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Heribert Prantl
Mehr als nur ein Gewitter
Was die Rechtsaußen-Parteien Europas
verbindet und was sie unterscheidet
Es gibt politische Wetterbeobachter, die sehen
das Problem so: Rechtsaußen-Parteien kommen von Zeit zu Zeit
über die Staaten Europas wie das dreckige Wetter. Dunkle
Wolken ziehen auf, das Licht wird fahl, die Welt schaut bedrohlich
aus; es donnert und blitzt, es schüttet wie aus Kübeln.
Aber das dauert dann nicht lange, dann klart es wieder auf, und
alles ist wieder friedlich und schön. Das wäre ein
beruhigendes Modell. Es hat aber den Nachteil, dass es nicht
stimmt. Für die Gewitter-Theorie wird gern die Bundesrepublik
Deutschland als Exempel genommen.
Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre war die
rechtsradikale NPD mit 61 Abgeordneten in sieben Landtagen
vertreten, bei der Wahl in Baden-Württemberg im Jahr 1968
erhielt sie 9,8 Prozent der Stimmen. "Neonazis rüsten
fleißig für ein neues 33." Aufkleber mit dieser Parole
pappten damals warnend an den Türen von Schulen und
Hochschulen.
Mit dem "neuen 33", mit der zweiten
Machtergreifung, kamen die NPD-Leute aber nicht weit. Bei der
Bundestagswahl von 1969 erzielten sie zwar mit eineinhalb Millionen
Stimmen (4,3 Prozent) das beste Wahlergebnis einer
antidemokratischen Partei nach 1945 in der Bundesrepublik. Das war
jedoch damals schon der Anfang vom schnellen Ende, das von
innerparteilichen Kämpfen beschleunigt wurde. Bald spielte die
NPD für lange Zeit keine Rolle mehr. Ähnlich erging es
anderen rechtsradikalen Parteien, den Republikanern und der DVU,
später auch wieder der NPD. Sie kamen und gingen und tauchten
wieder auf. Heute sitzen wieder zwölf NPD-Abgeordnete im
Sächsischen Landtag und spielen dort eine parlamentarische
Klamauk-Rolle.
Es wäre falsch, auf dieser Beobachtung
die Theorie von einer nur jeweils temporären demokratischen
Störung durch Rechtsaußen-Parteien zu stützen. Seit
Mitte der 80er-Jahre, seit der französische Front National
unter seinem Führer Jean-Marie Le Pen erste größere
Erfolge erzielte, sind rechtspopulistische und rechtsradikale
Parteien zu festen politischen Größen in Europa geworden.
Die Grenzen zwischen rechtspopulistischem und rechtsradikalem
Gedankengut verschwimmen. In vielen Ländern erzielen die
Rechtsrechts-Parteien auf nationaler Ebene regelmäßig
Wahlergebnisse zwischen zehn und 20 Prozent, oft noch mehr. Sie
sind nicht mehr vorwiegend anachronistisch, sondern liegen immer
öfter im Trend, der, je nach Land, ein je ganz anderer sein
kann. Es gibt Rechtsaußen-Parteien mit antimodernen und es
gibt solche mit libertären Zügen.
Zum Beispiel Polen und die Niederlande. In
Polen marschiert die derzeit stärkste Partei, die
rechtspopulistische kleinbürgerliche "Partei für Recht
und Gerechtigkeit" (PiS) mit dem neuen Präsidenten Lech
Kaczynski und seinem Zwillingsbruder, dem Parteichef Jaroslaw
Kaczynski, mit Gott und ohne Sex in ein Europa der
Vaterländer. Ein autoritärer, nationaler und klerikaler
Zug in der polnischen Gesellschaft kommt politisch zum Zug. Er ist
nicht rechtsextrem, aber er ist sehr rechts. Im Wahlkampf hatte
Lech Kaczynski die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert;
als Warschauer Bürgermeister, geprägt von der
restriktiven katholischen Sexualmoral, hatte er eine
Homosexuellen-Parade verboten. Das kommt in Polen an. Populisten
machen eben das, was populär ist.
In den Niederlanden dagegen war und ist etwas
ganz anderes populär als in Polen: Dort wurde die
fremdenfeindliche Partei des ehemaligen Soziologieprofessors Pim
Fortuyn bei den Kommunalwahlen in Rotterdam im März 2002 mit
34 Prozent auch deswegen zweitstärkste Partei, weil sie sich
einen modern-großstädtischen Anstrich gab, und, zum
Beispiel, mit Homosexualität ganz locker umging. Sie
propagierte einen radikalen Kulturnationalismus, kombinierte ein
libertäres Befreiungspathos mit autoritärer
Homogensierungssehnsucht. Seitdem sich nach der Ermordung des
Parteigründers die Fortuyn-Nachfolger zerstritten, spielt die
Partei zwar nicht mehr die große politische Rolle. Aber das
Klima in den Niederlanden prägten und prägen die
Fortuynisten nachhaltig. Der holländische multikulturelle
Konsens ist zerbrochen. Eine neue Unduldsamkeit mit Ausländern
beherrscht die Stimmung.
Was verbindet die Rechts- und
Rechtsrechtsparteien in Europa? Was verbindet Jörg Haider in
Österreich, der vor 20 Jahren mit seiner damaligen FPÖ
zunächst einen radikalliberalen wirtschaftspolitischen Kurs
für Freiberufler und Selbständige führte, sich aber
dann mit seiner Partei den Arbeitern zuwandte und
protektionistische Maßnahmen forderte, was verbindet diesen
alten und neuen Haider mit sich selbst und mit einem Le Pen und
seinem Front National? Was verbindet Le Pen mit dem Vlaams Blok in
Belgien und ihrem Vorsitzenden Frank Vanhecke (zuletzt 2003 11,6
Prozent). Was verbindet den Vlaams Blok mit der norwegischen
wohlstands-chauvinistischen und antieuropäischen
Fortschrittspartei des Carl I. Hagen? Was verbindet Hagen mit dem
Schweizer Christoph Blocher, der keine neue Partei gegründet,
sondern die alte, seit Jahrzehnten etablierte Schweizer Volkspartei
(SVP, zuletzt 26,6 Prozent im Jahr 2003) rechtsgewendet hat? Was
verbindet Blocher mit Umberto Bossi und seiner lombardischen Lega
Nord, die als Partei der Handwerker und Kleinunternehmer die
Abspaltung von Italien und ein ultraliberales Wirtschaftskonzept
verficht? Was verbindet Bossi mit der Dänin Pia Kjaersgaard
und ihrer Volkspartei/DF, die bei letzten Wahlen 2005 erneut zur
drittstärksten Partei wurde (13,2 Prozent). Und was verbindet
sie mit dem Ungarn Viktor Orban und seiner
Fidesz-Partei?
Der gemeinsame Nenner ist die aggressive
Agitation gegen Einwanderer und gegen Flüchtlinge. Gemeinsam
ist allen die Islamophobie, die den Islam mit islamistischem
Fundamentalismus gleich setzt. Gemeinsam ist eine
Sündenbock-Polemik gegen Ausländer als Basso continuo
ihrer Politik. Alle rechtspopulistischen Parteien in Europa
schüren Überfremdungsängste - sie reden aber nicht,
wie das die klassisch rechtsextremen Parteien tun, vom Schutz der
Rasse, sondern vom Schutz der kulturellen und nationalen
Identität. Ihre Chefs agieren als angebliche Saubermänner
mit dem eisernen Besen. Sie stellen üblicherweise auch nicht
die Demokratie als solche in Frage, sie agitieren aber gegen ihre
Werte: Sie richten sich gegen den Gleichheitsgrundsatz, sie
propagieren die Ausgrenzung "der Anderen", der Ausländer, der
Einwanderer, der Muslime, sie propagieren das Recht auf den
Unterschied, auf das Anders- und Besser-Sein.
Die meisten Rechtsaußenparteien
schrecken davor zurück (zu den Ausnahmen gehört der FN
von Le Pen), sich exzessiv rechtsextrem zu gebärden; sie
nehmen aber kräftige Anleihen im argumentativen Fundus, sind
aber nicht militant. Es geht ihnen um nationale und kulturelle
Identität.
Fremdenfeindlichkeit ohne Fremde
Seit dem 11. September 2001, seit den
Attentaten islamistischer Fundamentalisten in New York und
Wa-shington, hat sich das Klima für Rechtsrechts-Parteien noch
einmal erwärmt - und die Debatte über die Aufnahme von
EU-Beitrittsverhandlungen tut noch einmal ihren Teil. Klima kommt
vom griechischen "klimatos", "Neigung", und meint den
Einstrahlwinkel der Sonne. Seitdem die Angst der Menschen
wächst, wächst auch die Neigung, den autoritären
Rechtsaußen-Parteien und ihrer binären Politik zu
vertrauen. Der politische Ton hat sich verschärft, die
Fremdenangst hat zugenommen, das innenpolitische Klima in vielen
europäischen Ländern ist giftiger geworden.
Auffallend ist, dass es einen
Rechtspopulismus auch ohne Einwanderung gibt, so wie es seit jeher
einen Antisemitismus ohne Juden gab. In Deutschland erzielen die
fremdenfeindlichen Parteien DVU und NPD ihre größten
Erfolge dort, wo es am wenigsten Ausländer gibt: im Osten, in
Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Im Frühjahr 2005 hat der Politologe
Jean-Yves Camus im Auftrag der Europäischen Kommission gegen
Rassismus und Intoleranz (Ecri) eine Studie vorgelegt, derzufolge
fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Argumentationen
bis weit in das Spektrum der demokratischen Parteien hineinreichen,
die in den 46 Mitgliedsstaaten des Europarates vertreten sind. Zwar
hätten die "klassischen" rechtsextremistischen Parteien mit
rassistischem Gedankengut "eher wenig Zulauf" bei Wahlen (als
"klassisch" gelten dabei die Rechtsextremisten, die für
Rassismus und Führerprinzip eintreten, also offen gegen die
Demokratie sind). Dafür hätten sich die Parteien der
"parlamentarischen Rechten" fremdenfeindlich aufgeladen und damit
Erfolge erzielt.
Das mit der "Aufladung" gilt aber nicht nur
für die "parlamentarische Rechte". Im Vereinigten
Königreich etwa hat sich Tony Blairs New-Labour-Regierung
gegen den europäischen Rechtspopulismus mit einer
populistischen Ausländerpolitik gewappnet. In Deutschland hat
sich Oskar Lafontaine im Wahlkampf für die Linkspartei der
ausländerfeindlichen Chiffren bedient.
Wenn es darum geht, die sozialen Verlierer,
die Globalisierungsopfer, die neuen Unterschichten für sich zu
gewinnen, sind diese Mittel und Methoden nicht allein den
Rechtsradikalen und Rechtspopulisten vorbehalten.
Heribert Prantl ist Leitender Redakteur bei der "Süddeutschen
Zeitung" in München.
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