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Steffen Kailitz
Strohfeuer statt Flächenbrand
Rechtsextreme Parteien: Zwischen Schulterschluss
und Abgrenzung
"NPD plant Volksfront von Rechts" und
"Großangriff der Rechten": So lauteten die Schlagzeilen des
Spätherbstes 2004. Die rechtsextremen Parteien waren im
Aufwind. Bei den Bundestagswahlen im Herbst 2005 erreichten sie
dann lediglich 2,2 Prozent (REP 0,6 Prozent, NPD 1,6 Prozent).
Aufgrund dieses Ergebnisses mag es vielen leichter fallen,
Unterschiede und Gemeinsamkeiten der drei deutschen
rechtsextremistischen Parteien - NPD, DVU und REP - wahrzunehmen.
Das gemeinsame ideologische Kernelement aller rechtsextremistischen
Organisationen ist die Fremdenfeindlichkeit.
Sie hat den früher vorherrschenden
Antisemitismus abgelöst. Während in der Zeit zwischen dem
Ersten und Zweiten Weltkrieg die meisten rechtsextremen Parteien
die Schuld an allen Übeln der Welt dem "Judentum" in die
Schuhe schoben, beschuldigen die rechtsextremen Parteien heute
Ausländer und alle ihnen fremd erscheinenden Bürger:
Sämtliche Probleme der Gesellschaft wie Arbeitslosigkeit,
Kriminalität, Wohnungsnot und steigende Sozialkosten
führen die Rechtsextremisten auf deren Anwesenheit
zurück. Am unbeliebtesten sind Asylbewerber. Rechtsextremisten
eint daher die Forderung nach einer Abschaffung des so genannten
"Asylparagraphen" 16a. Die fundamentale Gegnerschaft gegen die
Zuwanderung dürfte der Programmpunkt sein, der den
rechtsextremistischen Parteien am ehesten Wählerstimmen
einbringt.
Kein Platz für Fremdes
Die gemeinsame Wunschvorstellung
rechtsextremer Parteien ist eine ethnisch homogene Gemeinschaft, in
der die als fremd und störend wahrgenommen Menschen keinen
Platz finden sollen. Rechtsextreme Parteien glauben daran, die
"wahren" Interessen des deutschen Volkes zu kennen. Es erscheint
ihnen als eine Folge von Manipulation durch die Herrschenden, dass
ihre Anhängerschaft nur gering ist. Die Gemeinschaft gilt
für Rechtsextremisten alles, der Einzelne wenig bis nichts.
Diese Haltung ist bei der NPD mit ihrer Ideologie der
"Volksgemeinschaft" am stärksten ausgeprägt, im Vergleich
dazu deutlich schwächer bei den REP.
Spezifisch deutsch ist die Bedeutung des
Geschichtsbilds für Rechtsextremisten. Bei der NPD und ihrem
Umfeld herrschen extreme Verharmlosung bis hin zur Leugnung der
nationalsozialistischen Verbrechen vor. Die REP leugnen den
Völkermord an den Juden nicht, relativieren ihn aber durch den
stetigen Verweis auf Verbrechen anderer Nationen an den Deutschen.
Zwischen NPD und REP siedelt der Grad der Verharmlosung der
NS-Verbrechen durch die DVU.
Mit ihrer antikapitalistischen Positionierung
unterscheidet sich die NPD deutlich von den REP und den meisten
neueren rechtsextremistischen Parteien in Westeuropa wie dem Front
National. Im Unterschied zu einer im Kern
neonationalsozialistischen Partei wie der NPD befürworten die
REP deutlich die Marktwirtschaft. Die DVU ist - wie in anderen
Bereichen - recht konturlos, wenn es um ihre wirtschaftspolitische
Ausrichtung geht. In dem fünfeinhalbseitigen Parteiprogramm
finden sich dazu keine Aussagen. Die sozialpopulistischen
Wahlkampfparolen ähneln allerdings jenen der NPD.
Vor allem bei der NPD und der
neonationalsozialistischen Szene, mit Abstrichen auch bei der DVU,
ließ sich in den letzten Jahren ein gewisser Wandel des
programmatischen Profils beobachten. Zunehmend betonen
Rechtsextremisten soziale Probleme. Die "linke Kritik von Rechts"
reichte bei der NPD zeitweilig bis hin zur Wiederbelebung des
Nationalbolschewismus. Auch die neonationalsozialistischen
"autonomen" Kameradschaften intonierten zunehmend
"antikapitalistische" Parolen. Die scharfe Ablehnung von Hartz IV
und die Parolen der NPD gegen "Sozialabbau, Rentenklau und
Korruption" stehen in einem eindeutigem Zusammenhang mit dem
Kernziel der NPD, der "Volksgemeinschaft". Sozialistische und
nationalistische Parolen fügen sich bei der NPD - wie schon
bei der NSDAP - wie zwei Hälften eines Reißverschlusses
zusammen.
Der Grad der Ablehnung der Demokratie in
Deutschland fällt bei den drei rechtsextremistischen Parteien
unterschiedlich aus. Die NPD und das neonationalsozialistische
Lager machen aus ihrer aggressiv antidemokratischen Haltung im
Unterschied zu den REP und der DVU keinen Hehl. Die REP und die DVU
versuchen im Unterschied zur NPD, sich einen demokratischen
Anstrich zu geben. Die DVU hinterlässt einen
zwiespältigen Eindruck. Ihr demonstratives Bekenntnis zum
Grundgesetz bedeutet keine Befürwortung der deutschen
Demokratie in ihrer heutigen Form. Gleichzeitig gibt es aber auch
keine Anzeichen dafür, dass diese Partein aktiv auf den
Umsturz der Demokratie hinarbeiten würden.
Das Bekenntnis der NPD, keine Gewalt nutzen
zu wollen, um ihre politischen Ziele durchzusetzen, erscheint als
nur taktisch motiviert. Dies lässt sich den
Parteiführungen der REP und der DVU nicht unterstellen. Diese
Einstellung zur Gewalt ist ein Knackpunkt im Verhältnis von
NPD, Neonationalsozialisten und Skinheads einerseits und der DVU
andererseits. Die fehlende Abgrenzung der NPD zu gewaltbereiten
Rechtsextremisten könnte dem Bündnis mit der DVU
mittelfristig schaden. Sobald ein NPD-Mitglied eine rechtsextrem
motivierte Straftat begeht und die Medien dies breit aufgreifen,
wird es fraglich, ob das Bündnis mit der DVU
hält.
Ohnehin erscheint diese Verbindung
zerbrechlich. Die ideologischen Unterschiede zwischen der DVU und
der NPD sind beträchtlich. Außerdem dürfte es Frey
schwer fallen, sich dem Führungsanspruch der NPD in der
"Volksfront" auf Dauer unterzuordnen. Ihm müsste mittelfristig
klar werden, dass die NPD-Funktionäre sich der DVU als
"Steigbügelhalter" in die Parlamente bedienen möchten,
Frey und seine "Phantompartei" aber verachten.
Seit den 80er-Jahren erleben die
rechtsextremistischen Parteien in Deutschland ein ständiges
Auf und Ab. So waren die rechtsextremen Wahlerfolge in September
2004 nur neue "Strohfeuer", nicht aber der Beginn eines
rechtsextremen "Flächenbrands". Dies bedeutet allerdings auch,
dass auf das gegenwärtige Ab unweigerlich irgenwann ein Auf
folgt. Die Annahme, dass in Zukunft keine Rechtsextremisten mehr in
deutsche Parlamente einziehen, ist ebenso wirklichkeitsfremd wie
die Warnung, Rechtsextremisten könnten immer mehr politischen
Einfluss gewinnen und eines nicht allzu fernen Tages vielleicht gar
regieren.
Der Autor lehrt als Privatdozent an der Technischen
Universität Chemnitz im Fach Politkwissenschaft.
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