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Ulrike Schuler
Iraks Schatten in Washington
Die Bush-Regierung in der Krise
Die Regierung Bush steckt in der vielleicht
schwersten Krise ihrer Amtszeit. Nachdem ein Sonderermittler gegen
den Stabschef von US-Vizepräsident Richard Cheney, Lewis
Libby, Anklage wegen Meineides, Falschaussage und Behinderung der
Justiz im Zusammenhang mit der Enttarnung der CIA-Agentin Valerie
Plame erhoben hat, ist Libby zurückgetreten. Der Politiker
gilt als einer der Architekten des Irak-Krieges.
Bei den Ermittlungen geht es nicht nur um die
in den USA strafbare Handlung der vorsätzlichen Enttarnung
einer Agentin, sondern auch darum, ob sich Mitarbeiter des
Weißen Hauses am Ehemann von Plame, Joseph Wilson, rächen
wollten. Der Ex-Botschafter hatte der Behauptung, Irak habe
versucht, sich im Niger waffenfähiges Uran zu beschaffen,
widersprochen und der US-Regierung vorgeworfen, Fakten
aufzubauschen, um den Irak-Krieg zu rechtfertigen.
Da auch gegen Bush-Chefberater Karl Rove
ermittelt wird, ist die Regierung in Washington personell erheblich
geschwächt und die Zustimmung der Bürger zur
Amtsführung von Bush sackte auf ein Rekordtief. Bush hat eine
ganze Reihe von Schlappen hinter sich: Seine Kandidatin für
den Obersten Gerichtshof, Harriet Miers, zog sich zurück, sein
Missmanagement beim Hurrikan "Katrina" war Anlass für heftige
Kritik, und im Irak wurde kürzlich der zweitausendste
gefallene US-Soldat gezählt.
Das Thema Irak-Krieg wirft auch noch auf ein
anderes Mitglied der Regierung Bush immer wieder seine Schatten:
Gegen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld soll neben dem
ehemaligen CIA-Chef George Tenet und hochrangigen US-Militärs
wegen der Folter im irakischen Gefängnis Abu Ghraib "zu
gegebener Zeit" erneut von Deutschland aus Strafanzeige gestellt
werden. Auch wenn im Februar eine erste Anzeige, die der Berliner
Anwalt Wolfgang Kaleck im Namen der New Yorker
Bürgerrechtsorganisation "Center for Constitutional Rights"
(CCR) erstattete, vom Generalbundesanwalt abgelehnt wurde und ein
Antrag auf Klageerzwingung ebenfalls scheiterte, soll die Akte
Rumsfeld keineswegs zugeklappt werden.
Rund ein Jahr nach Einreichung der ersten
Strafanzeige gebe es heute einen neuen Informationsstand:
"Inzwischen sind weitere Erkenntnisse darüber
veröffentlicht worden, dass die Gefangenenmisshandlungen
einerseits systematisch waren und andererseits - zumindest
teilweise - von oben angeordnet wurden. Es gibt eine Reihe von
internen Untersuchungen, aber auch Buchveröffentlichungen und
Artikel", sagt der Vorsitzende des Republikanischen
Anwältinnen- und Anwältevereins, Kaleck. Im Irak
würden derzeit bei den diversen Untersuchungen durch
US-Stellen keine Vernehmungen der direkt betroffenen misshandelten
Personen vorgenommen. "Da droht ein Beweisverlust, und die
deutschen Strafverfolger müssten in die Bresche springen und
die Opfer im Rahmen eines deutschen Strafverfahrens vernehmen",
sagt der Anwalt.
Kaleck hat nach Beratungen mit dem CCR in New
York noch eine andere Möglichkeit ins Visier genommen, um zu
Ermittlungen gegen Rumsfeld zu kommen. Der Anwalt will sich an
einen UN-Sonderermittler wenden, um eine Untersuchung des Umgangs
deutscher Justizbehörden mit dem Fall Rumsfeld zu beantragen.
"Wir sind der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland ihren
internationalen Verpflichtungen hinsichtlich der Strafverfolgung
von Menschenrechtsverletzungen nicht nachgekommen ist. Das
Verfahren ist zu Unrecht ohne Ermittlungen eingestellt worden",
begründet Kaleck.
Die Handhabe, auf die Kaleck setzt, ist das
Völkerstrafgesetzbuch, mit dem Straftaten geahndet werden
können, auch wenn sie im Ausland begangen wurden: "Es geht um
Kriegsverbrechen gegen Personen nach Paragraf 8 des
Völkerstrafgesetzbuches." Wer im Zusammenhang mit einem
bewaffneten Konflikt "eine nach dem humanitären
Völkerrecht zu schützende Person grausam oder
unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche
oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere
sie foltert oder verstümmelt" werde mit einer Freiheitsstrafe
nicht unter drei Jahren bestraft, heißt es im Gesetz. Und:
Militärische Befehlshaber und zivile Vorgesetzte, die ihre
Untergebene nicht daran hindern, Kriegsverbrechen zu begehen,
sollen genauso wie die Täter bestraft werden (Paragraf 4).
"Kriegsverbrecher sollten sich in Zukunft nirgendwo mehr sicher
fühlen können", kommentiert Kaleck.
Deutschland hat mit dem seit 2002 geltenden
Völkerstrafrecht eine im Vergleich zu anderen Nationen relativ
umfassende Gesetzgebung - ein Grund für die Anzeige in der
Bundesrepublik. Zudem gebe es einen territorialen Bezug, da vier
der namhaft gemachten zehn Beschuldigten in Deutschland stationiert
seien, und damit gebe es eine besondere Verpflichtung für die
Bundesrepublik, Ermittlungen einzuleiten, ist der Berliner Anwalt
überzeugt.
Viel skeptischer sieht das der
Völkerrechtler Alexander Lorz. Der Professor der
Universität Düsseldorf hatte schon der ersten Anzeige
gegen Rumsfeld keine Aussicht auf juristischen Erfolg ausgerechnet
und hält den Vorstoß für "eine reine PR-Aktion".
"Daran wird auch eine neue Anzeige nichts ändern", sagt Lorz
und äußert den Verdacht, dass die Aktion von Kaleck und
CCR nur als Mittel zum Zweck genutzt würde, um ein Medienecho
zu bewirken.
Auch die Bundesanwaltschaft gab sich nicht
überzeugt von Kalecks Argumentation, als sie es ablehnte,
Ermittlungen einzuleiten. Die Verpflichtung zur Verfolgung von
Straftaten nach Völkerstrafgesetzbuch sei in abgestufter Weise
geregelt und ein Drittstaat wie Deutschland müsse nur aktiv
werden, wenn die Strafverfolgung durch vorrangig zuständige
Staaten oder einen internationalen Gerichtshof nicht
gewährleistet werde, heißt es in der Begründung von
Bundesanwalt Kay Nehm. "Hier bestehen keine Anhaltspunkte, dass die
Behörden und Gerichte der Vereinigten Staaten von Amerika
wegen der in der Strafanzeige geschilderten Übergriffe von
strafrechtlichen Maßnahmen Abstand genommen hätten oder
Abstand nehmen würden", schreibt die
Bundesanwaltschaft.
Schließlich würden bereits mehrere
Verfahren gegen Tatbeteiligte wegen der Vorgänge in Abu Ghraib
durchgeführt. Zu einer neuen Anzeige und ihren Chancen wollte
die Bundesanwaltschaft keine Stellung beziehen. Man warte erstmal
ab, bis die Anzeige ins Haus komme, hieß es aus
Karlsruhe.
Die Bundesanwaltschaft habe ihre Entscheidung
vom Februar 2005, kein Strafverfahren einzuleiten,
ausschließlich auf das Argument gestützt, dass in den USA
zu dem "Komplex Abu Ghraib" Ermittlungen stattfänden,
kritisiert Kaleck: "Das ist insofern richtig, als dass gegen ein
gutes Dutzend niedrigrangiger Soldaten tatsächlich
Militärgerichtsverfahren eingeleitet und mittlerweile bis auf
eins abgeschlossen worden sind. Aber rechtlich ist die Einstellung
falsch, weil es darum geht, die Verantwortlichkeit der zivilen und
militärischen Vorgesetzten aufzuklären. Genau das wird in
den USA nicht getan."
Eine Sicht, die verschiedene
Menschenrechtsorganisationen teilen. "Ein paar niedrigrangige
US-Soldaten sind strafrechtlich verfolgt und bestraft worden, aber
was ist mit der Rolle der höheren Ränge,
einschließlich beispielsweise dem US-Verteidigungsminister?",
fragte Irene Khan, Generalsekretärin von Amnesty
International, im April dieses Jahres.
Da Kaleck auch für die Zukunft nicht
erwartet, dass die USA anfangen, die obersten Vorgesetzten der an
Folter beteiligten US-Soldaten strafrechtlich zu verfolgen, macht
für ihn eine erneute Anzeige Sinn: "Sobald für alle
Beobachter eindeutig ist, dass die Ermittlungen in den USA nur auf
niedrigrangige Soldaten beschränkt sind, ist der Weg frei
für Ermittlungen in Deutschland. Wir gehen davon aus, dass das
in den nächsten vier bis zwölf Monaten der Fall sein
wird."
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