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Mirko Heinemann
Wirrwarr der Begriffe
Die Unterschiede zwischen Radikalismus,
Extremismus und Populismus
Mit einer Werbeoffensive geht die rechtsradikale Partei NPD
derzeit an die Jungwähler und die Wähler von morgen ran",
lautete eine Zeile in der Tageszeitung "Die Welt". Die "Berliner
Morgenpost" schrieb: "Die rechtsextreme NPD streicht nach der
Bundestagswahl erhebliche Mittel aus der Wahlkampfkostenerstattung
ein." Beide Tageszeitungen erscheinen im selben Verlag und werden
zum Teil von denselben Redakteuren gestaltet. Dennoch ist man sich
hier offenbar nicht einig. Ist die NPD nun "rechtsextrem" oder
"rechtsradikal"?
Nicht nur in der Presse, auch in wissenschaftlichen Abhandlungen
werden die Begriffe oft synonym benutzt. Die Ursachen sind
vielfältig, indes führt die laxe Handhabung dazu, dass
die Begriffe schwammig und langfristig bedeutungslos werden.
Oftmals übernehmen Autoren die gängigen Phrasen, die
Agenturen oder so genannte "Leitmedien" geprägt haben. So wird
die bundesdeutsche NPD wahlweise als rechtsradikal oder als
rechtsextrem bezeichnet, die österreichische FPÖ als
"rechtspopulistisch". Ihr langjähriger Vorsitzender Jörg
Haider ist zum Synonym für den "Rechtspopulisten"
geworden.
Aber was unterscheidet den Rechtspopulisten vom Rechtsradikalen
oder vom Extremisten? Grundlage der Definition ist die
Weltanschauung hinter gegebenenfalls ähnlichen politischen
Zielen. Der Populismus verkörpert eine im Kern
grundsätzlich nicht gegen die Demokratie gerichtete
Weltanschauung, sondern repräsentiert eine spezielle
Sichtweise von Demokratie. Die spezielle Ausprägung des
Populismus versucht einen Gegensatz zwischen dem "Volk" und der
"Elite" zu konstruieren, vertritt plebiszitäre
Demokratiekonzepte und verbindet diese Elemente mit
nationalistischen Ansätzen. Das Volk wird als ethnische
Einheit verstanden, die es gegen äußere Einflüsse
abzuschotten gilt. Die FPÖ passt in das Schema, weil sie sich
als Plattform der Benachteiligten versteht und suggeriert, sie
vertrete die eigentlichen demokratischen Interessen.
Abschottungsphantasien und eine xenophobe Rhetorik passen ebenfalls
ins Bild. Dennoch halten Wissenschaftler wie der Innsbrucker
Soziologe Max Preglau die FPÖ für "tendenziell
rechtsextremistisch".
Im Sprachgebrauch der jungen Bundesrepublik galt
Rechtsextremismus in der Bundesrepublik als erlaubte Spielart der
Demokratie an ihren Rändern. Wenn es um verfassungsfeindliche
Bestrebungen von Rechts ging, wurde der Begriff des
Rechtsradikalismus benutzt. Rechtsradikalismus galt als
gefährlichere Form, welche die Demokratie von der Wurzel her,
lateinisch "Radix", ausrotten wolle. Heute ist es umgekehrt. In der
Definition des Bundesamtes für Verfassungsschutz heißt
es: "Zu Unrecht wird er (der Rechtsextremismus) häufig mit
Rechtsradikalismus gleichgesetzt. Radikale politische Auffassungen
haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren
legitimen Platz."
Der Deutungswandel vollzog sich Ende der 60er-, Anfang der
70er-Jahre, in deren Verlauf die Begriffe in den
Verfassungsschutzberichten die Rollen tauschten. Bis 1966
bezeichnete das Bundesamt für Verfassungsschutz rechte
verfassungswidrige Organisationen als "rechtsradikal", später
galten rechtsextrem und rechtsradikal als synonyme Bezeichnungen.
1974 etablierte sich der Rechtsextremismus als Oberbegriff für
verfassungsfeindliche Bestrebungen von Rechts. Der Wechsel des
Terminus ist auf die weite Verbreitung des Extremismus-Begriffes in
der angelsächsischen Forschung zurückzuführen. Dort
wurde er als Gegenpart zur "Liberal Democracy" benutzt, was die
junge deutsche Sozialwissenschaft nachhaltig beeinflusste. Dazu kam
eine vieldeutige Interpretation des Radikalismus-Begriffs; als
radikal gelten etwa auch die Anhänger des allgemeinen
Wahlrechts im deutschen Vormärz.
Heute ist Rechtsextremismus laut Bundesamts-Definition eine
"unterschiedlich ausgeprägte nationalistische, rassistische
oder staatsautoritäre bis totalitäre Weltanschauung, die
im Gegensatz zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlich
demokratischen Grundordnung steht". Zusammenfassend gesagt:
"Radikal ist nicht gleich extremistisch, aber extremistisch ist
gleich verfassungsfeindlich." Gruppen oder Parteien, die so
eingeschätzt werden, werden durch das Bundesamt für
Verfassungsschutz überwacht. Diese Definition hat sich auch in
akademischen Kreisen durchgesetzt. So wird in der
Politikwissenschaft "Extremismus" als gemeinsamer Oberbegriff
für Demokratiefeindlichkeit benutzt. Der Begriff wird hier
einer demokratischen Verfassung gegenübergestellt, die die
Menschenrechte gesetzlich garantiert.
Gegen diese Auslegung regt sich jedoch Widerstand, zum Beispiel
von Seiten des Berliner Historikers Wolfgang Wippermann, der
politische Erwägungen hinter der Benutzung des Begriffs
Rechtsextremismus sieht. Seiner Auffassung nach ist der Begriff
"Extremismus" keineswegs mit "verfassungswidrig" identisch, weil
die Gefahren für den Bestand der Demokratie nicht
ausschließlich von den Extremen kommen müssten: "Sie
können auch aus der Mitte der Gesellschaft und von oben
kommen." Die Auseinandersetzung um die Deutung der Begriffe scheint
also noch nicht ausgestanden.
Der Autor ist freier Journalist in Berlin.
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