden zwei Jahren haben Waller und Collien
deshalb manches Mal auch in ihre Privatschatullen gegriffen, um
künstlerische Ideen nicht an der finanziellen Wirklichkeit
scheitern zu lassen. "Das geht künftig nicht mehr", sagen
beide. Und beantragen für die Spielzeit 2006/2007 deshalb
erstmals 500.000 Euro Subventionen von der Stadt.
Beide betonen, dass sie keine andere Möglichkeit sehen, das
Niveau der Inszenierungen sonst weiter auf diesem Level zu halten.
Die Kulturbehörde müsse sich überlegen, wieviel ihr
das St. Pauli-Theater wert ist. Eines ist klar: Das Theater ist mit
einem beeindruckenden Programm in Vorleistung gegangen. Der Erfolg
der vergangenenen zwei Jahre erhöht die Chancen, dass das
Begehren wohlwollend geprüft wird. Und um den Druck auf
Kultursenatorin Karin von Welck auf sanfte Weise noch etwas zu
erhöhen, "droht" das Haus in Hamburg derzeit auf Plakaten mit
dem Schauspieler Ulrich Tukur als Bankräuber: "Für gutes
Theater machen wir alles."
Der Autor ist Volontär beim "Hamburger Abendblatt".
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