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Rainer Fromm / Barbara Kernbach
Rechtsextreme Propaganda zu gegrilltem
Schwein
Die NPD wirbt mit vielseitigen
Freizeitangeboten
"Die nationale Oppositionsbewegung umfasst alle
Bereiche des täglichen Lebens, wir haben nur noch keine eigene
Automarke." So bilanziert Thomas Wulff, eine der Zentralfiguren der
Neonazi-Szene und persönlicher Referent des NPD-Chefs Udo
Voigt, die rechtsextreme Präsenz jenseits der genuinen
politischen Sphäre. Für viele Jugendliche ist die rechte
Verfassungsfeindschaft inzwischen ein "way of life":
Rechtsextremisten prägen eine eigene Musiklandschaft,
instrumentalisieren Kunst und Kultur, liefern Mode-Accessoires und
helfen bei der Bewältigung von Alltagsproblemen und der
Freizeitgestaltung.
Hausaufgabenbetreuung und Aufbau von
Schülerzeitschriften: Zum Programm der NPD-Jugendorganisation
"Junge Nationaldemokraten" (JN) gehört das längst. Gerade
organisieren im thüringischen Ilmkreis Neonazis
Fußballturniere für Gleichgesinnte, wie am 18. Juni in
Pennewitz. Wenige Wochen zuvor veranstaltete die JN ein Zeltlager
bei Görlitz. Auf dem Programm stand neben gegrilltem Schwein
auch nationalsozialistische Propaganda.
Die Offensive zeigt Wirkung: Immer mehr
Gymnasiasten und Studenten nutzen die Freizeitangebote der NPD. Mit
Spaziergängen, Zeltlagern und der Besichtigung von
Naturdenkmälern locken die Rechtsextremen Jugendliche, die
sich an der Wandervogelbewegung orientieren und ein starkes
Naturbedürfnis haben. Mit Feldschlachten, wie sie in Sachsen
von Sympathisanten der inzwischen verbotenen militanten Gruppe
"Skinheads Sächsische Schweiz" organisiert wurden, erreicht
die Szene Anhänger mit einer Faszination fürs
Mittelalter. NPD-Frauen in Niedersachsen treffen sich in
Krabbelgruppen und machen Ausflüge zu Denkmälern oder
Kinderspielplätzen.
Musikalisch erstreckt sich das Angebot von
traditioneller Volksmusik, "Weisen" von Liedermachern,
Skinheadrock, Heavy- oder Black Metal, Dark Wave, Gabba bis zum
HipHop. Weit mehr als 50 szeneeigene Vertriebe leben inzwischen in
Deutschland von einer breit gefächerten Musikszene, die in
allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen andocken kann.
Der Neonazi Thorsten Heise, früher aktiv in der mittlerweile
verbotenen Partei FAP, heute im NPD-Bundesvorstand, lebt selbst von
brauner Musik und Szeneliteratur mit seinem "W&B Versand" im
thüringischen Fretterode. Er sagt: "Wir wollen mit unserer
Musik Botschaften transportieren. Wenn Sie einen jungen Mann oder
eine junge Frau fragen, wie bist du zur nationalen Bewegung
gekommen, ist die Antwort oft, ich habe ein Lied von Frank Rennicke
gehört." Liedermacher Rennicke war Kader der ebenfalls
verbotenen "Wiking Jugend" und gehört heute zu den
Publikumsmagneten der NPD. Viele seiner Machwerke hat die
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM)
indiziert. Doch der "nationale Barde" produziert immer neue
Tonträger und verdient am expandierenden nationalen Markt.
Dokument für das rasante Wachstum der Szene ist die
Entwicklung der rechtsextremistischen Skinheadbands, deren Zahl von
30 im Jahre 1993 auf 106 im vergangenen Jahr kontinuierlich
gestiegen ist. 2004 gaben sie allein 137 Konzerte.
Daneben ist rechtsextreme Musik mittlerweile
fester Bestandteil von Parteitagen, Wahlkampfveranstaltungen, aber
auch bei Anlässen wie dem Pressefest des NPD-nahen "Deutsche
Stimme"-Verlages im Sommer 2004 im sächsischen Mücka, das
zu einer Art regionalem Volksfest mutierte und 6.000 bis 7.000
Besucher anzog. An den Verkaufsständen in Mücka wurden
neben einschlägiger Literatur und Tonträgern auch diverse
Gebrauchsgegenstände mit Runenverzierung, Germanische
Jahrweiser, keltischer Schmuck vor allem aber Kleidung angeboten.
Beliebt sind Bomberjacken von Londsdale oder Polohemden von Fred
Perry, Hersteller, die für das Interesse der rechtsextremen
Käufer nichts können und sich zum Teil öffentlich
von diesem Klientel distanzieren. Immer mehr jedoch drängen
rechtsextreme Produzenten wie Walhalla, Masterrace, auf Deutsch
"Herrenrasse", oder Condsaple, eine Kollektion mit der sinnigen
Buchstabenfolge NSDAP im Logo, ins Geschäft. "Es ist ein
riesiger Markt da", sagt der Neonazi Thorsten Heise. "Thor Steinar
beispielsweise, eine nationale Marke, wird getragen von HipHoppern.
Das ist hip. Das rückt in die Mitte der Gesellschaft. Bevor
man es merkt, ist es längst Mode, und man sagt, ist mir doch
egal. Das ist ja der Sinn der Sache, wir wollen ja
indoktrinieren."
Dieses Merchandising bringt Geld in die
braunen Kassen, zugleich mutieren Läden in ganz Deutschland zu
Treffpunkten der Szene. Hier gehen nicht nur CDs und
Kleidungsstücke über den Ladentisch, sondern auch
Einladungen zu Konzerten und Parteitagen.
Für Sympathisanten, die den direkten
Kontakt scheuen, gibt es das Internet. Es ist in den Händen
der Rechtsextremisten zu einem der effektivsten und vielseitigsten
Medien avanciert. "Das Internet hat mehr zu unserer Vereinigung
beigetragen als irgendein Pamphlet, das jemals gedruckt worden
ist", so die Einschätzung der NS-Skinbewegung Blood &
Honour.
Gerade in den Fangemeinden von Kriegs- und
Gewaltspielen sind zudem rechtsextreme Spielegemeinschaften
präsent, die direkt bei der Spielleidenschaft vieler
Jugendlicher andocken.
Antidemokratische Propaganda online, dazu ein
Füllhorn von Links - den Rechtsextremisten erschließt
sich damit eine völlig neue Subkultur für ihre
verfassungsfeindliche Agitation.
Die Autoren arbeiten als freie Journalisten in
Wiesbaden.
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