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Britta Schellenberg
Kaum Visionen für eine gemeinsame
Zukunft
Die Rechten sind auf dem Weg in eine "Nation
Europa"
Die Vernetzungsversuche der Rechtsextremen in Europa haben seit
dem Ende des Zweiten Weltkriegs ständig zugenommen. Schon Ende
der 40er-Jahre entwickelte etwa der britische Faschistenführer
Sir Oswald Mosley die Ideologie einer "Nation Europa". Sein Ziel:
Der Aufstieg Europas zur dritten Weltmacht.
Heute gibt es Verbindungen der extremen Rechten sowohl zwischen
den verschiedenen Strömungen, etwa zwischen Rechtsextremen,
Rechtspopulisten und Völkischen, als auch auf räumlicher,
also überregionaler Ebene. Bedeutsam sind auch die vielen
Zeitschriften und Verlage, die rechtsextremen Autoren verschiedener
Länder als Sprachrohr dienen, oder das Internet: Durch E-mail
und virtuelle Diskussionsforen können die Rechten Kontakte
knüpfen. Die extreme Rechte profitiert von dieser
"Internationalisierung", sowohl inhaltlich als auch logistisch.
Für die Vielfalt der Anknüpfungspunkte der Rechtsextremen
in Europa steht der durch seine zentrale Lage begünstigte
belgische Vlaams Blok (VB): Während er eine breite Basis im
flämischen Belgien besitzt, pflegt er auch Kontakte zu
rechtsextremen Parteien und militanten Gruppierungen in Europa und
bot auch schon mal straffällig gewordenen Gesinnungsgenossen
aus dem europäischen Ausland Unterschlupf. Zudem greift er
rechtsextremen Parteien in den Nachbarländern gelegentlich
finanziell unter die Arme.
Eine umfangreiche Untersuchung der rechtsextremen
Unterstützungsstrukturen und damit der Finanzierungswege des
Rechtsextremismus in Europa liegt bislang nicht vor.
Einschätzungen zu den Finanzierungsquellen des
Rechtsextremismus etwa vom Jahr 2000 für Nordrhein-Westfalen
zeigen allerdings, dass neben Umsätzen und Gewinnen von
Presse, Verlagen, Vertriebsdiensten vor allem Personenspenden und
internationale Geldflüsse zu Buche schlagen.
Doch die Vernetzung der Rechten geht noch weiter: Legalistisch
und parteiförmig manifestiert sie sich seit 1984 auf
europäischer Ebene, wo unter dem Vorsitz von Jean-Marie Le Pen
vom französischen Front National (FN) nach der Wahl zum
Europäischen Parlament die Fraktion der europäischen
Rechten gebildet wurde. Ihr gehörten zehn Abgeordnete des
Front National, fünf des Movimento Sociale Italiano (MSI), ein
griechischer Rechtsextremist und ein Abgeordneter der nordirischen
Ulster Unionist Party an. Bereits nach den Europawahlen 1989 wurde
erneut ein Bündnis geschlossen: die Technische Fraktion der
europäischen Rechten. Neben dem FN, der wieder mit zehn
Abgeordneten vertreten war, gehörten ihr jetzt die
Republikaner (REP) mit sechs und der belgische Vlaams Blok mit
einem Abgeordneten der rechten Fraktion an. Der MSI ließ sich
diesmal nicht auf eine rechte Fraktion ein, da er den
Führungsanspruch Le Pens ablehnte. Die Fraktion verfing sich
aber auch ohne MSI in unlösbare Streitfragen: Zum einen
prallten nationale Ansichten aufeinander. Zum anderen schworen der
völkisch orientierte Vlaams Blok und die REP auf
Regionalismus, während der Front National etatistisch und
zentralistisch argumentierte. Mit der Europawahl 1994 gewannen die
rechtsextremen Parteien deutlich dazu - abgesehen von den REP, die
sich vor allem durch interne Streitigkeiten diskreditiert hatten.
Eine erneute Fraktionsbildung kam aber trotz gewaltiger
Stimmengewinne nicht zustande.
Bei den Europawahlen 2004 konnten rechtsextreme und
rechtspopulistische Parteien Zugewinne verbuchen: Der
fremdenfeindliche Vlams Blok gewann zu seinen bisherigen zwei
Sitzen einen weiteren hinzu. Auch Jean-Marie Le Pens Front National
konnte wieder punkten: Von 5,5 Prozent bei der Europawahl 1999 kam
er jetzt auf 9,8 Prozent. In Italien wurden Andrea Mussolini von
der faschistischen Alternativa Nazionale und ein Kandidat der
ebenfalls faschistischen Fiamma Tricolore in das Europaparlament
gewählt, die Alleanza Nazionale schickte neun italienische
Abgeordnete. In Griechenland erhielt die antisemitische Partei LAOS
einen Sitz. Ebenfalls ein Anstieg war in Dänemark zu
verzeichnen: Die fremdenfeindlichen Populisten der Dänischen
Volkspartei verbesserten sich von 5,8 Prozent auf 6,8 Prozent. In
Großbritannien erhielt die nur teilweise zu den EU-Rechten
zuzuordnende Anti-EU Partei, die United Kingdom Independence Party
(UKIP), mit 16,1 Prozent sogar 12 Sitze. Osteuropäische
Länder wählten 2004 erstmals ihre Kandidaten für das
Europaparlament. Darunter waren in Polen die antisemitische Liga
der polnischen Familien, die zehn Sitze gewann und die ultrarechte
Partei Samoobrona, die mit nunmehr sieben Sitzen im Europaparlament
vertreten ist. Auch in Lettland, Slowenien und der Slowakei
gewannen rechtspopulistische Parteien insgesamt sechs Sitze. Nur
die FPÖ (Österreich) verlor bei dieser Wahl und ist jetzt
nur noch mit einem statt wie bisher vier Abgeordneten im
Europaparlament vertreten.
Infolge der Wahlen kam es wieder zu einer Fraktionsbildung, in
die sich rechtspopulistische Parteien integrierten: so die
Dänische Volkspartei und die Alleanza Nazionale. Sie formen im
Europaparlament mit anderen, schwer einzuordnenden Parteien - wie
der irischen Fianna Fáil - die Fraktion der Union for a Europe
of Nations (UEN). Die UEN beherbergt einen Teil der in Entwicklung
befindlichen Parteienfamilie des Rechtspopulismus. Dennoch: Die
meisten rechtsextremen oder -populistischen Parteien partizipieren
nicht in der UEN - vielfach, weil sie von den anderen als zu
extremistisch empfunden werden. Damit ist die Mehrheit der
rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien im
europäischen Parlament fraktionslos. Überlegungen zu
einer umfassenden Fraktionsbildung der Euro-Rechten existieren
allerdings weiterhin. Einige rechte Europaabgeordnete entwerfen
bereits die Vision einer gemeinsamen EU-übergreifenden
Kandidatur der Euro-Rechten -- nachdem das schon aus rechtlichen
Gründen 2004 nicht möglich war, ist diese das neue Ziel
für die Wahl 2009.
Noch nie zuvor zogen rechtsextreme und populistische Parteien so
zahlreich ins Europäische Parlament ein wie im Jahre 2004. In
Bezug auf ihre Entstehung, die Dauer ihres Bestehens, die
Organisationsstärke, den Zuspruch der Bevölkerung und
ihre ideologische Ausdifferenzierung sind sie allerdings sehr
verschieden. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Wenn es um die
Bezüge der Rechtsextremen und Rechtspopulisten zu Europa geht,
ist beispielsweise eine deutliche Europa-Skepsis zu beobachten, die
aber eher als Ablehnung des Charakters der EU zu verstehen ist,
denn als prinzipielle Ablehnung einer übergeordneten Idee
"Europa". Betrachtet man die Verwendung des Begriffs bei
Rechtsextremen und Rechtspopulisten, wird erkennbar, dass beinahe
sämtliche Fraktionen Europa als Kampfbegriff benutzen - als
etwas, das bewahrt, verteidigt oder zurückerobert werden muss:
Weitgehende Einigkeit besteht in den fremdenfeindlichen und
vielfach auch antisemitischen Ressentiments. So wollen alle
Parteien und Gruppierungen außereuropäische Zuwanderung
verhindern. Dabei rufen die einen zur Verteidigung des
"christlichen Abendlandes" auf (etwa die Dänische Volkspartei
oder die Liga der polnischen Familien). Andere fordern zum
kontinentalen Unabhängigkeitskampf gegen die "raumfremde"
Macht USA und die im Westen verorteten Ideen der bürgerlichen
Revolution auf. Wieder andere wollen den europäischen
Übermenschen oder die "weiße Rasse" aus den Fesseln des
angeblich uneuropäischen "Judäo-Christentums" befreien -
vor allem militante Neonazi-Gruppierungen.
Obwohl die Vernetzungsbestrebungen der Rechts- extremen in
Europa zunehmen, kann man bislang jedoch keineswegs von einem
europäischen Rechtsextremismus im Sinne eines politischen
Akteurs sprechen. Hinter bestehenden multilateralen Verbindungen
ist eine alles überragende, alles vereinende Bewegung nicht zu
erkennen. Es kann nicht von einem starken
Institutionalisierungsgrad der geeinten Rechten gesprochen werden.
Versuche, eine Europäische Rechte zu etablieren sind trotz
vorhandener Bemühungen bislang gescheitert. Verantwortlich
für dieses bis heute andauernde Versagen sind ideologische
Unterschiede zwischen den verschiedenen Parteien, nationalistische
Sonderinteressen, divergierende Bündnisstrategien und
persönliche Egoismen der verschiedenen Partei-Führer.
Recht unbeschwert von solchen Problemen ist derzeit nur der
(militante) Neonazismus, der originär am Konzept der
"weißen Rasse" festhält und nicht nur in Europa, sondern
auch in den USA, Kanada und Australien tatsächlich gemeinsam
gegen die "Feinde aller weißen Völker" kämpft.
Ob die Einigungsversuche der europäischen Rechten in
Zukunft gelingen, dürfte von verschiedenen Faktoren
abhängen: Zum einen ist auf der personellen Ebene fraglich,
wer oder welche Gruppierung die Rolle eines Koordinators und Motors
übernehmen kann. Zum anderen wird ein Einigungserfolg auch
davon abhängen, ob die rechtspopulistischen Parteien ihre
Abgrenzung gegenüber den heute als rechtsextrem geltenden
Parteien aufgeben. Zum dritten stellt sich die Frage, wie sich die
ideologischen Konkurrenzen zwischen etatistisch-nationalstaatlichen
und völkisch-regionalistischen Konzepten entwickeln.
Insofern gilt es für die Zukunft gerade in Hinblick auf
eine kohärente Ideologie der europäischen Rechten den
Blick zu schärfen: Eine dauerhafte institutionelle Kooperation
durch Parteien oder die Herausbildung einer europäischen
Dachorganisation ist keineswegs eine notwendige Voraussetzung
für die Formierung einer einheitlichen, integrativen Ideologie
der "Euro-Rechten".
Eine Kooperation, so stellten die Wissenschaftler Samuel
Salzborn und Heribert Schiedel unlängst fest, kann auch den
umgekehrten Weg gehen: Eine konkrete politische Zusammenarbeit kann
statt Voraussetzung für die Herausbildung einer gemeinsamen
Ideologie auch deren Folge sein.
Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centrum für
angewandte Politikforschung (C.A.P.) in München.
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