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Astrid Pawassar
Bekennende Verfassungsfeinde
Die NPD im Sächsischen Landtag
Die Aufregung war groß und sie freute die Akteure. Mit 9,2
Prozent der Stimmen war die NPD am 19. September 2004 in den
sächsischen Landtag gewählt worden und hatte auf Anhieb
zumindest in der Zahl vor dem Komma mit den Sozialdemokraten
gleichgezogen. Die anderen fünf Fraktionen brauchten eine
Weile, um sich auf die neue Situation einzustellen.
Schließlich wollte man sich von der NPD weder provozieren
lassen, noch sie durch Debattenbeiträge aufwerten. So kamen
CDU, SPD, FDP, Grüne und PDS überein, sich mit
Erwiderungen auf Redebeiträge und parlamentarische Initiativen
der NPD zurückzuhalten. Denn eines mussten sie lernen: Die NPD
setzt alles daran, nicht in die Sackgasse zu geraten, die anderen
rechten Gruppierungen in deutschen Parlamenten schnell den Garaus
machte. Während DVU, Republikaner oder Schill-Partei sich in
diversen Landtagen durch Untätigkeit entlarvten oder in innere
Zwistigkeiten verstrickten, bereitet sich die NPD ersichtlich auf
eine zweite Legislaturperiode in Sachsen vor.
Im Plenum des Sächsischen Landtags sind stets alle
zwölf Abgeordneten anwesend. Ihre Aktivitäten im ersten
Parlamentsjahr stellen statistisch durchaus eine Größe
dar: Mehr als 300 Kleine Anfragen, 38 Anträge, zwei
Gesetzesinitiativen, sechs Aktuelle Debatten zählt die NPD in
ihrer Jahresbilanz auf. Populistische Forderungen wie im
Gesetzesantrag auf "Bindung der Diäten der sächsischen
Landtagsabgeordneten an die Einkommen der privaten Haushalte"
gehören dazu, ebenso wie sachlich begründete Anträge
zur Anti-Drogenpolitik, zur Abschaffung der Praxisgebühren
oder für die kostenlosen Verwaltung von Konten sozial
schwacher Bürger.
In den Debatten offenbart sich allerdings schnell der Geist, aus
dem die parlamentarischen Initiativen der NPD geboren sind. Sei es,
dass sie einen Ausländerbeauftragten fordern, der nicht die
Integration, sondern die "Rückführung" ausländischer
Bürger regeln soll. Sei es der Eklat um das Gedenken an das
Ende des Zweiten Weltkrieges, jener denkwürdigen
Landtagssitzung, bei der sich die NPD-Fraktion geschlossen einer
Schweigeminute verweigerte und anschließend vom
"Bombenholocaust" in Dresden sprach und die Einrichtung einer
Landesstiftung für die Opfer der Luftangriffe forderte.
Das Plenum als Bühne
Bei Diskussionen in den Ausschüssen des Landtages hält
sich die NPD nach Informationen aus den anderen Fraktionen
zurück. Das Plenum hingegen nutzt sie als Bühne zur
Selbstdarstellung. Dabei sind die Fachdebatten zumeist Sache der
bodenständigen sächsischen Abgeordneten, während die
beiden aus dem Westen importierten führenden Ideologen, der
Fraktionsvorsitzende Holger Apfel und sein mit einem Magistergrad
der Universität Gießen in Geschichte ausgestatteter
Kollege Jürgen Gansel, die großen politischen Auftritte
suchen. Wer von ihnen Vorschläge zur Verbesserung der
Lebenssituation in Sachsen erwartet, geht fehl. Nach den "Schnauze
voll"-Attacken gegen die Agenda 2010 und der Beteiligung der NPD an
den so genannten Montagsdemonstrationen gegen Sozialabbau spielt
dieses Thema für die NPD-Fraktion im Landtag nun so gut wie
keine Rolle mehr. Die Begründung ist wahrhaft
revolutionär: Man müsse sich erst aus den Zwängen
befreien, die die "amerikanische Weltherrschaft" der Bundesrepublik
und die EU den Bundesländern auferlege. Dabei reizen die
rechten Ideologen die Mehrheit des Plenums gerne, indem sie sie als
Vertreter der "Altparteien" oder "Systemparteien" titulieren.
Und auch der einzige Sachse, der gedanklich und sprachlich auf
der Bühne neben den Westimporten bestehen kann, Uwe
Leichsenring, ein Fahrlehrer aus Königstein in der
Sächsischen Schweiz, macht keinen Hehl aus den wahren
politischen Zielsetzungen seiner Partei: "Natürlich sind wir
verfassungsfeindlich. Wir wollen eine andere Gesellschaftsordnung",
sagte er der Sächsischen Zeitung.
Auf dem Weg dorthin lässt sich die NPD nicht durch
ausbleibende Wahlerfolge in anderen Bundesländern und im Bund
beirren. Die Kräfte sind in Sachsen konzentriert. Holger Apfel
gilt als politischer Ziehsohn und Kronprinz des
NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Bei der zurückliegenden
Kommunalwahl gelang der NPD mit 40 kommunalen Mandaten eine
Vervierfachung ihrer Präsenz in diesem Bereich. "Mindestens
250 Mandate sollen es bei den kommenden Kommunalwahlen werden",
kündigt Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx an. In
den sächsischen Großstädten will die NPD in
Fraktionsstärke in die Rathäuser einziehen, ein paar
Kreistage sollen auch noch erobert werden.
Doch es fehlen trotz 950 NPD-Mitgliedern in Sachsen noch
geeignete Kandidaten. Die sollen über das Parteiorgan
"Deutsche Stimme" angesprochen und "zu Seminaren in einem
schönen Hotel mit 4-Gänge-Menü" eingeladen werden,
so Marx. Eine weitere Möglichkeit bietet die Vermittlung von
Praktika bei der NPD-Landtagsfraktion. Vor allem junge Menschen hat
Marx dabei im Visier. Denen will er dann auch praktische
Verhaltens-Tipps fürs Leben geben: "Mach, was der Lehrer sagt,
schreib, was der Professor lesen will und schneide dir keine
Glatze, weil das alle anderen erwarten." Druck will die NPD auch
auf die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ausüben und
sich über den Klageweg Zutritt zu Talk-Shows und einer
Berücksichtigung in der Berichterstattung erstreiten. Sollte
die NPD, die momentan in der Gunst der sächsischen
Wahlberechtigten auf fünf Prozent gesunken ist, so
gestärkt wieder in den Sächsischen Landtag einziehen,
dann hat auch ihr geplantes "Bildungswerk" eine gute
Überlebenschance - als parteinahe Stiftung, die Anspruch auf
Fördermittel aus dem Landeshaushalt hätte.
Die Autorin ist freie Journalistin in Dresden.
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