Volker Beck
Wir als Fraktion bleiben uns treu
Geschäftsordnungsdebatte zur Festlegung der
Zahl der Stellvertreter des Bundestagspräsidenten
Herr Präsident, ich möchte Ihnen zunächst einmal
im Namen meiner Fraktion herzlich gratulieren und Ihnen dennoch die
beste Zusammenarbeit anbieten. Das, was Sie zu den kleinen
Fraktionen gesagt haben, haben wir wohl gehört. Darauf wollen
wir gerne zurückkommen.
Es ist ja schon fast Tradition: Seit 1994 streiten wir zu Beginn
jeder konstituierenden Sitzung über die Größe des
Präsidiums. Die zweitgrößte Fraktion, einmal diese,
einmal jene, beantragt dann regelmäßig, sie möchte
gerne einen zweiten Vizepräsidenten stellen. Bislang wurde
dieses Begehren immer von der Mehrheit des Hauses mit guten
Gründen abgelehnt. Auch die Situation, dass wir fünf
Fraktionen und deshalb nach unserer Geschäftsordnung
logischerweise mindestens fünf Vizepräsidentinnen bzw.
Vizepräsidenten haben, ist nicht neu. 1998 hatten wir diese
Situation. Das Präsidium verständigte sich damals ohne
förmliche Änderung der Geschäftsordnung, dass bei
Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten den Ausschlag
gibt und damit die Mehrheitsposition der Koalition gewahrt bleibt.
Es gibt also keine parlamentarische Notwendigkeit für die
jetzige Erweiterung. Es gibt deshalb auch für diese
Zusatzkosten, die das gleichwohl bedeutet, keinen Grund. Wir wenden
uns ausdrücklich gegen diese Erweiterung und damit nicht gegen
die vorgeschlagenen Personen, die wir alle für dieses Amt
geeignet halten.
Mit unserer Haltung der Ablehnung der Erweiterung des
Präsidiums befinden wir uns allerdings in der besten
Gesellschaft. Ich darf, Norbert Röttgen, Ihren
Amtsvorgänger aus dem Jahre 1994, Jürgen Rüttgers,
zum damaligen Antrag der SPD zitieren:
Wir lehnen die von der SPD-Fraktion beantragte Erhöhung der
Zahl der Vizepräsidenten ab, weil sie mit der nach unserer
Auffassung zu Recht geforderten Straffung der Parlamentsarbeit und
der Bundestagsgremien nicht zu vereinbaren ist. Wir reden
allenthalben von notwendigen Sparmaßnahmen. Daher ist es nach
unserer Auffassung nicht gerechtfertigt, gleich bei erster
Gelegenheit eine Vergrößerung des Präsidiums
vorzunehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der FDP)
Recht hat er, der Kollege Rüttgers.
Diesen Kollegen Rüttgers zitiert dann im Jahre 1998 der
Kollege Wilhelm Schmidt, der Amtsvorgänger von Olaf
Scholz:
Ich kann heute hier nur feststellen: Recht hat er gehabt, der
Kollege Rüttgers
- sagt der Kollege Schmidt -,
auch wenn ich zugeben muss: Das haben wir erst ein bißchen
später richtig mitgekriegt.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Immerhin Selbstkritik!
Da wir bei dem ständigen Basteln an dieser
Geschäftsordnung, wie Sie es wünschen, meine Damen und
Herren
- diesmal sind die bösen Jungs und Mädchen von der CDU
gemeint -,
nicht mitmachen werden, werden wir heute mit der Mehrheit des
Hauses beschließen, daß es nach der vom Wähler
bestimmten Zahl der Fraktionen fünf Vizepräsidentinnen
und Vizepräsidenten geben wird, immerhin einen mehr als
bisher.
Das gilt auch für heute. Das können wir auch heute
wieder so haben.
Wilhelm Schmidt sagt im Jahre 2002:
… uns geht es darum, das Prinzip, das sich in diesem
Bundestag in den vergangenen acht Jahren eingeübt hat,
fortzusetzen, und zwar aus Überzeugung.
Wo ist sie denn hin, die Überzeugung?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und
der LINKEN)
Diese Parlamentsreform hat zu einer Verkleinerung dieses Hauses
um ungefähr 10 Prozent der Sitze geführt. Warum sollten
wir dann nicht auch konsequent das Präsidium verkleinern, wenn
sich die Chance dazu bietet?
Das meinte der Kollege Schmidt.
Ich stelle unseren Antrag, für jede Fraktion einen
Vizepräsidenten zu wählen, hier zur Abstimmung und bitte
um Ihre Zustimmung.
Das tun auch wir heute.
Mit dem Wechseln der Meinung bei dieser Frage ist es so eine
Sache. Ich sage Ihnen, lieber Kollege van Essen: Im Himmel ist -
das wissen Sie als Katholik - mehr Freude über einen reuigen
Sünder als über 99 Gerechte. Deshalb freue ich mich, dass
Sie die Position vom letzten Mal nicht wieder vortragen. Damals
haben Sie behauptet, es sei eine Frage der Fairness, dass auch die
zweitgrößte Fraktion mit zwei Personen im Präsidium
des Deutschen Bundestages vertreten ist.
Wir als Fraktion bleiben uns treu.
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU - Beifall
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben von 1994 bis heute gesagt: Jede Fraktion soll einen
Vizepräsidenten haben. Mehr braucht es nicht. Deshalb bitten
wir um Ablehnung des Antrages der großen Koalition.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
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