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K. Rüdiger Durth
Lehmann erneut im Amt bestätigt
Deutsche Bischofskonferenz
Stunde des Aufbruchs?" hatte der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, seinen Vortrag zum
traditionellen St. Michael-Jahresempfang der katholischen Kirche am
27. September in Berlin überschrieben. Auch wenn er an diesem
Abend mit keinem Wort auf die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag in
der überfüllten Katholischen Akademie einging, so kannte
doch jeder den Adressaten. Das politische Berlin wurde unter
anderem vertreten durch die Bundesminister Otto Schily und Manfred
Stolpe (beide SPD) sowie die Vorsitzenden von CDU und Bündnis
90/Die Grünen, Angela Merkel und Reinhard Bütikofer.
Der lang anhaltende Beifall drückte die hohe
Wertschätzung für den 69-jährigen Mainzer Kardinal
aus, der wenige Tage zuvor auf der Herbstvollversammlung der
Deutschen Bischofskonferenz in Fulda zum vierten Mal für sechs
Jahre zum höchsten Repräsentanten der 27 Millionen
katholischen Christen in 27 Diözesen gewählt worden war.
Bestätigt wurden ferner sein Stellvertreter, der
64-jährige Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff sowie der
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans
Langendörfer. Auch Prälat Karl Jüsten, der Leiter
des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, bleibt die
nächsten sechs Jahre im Amt als Ansprechpartner der
katholischen Kirche für Parlament und Regierung.
Vertrauensverlust der Parteien
Die knapp 70 deutschen katholischen Bischöfe hatten sich
auf ihrer Herbstvollversammlung vom 19. bis 22. September in Fulda
intensiv mit dem Ergebnis der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
auseinandergesetzt. Sie forderten die Verantwortlichen auf, die
Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien genau auszuloten. Auf den
Politikern laste nun eine große Verantwortung, stellten die
katholischen Bischöfe fest, "die ihnen Mut, Demut und
Beharrlichkeit in der politischen Führung abverlangt". Dabei
sei der Vertrauensverlust hoch, den besonders die großen
Parteien erlitten hätten.
Im Anschluss an die Beratungen der katholischen Bischöfe
warnte Kardinal Lehmann davor, wegen des unübersichtlichen
Wahlergebnisses nun keine Reformen mehr zu wagen oder in Angriff zu
nehmen: "Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass fast
fünf Millionen Menschen in unserem Land arbeitslos sind." Die
neue Bundesregierung müsse "substanzielle Beiträge" zur
Bekämpfung der strukturellen Massenarbeitslosigkeit leisten.
Er forderte die Parteien auf, Gräben zu überwinden und
eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Nicht zuletzt
müssten die Interessen der Familien besser berücksichtigt
werden.
Kardinal Lehmann in Fulda: "Eine verantwortungsbewusste Politik
darf nicht mehr versprechen als sie halten kann. Eine von
Vorurteilen und Pauschalierungen genährte Politik, die
einfache Lösungen für komplexe Sachverhalte anbietet,
kann die Zukunft nicht gewinnen. Neid zwischen gesellschaftlichen
Schichten zu schüren, ist unverantwortlich."
Auch in seiner Rede "Stunde des Aufbruchs?" auf dem St.
Michaels-Empfang vermied Kardinal Lehmann alles, um von einem
politischen Lager in Anspruch genommen zu werden. Er stellte das
Grundsätzliche heraus, das den meisten Parteien
gleichermaßen am Herzen liegen sollte, vor allem aber im
Interesse der Gesellschaft dringend gelöst werden müsse.
So ist er davon überzeugt, dass die allermeisten Menschen
durchaus wissen, dass sie sich bewegen müssen, "aber sie
wollen nicht in Reformen hineingehetzt werden, zumal viele sich oft
als schlecht kalkuliert, überstürzt und fehlerhaft
gezeigt haben." Wer wirklich Mut zum Aufbruch habe, der sei auch
bereit zur Reform, wenn sich diese als notwendig erweise.
Die politisch Verantwortlichen mahnte Lehmann, die Gunst der
Stunde zu nutzen, wichtige Dinge anzupacken und diese nicht wieder
zu verschlafen. Was rechnet Kardinal Lehmann zu diesen wichtigen
Dingen? Es geht zunächst einmal darum, die Folgen der
demografischen Entwicklung endlich zur Kenntnis zu nehmen und die
notwendigen Entscheidungen zu treffen. Nicht mehr länger
dürfen die "schöpfungsmäßigen
Lebensbedingungen" zerstört oder gefährdet werden, ohne
an die Zukunft junger Menschen zu denken. Den künftigen
Generationen würden "geradezu unbezahlbare Lasten" auf die
Schultern geladen.
Keine Angst vor der Globalisierung
Für die Politiker ist es aus der Sicht von Kardinal Lehmann
wichtig zu wissen, dass sie nicht allein sind, wenn sie den
Aufbruch wagen. Dabei erinnerte er an Abraham, der einst von Gott
den Befehl erhalten habe, aus seinem Haus und seinem Land zu gehen.
Wenn er dies tue, werde auf ihm viel Segen ruhen. Kardinal Lehmann:
"Nur wenn wir den Aufbruch wagen, werden wir auch, wie die
Verheißung Gottes lautet, füreinander ein Segen sein."
Zugleich ruft er den Politikern zu, keine Angst vor frischem Wind
zu haben: "Wir dürfen auch keine Angst haben vor der
Stärke des Anderen. Auch nicht vor der Globalisierung. Wir
stehen dabei nie allein. Wir haben einen Gott, der uns beim
Aufbruch begleitet."
Zugleich fragte Kardinal Lehmann nach den Vorbildern, die nicht
nur für junge Menschen wichtig seien. Es komme dabei nicht auf
Stars und Sternchen an, bei denen es meist um nichts anderes als um
Geld gehe. Vielmehr seien "lebendige Beispiele" gefragt. Erfreulich
sei, dass die jungen Menschen die Suche nach Vorbildern nicht
aufgegeben haben und immer auch wieder solche finden - etwa im
verstorbenen Papst Johannes Paul II. oder dem ermordeten
90-jährigen Taize-Gründer Roger Schutz.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz brach nicht
zuletzt vor dem Hintergrund des XX. Weltjugendtages im August 2005
in Köln für die Jugend eine Lanze. Man könne ihr
etwas zutrauen. Sie habe durchaus Mut zur Zukunft.
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