Christoph Spöckner
Die Ehe bekommt Konkurrenz
Damals ... vor fünf Jahren am 10. November:
Der Bundestag berät über das
Lebenspartnerschaftsgesetz
War es ein historisches Datum für die Gleichbehandlung oder
wurden an diesem Tag die Werte der christlich-abendländischen
Kultur unterwandert? Die Meinungen über den Gesetzentwurf "zur
Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften" klafften weit auseinander.
Dennoch verabschiedete der Bundestag den Entwurf am 10. November
2000 mit den Stimmen der Regierungskoalition aus SPD und
Grünen. Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP stimmten dagegen,
eine Mehrheit der PDS-Abgeordneten enthielt sich. Der Gesetzentwurf
sollte es gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglichen, eine
eheähnliche Lebensgemeinschaft mit umfassenden Rechten und
Pflichten eintragen zu lassen.
Die Bundestagsdebatte zur zweiten und dritten Lesung des
Lebenspartnerschaftsgesetzentwurfs, den die Regierungskoalition
eingebracht hatte, war wegen des schwierigen Themas emotional
aufgeladen. Es musste ein Kompromiss zwischen Anerkennung und
Gleichstellung auf der einen und Schutz von Ehe und Familie auf der
anderen Seite gefunden werden. Der Entwurf schlug ein neues,
eigenständiges familienrechtliches Institut, eine
"Eingetragene Lebenspartnerschaft", vor. Der Gesetzgeber wollte
einen gesicherten Rechtsrahmen für Beziehungen zwischen
Homosexuellen schaffen und diese Verbindungen auch
verfassungsrechtlich schützen. In der Geschichte der
Bundesrepublik war Homosexualität schon immer ein umstrittenes
Tabuthema. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie mehrere Jahrzehnte
strafbar und galt bis 1985 als "sittenwidrig".
In der Debatte warfen sich Vertreter von Union und SPD
gegenseitig mangelnde Gesprächsbereitschaft vor. Die Union
kritisierte außerdem das durch SPD und Grüne
beschleunigte Gesetzgebungsverfahren. Norbert Geis (CDU/CSU) fand
dafür harte Worte: "Das halte ich nicht für
unparlamentarisch, das halte ich für würdelos und
ehrlos." Damit kritisierte er auch die von Rot-Grün
vorgenommene Aufspaltung des Gesetzes in eine zustimmungspflichtige
und eine nicht-zustimmungspflichtige Version. Somit war es der
Union nicht möglich, die Kernbestandteile des Gesetzes im von
ihr dominierten Bundesrat zu kippen. Geis vertrat außerdem die
Ansicht, dass der Entwurf den Artikel 6 des Grundgesetzes, in dem
der Schutz von Ehe und Familie festgeschrieben ist, verletze.
Gegen die Auffassung der Union stellte sich Kerstin
Müller von den Grünen: "Es ist ein Gebot der
Gerechtigkeit und eine Frage der Demokratie, dass homosexuelle und
heterosexuelle Partnerschaften in allen Rechtsgebieten
gleichgestellt sind." Die damals vorherrschende Situation
brandmarkte sie als "unhaltbaren Missstand", der Schwule und Lesben
diskriminiere und durch den deren Persönlichkeitsrechte
missachtet würden.
Die Liberalen lehnten den Gesetzentwurf wie die Union ab. Der
Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt bezeichnete ihn sogar als
"Kopie der Ehe". Seine Fraktion hatte daher einen eigenen
Gesetzentwurf "zur Regelung der Rechtsverhältnisse
eingetragener Lebenspartnerschaften" eingebracht, der aber von
allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Auch die PDS kritisierte
Verfahren und Ergebnis. Homosexuelle bekämen nur wenige Rechte
zugestanden und seien daher "Paare zweiter Klasse". Die Abgeordnete
Chris-tina Schenk betonte, Lesben und Schwule wollten keine
Sonderstellung, sondern eine rechtliche Gleichstellung mit
heterosexuellen Paaren.
In anderen europäischen Ländern - etwa Belgien,
Frankreich oder die Niederlande - waren zum Zeitpunkt der Debatte
solche registrierten Partnerschaften schon möglich. Allerdings
sind sie dort nicht auf gleichgeschlechtliche Paare
beschränkt, sondern stehen auch verschiedengeschlechtlichen
Paaren als Alternative zur Ehe offen. In der Bundesrepublik wird
eine solche Öffnung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft noch
heute für bedenklich gehalten. Eine Gleichstellung mit der Ehe
wäre mit dem besonderen Schutz, den ihr Artikel 6 des
Grundgesetzes gewährt, nicht vereinbar.
Im Dezember 2000 lehnte der Bundesrat mit den Stimmen der Union
den zustimmungspflichtigen Teil des Gesetzes zunächst ab. Nach
einem Vermittlungsverfahren konnte es erst am 1. August 2001 in
Kraft treten, nachdem das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag
von Bayern und Sachsen gegen das In-Kraft-Treten abgelehnt hatte.
Die beiden Länder brachten daraufhin ein
Normenkontrollverfahren in Gang, konnten ihr Ziel damit aber nicht
erreichen. Die Karlsruher Richter erklärten das Gesetz im Juli
2001 für verfassungsgemäß.
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