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Stefan Mayer
Provokation und Anpassung
Die DVU in den Parlamenten
Die Bundestagswahl am 18. September 2005 verlief für die
rechtsextremen Parteien enttäuschend. Ihre Hoffnungen im
Vorfeld waren groß - doch von einem Einzug in den Bundestag
blieben sie weit entfernt. Dabei waren die Voraussetzungen aufgrund
der Kooperation von DVU und NPD lange nicht mehr so
vielversprechend gewesen. Am 23. Juni 2004 gaben die beiden
Parteivorsitzenden Gerhard Frey und Udo Voigt mit einer gemeinsamen
Erklärung den Wahlverzicht der DVU in Sachsen sowie der NPD in
Brandenburg bekannt und riefen ihre Anhänger zur Wahl der
jeweils anderen Partei auf. Anlässlich der zeitgleich für
den 19. September 2004 anberaumten Landtagswahlen in Brandenburg
und Sachsen hatten beide Parteien also ihre Einflusssphären
abgesteckt. Am 15. Januar 2005 bekräftigten Frey und Voigt mit
einem "Deutschland-Pakt", einer Verabredung zur Vermeidung
konkurrierender Wahlantritte bis ins Jahr 2009, ihre
Zusammenarbeit.
Bis zum Beginn dieser strategischen Kooperation war die DVU die
bei Wahlen erfolgreichste rechtsextreme Partei Deutschlands.
Gerhard Frey hatte seine DVU in sorgfältig ausgesuchte
Wahlgänge geschickt und mittels materialaufwändiger
Protestwahlkämpfe in vier Landesparlamente dirigiert. Nach dem
Einzug in die Bremische Bürgerschaft im Gründungsjahr
1987 (3,4 Prozent) konnte die DVU diesen Erfolg 1991 (6,2 Prozent),
1999 (3,0 Prozent) und 2003 (2,3 Prozent) wiederholen. Darüber
hinaus zog die Frey-Partei 1992 in den Schleswig-Holsteinischen
(6,3 Prozent) sowie 1999 (5,3 Prozent) in den Brandenburgischen
Landtag ein. Ihren größten Triumph und gleichzeitig das
beste Landtagswahlergebnis einer rechtsextremen Partei in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erzielte die DVU 1998 mit
12,9 Prozent in Sachsen-Anhalt.
Zwei Gesichter
Dennoch waren es weniger die Wahlerfolge der DVU, die seit 1987
ein neues Kapitel rechtsextremer Parlamentsgeschichte schrieben.
Vielmehr sorgte das konfliktträchtige Auftreten der
DVU-Fraktionen für Gesprächsstoff. Die Auswahl von
politisch unerfahrenem und unprofessionellem Personal,
Postengerangel und die Befriedigung finanzieller Interessen ebenso
wie die unerwünschte inhaltliche Einflussnahme aus der
Münchner Parteizentrale führten in Bremen,
Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt zum Zerfall der
Fraktionen.
Gegenwärtig ist die DVU in den Landtagen Bremens und
Brandenburgs vertreten; ihr dortiges Gebaren könnte
unterschiedlicher nicht sein. In der Bremischen Bürgerschaft
ist Siegfried Tittmann bei der Repräsentation der DVU seit
1999 auf sich alleine gestellt und sorgt für ständige
Provokationen. In seinen Redebeiträgen schlägt er einen
aggressiven Ton an und transportiert klassische rechtsextreme
Feindbilder. Seine streitsüchtigen und teilweise
gehässigen Stellungnahmen bedienen fremdenfeindliche,
antisemitische, revisionistische und antidemokratische
Ressentiments. Selten haben sie einen Bezug zur
Sachauseinandersetzung im parlamentarischen Willensbildungs- und
Entscheidungsprozess. Unabhängig vom eigentlichen Thema der
Debatte wiederholt er vorgefertigte Redebausteine und missbraucht
das Forum für seine parteipolitische, dumpf-populistische
Agitation.
Ein ganz anderes Gesicht zeigt seit 1999 die DVU-Fraktion im
Brandenburger Landtag unter Führung der Fraktionsvorsitzenden
Liane Hesselbarth. Ausweislich des Internetauftritts der Fraktion
verstehen sich die sechs Abgeordneten "nicht nur als Stachel im
Fleisch der etablierten Parteien", sondern wollen auch
"konstruktive Oppositionsarbeit" leisten. Sie haben sich dem
Parlamentsbetrieb weitgehend angepasst. Sie sind in den
parlamentarischen Gremien präsent und treten bei der
Routinearbeit kaum in Erscheinung, halten gemäßigte
Reden, bringen fleißig Anträge und Gesetzentwürfe zu
unverdächtigen Themen ein und unterhalten sogar
Bürgerbüros. Die Fraktion bietet ein weitgehend
geschlossenes Bild, lässt aber immer wieder ihre wahre
Gesinnung durchscheinen. So erhielten die Mitglieder der
DVU-Fraktion anlässlich der Gedenkveranstaltungen zum 27.
Januar 2005 im ehemaligen KZ Sachsenhausen Hausverbot, da sie mit
einem Kranz an "alle Opfer", auch an jene nach 1945 erinnern und
damit die NS-Gewaltherrschaft relativieren wollten.
Ausgrenzung funktioniert nicht
Zwar sind sowohl Tittmann als auch Hesselbarth enge Vertraute
Gerhard Freys und Mitglieder im Bundesvorstand der DVU, jedoch
vertreten beide ausgesprochen unterschiedliche Politikstile.
Tittmann, der Mann aus dem Westen, Jahrgang 1954, DVU-Mitglied seit
1989, steht für den lauten, rückwärtsgewandten
Rechtsextremismus. Hesselbarth, eine Frau aus dem Osten, Jahrgang
1962, erst seit 1999 DVU-Mitglied, verkörpert einen eher
biederen, unauffälligen Rechtsextremismus. Beide Facetten
haben die gleichen ideologischen Wurzeln und sind
gleichermaßen gefährlich, und beide Vertreter sind treue
Parteisoldaten. Angesichts der weitgehenden Inaktivität der
Parteimitglieder und der Unberechenbarkeit der Protestwähler
ist es schwer zu entscheiden, ob und welche Form der
Parlamentsarbeit von den DVU-Anhängern geschätzt
wird.
Die vereinzelte parlamentarische Präsenz der DVU ist
jedenfalls eine Tatsache, und die Wahlabsprachen mit der NPD bieten
weiterhin - trotz struktureller Defizite und fehlendem
qualifizierten Personal - die Chance auf erfolgreiche
Wahlgänge. Die vielfach zu beobachtenden, parteipolitischen
und medialen Strategien des Verschweigens oder Ausgrenzens
müssen daher überwunden und die inhaltliche
Auseinandersetzung mit der DVU geführt werden.
Der Autor ist freier Journalist in Berlin.
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