Anton Pelinka
Eher eine Kernspaltung als ein Tausch der
Etiketten
Jörg Haider reüssiert mit dem
"Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ) nicht
Wenn eine Partei im Absturz ist, müsste sie eigentlich froh
sein, einen "harten Kern" zu haben, der sie vor dem Fall ins Nichts
bewahrt. Wie die FPÖ: Aus den 26,9 Prozent des Oktober 1999
waren im November 2002 10 Prozent geworden, begleitet von
Niederlagen in allen Ländern und Gemeinden. Doch der Absturz
ging weiter - nur 2004 in Kärnten konnte sich die FPÖ
verbessern.
Diese Erfahrung veranlasste den früheren Obmann der
FPÖ, Jörg Haider, die Rolle des Retters in der Not zu
übernehmen: Er gründete im Frühjahr 2005 eine neue
Partei, das "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ), dem
sich alle Regierungsmitglieder der FPÖ und die meisten der
freiheitlichen Parlamentarier ebenso anschlossen wie die letzte
Obfrau der FPÖ, Ursula Haubner - Haiders Schwester.
Was zunächst wie ein Etikettentausch ausgesehen hatte,
erwies sich als Kernspaltung: In den meisten Ländern
außerhalb Kärntens blieb die Mehrheit der
Funktionäre in der alten FPÖ. Und diese zeigte sich
zählebiger als von Haider gedacht: Zwischen FPÖ und
BZÖ begannen bald heftige Grabenkämpfe, bei denen es auch
um Geld beziehungsweise Schulden ging.
Die Unterscheidung zwischen "blau" (die traditionell der
FPÖ zugeschriebene Farbe) und "orange" (Haiders neuem Styling)
war vor allem in strategischen Fragen erkennbar: Das BZÖ
wollte sich als Juniorpartner der von der gemäßigt
rechten ÖVP geführten Regierung profilieren, die alt-neue
FPÖ gerierte sich als Oppositionspartei.
Die FPÖ unter ihrem neuen Obmann Heinz-Christian Strache
versuchte, mit dem Rezept zu punkten, mit dem Haider bis 1999 so
erfolgreich war: laute Töne gegen Einwanderung und gegen die
EU. Das BZÖ wollte sich eher gemäßigt und
konstruktiv geben - sah sich aber doch gezwungen, mit Forderungen
wie der nach der Verschärfung des Zugangs zur
Staatsbürgerschaft rechte Positionen Straches streitig zu
machen.
Haider neu unterschied sich nicht wirklich von Haider alt. Das
BZÖ mobilisierte entlang der von der FPÖ gewohnten
Linien: gegen Überfremdung, gegen Zuwanderung, gegen
"Identitätsverlust", gegen die "Bürokraten in
Brüssel", gegen die Beitrittsbemühungen der Türkei.
Die Agenda des BZÖ war vertraut - die Tonstärke freilich
gemildert durch das erkennbare Bemühen, den Koalitionspartner
ÖVP nicht zu verärgern.
Das wiederum konnte sich Strache leisten: Er erklärte seine
Partei zur Opposition und verhielt sich dementsprechend. Haiders
Glaubwürdigkeit war herausgefordert: Wem sollten die folgen,
die ihm bis 1999 gefolgt waren - dem alten Parteiführer,
dessen Themen vertraut waren, der aber durch die Sorge um
Regierungsämter gebremst schien; oder dem neuen, der ohne
solche Kalküle die alten Haider-Parolen ungefiltert zu
vertreten schien?
Die erste Probe, wer das Feld rechts von der ÖVP
beherrscht, war die Landtagswahl in der Steiermark am 2. Oktober
2005. Die FPÖ verlor wiederum dramatisch, aber das BZÖ
erwies sich als kaum existent. Die FPÖ verfehlte mit 4,6
Prozent (2000: 12,4 Prozent) knapp den Einzug in den Landtag. Das
BZÖ aber kam mit 1,7 Prozent nicht einmal in Sichtnähe
des Landesparlaments. FPÖ und BZÖ gemeinsam konnten nur
etwa die Hälfte der Stimmen erreichen, die fünf Jahre
davor der "alten" FPÖ zugefallen waren.
Die zweite Probe fand erst gar nicht statt. Bei der Landtagswahl
in Burgenland am 16. Oktober trat das BZÖ nicht an. Bei der
Wahl in Wien am 23. Oktober standen FPÖ und BZÖ abermals
einander gegenüber. Das Resultat: Die FPÖ verlor (14,9
statt 20,2 Prozent), doch der Verlust hielt sich in Grenzen. Das
BZÖ aber war mit 1,2 Prozent kaum wahrnehmbar.
Wenige Monate nach seiner Gründung ist deutlich, dass das
strategische Kalkül Haiders nicht aufgeht: einen Neuanfang zu
signalisieren, der Zuversicht vermittelt und die Freiheitlichen
(unter dem Namen BZÖ) als Mehrheitsbeschaffer der ÖVP im
politischen Spiel lässt. Offenkundig ist rechts von der
Volkspartei kein Platz für zwei Parteien. Und offenkundig
reicht Haiders Rest-Charisma nicht aus, diesen einen Platz mit
einer Neugründung zu besetzen. Wenn schon, dann hat die alte
Marke FPÖ Aussicht, als Partei zu überleben.
Bleibt das BZÖ als regionales Phänomen in
Kärnten: In diesem Land, in dem die FPÖ mit Haider 2004
mehr als 40 Prozent der Stimmen gewinnen konnte, ist die
Transformation wahrscheinlich gelungen - aus der FPÖ ist das
BZÖ geworden. Unter der alten Etikette sammelt sich nur noch
ein Rest.
Wen wundert es, dass nach dem 2. Oktober Stimmen laut werden,
die einer Versöhnung zwischen Haider und Strache, zwischen
BZÖ und FPÖ das Wort reden? Das wäre eine rationale
Antwort, das könnte das Überleben zumindest einer weit
rechts stehenden Partei ermöglichen. Inhaltlich sind die
beiden ohnehin nicht wirklich auseinander.
Doch Haider hat nun die schlechteren Karten. Die FPÖ ist
relativ stärker, das BZÖ hat wenig bis nichts zu bieten.
Warum also sollte die zwar geschwächte, aber existente
FPÖ mit dem nur aus Regierungs- und
Parlamentsfunktionären und einer Kärntner Organisation
bestehenden BZÖ von gleich zu gleich verhandeln? Das BZÖ
müsste sich schon unterwerfen, wenn es zu einer
Wiedervereinigung kommen soll. Und das ist von Haider kaum zu
erwarten.
Die Lehre, die daraus zu ziehen ist? Eine Partei aus der Retorte
zu gründen, mit einem Marketing-Konzept ("orange") und der
einzigen Strategie, die Regierungsbeteiligung zu sichern - eine
solche Kunstpartei kann nicht reüssieren. Vor allem dann
nicht, wenn der geschrumpfte freiheitliche Kern ja noch immer das
Produkt alt vor sich hat, das ihm vertraut ist. Im ersten Anlauf
hat sich Haiders Neugründung jedenfalls als substanzloses
Konstrukt erwiesen, das vergeblich nach einem Nischenplatz im
österreichischen Parteiensystem sucht.
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