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Günter Pursch
Den Föderalismus reformieren
Antrittsrede des neuen
Bundesratspräsidenten Peter Harry Carstensen
Zu entschlossenem Handeln hat der neue
Bundesratspräsident Peter Harry Carstensen (CDU) die
Parlamente und die künftige Bundesregierung aufgerufen. Die
Politiker müssten angesichts der großen Probleme, vor
denen Deutschland stehe, ihre Verantwortung ernst nehmen. In seiner
Antrittsrede vor der Länderkammer am 4. November setzte er
sich vehement für eine Reform des Föderalismus ein.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen
übernimmt das Amt turnusgemäß für ein Jahr.
Alle politischen Kräfte seien sich
einig, "unser Land zu erneuern", sagte er. Dazu gehöre auch,
die politischen Entscheidungsprozesse in Deutschland und in Europa
zu beschleunigen. Die über Jahrzehnte gewachse Verflechtung
der Länder, des Bundes und der Europäischen Union birge
immer häufiger die Gefahr, dass sich die verschiedenen Ebenen
nicht immer sinnvoll ergänzten. "Damit Aufgaben und
Verantwortlichkeiten der Kommunen, der Länder, des Bundes und
Europas für die Bürgerinnen und Bürger wieder
durchschaubarer werden, brauchen wir Fortschritte vor allem bei der
Reform des Föderalismus", hob Carstensen hervor. Deshalb
müssten Überregulierungen abgebaut und dem
Subsidiaritätsprinzip wieder mehr Geltung verschafft werden:
"Aufgaben, die die Kommune lösen kann, soll die Kommune
lösen. Aufgaben, die ein Land lösen kann, muss das Land
lösen. Erst dann ist der Bund, ist die EU gefragt."
Selbstbewusste Länder prägten die Bundesrepublik
Deutschland, sie seien Garanten für einen innerstaatlichen
Wettbewerb. Seine Forderung: "Wir müssen aber auch dafür
sorgen, dass die Länder in der Lage sind, aus eigener Kraft
ihre Aufgaben zu erfüllen."
Nach den Worten des Politikers wollen die
Menschen in Deutschland, dass die Politik wieder "transparent,
effektiv und vor allem nah an den Bürgerinnen und Bürgern
gestaltet" werde. Politische Entscheidungen müssten dort
getroffen werden, wo sie hingehörten: "in den Parlamenten, bei
den gewählten Vertreterinnen und Vertretern des Volkes". Dies
schaffe neues Vertrauen und gelte sowohl für den Bund als auch
für die Länder. Deshalb trete er für eine Entzerrung
und Entflechtung der Kompetenzen, für klare
Zuständigkeiten und für durchschaubare Strukturen ein.
Was in der Politik nicht durchschaubar sei, wecke Misstrauen und
bereite den Boden für Radikale. Deshalb trete er ein für
eine so verstandene Neuverteilung der Aufgaben zwischen dem Bund
und den Ländern. Im Hinblick auf die von ihm geführte
schwarz-rote Landesregierung in Kiel und die sich immer
stärker abzeichnende Große Koalition in Berlin
unterstrich er wörtlich: "Nutzen wir das Zeitfenster, das sich
jetzt öffnen wird, damit beide, die Länder ebenso wie der
Bund, wieder echte Möglichkeiten der Gestaltung
zurückgewinnen können. Dadurch würden wir auch der
Gefahr einer gegenseitigen Blockade den Boden
entziehen."
Neben den innerstaatlichen Herausforderungen
sei man auch vor die Aufgabe gestellt, "Europa handlungsfähig
und zukunftsfest" zu gestalten. Es gelte, die EU zu festigen, "ohne
dabei immer mehr Zuständigkeiten und Kompetenzen" nach
Brüssel zu verlagern: "Auch hier ist Klarheit die
Voraussetzung für größere Akzeptanz", hob Carstensen
hervor. Er trete dafür ein, die Werte deutlich zu machen, die
"uns in der EU verbinden".
Der Auftrag des Föderalismus in
Deutschland laute, die Einheit der Bundesrepublik in ihrer Vielfalt
zu gestalten. "Die von allen getragenen Werte dabei sind
Demokratie, Humanität und soziale Gerechtigkeit." Diese
müssten auch die Grundlagen für die Weiterentwicklung der
Europäischen Union sein. "Ausnahmen - aus welchen Gründen
auch immer - darf es nicht geben, sonst droht Europa als
verbindende Wertegemeinschaft zu scheitern", warnte der
Politiker.
Zum Abschluss seiner Rede betonte Carstensen,
es komme darauf an, "dass wir uns auf das Wesentliche
konzentrieren". Man brauche den Mut, eine neue Balance von
staatlicher Vorsorge und eigener Verantwortung zu entwickeln. Man
benötige die Kraft, die politischen Entscheidungsprozesse zu
entflechten, sie für die Menschen wieder durchschaubar zu
machen. Man brauche wieder mehr Begeisterung für die
"großartige europäische Idee". "Dann werden wir die
ökonomischen und globalen Herausforderungen meistern. Wir
werden unsere Chancen in einer verflochtenen Welt, in einem
erweiterten Europa und in einem erneuerten Deutschland nutzen, wenn
sie entschlossen handeln und auf die Bürgerinnen und
Bürger vertrauen."
Internet: www.bundesrat.de
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