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Patrick Brauckmann/Volker
Müller
Pioniergeist in der Baracke
Damals... vor 35 Jahren am 15. September: "heute
im bundestag" erscheint zum ersten Mal
Wenn Kanzler und Oppositionsführerin sich im Bundestag ein
Rededuell liefern, fangen die Fernsehkameras die Bilder ein und
gehen die Sätze über die Ticker der Nachrichtenagenturen.
Wenn dagegen in den Ausschüssen an strittigen Formulierungen
in Gesetzestexten gefeilt wird, hat die Öffentlichkeit keinen
Zutritt. Dass sie dennoch etwas darüber erfährt, ist
"heute im bundestag" (hib) zu verdanken, dem Pressedienst des
Parlaments. Vor 35 Jahren, am 15. September 1970, ist die erste
Ausgabe von "hib" erschienen.
"Mehr Demokratie wagen" hieß die Losung des damaligen
Bundeskanzlers Willy Brandt. Im Bundestag gewannen Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit an Bedeutung. Noch bis 1969 wurden
Presseaufgaben für den Bundestagspräsidenten lediglich
vom Präsidialbüro wahrgenommen. Doch ein Jahr später
wurde das Presse- und Informationszentrum gebildet, bestehend aus
den drei Referaten Presse/Rundfunk/Fernsehen,
Parlamentskorrespondenz und Öffentlichkeitsarbeit. Hinter dem
sperrigen Begriff "Parlamentskorrespondenz" verbarg sich eine neu
geschaffene, lupenreine Nachrichtenredaktion. Sie hatte den
Auftrag, den Abgeordneten und Journalisten praktische Arbeitshilfe
zu geben und der Öffentlichkeit "die Funktionen unseres
Parlaments zu verdeutlichen", wie es Bundestagspräsident
Kai-Uwe von Hassel (CDU/CSU) in einem Grußwort
formulierte.
Dieser Aufgabe sollten die Parlamentskorrespondenten, allesamt
gestandene Agentur- und Zeitungsjournalisten, durch einen neuen
Pressedienst nachkommen. "hib" wurde auf Umweltpapier gedruckt,
hatte einen knalligen roten Punkt als Erkennungszeichen auf jeder
Seite und verbreitete mit Schreibmaschine geschriebene
Kurznachrichten aus dem Parlament. Adressaten waren in erster Linie
die Nachrichtenagenturen. Der Schwerpunkt lag von Anfang an auf der
Berichterstattung aus den Bundestagsausschüssen, die in der
Regel nichtöffentlich tagen. Die "hib"-Redakteure durften die
Sitzungen mitverfolgen und verfassten Meldungen über
Beschlüsse und Debattenverläufe. Namen von Abgeordneten
wurden von Anfang an nicht genannt, um den nichtöffentlichen
Charakter der Sitzungen zu wahren. Vielmehr kam es darauf an, der
breiten Öffentlichkeit die Haltung der Fraktionen zu
politischen Sachfragen so neutral und ausgewogen wie möglich
darzustellen. Neben handwerklichem Können erforderte dies
sowohl Sachkenntnis als auch politische Sensibilität. Erster
Chefredakteur von "hib" war der 1999 verstorbene Hansjoachim
Höhne, ein profilierter Agenturjournalist und Buchautor. Neben
der Ausschussberichterstattung bedient "hib" die Presse seit 35
Jahren auch mit Meldungen über alle Initiativen, die im
Parlament eingebracht werden: Gesetzentwürfe und Anträge,
Anfragen der Fraktionen und die dazugehörigen Antworten der
Bundesregierung sowie Unterrichtungen durch die Regierung.
Als die erste Ausgabe von "hib" erschien, hatte sich das
Parlament nach der Sommerpause gerade zur Haushaltsberatung
zusammengefunden. "Bundeshaushalt vorgelegt" war die erste Meldung
überschrieben. Doch neben trockenen Zahlen hatte die Redaktion
auch ein "buntes" Thema anzubieten: "Es riecht nach Lack und
frischer Farbe" lautete der Titel einer Meldung über die
Renovierung des damaligen Bonner Plenarsaals. Die Redaktion musste
zunächst in einer Baracke außerhalb des Bundeshauses ihr
Quartier aufschlagen.
Ein Mann der ersten Stunde ist Hans Leptien, der mit 27 Jahren
von den "Kieler Nachrichten" nach Bonn wechselte. "Das war eine
recht abenteuerliche Startphase. Schließlich haben wir mit der
Berichterstattung aus dem Parlament und den Ausschüssen etwas
bisher auf der Welt Einmaliges gemacht. Unsere Tätigkeit war
ein Novum ohne Vorbild", erinnert sich der heutige
Unterabteilungsleiter im Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages.
"Es hat einige Zeit gedauert, bis die Bericht-erstatter aus unserem
Referat von den Abgeordneten und den Mitarbeitern des Bundestages
voll akzeptiert wurden." Die Abgeordneten seien nicht immer
begeistert gewesen über die Redakteure aus dem eigenen Haus.
Vor allem in den ersten Jahren sei es zu einigen Spannungen
gekommen. Der Pioniergeist der Gründertage habe aber
dafür gesorgt, dass die Motivation enorm hoch war. Allein in
den ersten vier Monaten erschienen 117 Meldungen. Optisch hat sich
der Pressedienst in den 35 Jahren leicht verändert. Der
knallige rote Punkt der ersten Ausgabe ist verschwunden. "hib"
präsentiert sich auf heute auf hellerem Papier mit blauem
Balken, vor allem aber im Internet unter "www.bundestag.de".
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