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Susanne Sitzler
Ich habe keine israelischen Freunde
Jacky, palästinensische
Schülerin:
Jacky Al Arja ist 16 Jahre alt. Sie ist Palästinenserin und
Schülerin einer ganz besonderen Schule in Beit Jala, die
mitten auf der "grünen Grenze" liegt, einer unsichtbaren, aber
vorhandenen Trennlinie zwischen Israel und dem Westjordanland.
Wenn Jacky morgens ihre Schule betritt, benutzt sie den
Hintereingang, denn der liegt im so genannten A-Gebiet, das unter
palästinensischer Verwaltung steht. Ihre
palästinensischen Mitschüler aus dem israelischen Teil
benutzen den Vordereingang, der zur israelisch verwalteten C-Zone
gehört. Nur zehn Prozent der Schüler kommen von "jenseits
der Grenze", wie Schulleiter Georg Dürr erklärt. Doch um
die macht er sich Sorgen. Denn die israelische Regierung plant, die
Mauer zur Westbank direkt vor seiner Schule verlaufen zu lassen.
Wenn es dort dann keinen eigenen Durchgang für seine
Schüler gibt, werden nur noch Palästinenser zum
Unterricht kommen können - der Umweg über andere
Checkpoints dauert einfach zu lang.
Noch eine weitere Besonderheit gibt es an Jackys Schule: Sie
steht unter der Trägerschaft des Berliner Missionswerks und
hat eine spezielle Aufgabe: die Versöhnung zwischen Christen
und Muslimen. Jacky und ihre Familie sind Christen, wie rund 40
Prozent der Palästinenser in der Region um Bethlehem.
Jacky weiß, dass sie priveligiert ist, weil sie die Schule
"Talitha Kumi" - zu deutsch "Mädchen, steh auf!" - besuchen
kann. Die Schule ist um ein vielfaches teurer als andere. Aber
Jackys Famile kann sich das Schulgeld von rund 500 Dollar pro Jahr
leisten. Der Vater besitzt eine Kleiderfabrik, aus der auch die
Schuluniform der Jungen und Mädchen stammt: eine graue Hose
und ein weißes T-Shirt, auf dem die Friedenstaube zu sehen
ist. Jacky sagt, ihre Schule ist die allerbeste. Acht Stunden
Unterricht hat sie am Tag, Englisch seit Klasse eins, Deutsch seit
Klasse drei.
Kontakt zu israelischen Jugendlichen hat Jacky nicht. Als
Palästinenserin darf sie nur mit besonderer Erlaubnis
über die grüne Grenze. "Ich habe keine israelischen
Freunde", sagt sie. "Aber wenn ich welche hätte, wären
die bestimmt nett!" Einmal sei sie mit Freunden unerlaubt über
die Grenze gefahren - zum nahegelegenen Toten Meer. Sie wollte
einfach baden und dachte sich: "Was soll passieren? Wenn sie uns
erwischen, schicken sie uns eben zurück." Alles klappte.
Gewalt hat Jacky aber auch erlebt. Vor ungefähr fünf
Jahren, zu Beginn der zweiten Intifada, sei ihr Haus von
israelischen Soldaten beschossen worden. Warum, weiß sie
nicht. Niemand wurde verletzt, doch Jacky war geschockt: "Das hat
mein Leben verändert. Ich habe mich so gefürchtet."
Computer und Technik liebt Jacky besonders. Über das
Internet kommuniziert sie mit ihrer älteren Schwester, die in
Zypern Grafikdesign studiert. Wenn Jacky die Schule beendet hat,
will sie auch studieren - in Bethlehem. Was genau, weiß sie
noch nicht. Aber ihr Vorbild ist Bill Gates. Eine Erfindung machen
wie er, das fände sie toll: "Bill Gates hatte auch einfach nur
eine geniale Idee", meint sie. Vielleicht hat sie auch einmal
eine.
Weg aus dem Westjordanland will Jacky nicht. Sie lebt gerne hier
und glaubt, dass sie keine schlechteren Zukunfts-chancen hat als
junge Mädchen anderswo.
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