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Michaela Grün
Andrzej Lepper und die Samoobrona
Stichwort
Auf der parlamentarischen Bühne erschien die Samoobrona
(Selbstverteidigung) erstmals im Zuge der Parlamentswahlen 2001,
bei denen es der rechtspopulistischen Formation gelang, etwa 10
Prozent der Stimmen auf sich zu vereinen und mit 53 Abgeordneten in
das polnische Parlament, den Sejm, einzuziehen.
Der polnischen Öffentlichkeit bekannt war die Samoobrona
jedoch schon zuvor, wenn auch eher als rüpelnder Bauernbund,
denn als erstzunehmender parlamentarischer Akteur. Ihren Anfang
nahm die Samoobrona 1991 in Bauernprotesten im westpommerschen
Darlowo, dem Heimatort des Gründers und bis heute amtierenden
Partei- und Verbandsvorsitzenden, Andrzej Lepper. Lepper selbst war
einer der Bauern, die sich im Zuge der Privatisierung ehemals
staatlicher Agrargenossenschaften verschuldet hatten und mit
schwarz beflaggten Traktoren gegen den angeblichen Tod der
polnischen Landwirtschaft demonstrierten. Die Proteste strahlten
auf das ganze Land aus, landesweit wurden Komitees unter dem Namen
Samoobrona Chlopska (bäuerliche Selbstverteidigung)
gegründet, um die Forderungen der Bauern nach Schuldenerlass
und Aussetzung von Zwangsvollstreckungen ihrer Höfe
durchzusetzen. Zum Vorsitzenden des Warschauer Komitees wurde
Andrzej Lepper gewählt, unter dessen Führung am 10.
Januar 1991 der Verband Zwiazek Zawodowy Rolników Samoobrona
(Bauerngewerkschaft Selbstverteidigung) registriert wurde. Die
Registrierung der Partei erfolgte etwa ein Jahr später, am 26.
Juni 1992.
In den 90er-Jahren agierte die Samoobrona vornehmlich als
Interessenverband. Zwar trat sie bei den Parlamentswahlen in den
Jahren 1993 und 1997 an, konnte aber ebenso wie ihr Vorsitzender
Andrzej Lepper bei den Präsidentschaftswahlen 1995 und 2000
keine wesentlichen Stimmenanteile auf sich vereinen. Stattdessen
erlangte sie durch gewaltsame Protestaktionen, wie Straßen-
und Grenzübergangsblockaden und die Besetzung
öffentlicher Gebäude negative Prominenz. Dabei stand
zunächst die "Rettung der polnischen Landwirtschaft" im
Zentrum. Ihre Forderungen betrafen vorrangig die Abschottung des
polnischen Marktes von der Europäischen Union zum Schutz der
polnischen (Land-) Wirtschaft. Die Agenda der Samoobrona umfasste
aber neben wirtschaftsprotektionistischen Vorstellungen auch
nationalistische und antisemitische Töne. Dies spiegelte sich
auch in Kontakten zu rechtsradikalen Akteuren, wie dem Schiller
Institut in den USA, zu Schirinowski in Russland und Le Pen in
Frankreich.
Ende der 90er-Jahre weitete die Samoobrona ihre Agenda auf
andere gesellschaftliche Gruppen aus und setzte sich auch für
Arbeitslose, Rentner und Kleinhändler ein. Diese waren
empfänglich für die mit wirtschaftsprotektionistischen
Vorstellungen gepaarte scharfe Kritik der Samoobrona an der
Europäischen Union und das Schüren der Ängste vor
dem Ausverkauf des polnischen Bodens und der polnischen Wirtschaft:
1,3 Millionen, vorrangig ältere Wähler mit niedrigem
Ausbildungsgrad aus ländlichen Gebieten gaben in den
Parlamentswahlen 2001 der Samoobrona ihre Stimme.
Der Einzug ins Parlament stellte nicht nur die Samoobrona,
sondern auch das politische Establishment vor erhebliche
Herausforderungen: Wegen der neuen Rolle als parlamentarischer
Akteur drohte die Samoobrona aufgrund ihrer Doppelstruktur aus
Verband und Partei, in zwei Organisationen zu zerfallen.
Tatsächlich verkleinerte sich die Fraktion in nur zwei Jahren
von 53 auf 31 Abgeordnete. Der Versuch seitens der etablierten
Parteien, die Samoobrona einzubinden und Lepper mit dem Posten des
Vizemarschalls zu betrauen, scheiterte, da Lepper wegen polemischer
Beleidigungen anderer Politiker Ende 2001 seines Amtes enthoben
wurde, 2002 seine Immunität verlor und sich seitdem in
mehreren Verfahren verantworten muss.
Dies hält etwa zehn Prozent der polnischen Wähler
nicht davon ab, die Samoobrona weiterhin zu unterstützen: Zwar
landete sie in den Wahlen zum Europäischen Parlament 2004 mit
10,8 Prozent der Stimmen auf dem vierten Platz hinter der
katholisch-nationalistischen Liga der Polnischen Familien.
Ihre Bedeutung für die nationale politische Landschaft aber
konnte sie in den jüngsten Parlamentswahlen 2005 erneut
unterstreichen: 11,4 Prozent der Wähler belohnten den
populistischen Wahlkampf Leppers, der im ganzen Land Volksfeste mit
der populären Popband "Ich Troje" veranstaltet hatte. Ebenso
wie 2001 gelang es ihm mit diesem strategischen Mix aus
wirtschaftsprotektionistischen und nationalistischen Positionen,
vorrangig die ältere, ländliche Bevölkerung mit
niedrigem Bildungsgrad zu mobilisieren.
Ob sich die Samoobrona weiter konsolidieren wird, hängt zum
einen von ihrem strategischen Verhalten, also davon ab, ob sie sich
weiter in Richtung einer parlamentarischen Partei entwickeln wird.
Zum anderen ist das Verhalten der übrigen Parteien
entscheidend: Wird sie, wie etwa in den jüngsten
Präsidentschaftswahlen vom national-konservativen Kandidaten
Lech Kaczynski als Mehrheitsbeschaffer genutzt, kommt dies einer
Einladung des rechtspopulistischen Lepper und seiner Samoobrona in
die politischen Salons gleich.
Die Autorin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl
für Politikwissenschaft an der Europa-Universität
Viadrina.
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