|
![](../../../layout_images/leer.gif) |
Almut Lüder
Die Bundeswehr als Friedensstifter und
Arbeitgeber
Für einen Berliner Lehrer gehört die
Armee zur politischen Bildung
Wir haben eine veränderte Sicherheitslage seit dem 11.
September 2001", bringt der Referent gleich zu Beginn seines
90-minütigen Vortrags das Thema auf den Punkt. Er rückt
die Probleme auf der Welt gebündelt ins Bewusstsein: den
klaffenden Unterschied zwischen Arm und Reich, das Machtspiel um
knappe Energieressourcen, das begrenzte Trinkwasseraufkommen, die
grassierenden Seuchen, die Vorherrschaft der Religionen. All das
schreit nach Verlässlichkeit in Form von Bündnissen -
seien es wirtschaftliche oder militärische - wie die EU, die
NATO, die UNO oder die OSZE.
Grundkurs Politische Weltkunde der 13. Klasse an der Berliner
Kopernikus-Oberschule. Der da vorne referiert ist kein Lehrer
sondern ein Leutnant der Marine. Er wirkt glaubwürdig.
Für die Schüler verkörpert er Wissen aus erster
Hand. Es handelt sich um den 31-jährigen Jugendoffizier der
Bundeswehr Ulf Jensen. Für viele Schüler ist es ihre
erste Begegnung mit einer militärischen Uniform. Hin und
wieder stellen sie dem Jugendoffizier präzise und direkte
Fragen: "Was wird getan, damit einzelne Länder nicht aus der
EU ausscheren, wie es bei der Frage einer Beteiligung am Irak-Krieg
geschehen ist?" Oder: "Wie kann sich Deutschland ohne die NATO
Gewicht verschaffen?"
Unter den Schülern herrscht gespannte Aufmerksamkeit. Nicht
zuletzt, weil ihnen ihr Kurslehrer Arnold Kobalz prophezeit, dass
der Vortrag des Offiziers Teil des Abiturstoffs sein werde. Denn
als der 59-Jährige eines Tages feststellte, dass viele
Schüler nur bruchstückhaftes Wissen über die
Bundeswehr haben, das mit etlichen Vorurteilen und
Schauergeschichten behaftet ist, ergriff er die Initiative und lud
den Jugendoffizier ein. "Die Bundeswehr hat einen Ruf, den sie
nicht verdient", begründet der Lehrer dies. Und Jensen
weiß nach zwei Jahren in seiner Funktion als Jugendoffizier zu
genau: "Die Bundeswehr ist bei den Jugendlichen kein Thema."
Saskias Bild von der Armee setzt sich wie ein Puzzle zusammen.
Ginge es nach der gebürtigen Berlinerin, deren Vater nicht bei
der Bundeswehr dienen musste, sollte der Wehrdienst freigestellt
sein. Ihr Bruder habe vor, zu verweigern. Der schlechte Ruf der
Bundeswehr rühre von der harschen Behandlung der Soldaten her,
denkt sie. Wenn sie mal einen Fehler begangen hätten, werde
ihnen gleich das freie Wochenende gestrichen. Saskia glaubt, auch
gute Seiten der Bundeswehr zu kennen. Sie finde es gut, dass die
Armee der Zivilbevölkerung bei den Hochwasserkatastrophen oder
im Auslandseinsatz hilft. Ihr sei die Bundeswehr auch aus
Erzählungen eines Freundes vertraut, der im Kosovo im Einsatz
war. "Er würde jederzeit wieder in den Auslandseinsatz
gehen."
Eingehend befasst mit der Bundeswehr hat sich der
20-jährige Akim. In Berlin geboren, hofft der Algerier bald
auf die deutsche Staatsangehörigkeit und erwägt nach dem
Abitur, Wehrdienst zu leisten. Er hat sich neulich beim Tag der
offenen Tür im Bundesverteidigungsministerium eingehend
informiert. Hier vermittelte die Bundeswehr einen Einblick in ihr
Können - vom Eurofighter bis zur Telemedizin, vom
Minenräumroboter TeODOr bis hin zur Ausbildung bei der
Eliteeinheit KSK (Kommando Spezialkräfte). "Aus meiner Sicht
ist die Bundeswehr eine sehr fortschrittliche Armee. Sie ist eine
Institution, die die Menschen und die Gesellschaft mit einbezieht,
die sich dem Reformwandel nicht verweigert. Sie macht Operationen,
die den Menschen dienen und nicht schaden. Mit dem Nein zum
Irak-Krieg hat sie für mich an Ansehen gewonnen", meint Akim.
Für ihn habe die Bundeswehr keine Einwirkung auf die
politische Bildung der Jugendlichen. Vielmehr richte sie sich als
Parlamentsarmee nach dem politischen Willen. Sind Armeen im 21.
Jahrhundert überhaupt noch zeitgemäß? Akim bejaht:
"Ein Land, das sich repräsentieren will, muss eine starke, gut
ausgerüstete Armee haben." Die Bundeswehr im Auslandseinsatz
setze sich für humanitäre Ziele ein und sei nicht
verhasst.
Zwei Schüler wollen sicher zur Bundeswehr gehen. "Ein
Mädchen möchte Pilotin werden." Als zart,
gefühlvoll, nett und nicht aggressiv charakterisiert es der
Lehrer. "Für mich ist es seit über einem Jahr ein
Lebenstraum", sagt die 19-jährige Stefanie, die auch Mitglied
der Segelflug-AG ihrer Schule ist. Sie möchte nach dem Abitur
erst einmal eine Ausbildung als Fluggerätemechanikerin machen.
Sie schätze die Bundeswehr, weil sie defensiv sei und einen
sicheren Arbeitsplatz biete. Auch der zweite Schüler lasse
keine "Rambo-Neigung" erkennen, sagt der Lehrer.
Ein weiterer Anlass für Arnold Kobalz, den Jugendoffizier
einzuladen, seien überholte Schulbücher gewesen. Sie
könnten nicht Schritt halten mit der aktuellen politischen
Entwicklung. Darum bedeutet ihm die persönliche Begegnung
seiner Schüler mit dem Jugendoffizier viel: "Die Schüler
lernen, dass die Welt sich verändert und die Bundeswehr darauf
reagiert."
Dass diese Veränderungen immer nur mit Verzögerung bei
den Schülern ankommen, das fällt auch Jensen auf, der
neben Parteien und Stiftungen sämtliche Schultypen in Berlin
aufsucht, um über die neue Bundeswehr aufzuklären. Der
Soldat ist nicht mehr nur klassischer Kämpfer, sondern im
Auslandseinsatz ist er auch militärischer Diplomat, der bei
seinen täglichen Patrouillen mit der Zivilbevölkerung
verhandelt, der in seinem Verhalten vorbildlich sein muss, um
überzeugend zu sein, der gewissermaßen ein Botschafter
seines demokratischen Landes ist, wie es kürzlich der
Befehlshaber des Einsatzführungskommandos in Potsdam,
Generalleutnant Holger Kammerhoff, formulierte.
Dass sich das Ansehen der Bundeswehr insgesamt verbessert hat,
bekommen die bundesweit 94 hauptamtlichen und 800 nebenamtlichen
Jugendoffiziere und -unteroffiziere deutlich zu spüren. Die
Zeiten, in denen die Bundeswehr ein Reizthema war und den
Vorgängern die Tomaten um die Ohren flogen, sind nach Aussage
von Jensen vorbei. Hier und da mal ein harmloser Halbstarker, der
lautstark sein Erscheinen auf dem Schulgelände ankündigt.
Schäden an seinem Dienstwagen mit der Aufschrift der
Bundeswehr habe er bisher nicht feststellen müssen,
erzählt Jensen, der in den Berliner Problembezirken
Hellersdorf und Marzahn mit hoher Jugendarbeitslosigkeit ebenso
präsent ist wie im etablierten Charlottenburg.
Die Art der Fragen variiert je nach Schultyp. In Haupt- und
Realschulen stehen nach Jensens Angaben mehr die praktischen im
Vordergrund: Wie ist es in der Truppe? Wie ist es, mit 30 Kilogramm
Gepäck bei 30 Grad durch den Staub zu gehen? Welche
Arbeitsplätze gibt es bei der Bundeswehr? In Gymnasien wie der
Kopernikus-Schule werden eher Fragen nach dem Sinn von Bundeswehr
und Verteidigung an Jensen gerichtet. Die Fragen sind auch
geschlechtsspezifisch geprägt. "Mädchen fragen
zurückhaltender, aber zielgerichteter und karrierebezogener
als Jungs", ist Jensens Erfahrung, der vor zwölf Jahren als
gebürtiger Berliner mit seiner Entscheidung zur Marine zu
gehen, an seiner Schule als Exot galt.
Wie wirken sich die Auftritte der Jugendoffiziere auf das
Verhältnis der Jugendlichen zur Bundeswehr aus? Dazu der
zuständige Referent im Bundesverteidigungsministerium
Oberstleutnant Klaus-Heinrich Ehlers, früher selbst einmal
Jugendoffizier: "Ich denke, dass wir mit unserem Engagement in
Schulen Denkanstöße liefern. Wir können Gründe
anführen, die für die Wehrpflicht sprechen. Des Weiteren
können wir erklären, warum wir die Wehrpflicht haben und
welche Vorteile sie bietet." Auch wenn die Zukunft der Wehrpflicht
ungewiss ist, zeigt sich Ehlers davon überzeugt, dass Fragen
der Sicherheit unter Jugendlichen ein bleibendes Thema sein
müssen.
Als Jensen der 13. Klasse der Kopernikus-Oberschule davon
erzählt, dass es der Wunsch von Bundesverteidigungsminister
Peter Struck sei, das deutsche Kontingent in Afghanistan auf 3.000
Soldaten zu erhöhen, entfährt es einer Schülerin
spontan: "Oh, Gott!"
Saskia erzählt später, dass alle Mitschüler
"positiv" überrascht waren von Jensens Auftritt. Arnold Kobalz
hat mit dem Jugendoffizier ausgemacht, die Unterrichtseinheit
"Bundeswehr" beim Besuch einer Truppe, die sich auf einen
Auslandseinsatz vorbereitet, abzurunden. Seine Zwischenbilanz,
nachdem er das Thema an die Schüler herangetragen hat: "Die
Bundeswehr interessiert die Schüler mehr als ihre Rente."
Almut Lüder arbeitet als freie Journalistin in Berlin.
Zurück zur
Übersicht
|