|
|
Norbert Röttgen
Der Gedanke der Repräsentation soll
bestimmen
Geschäftsordnungsdebatte zur Festlegung der
Zahl der Stellvertreter des Bundestagspräsidenten
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir
müssen nunmehr über die Anzahl der Vizepräsidenten
des Deutschen Bundestages abstimmen. Die Fraktion der Grünen
hat darum gebeten, dass wir darüber nicht nur abstimmen,
sondern auch kurz debattieren. Darum möchte ich für
unsere Fraktion unsere Haltung begründen.
Bei der Frage, wie viele Vizepräsidenten es im Bundestag
geben soll, besteht eigentlich Konsens über das Prinzip, wie
wir das entscheiden wollen. Dieser Konsens findet Ausdruck in der
geltenden Geschäftsordnung. Dort ist nämlich geregelt,
dass jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten stellt.
Das macht den Gedanken deutlich, der dieses Prinzip trägt: Der
Gedanke der Repräsentation soll die Zahl der
Vizepräsidenten bestimmen.
Nicht etwa der Gedanke Kosten sparender Effizienz soll hier
maßgeblich sein. Es wird nicht gesagt: Wir haben einen
Präsidenten, dem dann zwei Vizepräsidenten zur Seite
gestellt werden. Vielmehr soll der Gedanke der Repräsentation
entscheidend sein. Dieser Gedanke ist nicht zuletzt auch Ausdruck
der Berücksichtigung der Interessen der kleineren Fraktionen,
die, wenn die Zahl der Vizepräsidenten kleiner wäre, dann
im Präsidium möglicherweise nicht berücksichtigt
werden könnten.
In der Logik dieses Gedankens der Repräsentation liegt es,
dass nunmehr die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages als
zweitstärkste Fraktion einen Anspruch darauf hat, zwei
Vizepräsidenten zu stellen; denn die Repräsentation - das
ist ein durchgängiges Prinzip unserer Arbeitsordnung -
hängt auch davon ab, wie stark die Fraktionen sind. Für
die SPD-Fraktion wäre es im Verhältnis zur kleinsten
Fraktion des Bundestages, die 51 Mitglieder stellt, nicht fair und
keine angemessene Repräsentation, wenn diese die gleiche Zahl
von Vizepräsidenten erhielte wie die SPD-Fraktion, die 222
Abgeordnete stellt, also mehr als viermal so viel.
Auch im Verhältnis zu den beiden großen Fraktionen ist
es nicht angemessen, wenn man der SPD-Fraktion nur einen
Vizepräsidenten gewährte. Die CDU/CSU-Fraktion hat vier
Sitze mehr als die SPD-Fraktion. Das ist ein kleiner, aber feiner
Unterschied, wie wir in den letzten Tagen und Wochen bemerkt haben.
Gelegentlich kommt es ganz entscheidend auf diesen Unterschied
eines kleinen Stimmenvorsprungs an, aber er spielt keine Rolle bei
der Repräsentation im Präsidium. Es wäre nicht
richtig, wenn die Unionsfraktion, die vier Sitze mehr hat als die
SPD-Fraktion, einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten
stellte und eine große Fraktion wie die SPD-Fraktion nur mit
einem Vizepräsidenten im Präsidium vertreten wäre.
Das empfänden wir als nicht richtig.
Die Unionsfraktion hat in dieser Frage seit über zehn
Jahren immer wieder dieselbe Position vertreten. Wir haben 1994 die
Initiative der grünen Fraktion unterstützt, die Regelung
einzufügen, dass jede Fraktion einen Vizepräsidenten
stellt. Damals war die SPD benachteiligt. Sie musste auf einen
Vizepräsidenten verzichten, um die kleine neue Fraktion
berücksichtigen zu können. Wir haben dem
ausdrücklich zugestimmt und 1994 diese neue Regelung
begrüßt.
Ich führe den Gedanken der Repräsentation deshalb so
ausführlich aus, weil ich Sie dafür kritisieren
möchte, dass Sie dem Gedanken der Repräsentation
zustimmen, solange er Ihre Interessen berücksichtigt, dass
aber Ihre Zustimmung an dem Punkt endet, wo er andere
begünstigt. Wir haben den Gedanken, den ich gerade
ausführe, bereits in der letzten Legislaturperiode vertreten.
Wir waren damals der Auffassung, dass die ungefähr gleich
großen Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit jeweils zwei
Mitgliedern im Präsidium vertreten sein sollten. Wir
wären damals die Begünstigten gewesen. Wir halten auch in
der gegenwärtigen Situation, in der die SPD-Fraktion durch
diese Regelung begünstigt wird, an unserer Auffassung
fest.
Wir sind der Auffassung - auch das ist ein Thema, das in den
letzten Wochen eine Rolle gespielt hat -, dass es in unserer
parlamentarischen Demokratie ein paar Regeln geben sollte, die bei
dem, was uns prägt - Kontroverse, Auseinandersetzung, Streit
-, unabhängig davon gelten, wer gerade Minderheit oder
Mehrheit ist. Ich glaube, dass solche Stabilität erzeugenden
Regelungen für die Arbeit in einer parlamentarischen
Demokratie sinnvoll sind.
(Beifall bei CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Darum bleiben wir im Sinne der Repräsentation bei unserer
Auffassung. Das kann man durchaus anders sehen. Ich wollte diese
Position unserer Fraktion noch einmal begründen.
Ich möchte abschließend zu diesem Thema noch die Bitte
äußern, dass wir in einer sehr wichtigen Frage - auch
wenn man in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein kann - den
Konsens der Demokraten erhalten und auch verteidigen, nämlich
gegenüber den immer wieder festzustellenden Bestrebungen,
unter fadenscheinigen Kostenargumenten die Institutionen der
parlamentarischen Demokratie zu diskreditieren. Diese
Bemühungen gibt es immer wieder.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Diejenigen, die diese Bestrebungen verfolgen, meinen es mit
unserer parlamentarischen Demokratie nicht gut. Wir sollten
denjenigen entschieden entgegentreten, die sagen, Demokratie solle
so organisiert werden, dass es am billigsten ist. Wir sollten
Demokratie so organisieren, dass wir eine möglichst lebendige,
stabile und repräsentative Demokratie haben. Das ist unser
Auftrag und das ist ein hohes Gut, das wir alle gemeinsam über
Grenzen hinweg verteidigen sollten. Von diesem Gedanken ist auch
unser Antrag getragen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Zurück zur
Übersicht
|