Alexander Weinlein
Aufgekehrt ...
"Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie hier in
unserem Studio an diesem 17. September 2006 im Reichstag in Berlin.
In wenigen Sekunden schließen die Wahllokale und wir
präsentieren Ihnen unsere repräsentative Prognose.
Vielleicht werden wir schon dann wissen, wer nach diesen Neuwahlen
zum 18. Deutschen Bundestag die Geschicke des Landes leiten wird.
So, jetzt noch drei, zwei, eins..." Gong.
"Es ist 18 Uhr. Nach unserer Prognose kommt die Union auf 35,2
Prozent, die SPD auf 34,3 Prozent, die FDP landen bei 9,8 Prozent,
die Linkspartei erhält 8,7 und die Grünen 8,1 Prozent.
Das ist exakt das gleiche Ergebnis wie bei den Neuwahlen am 18.
September 2005 und den Neuwahlen am 26. März dieses Jahres.
Was sagen die Spitzenkandiaten zu diesem überraschenden
Ergebnis? Herr Schröder..."
"Für Sie immer noch Herr Bundeskanzler!"
"Also gut, Herr amtierender Bundeskanzler, auch bei diesen
Neuwahlen haben Sie keine Mehrheit..."
"Ich sag mal so, Frau Merkel hat keine Mehrheit, ich bin und
bleibe also Bundeskanzler! Und mit Journalisten, die meine Partei
diesmal schon unter der Fünf-Prozent-Marke gesehen haben und
mich aus dem Kanzleramt rausschreiben wollten, rede ich eh' nicht
mehr. Basta!"
"Das sind harte Worte für einen Politiker, der einmal mit
Bild, BamS und Glotze regieren wollte."
"Da hocken ja auch keine Journalisten."
"Frau Merkel, der amtierende Bundeskanzler hat es gerade gesagt,
auch Sie haben keine Mehrheit für eine schwarz-gelbe
Koalition. Mit wem wollen Sie nun regieren? Die Verhandlungen
für eine große Koalition sind ja bereits zweimal
gescheitert."
"Vorfahrt haben jetzt Sondierungsgespräche mit allen
demokratischen Parteien - mit der Linkspartei also nicht. Aber ich
muss schon sagen, dass ich die Ausführungen von Herrn
Schröder nicht okay finde."
"Nun, das schließt eine Jamaika-Koalition ja nicht aus.
Herr Westerwelle, mit wem können Sie sich denn eine
Regierungsbildung vorstellen?"
"Da sind jetzt andere gefragt. Das Leiden von Rot-Grün
werden wir definitiv nicht verlängern."
"Herr Fischer, nachdem Sie ja nun erneut die Grünen als
Spitzenkandidat angeführt haben, wie sehen Sie die Chance auf
eine Jamaika-Koalition?"
"Jetzt bleiben Sie mal realistisch. Erstens kiffe ich noch immer
nicht unter Palmen, und außerdem werde ich in die zweite Reihe
zurücktreten, um einen Generationswechsel in meiner Partei
einzuleiten."
"Dann läuft es doch wieder auf eine große Koalition
hinaus. Herr Stoiber, werden Sie in diesem Fall doch mit am
Kabinettstisch sitzen?"
"Bayern und die CSU müssen natürlich gerade in solchen
schwierigen Zeiten... äh... entsprechend repräsentiert
sein. Ich habe gegenüber Frau Dr. Merkel gestern beim
Frühstück zum Ausdruck gebracht, dass ich bereit bin,
meinen Teil für eine Regierungsbildung beizutragen - unter
gewissen Voraussetzungen."
"Und die wären, Herr Ministerpräsident?"
"Nun, zum einen müssen wir uns natürlich noch einmal
über den Zuschnitt des Wirtschaftsministeriums unterhalten und
... äh ... also eigentlich möchte ich mich noch nicht
festlegen."
"Herr Gysi, ihre Partei könnte das Zünglein an der
Waage spielen. Können Sie sich vorstellen, diesmal eine
rot-grüne Minderheitenregierung zu tolerieren?"
"Also, ick seh das bei den Sozialdemokraten nich, die brauchen
da noch Zeit. In vier Wochen konstituiert sich der neue Bundestag.
Dann will ick erst mal sehen, ob sich 'ne vernünftige Mehrheit
für Lothar Bisky als Bundestagsvizepräsident findet."
"Liebe Zuschauer, das war's für den Moment aus Berlin. Viel
Vergnügnen beim Mehren der gewonnenen Einsichten."
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