Johanna Metz
Stimmenfang mit Stars und Sternchen
Wahlkampf 2005: VIPs sind bei den Parteien
heiß begehrt
Welcher Promi ist noch frei?" - Das könnte in diesen Tagen
eine häufig gestellte Frage in den Wahlkampfzentralen der
Parteien sein. Denn in der heißesten Phase des
Wähler-Werbens sind die VIPs begehrt wie nie: Die Parteien
überbieten sich im Sammeln von so genannten "Testimonials" von
Schauspielern, Künstlern und Unternehmern, auf den
Wahlkampfseiten im Internet wurden dafür sogar eigene Rubriken
geschaffen.
So erklären in der "CDU-Unterstützergalerie" Stars wie
Modemacher Wolfgang Joop oder Hollywood-Re-Import Ralf Moeller ihre
Sympathie für die Christdemokraten, die Grünen
können mit Nina Hagen und Hella von Sinnen punkten. Die FDP
hält mit Michael Stich und Bernhard Brink dagegen, die
Linkspartei.PDS mit Peter Sodann und Hermann Kant. Den
"Unterstützerrekord" hält aber die SPD: 1.500 Menschen
haben mittlerweile den Aufruf der Wahlinitiative "Aktion für
mehr Demokratie" unterschrieben, da-runter 80 bekannte
Persönlichkeiten wie Hannelore Elsner, Iris Berben oder Wim
Wenders. Täglich kommen neue VIP-Statements hinzu, einige sind
sogar per Video-Stream auf der Seite abrufbar. In der
Wahlkampfzentrale der SPD ist man erfreut über diese Resonanz,
wohl aber auch etwas überfordert: "Es melden sich so viele
Promis bei uns, wir wissen gar nicht, wo wir die alle unterbringen
wollen."
Was aber nützt so viel prominenter Rückenwind den
Parteien? Darüber ist man in den Parteizentralen geteilter
Auffassung. Bei der CDU glaubt man schon, "den einen oder anderen
überzeugen zu können, der durch ein reines politisches
Statement nicht zu überzeugen ist". Bei der FDP geht man sogar
so weit anzunehmen, man könne über die Stammklientel
hinaus neue Wähler gewinnen: "Wenn ein Prominenter, dem der
Wähler traut, unsere Partei empfiehlt, wird man sich uns eher
zuwenden als ohne Empfehlung", sagt der stellvertretende
FDP-Pressesprecher Wulf Oehme.
Das aber sieht der Parteienforscher Everhard Holtmann anders:
"Der mutmaßliche Effekt der Werbung mit Prominenten ist sehr
bescheiden einzuschätzen", meint er, "er bewegt sich im
Marginalen." In den USA sei es ja auch
Präsidentschaftskandidat John Kerry nicht gelungen, die Wahlen
für sich zu entscheiden - trotz massiver Unterstützung
aus Hollywood.
Das aber hält die Parteien nicht davon ab, weiterhin mit
Prominenten zu werben, denn das hat auch hierzulande eine gewisse
Tradition: Erstmals mischten sich 1969 bekannte
Persönlichkeiten in den Wahlkampf ein, 1972 erreichte die
Emotionalisierung der Politik ihren absoluten Höhepunkt.
Unzählige Künstler und Intellektuelle identifizierten
sich damals mit Bundeskanzler Willy Brandt und seiner neuen
Ostpolitik, der Schriftsteller Günter Grass begleitete den
Sozialdemokraten sogar auf seinen Wahlkampfreisen und hielt
flammende Reden, vor allem in CDU-Hochburgen. Die Parole dieser
Zeit: "Willy wählen!".
Waren die 68er also die Vorboten einer neuen Wahlkampf-Kultur?
Nicht ganz, denn in den Jahren danach erwiesen sich die VIPs als
etwas sperrig: Lange nicht mehr haben sie sich so aktiv in den
Wahlkampf eingemischt und so klar Stellung für eine bestimmte
Politik bezogen wie in Willys Zeiten. Heute freuen sich die
Parteien, wenn Alt-Schlager-Star Roland Kaiser auf
SPD-Veranstaltungen singt oder Schauspieler Ralf Moeller im
Adenauer-Haus seine Muckis zeigt. Denn die meisten VIPs
beschränken sich auf viel weniger: ein kurzes Statement auf
einer Wahlkampfseite oder eine Unterschrift auf einer
Unterstützerliste.
Verzichten möchte auf diese Sympathiebekundungen aber keine
Partei mehr. Die Stars gehören heute eben zum Wahlkampf wie
das Kanzlerduell oder die Lasershow beim Auftritt der Kandidaten.
Und es schadet ja auch nicht. Die ein oder andere Partei mag sich
nur insgeheim eines wünschen: Einmal so viele Wähler
haben wie Roland Kaiser Fans.
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