Protokoll-Nr. 14/18
DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuß für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
14. Wahlperiode
22 38-24 50
Wortprotokoll
der
18. Sitzung
des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
(10. Ausschuß)
Öffentliche Anhörung zu den
Auswirkungen der Beschlüsse zur Agenda 2000
auf die deutsche Land- und Forstwirtschaft
am 16. Juni 1999, 9.30 Uhr
(Bonn, Bundeshaus, Wasserwerk)
Vorsitz: Peter Harry Carstensen (Nordstrand), MdB
Seite
Einziger Punkt der Tagesordnung
Öffentliche Anhörung zu den
Auswirkungen der Beschlüsse zur Agenda 2000 auf die
deutsche Landwirtschaft 9 - 67
Sachverständigenliste 6 - 8
Anlagen 1 ? 8: Eingangsstatements 67 - 107
Anlage 9: Fragenkatalog 108 - 111
Der Vorsitzende erinnert daran, daß die
CDU/CSU-Fraktion hierzu einen Antrag auf Ausschuß-Drucksache
14/056 vorgelegt habe und daß im Ausschuß Einvernehmen
darüber bestanden habe, sich nach den Beschlüssen zur
Agenda 2000 im Hinblick auf die erforderliche Umsetzung eingehend
mit den Auswirkungen der Beschlüsse zu befassen.
Er begrüßt die geladenen Sachverständen (Anlage)
und dankt ihnen für die Bereitschaft, zur Beantwortung der
Fragen der Ausschuß-Mitglieder zur Verfügung zu stehen.
Auf Grund des komplexen Spektrums der Anhörung habe man
bewußt einen sehr breiten Kreis von Sachverständigen,
Verbandsvertretern und Vertretern der Bundesländer geladen, um
auf der Grundlage dieser Erkenntnisse die notwendigen Schlüsse
im Hinblick auf die erforderliche Umsetzung ziehen zu
können.
Auch weist er darauf hin, daß das Sekretariat die
Sachverständigen vorab um die Beantwortung eines
Fragenkatalogs gebeten habe. Soweit diese Stellungnahmen
rechtzeitig eingegangen seien, habe man diese auch als
Ausschuß-Drucksachen verteilt. In jedem Falle würden sie
aber auf den Tischen vor dem Eingang ausliegen. Der Vorsitzende
bittet nun die Sachverständigen um die Abgabe möglichst
kurz gehaltener Statements, um im Anschluß daran, mit einer
ersten Fragerunde zu beginnen.
Harry Czeke, Vorsitzender des Vorstandes der
Agrargenossenschaft e. G. Schlagenthin (Statement
Anlage 1)
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Institut für
Betriebswirtschaft, Agrarstruktur und ländliche Räume der
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft
Braunschweig-Völkenrode führt dazu aus,
daß er überzeugt sei, daß die Liberalisierung und
Globalisierung im Agrarbereich zügig voranschreiten werde.
Über diesen Prozeß würden nicht die Agrarier,
sondern andere entscheiden, nicht zuletzt auch die deutsche
Wirtschaft sowie der Deutsche Bundestag. Wenn dies richtig sei,
dann werde die Zukunft der deutschen Landwirtschaft zunehmend davon
abhängig sein, wie wettbewerbsfähig sie sei. Zur Zeit sei
sie in wichtigen Produktionszweigen international nicht hinreichend
wettbewerbsfähig. Aus diesem Grunde spreche vieles dafür,
eine Politik zu betreiben, die die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Landwirtschaft aktiv fördere. Hier gebe es noch eine
Galgenfrist von maximal 20 Jahren, in der dieser Prozeß
abgeschlossen sein müsse.
Vor diesem Hintergrund sehe er die Diskussion um die Agenda 2000
außerordentlich problematisch. Zunächst sei die Agenda
in Deutschland bekämpft worden, jetzt würden die Wunden
geleckt und im nächsten Schritt gebe es dann eine
vorhersehbare Diskussion um die Mittelverteilung infolge der
Agendabeschlüsse. Hier gebe es viele
Ausgestaltungsmöglichkeiten und es sei absehbar, daß die
Vertreter des Bundes sowie auch die Vertreter der Länder auch
untereinander in erster Linie darauf achteten, wie die von der
Kommission zur Verfügung gestellten Instrumente am besten zum
Vorteil des eigenen Bundeslandes genutzt werden können. Dies
bedeute eine kurzfristige Verteilungspolitik. Auch bei der
Milchquotengesetzgebung laufe die Entwicklung in die gleiche
Richtung. Somit sei eine Politik der kurzfristigen Entscheidungen
vorprogrammiert, die langfristig ganz allmählich zu einer
Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Landwirtschaft und zu einem Leerlaufen insbesondere des deutschen
Standortes im Bereich der Tierhaltung führe.
Dies sei die Problematik der Agenda 2000. Daher sollte jetzt nach
vorne geschaut und überlegt werden, wie vor dem Hintergrund
der Agenda 2000 das Beste daraus gemacht werden könne. Dies
sei ein Appell an die bevorstehende Diskussion.
Prof. Dr. Cay Langbehn,
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Statement Anlage
2)
Prof. Dr. Winfried von Urff, Lehrstuhl für
Agrarpolitik der Technischen Universität
München, führt dazu aus, daß mit der
Agenda 2000 eine Preissenkung bei wichtigen Produkten beschlossen
worden sei, die durch Ausgleichszahlungen nur teilweise kompensiert
werde. Dies bedeute insgesamt einen Erlösausfall und damit
einen Einkommensrückgang für die deutsche Landwirtschaft.
Über die Höhe könnten nur sehr detaillierte
Berechnungen Auskunft geben, denn man dürfe die derzeitige
Situation nicht mit einer Situation im Jahre 2005 mit Agenda 2000
vergleichen, sondern nur, was wäre im Jahre 2005 bei
Fortsetzung der bisherigen Politik und was wird kommen im Jahr 2005
mit der Agenda. Wenn man diese Berechnungen durchführe, komme
man zu etwas anderen Ergebnissen, als wenn man den jetzigen Status
mit der Situation in der Zukunft vergleiche.
Mit Sicherheit könne man sagen, daß die Auswirkungen am
stärksten seien in Ackerbaubetrieben auf ungünstigen
Standorten, auf denen der Ölsaatenanteil eine wichtige Rolle
spiele. Ackerbaubetriebe auf günstigen Standorten würden
weniger darunter leiden. Futterbaubetriebe, die auf Rindermast
spezialisiert seien, würden nicht so stark betroffen sein wie
ursprünglich vermutet. Die Milchviehbetriebe würden erst
in einer etwas ferneren Zukunft betroffen sein. Dies zeige
insgesamt, daß die Belastungen dort am größten
sein werden, wo extrem ungünstige Standortbedingungen
vorliegen, wozu weite Teile der neuen Bundesländer
gehörten. Im vor- und nachgelagerten Bereich würden die
Auswirkungen vermutlich nicht so stark sein, wie gelegentlich
angenommen worden sei.
Er stimme den Kollegen in der Argumentation zu, daß man sehr
vorsichtig ? wenn auch mit möglicherweise guter Absicht ?
dabei sein müsse, durch Bindung der Ausgleichszulagen an
andere Kriterien als den Einkommensausgleich die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft nicht noch
mehr zu belasten.
Zu den Stichworten Öko- und Sozialdumping in dem Fragenkatalog
bemerkt er, daß man mit diesen Begriffen sehr vorsichtig
umgehen müsse. Alle internationalen Verträge und
Vereinbarungen würden festlegen, daß der Umgang mit den
natürlichen Ressourcen in die Souveränität jedes
einzelnen Staates falle. Allenfalls bei grenzüberschreitenden
Effekten könne man sich einmischen. Er würde es sehr
begrüßen, wenn es zu internationalen Vereinbarungen
käme. Als Instrument zur Abwehr von Einfuhren könne man
Ökodumping allerdings nicht verwenden.
Das gleiche gelte für das sog. Sozialdumping. Dahinter stehe
die Tatsache, daß es Länder gebe mit niedrigeren
Löhnen und Sozialleistungen. Dies seien komparative
Kostenvorteile der dortigen Volkswirtschaften. Dahin gehörten
arbeitsintensive Produktionsweisen. Wenn man sich dagegen wehre,
das, was dadurch hergestellt werde, zu importieren, schade man
denjenigen, die man unterstützen wolle, da man ihnen die Basis
dafür entziehe, daß es zu einer Verbesserung im
Lohnniveau und im sozialen Bereich komme. Voraussetzung dafür
sei ein gewisser Wohlstand durch Handel entsprechend den
komparativen Vorteilen.
Was die Reduzierung des deutschen Nettobeitrages bei den
Verhandlungen betreffe, so habe die Bundesregierung hier nur wenig
erreicht. Allerdings warne er davor, dies Argument des deutschen
Nettobeitrages zu sehr zu strapazieren. Er vollziehe sich über
die Regionalfonds und dort sei ein finanzieller Transfer gewollt,
da es in der EU keinen Finanzausgleich gebe. Er vollziehe sich
über die Agrarpolitik. Hier sei er ungewollt und das Ergebnis
sei zufallsbedingt. Aber es seien Eingriffe in den Markt, die
Kosten verursachen, die nicht unmittelbar und ausschließlich
dem Land zugute kämen, in dem die Eingriffe erfolgen.
Nicht nachvollziehen könne er das Argument, daß von den
insgesamt 80 Mrd. DM für die Landwirtschaft nur weniger als
die Hälfte bei den landwirtschaftlichen Betrieben
ankämen. Es gebe hier ein System gestützter Preise, mit
dem die Preise, die der Verbraucher letztendlich bezahle, über
die Weltmarktpreise gehalten würden. Zur Aufrechterhaltung
dieses Systems seien Markteingriffe notwendig - Intervention und
Exporterstattungen - und daher könne man nicht argumentieren,
von diesen einzelnen vorgenommenen Interventionen gelange nur ein
Bruchteil X bei den Landwirten. Sie seien notwendig, um das System
als solches zu erhalten. Wenn man diesen Effekt korrigieren wolle,
dann müsse man auch das System als solches korrigieren. Die
Agenda gehe mit einer Umschichtung auf Direktzahlungen einen
Schritt in diese Richtung, bleibe allerdings weit dahinter
zurück. Je mehr man den Selbstversorgungsgrad von 100 %
überschreite, um so ineffizienter werde ein solches System. An
diesem Mangel kranke man zur Zeit, der auch durch die Agenda nicht
grundlegend geändert werde.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram, Lehrstuhl für
Marktforschung Universität Bonn, führt dazu aus,
daß er sich auf die Frage mit den Finanzierungsaspekten
konzentrieren werde, wozu er einige Thesen formuliert habe
(Anlage 3).
These 1: Die Ausgaben des EAGFL steigen durch die Agenda 2000 vor
allem zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland.
Durch die Umstellung der Einkommenserwirtschaftung aus der
preisabhängigen auf die subventionsabhängige
Einkommsenssituation ergebe sich diese Erhöhung
zwangsläufig. Die Bundesrepublik sei mit 30 % an den gesamten
Ausgleichszahlungen beteiligt, und damit auch auch den Subventionen
der Agrarprodukte, wodurch die Lebenshaltungskosten in allen
Ländern in einem entsprechenden Umfang gesenkt würden.
Dies sei im Hinblick auf die Zielsetzung richtig, daß
nämlich aus den finanz- und wirtschaftsstärkeren
Ländern Kapital in die schwächeren Länder
abfließe. Voraussetzung für einen entsprechenden
Kapitalabfluß sei für einen Ökonomen allerdings,
daß mit diesem Kapital Wachstumseffekte erzielt würden,
daß also die Einkommensunterschiede zwischen den Ländern
verringert würden, um deren Heranführen zu
ermöglichen. Hierfür seien in der Agenda 2000 keinerlei
entsprechende Konzepte enthalten. Das Geld werde weiterhin
verschwendet.
These 2: Hier unterscheide er sich von seinem Kollegen Prof. Dr.
von Urff. Weniger als 50 % der aufgewandten Staatsaufgaben
würden einkommenswirksam zu Gunsten der Landwirtschaft sowie
der vor- und nachgelagerten Sektoren. Die Kosten beliefen sich auf
80 Mrd. DM pro Jahr. Dies bedeute, daß 40 Mrd. DM den
europäischen Volkswirtschaften ohne Gegenleistung entzogen
würden. Von 1980 bis jetzt seien ca. 1,6 Billionen
einschließlich Zinsen in den Agrarsektor geflossen. Davon
seien wiederum eine Billion den Volkswirtschaften ohne
Gegenleistung entzogen worden. Der Fragenkatalog in den Punkten 6
und 7 mache Zweifel hieran deutlich.
Die Gründe dafür seien folgende: Es gebe hierzu zwei
Berechnungsarten, die relativ leicht überprüfbar seien.
Im Bereich Milch würden die Marktordnungskosten bei 6 Mrd. DM
liegen. Dies bedeute bei einem Überschuß von 14 Mio.
Tonnen, daß die entsprechenden Kosten bei 43 Pfennig pro
Liter Milch liegen. Wenn man z. B. einen Betriebstypen aus dem
Beratungsring Milchviehhaltung im unteren Viertel nehme, so liege
dieser bei einem Einkommen von 12 Pf/l Milch, was im EU-Vergleich
überdurchschnittlich sei. Bezogen auf die 43 Pfennig pro Liter
Milch bedeute dies eine Einkommenswirksamkeit von 28 % und damit
eine Vernichtung des Kapitals in Höhe von 72 %.
Bei Getreide sei dies etwas komplizierter, s. Schaubild 1 der
Anlage 3, dem ein 30-ha-Betrieb zugrundeliege. Wenn man die letzte
Säule auf dem Schaubild heranziehe, wo der Betrag im ersten
Bereich bei 50 Dezitonnen je ha liege, so würde der Betrieb
jetzt nach den Agenda-Beschlüssen 21.500 DM Prämie
erhalten. Auf Grund von Preis- und Kostenbedingungen habe der
Betrieb einen Verlust von 1.600 DM.
Bei einem Betrieb mit 85 Dezitonnen ? das wäre die zweite
Säule auf dem Schaubild ? würde die Einkommenswirksamkeit
bei ca. 38 % liegen, was einen Verlust von 12.300 DM bedeute.
Dem Schaubild 2 liege ein 100-ha-Betrieb zugrunde. Bei einem Ertrag
von 50 Dezitonnen würde bei 69.000 DM Stützung die
Einkommenswirksamkeit bei 25 % liegen mit einer entsprechenden
Kapitalvernichtung von 75 %.
Dem Schaubild 3 liege ein 1.000-ha-Betrieb zugrunde. Hier liege bei
einem Ertragsniveau von 50 Dezitonnen die Einkommenswirksamkeit der
Ausgleichszahlungen bei 64 %. Auf Grund der Kostenverhältnisse
sei dieser Prozentsatz hier günstiger. Erst bei einem Ertrag
von 85 Dezitonnen würde die Einkommenswirksamkeit bei 100 %
liegen.
Zusammengefaßt rechne er damit, daß von den
Aufwendungen für den Getreidesektor etwa 40 %
einkommenswirksam werden, was bedeute, daß 60 % des
eingesetzten Kapitals vernichtet würden.
Dies sei auch bei der Exportsituation erkennbar. So verursache eine
Tonne Überschußgetreide Kosten in Höhe von ca. 170
DM (Beihilfe, Exporterstattungen usw.). Von diesen 170 DM blieben
50 DM übrig, so daß den Volkswirtschaften hier wiederum
120 DM entzogen würden.
Bei der Butter sei das Verhältnis ähnlich, also knapp ein
Drittel einkommenswirksam, der Rest Kapitalverlust. Dies bedeute,
daß die Einkommenswirksamkeit der EU-Aufwendungen nicht
unwesentlich unter 50 % liege. Sicherlich sei die Diskussion um die
Senkung des deutschen Nettozahlerbeitrages wichtig. Viel wichtiger
sei aber die Erhöhung der Effizienz des eingesetzten
Kapitals.
Dr. Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen
Bauernverbandes (Statement Anlage 4).
Dr. Volker Petersen, Deutscher Raiffeisenverband (Statement
Anlage 5). Abschließend: Der DRV begrüße
es ausdrücklich, daß im Hinblick auf die notwendigen
weiteren Strukturanpassungen, insbesondere auch im vor- und
nachgelagerten Wirtschaftsbereich im Rahmen der Verordnung für
den ländlichen Raum auch die Förderung der Verbesserung
der Vermarktungsstruktur gemeinschaftsweit beibehalten worden sei.
Man appelliere hier an den Bund sowie an die Bundesländer,
für diese Maßnahmen auch in Deutschland die
entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, da man sich davon einen
weiteren positiven Effekt für die weitere strukturelle
Entwicklung vor dem Hintergrund der erschwerten Rahmenbedingungen
erwarte.
Dr. Klaus-Dieter Schumacher, Alfred C. Toepfer
International GmbH, Bundesverband der agrargewerblichen
Wirtschaft, führt dazu aus, daß die Agenda 2000
u. a. mit dem Ziel angetreten sei, die Wettbewerbsfähigkeit
der europäischen Landwirtschaft international zu stärken,
insbesondere auch vor dem Hintergrund, daß klar abzusehen
sei, daß in der nächsten WTO-Verhandlungsrunde über
einen weiteren Abbau der Subventionen im Agrarexport ganz generell
entschieden werde. Dies Ziel sei nur teilweise erreicht worden.
Insbesondere im Getreidebereich werde künftig zunehmend Weizen
auf dem Weltmarkt ohne Exporterstattungen abgesetzt werden
können. Hier, und nicht auf den EU-Märkten würden
die zukünftigen Märkte liegen. Wenn man auch im Bereich
des Futtergetreides künftig ohne Exporterstattungen auskommen
wolle, werde es unerläßlich sein, von der im Berliner
Beschluß enthaltenen Revisionsklausel Gebrauch zu machen und
damit weitere Preissenkungen vorzunehmen. Die Annäherung an
die Weltmarktpreise sei in diesen Bereichen nicht gelungen.
Dies habe entsprechende Konsequenzen auf die Bereiche der
tierischen Produkte, die dann weiter unter den begrenzten
Exportmöglichkeiten leiden werden. Mit den jetzt beschlossenen
Preissenkungen sei es unausweichlich, daß die
Interventionsbestände in der EU unverändert hoch blieben.
Eine Alternative wäre sicherlich nur eine politisch nicht zu
vertretende sehr hohe Flächenstillegung. Gerade die
Flächenstillegung verdeutliche die Inkonsistenz der
Agrarpolitik. Auf der einen Seite würden Prämien
gewährt für die Produktion, andererseits aber würden
Produktionsverbote erlassen.
Was die Fortsetzung des Strukturwandels in der Landwirtschaft
betreffe, so werde sich dieser auf die der Landwirtschaft vor- und
nachgelagerten Bereiche auswirken und eine weitere Konsolidierung
auch in diesen Bereichen unausweichlich machen.
Dirk Detlefsen, Bund der Deutschen Landjugend (BDL),
(Statement Anlage 6)
Wolfgang Reimer, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft e. V., Rheda Wiedenbrück, führt
dazu aus, daß die Globalisierungsdiskussion differenzierter
geführt werden müsse. So würden alle großen
Industrienationen trotz ihres hohen Transportanteiles im
Industriebereich weniger als 10 % des Bruttosozialproduktes vom
Weltmarktexport erzielen, im Agrarbereich seien es noch weniger.
Deshalb könne sich die Wirtschaftspolitik nicht nur an den
Großunternehmen orientieren, sondern auch am Mittelstand, am
Einzelhandel und den zahlreichen regionalen Warenkreisläufen.
Eine entsprechende Differenzierung müsse auch bei der
Agrarpolitik erfolgen. Für die Landwirtschaft bedeutete dies,
daß man in den Bereichen Getreide und Ölsaaten die
Weltmarktorientierung in absehbarer Zeit nicht rückgängig
machen könne.
Die Frage stelle sich jetzt, ob man im Milchbereich den gleichen
Weg gehe. Der Berliner Gipfel habe gezeigt, daß die
Weltmarktorientierung bei der Milch nicht bezahlbar sei. Deshalb
habe man die Reform verschoben. Es sei unrealistisch zu glauben,
daß man im Milchbereich sowohl auf nationaler wie auch
EU-Ebene im Hinblick auf den Weltmarkt wettbewerbsfähig werde.
Selbst die sog. leistungsfähigen Betriebe, und zwar die
staatlich geförderten Boxen-Lauf-Stall-Betriebe seien die
ersten, die bei einem Milchpreis unter 55 Pfennig aufgeben
müßten, sofern der Staat ihnen nicht helfe und sie ein
zweites Mal hochsubventioniere. Ein 20-Kuh-Betrieb im Allgäu,
der noch nicht verschuldet sei, würde diesen Prozeß noch
länger durchhalten. Dagegen würden die großen
Betriebe, die stark verschuldet seien, diesen Prozeß nicht
durchhalten, sofern der Staat sie nicht subventioniere. Damit werde
allerdings die Wettbewerbsfähigkeit nicht gestärkt. Hier
sei zu überlegen, ob man nicht bei Milch den Weg ähnlich
wie in Kanada mit dem sog. AC-Modell gehe, wonach der
Inlandsverbrauch kostendeckend bezahlt werde und alles, was
darüber hinausgehe, nach den jeweils zu erlösenden
Weltmarktpreisen bezahlt werde.
Man habe in anderen Bereichen, wie z. B. Zuckerrüben,
vergleichbare Modelle. Die dort auftauchenden Probleme seien
jedenfalls lösbar. Zwar sei dies nicht ganz WTO-konform, aber
es käme auch darauf an, mit welcher Einstellung man in die
nächste Verhandlungsrunde gehe. Hierbei sei auch zu
berücksichtigen, daß die USA nicht generell der
Liberalisierung das Wort redeten, sondern sie nur in den Bereichen
einsetzen, wo sie stark seien. Im Milchbereich hätten die
Amerikaner auch Stützungssysteme.
Sicherlich brauche und werde die Landwirtschaft im EU-Bereich ein
Stück in Richtung Liberalisierung und Globalisierung gehen.
Auf der anderen Seite benötige man für die Betriebe, und
zwar die große Mehrheit, die hierzu nicht in der Lage sein
werden, alternative Entwicklungsmöglichkeiten, wie dies der
EU-Agrarkommissar auch gesehen habe. Bei einem strikten
Liberalisierungsdogma wäre das heutige Europa und seine
Kulturlandschaft nicht mehr erkennbar.
Er plädiere daher dafür, nicht den Weg einer totalen
Preissenkung wie im Marktfruchtbereich zu gehen, sondern eine
andere Position einzunehmen. Daneben müsse die Zweite
Säule gestärkt werden, da ansonsten dem ländlichen
Raum, der Landwirtschaft, der Umwelt und den Verbrauchern schwerer
Schaden zugefügt werde.
Schließlich sei die jetzige Agenda 2000 noch nicht
WTO-fähig. Tatsache sei, daß sich die europäische
Agrarpolitik in der Vergangenheit an den USA orientiert habe. Da
diese ihre Ausgleichszahlungen aus der Bluebox herausgenommen und
damit produktabhängig gemacht hätten, damit sie
WTO-konform werden, müsse davon ausgegangen werden, daß
die europäischen Ausgleichszahlungen, soweit sie noch in der
Bluebox und damit produktabhängig seien, die nächste
WTO-Runde nicht überstehen werden. Hier müsse
unterschieden werden, welche Ausgleichszahlungen der
Öffentlichkeit gegenüber zu vertreten seien, welche
ökonomisch und ökologisch sinnvoll seien und welche im
Rahmen der WTO-Runde verteidigt werden müssen. Hierzu
gehörten überwiegend diejenigen Ausgleichszahlungen, die
in die Zweite Säule passen. Die Zweite Säule sei keine
Bedrohung der Weltmarktorientierung, sondern das notwendige
Standbein der Strukturen in Deutschland und ganz Europa.
Christof Weins, Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU),
Bonn, weist darauf hin, daß die Vorlage der
Kommission ein erster Schritt in die richtige Richtung sei, da es
Ansätze auch zu einer stärkeren Integration von Umwelt
und Naturschutz in die Agrarpolitik gegeben habe. Die Ergebnisse
nach dem Berliner Gipfel seien bedingt zukunftsfähig. Die
Chance, Umweltaspekte EU-weit in die Agrarpolitik zu integrieren,
sei nicht genutzt worden, ebensowenig die Möglichkeit, durch
Umschichtung des Agrarhaushaltes naturverträgliche
Produktionsverfahren substantiell besser zu fördern. Diese
sog. Zweite Säule sei nach dem Gipfel von Berlin nurmehr
Rhetorik. Die Mittel hierfür seien nicht, wie
ursprünglich geplant, aufgestockt, sondern unter dem Strich
abgesenkt worden.
Die wesentlichen Probleme der Gemeinsamen Agrarpolitik blieben im
wesentlichen ungelöst. Produktionsüberschüsse gebe
es weiterhin und damit den Zwang zum Exportdumping, damit auch eine
negative Einflußnahme auf die Landwirtschaft von
Entwicklungsländern, den Abbau von Arbeitsplätzen im
ländlichen Raum, die ungerechte Verteilung von
Fördergeldern auf die landwirtschaftlichen Betriebe und nicht
zuletzt die Umweltprobleme. Dies und die Herausforderungen durch
die WTO-Verhandlungen sowie die anstehende Osterweiterung
würden schon bald neuere Formen im Bereich der Agrarpolitik
notwendig machen.
Die Preisausgleichszahlungen könnten nicht auf Dauer
gewährt werden. Dies werde auch nicht die Gesellschaft
akzeptieren. Der Druck, die spezifische Förderung der
Landwirtschaft zu legitimieren, werde in Europa steigen. Aber auch
von den Handelspartnern werde jetzt schon die Frage gestellt, warum
der Agrarsektor in der EU jährlich mit 80 Mrd. DM
unterstützt werde.
Der NABU sei überzeugt, daß nur eine Politik, die die
soziale ökonomische und ökologische Herausforderung
miteinander verzahne, zukunftsfähig sei, und die oben genannte
Legitimation der Zahlungen dauerhaft erreiche. Die
ökologischen Belange hätten bisher im Rahmen der
Verhandlungen zur Agenda 2000 eine untergeordnete Bedeutung. Daher
müßten jetzt die nationalen Möglichkeiten zu einer
Verbesserung der Agrarumweltpolitik dringend genutzt werden.
An den Bund und die Bundesländer werde daher appelliert, zu
einer verbindlichen Integration des Umwelt- und Naturschutzes in
die Agrarpolitik durch Anwendung der horizontalen Verordnung in
Deutschland beizutragen. Auf nationaler Ebene müsse man sich
auf ökologische und soziale Mindeststandards einigen, die
für die volle Gewährung von Direktzahlungen einzuhalten
seien. Die horizontale Verordnung schaffe auch die Möglichkeit
für notwendige Differenzierungen. Dies sei auch deshalb
notwendig, da die knappe Haushaltslage keine andere
Möglichkeit lasse, die Zweite Säule finanziell zu
stärken, weil bei Anwendung der horizontalen Verordnung und
entsprechender Einsparungen, die hieraus erwachsen, diese Mittel
für die ländliche Entwicklung zur Verfügung gestellt
werden sollen. Dies sei auch ausdrücklich von den
Agrarministern begrüßt worden.
Daher seien jetzt im Rahmen der Novellierung der
Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Entwicklung
ländlicher Räume Schwerpunkte zu setzen. Diese
müßten insgesamt zu einer naturverträglichen
Entwicklung der ländlichen Räume führen. Hierzu
gehörten in erster Linie Agrarumweltprogramme, die regionale
Verarbeitung und Vermarktung sowie Ausgleichszahlungen in allen
Bundesländern für Umwelt- und Naturschutzauflagen in
beispielsweise FFH-Gebieten. Hierfür sollten als ein erster
Schritt wenigstens 25 % der Finanzmittel der Gemeinschaftsaufgabe
(GAK) und 25 % der entsprechenden Länderprogramme zur
Entwicklung der ländlichen Räume zur Verfügung
gestellt werden. Mit den Agrarumweltprogrammen sollte gezielt
ökologische Leistung der Landwirtschaft zum Erhalt der
Kulturlandschaft und zum Erhalt der biologischen Vielfalt
ermöglicht werden.
Die letzte Forderung gehe dahin, von einer produktionsbezogenen
Förderung in eine flächenbezogene Förderung
einzusteigen und hier sehe die Rindfleischmarktordnung die
Möglichkeit vor, eine Grünlandprämie
einzuführen. Dadurch könnte jedenfalls teilweise die
Benachteiligung der Grünlandstandorte durch die
Agenda-Beschlüsse tendenziell aufgehoben werden.
Arnd Span, Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt,
Frankfurt/Main, erklärt, daß die Agenda 2000
Ergebnis eines geänderten gesellschaftlichen Wandels der
Menschen in der Europäischen Union sei. Deren politische
Vertreter hätten erklärt, diesen Wandel aufzugreifen und
in konkrete politische Gestaltung umzusetzen. Es sei sicherlich
systemimmanent, daß es bei entsprechenden Prozessen Gewinner
und Verlierer gebe. Dies führe zu einer Positionierung der
unterschiedlich Betroffenen und entsprechenden Zustimmungen oder
Ablehnungen von Vorschlägen und Beschlüssen.
Als Teil der Gewerkschaften auch der europäischen
Gewerkschaften, und Teil der außerlandwirtschaftlichen
Gewerkschaften habe man den Kommissionsentwurf seinerzeit
begrüßt und dies mit einer Reihe von Forderungen
verbunden. Man habe erklärt, daß der Kommissionsentwurf
in vielen Bereichen den gesellschaftlichen Wandel der Erwartungen
an die Landwirtschaft wiedergebe.
Hintergrund dieses Wandels sei die Tatsache, daß es sich um
einen Sektor handele, der in hohem Maße öffentlich
subventioniert werde und auch entsprechend dem staatlichen
Dirigismus unterliege. In der Gesellschaft gebe es aber andere
Grundsätze wie Offenheit, Vielfalt, Befriedigung
unterschiedlichster Anforderungen. Diesen Bedürfnissen werde
die Agrarpolitik in zunehmendem Maße nicht gerecht, was dann
zu künstlichen Gegensätzen wie Weltmarktorientierung und
regionaler Orientierung führe. Während in den
übrigen Bereichen die Regeln der Markt- bzw. sozialen
Marktwirtschaft Anwendung fänden, würden die Agrarsysteme
außen vorbleiben.
Die Gesellschaft stelle an die Landwirtschaft spezifische
Anforderungen, die über Anforderungen in anderen Bereichen zum
Teil weit hinausgingen. Dies beruhe darauf, daß derjenige,
der über einen großen Anteil natürlicher Ressourcen
verfüge und insbesondere einen großen Anteil der
Lebensmittel produziere, naturgemäß unter einer sehr
intensiven öffentlichen Kontrolle stehe. Nachdem man dem
Grundbedürfnis, die Ernährung der Bevölkerung
sicherzustellen entsprochen habe, habe die Gesellschaft neue
Anforderungen an die Landwirtschaft gerichtet. So gebe es
inzwischen ein hohes gesellschaftliches Interesse mit ganz
dezidierten Anforderungen an die Agrarproduktion. An diesen
zentralen gesellschaftlichen Forderungen müsse sich die
Agrarpolitik auch ausrichten.
Daher stehe für die IG BAU bei der Analyse der Agenda 2000 an
erster Stelle der Faktor Beschäftigung. Dieses zentrale
Problem sollte noch intensiver erörtert werden. Hierbei gehe
es um internationale Auswirkungen sowie um die Fragestellung, die
unter dem Stichwort europäisches Landwirtschaftsmodell
diskutiert werde.
Nicht zustimmen könne er den Ausführungen von Prof. Dr.
von Urff, wonach dieser Öko- und Sozialdumping als komparative
Kostenvorteile bezeichne. So sei z. B. die Nichtumsetzung der
Trinkwasserrichtlinie in Spanien ein klarer
Ökodumpingverstoß gegen EU-Recht und kein komparativer
Kostenvorteil, sondern Dumping zu Lasten der eigenen
Bevölkerung und zu Gunsten eines bestimmten gesellschaftlichen
Sektors, was radikal ausgeschlossen werden sollte.
LM Till Backhaus, Mecklenburg-Vorpommern,
führt dazu aus, daß Mecklenburg-Vorpommern von den
Agenda-Beschlüssen besonders betroffen sei. Deshalb habe er
gemeinsam mit dem Bauernverband sowie mit den Interessengruppen des
Landes in diesem Diskussionsprozeß intensiv
zusammengearbeitet. Der Strukturwandel im Agrarbereich sei im Lande
noch nicht zum Stillstand gekommen, sondern im Gegenteil durch die
Agenda-Beschlüsse weiter beschleunigt worden. So seien z. B.
1989 im landwirtschaftlichen Bereich noch 187.000 Menschen
beschäftigt gewesen, während es jetzt im
Primärbereich nur noch 24.000 Menschen seien.
Ein Hauptthema sei daher in den neuen Bundesländern und
insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern die einseitige
Benachteiligung der größeren Unternehmen, was es zu
verhindern gelte und damit insbesondere die Instrumente Obergrenze,
Degression und Modulation.
Beim zweiten Thema gehe es um die Erhaltung der
Wettbewerbsfähigkeit, die Durchführung einer
flächendeckenden nachhaltigen Landbewirtschaftung auch in der
Zukunft sowie die dauerhafte Sicherung der befristet zugewiesenen
Grundflächen. Für den ländlichen Raum sei es von
ausschlaggebender Bedeutung, die dringend notwendige
Ziel-1-Gebiet-Förderung zum Wohle der strukturschwachen
ländlichen Räume in den neuen Bundesländern
fortzusetzen. Dies sei bisher mit Erfolg gelungen, was man
begrüße.
Es gehe jetzt darum, zu weiteren Investitionen im ländlichen
Raum zu kommen und Diversifizierungen anzustreben, insbesondere im
Bereich der Veredelungsproduktion.
Auch müsse das Instrument Kooperation stärker genutzt
werden, sei es ein Mehrfamilienbetrieb oder ein wieder
eingerichtetes Unternehmen. Hier seien noch eine Reihe von
Potentialen nicht ausgeschöpft worden.
Schließlich dürfe die bevorstehende Osterweiterung nicht
außer acht gelassen werden, was zu erheblichen Problemen der
deutschen Landwirtshaft führen werde. Mit den Stichworten WTO-
und USA-Problematik habe man sich ebenfalls intensiv
auseinandergesetzt.
Gewünscht hätte man sich bei den Agenda-Beschlüssen
eine ausgewogenere Kompensation der Preissenkung zur Vermeidung von
Einkommenseinbußen in bestimmten Bereichen.
Ein weiteres Thema sei die gründliche Vereinfachung der
Beihilfenregelung, um den Verwaltungsaufwand zu verringern und um
damit auch das Anlastungsrisiko zu vermeiden. Auch gehe es ihm
darum, immer wieder deutlich zu machen, daß man eine
Verbesserung der Rahmenbedingungen benötige, um zu einer
qualitativen Verbesserung der Lebensmittel zu kommen, sowie die
Beschleunigung einer entsprechenden Produktion in
Mecklenburg-Vorpommern. Hier sei in den letzten Jahren die
Veredelungsproduktion ganz massiv zurückgegangen.
Daher gehe es darum, die Handlungsspielräume der Agenda 2000
konsequent zu nutzen und dies national und auf Länderebene
umzusetzen, um dadurch zu einer Abfederung der kalkulierten
Einkommenseinbußen für die Landwirtschaft zu kommen.
Während man bei den Agenda-Vorschlägen von 550 Mio.
Einkommensverlusten ausgegangen sei, rechne man jetzt mit ca. 200
Mio. Einbußen, was einem Verlust von 180 DM/ha
entspreche.
Im übrigen gehe man davon aus, daß eine
flächendeckende Landbewirtschaftung weiterhin möglich
sein müsse und zwar auch unter den Bedingungen des
Ölsaatenkompromisses und dessen Absenkungen, wobei man klar
die Bemessungsgrundlage für die Übergangszeit auf die
Ölsaaten abstelle.
Auch sei man der Auffassung, daß für eine
umweltverträgliche Landwirtschaft die
Extensivierungszuschläge im Zusammenhang mit einer sinnvollen
Landbewirtschaftung umgesetzt werden sollten.
Mecklenburg-Vorpommern gehöre im übrigen zu den
tierärmsten Regionen Europas mit 0,5 GV/ha. Insofern halte er
es nicht für sinnvoll, dies in zwei Extensivierungsklassen
aufzuteilen.
Im Milchbereich sei Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich gegen
eine Flächenbindung und für eine Unterstützung der
aktiven Milcherzeuger sowie einen möglichst geringen
Verwaltungsaufwand.
Mit den Beschlüssen zur Agenda 2000 seien die
Handlungsspielräume für eine flächendeckende,
umweltgerechte, nachhaltige Landbewirtschaftung geschaffen worden.
Angesichts der bevorstehenden Verteilungskämpfe werde man zu
ausgewogenen Lösungen kommen müssen. Auf Grund des schon
jahrzehntelangen andauernden Strukturwandels werde er insbesondere
versuchen, über die europäischen Fonds sowie die
Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes die investive Förderung zum Schwerpunkt zu
machen und daneben die Schaffung von alternativen
Arbeitsplätzen.
MR Dr. Schick, Bayern, (Statement Anlage 7)
LMR Dr. Lampe, Niedersachsen, macht darauf
aufmerksam, daß die Agenda 2000 eine Konsequenz aus den
GATT-Verträgen sei, die von allen Regierungschefs
unterschrieben worden seien. Darin heiße es, daß sich
die Europäische Union dem Weltmarkt öffnen müsse.
Wenn dies richtig sei, dann sei auch eine Neuorientierung der
Agrarpolitik erforderlich. Allerdings könne diese Anpassung
nicht im Sturzflug erfolgen, sondern sie muß im Gleitflug
flankierend begleitet und mit einem wirksamen Außenschutz
versehen werden. Es müßten eindeutige Signale und mehr
Politiksicherheit gegeben werden.
Bei Getreide, Rindfleisch und Raps halte Niedersachsen den
Gleitflug für annähernd gelungen, auch wenn es dort
einige Probleme gebe. Bei Milch werde die Verschiebung der Reform
von 2005 auf 2008 zunächst begrüßt, da die
entsprechende Entlastung in diesem Zeitraum für die Landwirte
zwischen 300 und 800 Mio. DM liege. Allerdings bleibe das Problem,
daß keine eindeutigen Signale im Hinblick auf die
künftige Entwicklung der Milchmarktordnung vorliegen. Viele
Landwirte würden befürchten, daß der
Anpassungsdruck nach 2005 um so heftiger wirken werde. Als
besonders problematisch würden die Auswirkungen auf
Quotenpreise eingeschätzt. Viele Landwirte seien der
Auffassung, daß das, was durch zu hohe Quotenpreise
abgeschöpft werde, viel mehr sei als das, was der Staat als
Direktzahlungen leiste.
Eine weitere offene Frage sei die Finanzierung nach dem Jahr 2005.
Man könne nur hoffen, daß eine vernünftige Regelung
für den Übergang von Quoten zwischen den Betrieben
gefunden werde.
Im Bereich Rindfleisch gebe es strukturelle Überschüsse
und die ergriffenen Maßnahmen würden die
Futterbaubetriebe hart treffen. Sehr unbefriedigend sei die
Verteilung der Prämien, und zwar werde der Anpassungsspielraum
der Betriebe durch die unterschiedlichen Prämien sehr
eingeschränkt. Hinzu komme die enorme
verwaltungsmäßige Belastung sowie das erhöhte
Risiko, denn es gehe um viel Geld, was sowohl die Betriebe als auch
das Land betreffe. Auf Grund eigener Berechnungen erwarte man,
daß 22.000 Betriebe zusätzlich einbezogen werden, so
daß die Reform mit zusätzlichen 175 Beamten durchgesetzt
werden müsse. Insofern sei es jetzt den Landwirten schwer
vermittelbar zu erklären, daß sich der Staat aus der
Agrarpolitik zurückziehe, andererseits aber 175 Beamte
zusätzlich zur Durchsetzung der Reform benötige.
Zur Flächenprämie habe Niedersachsen frühzeitig
einen Vorschlag gemacht. Den damit verbundenen Problemen könne
man ohne große Schwierigkeiten durch eine entsprechende
Ausgestaltung mit zeitlicher Abfolge begegnen.
Was die Einkommenswirkungen betreffe, so würden sich die
für Niedersachsen global abgeschätzten durchschnittlichen
Einkommensminderungen auf 6,5 % (erste Stufe in 2002/03) bzw. 13 %
(zweite Stufe in 2007/08) belaufen. Am stärksten seien die
Marktfruchtbaubetriebe betroffen, also die Betriebe, die neben
Getreide einen hohen Rapsanteil haben. Bei Futterbaubetrieben
rechne man mit Minderungen in Höhe von 11 %. Die
Veredelungsbetriebe seien nicht so stark betroffen.
Gleichwohl gebe es jetzt keinen Grund zu allgemeinem Pessimismus.
Niedersachsen verfüge über eine leistungsfähige
Landwirtschaft. Man sei der Auffassung, daß die
Landwirtschaft ähnlich, wie sie die Reform nach 1952
gemeistert habe, auch diesmal noch Einkommensreserven werde
mobilisieren können. Voraussetzung sei allerdings, daß
es mehr Politiksicherheit gebe. Es müsse einen
Mindestaußenschutz, eine wirksame Investitionsförderung
sowie eine Förderung für die Verbesserung der
Marktstrukturen geben.
Zweifellos werde sich der Strukturwandel im ländlichen Raum
fortsetzen. Die Landwirtschaft werde künftig nicht allein den
ländlichen Raum gestalten können. So werde zunehmend auch
der nicht-landwirtschaftliche Bereich einbezogen werden
müssen, um den ländlichen Raum mit Leben zu
erfüllen. Insofern würden die Initiativen der
Europäischen Union begrüßt, durch integrale
Förderungsmöglichkeiten den ländlichen Raum zu
stärken. Bei entsprechenden Maßnahmen müsse
allerdings der Schwerpunkt auf investive Maßnahmen gelegt
werden und weniger auf konsumtive Maßnahmen.
Ohne Zweifel würden umweltpolitische Maßnahmen
zunehmende Bedeutung erhalten. Hier müsse sich die
Landwirtschaft den verstärkten Forderungen der Gesellschaft
stellen. Die Maßnahmen, die in der Vergangenheit unter der
Überschrift 2078 erfolgt seien, seien allerdings nicht der
Weisheit letzter Schluß. Die Nachhaltigkeit sei nicht
gegeben. So würden die Landwirte nach den fünf Jahren
wieder in ihre alte Wirtschaftsweise zurückverfallen.
Darüber hinaus würden die Mittel auch nicht in dem Umfang
in die sensiblen Gebiete fließen, wie dies der Fall sein
müßte.
Nicht unproblematisch sei, daß diese Maßnahmen auch
häufig sehr einkommenspolitisch genutzt würden, was
zwischen den Bundesländern zu erheblichen
Wettbewerbsverzerrungen führe und daher zwischen diesen
erörtert werden müsse.
Dr. Ludger Wilstacke, Reg.-Angest. im Ministerium für
Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen,
(Statement Anlage 8)
MDg Beyer, Sachsen, bemerkt, daß Sachsen von
Beginn an das strategische Ziel der Kommission unterstützt
habe, nämlich zum einen eine wettbewerbsfähige, zum
anderen eine umweltgerechte Landwirtschaft als Zielkoordinaten zu
wählen. Nicht zufrieden sei man mit den eingesetzten
Instrumenten gewesen, und zwar insbesondere der Degression, die
für die neuen Bundesländer erhebliche regionale
Belastungen verursacht hätte, so in Sachsen einen Verlust von
15.000 Arbeitsplätzen. Insofern begrüße man,
daß die Diskussion um die Degression und Obergrenzen für
die nächste Zeit nicht mehr auf der Tagesordnung stehe. Auch
sei positiv, daß die Basisflächen für die neuen
Bundesländer verstetigt worden seien und daß es keine
obligatorische 90-Tier-Grenze gebe.
In der gesamten Betrachtung müsse man im negativen Teil zur
Kenntnis nehmen, daß einige Punkte zur Sorge Anlaß
geben. So würden bei aller Vorsicht die Einkommensverluste bei
den Landwirten bei ca. 140 DM/ha liegen, was insgesamt im Zieljahr
zu 130 Mio. DM führe. Eine Folge davon werde ein weiterer
Schub in der Rationalisierung sein sowie ein
Beschäftigungsabbau, denn es gebe einige Betriebe, die vor
Rationalisierungs- und Investitionsentscheidungen stehen. Er hoffe,
daß diese Betriebe aus den Beschlüssen der Agenda
genügend Motivation erhalten, die Entscheidungen positiv zu
treffen.
Weiterhin sei festzustellen, daß die Agenda-Beschlüsse
den Betrieben keine Planungssicherheit gegeben hätten,
insbesondere auf Grund der aufgeschobenen Entscheidungen im
Milchbereich, allerdings auch in anderen Bereichen und auch vor dem
Hintergrund der bevorstehenden WTO-Verhandlungen. Dies führe
bei den Betrieben zu dem Problem, daß sie keine
betriebswirtschaftliche Planungssicherheit hätten. Wenn der
Abschreibungszeitraum einer Investition länger sei als die
Halbwertzeit politischer Entscheidungen, dann werde das
Politikrisiko für den Betrieb größer als das
Witterungsrisiko.
Im übrigen könne er nur bestätigen, daß der
Verwaltungsaufwand erheblich steigen werde. Man rechne hier mit
einer Steigerung von 20 %, und zwar mit 20 bis 30 zusätzlichen
Mitarbeitern sowie entsprechenden Sachkosten.
Auch werde das Anlastungsrisiko steigen. Hier erwarte man vom Bund
etwas mehr Großzügigkeit und Kooperationsbereitschaft
bei der Fragestellung, wie man mit Anlastungsrisiken umgehe. Es sei
nicht sachgerecht, dies allein den Ländern zu überlassen.
Auch sei richtig, daß es bei den Betrieben zu einem
erheblichen Verwaltungsaufwand kommen werde.
Ein weiterer Kritikpunkt gerade in den neuen Bundesländern
sei, daß das Ungleichgewicht zwischen Tier- und
Pflanzenproduktion, aus der Reform von 1992 nicht beseitigt worden
sei. Dadurch werde die tierextensive Agrarwirtschaft in den neuen
Bundesländern nicht mit neuen Impulsen für eine
integrierte auch die Tierhaltung fördernde Produktion
ermutigt.
Was notwendig sei, seien klare Signale für Investitionen zur
Verbesserung und Entwicklung der Betriebe sowie für die
Marktstrukturentwicklung. Die Wettbewerbsfähigkeit aus der
Agenda 2000 lasse sich nicht allein durch Preissenkungen erzielen.
Pa-rallel dazu müsse Erhebliches für die Vermarktung auf
nationaler und internationaler Ebene unternommen werden. Sachsen
werde daher wie in der Vergangenheit eine deutliche Aufstockung der
Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes fordern. In der jetzigen
Größenordnung sei sie absolut unzureichend,
insbesondere, wenn man vorhandene Tatbestände erweitere. Dies
sei ein Widerspruch in sich.
Nicht befürwortet werde die Anwendung der Modulation auf
nationaler Ebene. Auch halte man die Cross-Compliance-Umsetzung
über das Maß der guten fachlichen Praxis hinaus in
Deutschland nicht für notwendig, um genügend Spielraum
aus den flankierenden Maßnahmen, den Agrarumweltprogrammen
der 2078 die zusätzlichen Leistungen ausreichend honorieren zu
können. So seien Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen
die drei Bundesländer mit den intensivsten
Agrarumweltmaßnahmen, und zwar nicht nur im Sinne von
Mitnahme- und Einkommenseffekten, sondern auch mit sehr
evaluierbaren Leistungen für die Umwelt. Diese
Agrarumweltmaßnahmen werde man künftig insbesondere in
den landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten benötigen. So
würden die Futterbau- und die Milchbetriebe unter den
Agenda-Beschlüssen sehr zu leiden haben in diesen Gebieten,
weshalb es unerläßlich sein werde, dieses
Instrumentarium weiter auszubauen, was sowohl die Finanzausstattung
als auch das Instrumentarium betreffe. Auch Maßnahmen des
Vertragsnaturschutzes gehörten dazu, den man als einen
notwendigen Weg erachte. Zusätzlich benötige man
agrarsoziale Begleitmaßnahmen, um den Strukturwandel zu
flankieren.
Schließlich werde man die Umsetzung der Agenda über die
Beratung und die Bildungsmaßnahmen betreiben, denn die Frage
der Fähigkeit von Betriebsleitern werde künftig noch mehr
zunehmen. Die Professionalität des Managements werde eine
wesentlich größere Bedeutung haben als die Entscheidung
über die Betriebsform oder die Rechtsform. Auch werde man alle
Begleitmaßnahmen aus den Strukturfonds einsetzen, um den
Nachholbedarf in den außerlandwirtschaftlichen Bereichen im
ländlichen Raum über Dorfentwicklung, Flurneuordnung und
dergleichen umfassend zu nutzen.
Abg. Ulrike Höfken bittet zum Bereich Milch
um eine Bewertung des bestehenden Quotensystems incl. der
Belastungen für die Erzeuger und bittet um eine Beantwortung
der Frage, ob die jetzigeTendenz, - Stichwort ?Quotenpreise? ? ein
Haupthemmnis der ganzen Entwicklung im Bereich der tierischen
Produktion sei.
Auch bittet sie die sachverständigen Ökonomen um
Mitteilung, welche Erwartungen sie im Hinblick auf den Weltmarkt
hätten, insbesondere welche Chancen sie bei welchen Produkten
unter welchen Voraussetzungen sehen und um eine Stellungnahme im
Hinblick auf die Notwendigkeit, auf Grund der WTO-Beschlüsse
die Maßnahmen greenbox-fähig, also
produktunabhängig zu gestalten.
Schließlich stellt sie die Frage, wie die Beschlüsse zur
Agenda 2000 zur entschiedenen Umsetzung der Umwelt-, Naturschutz-
und Tierschutzziele genutzt und die gesellschaftlichen Leistungen
der Landwirtschaft honoriert werden können. Die
gesellschaftlichen Anforderungen an die Agrarpolitik seien
insbesondere auch im Bereich der Beschäftigung sowie auch im
Verbraucherschutz zu sehen. Es gehe darum, Ökonomie und
Ökologie in Übereinstimmung zu bringen, worauf letztlich
auch die Wettbewerbsfähigkeit basiere.
Abg. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr nimmt zu den
Stichworten Sozial- und Umweltdumping Bezug und weist auf die
Wettbewerbsverzerrungen hin, die dadurch entstehen, daß
bestimmte Standards wie z. B. Verbraucherschutz in Deutschland
eingehalten werden, in anderen Ländern aber nicht. Er habe
daher die Frage, warum im Bereich des Weltagrarhandels immer von
Diskriminierungsverboten die Rede sei, in anderen Bereichen aber
nicht.
Weiterhin bittet er um eine Einschätzung auch unter
rechtlichen Aspekten für die Schaffung eines internen
Milchquotensystems, das den aktiven Milcherzeuger stärke,
nachdem die Agenda-Beschlüsse keine obligatorische, sondern
eine fakultative Aufhebung der Flächenbindung vorsehen.
Weiterhin sei von Interesse, wie sich eine Aufstockung der Quoten
im kommenden Jahr und danach auf den Milchmarkt auswirke.
Eine weitere Frage gehe dahin, wie landesweit ein Anlastungsrisiko
entstehe, ab wann damit zu rechnen sei und mit welchen Fehlern dies
behaftet wäre.
Abschließend bittet er die Länder
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen um
Mitteilung, ob sie eine Aufstockung der Agrarumweltprogramme
beabsichtigen.
Abg. Jella Teuchner bittet um Auskunft über
Einkommensauswirkungen auf die Landwirtschaft, wenn die
ursprünglichen Kommissionsbeschlüsse zur Agenda 2000
beschlossen worden wären.
Weiterhin bittet sie den Vertreter Bayerns sowie den Deutschen
Bauernverband um Mitteilung, mit welcher Strategie man den
ländlichen Raum und insbesondere die Einkommen der Landwirte
sichern wolle angesichts der Tatsache, daß auf Grund der
bayerischen Verfassung der Staat für ein ausreichendes
Einkommen in der Landwirtschaft Sorge tragen müsse, und mit
welchen Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Landwirte, insbesondere der Milcherzeuger, verbessert werden
solle.
Abg. Ulrich Heinrich bittet um eine Stellungnahme
der sachverständigen Professoren zu der Aussage, daß
sich von den 80 Mrd. DM im Agrarhaushalt nur 40 Mrd. bei den
Landwirten einkommenswirksam auswirken.
Weiterhin interessiere ihn eine Einschätzung der
Abhängigkeit der Landwirte sowohl vom Markt wie auch von der
Politik sowie um eine Beurteilung des Unternehmertums
Landwirtschaft als Ganzes unter dem Vorzeichen der Agenda
2000.
Weiterhin habe er vor dem Hintergrund der obigen Aussage, daß
die Agrarmittel sehr ineffektiv eingesetzt werden, die Frage, wie
dann die Osterweiterung finanziert werden solle.
Schließlich bittet er die Ländervertreter um Auskunft,
welche Möglichkeiten sie sehen, im Rahmen der von der Agenda
2000 vorgesehenen kofinanzierten Programme flankierend einen
Beitrag zu einer flächendeckenden Landbewirtschaftung zu
leisten.
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer weist eingangs darauf
hin, daß sich die Einkommenslage in der deutschen
Landwirtschaft auch ohne die Beschlüsse zur Agenda 2000
verschlechtert hätte. Das Referenzsystem sei eben durch die
bestehenden Verträge vorgezeichnet. Außerdem sollte sich
der Bundestag darüber im klaren sein, daß er die
künftigen politischen Rahmenbedingungen nicht völlig frei
gestalten könne. Hier gebe es zu erwartende bindende Elemente
wie die WTO-Runde, deren Ergebnisse man in etwa vorhersagen
könne. Daher sei es für die Agenda-Debatte wichtig zu
wissen, in welchem vorgegebenen Rahmen man sich bewege, und zu
prüfen, welchen Spielraum er lasse.
Zu erwarten sei, daß alle Bereiche der Landwirtschaft
künftig stärker vom Weltmarkt beeinflußt
würden. Hiervon könne man nicht einzelne Bereiche
ausnehmen. Gleichwohl sei man gut beraten, in weiten Teilen
Deutschlands über Sonderwege nachzudenken, denn mit reiner
Gigantomanie könne man auf dem Kostensektor den
Weltexporteuren wie USA, Kanada und Australien nicht paroli bieten.
Hier müsse man andere Wege gehen, wozu z. B. die
Agrarumweltprogramme gehörten, die, wie dies der
wissenschaftliche Beirat beim BML auch gefordert habe, stärker
akzentuiert werden müßten. Dieses innere
Gestaltungspotential müsse verstärkt genutzt werden, da
die vorgegebenen Rahmenbedingungen ? WTO ? kaum änderbar
seien.
Die Agenda-Beschlüsse würden allerdings zu wenig im
Bereich Umweltprogramme vorsehen. Deshalb sei die Forderung nach
einer Aufstockung dieser Zweiten Säule gerechtfertigt.
Allerdings warne er davor, hier von der Möglichkeit der
Agenda, Mittel von der ersten Säule durch Umwidmung auf die
Zweite Säule zu übertragen, Gebrauch zu machen. Dies
würde zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand und politischer
Unklarheit führen. Vielmehr sollte die Agrarumwelt- und
-verbraucherpolitik durch spezielle eigens dafür vorgesehene
Instrumente verstärkt werden.
Im Bereich Milch bewege man sich in der Quadratur des Kreises. Hier
werde auf die verschiedenartigste Weise versucht, die aktiven
Milcherzeuger zu stärken, um das Durchreichen der Quotenrente
an die Quoteneigentümer zu verhindern.
Von der speziellen Milchmarktpolitik würden die
Quoteneigentümer auf Grund der Quoten nach den Gesetzen der
Marktwirtschaft profitieren. Alle Versuche anderer Länder, die
aktiven Milcherzeuger im Rahmen einer Pächterschutzpolitik zu
stärken, seien in der Vergangenheit gescheitert, da die
Verpächter immer Wege gefunden haben, diese Eingriffe zu
umgehen. Es sei außerordentlich schwierig, den Abfluß
der Quotenrente zu verhindern. Daher sei bei entsprechen
politischen Maßnahmen Vorsicht geboten.
Als erstes seien politische Ziele zu formulieren, wozu durchaus die
Beschäftigung im ländlichen Raum gehöre. Diese lasse
sich langfristig nur erreichen, wenn es eine
Wettbewerbsfähigkeit gebe, was wiederum unternehmerische
Investitionen und daher entsprechende politische Rahmenbedingungen
voraussetze. Im Bereich Milch gebe es nun das Problem, daß
mit der Verschiebung der Reform die Planungsunsicherheit weiter
andauere. Die Milchquote würde sich langfristig negativ auf
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft
auswirken. Dieser Prozeß sei schleichend.
Er halte es daher nicht für richtig, die Quote so lange zu
halten, bis auf Grund der WTO eine Fortführung nicht mehr
möglich sei, sondern sie vielmehr möglichst schnell
abzuschaffen, denn ein entsprechend klarer Beschluß
würde sich sehr rasch senkend auf die Quotenpreise auswirken.
Gleichzeitig müßte man die Landwirte sich innerhalb
eines nach außen geschützten europäischen
Milchmarktes nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage entwickeln
lassen. Dies wäre ein besseres Signal für den
ländlichen Raum als eine reine Quotenverteilungspolitik.
Auf keinen Fall sollte man jetzt zu dem Instrument des Verbots der
Quotenpacht greifen. In dem Moment, wo die Pacht von Quoten
verboten werde, werde sich in den kommenden Jahren die
Interessenlage der Landwirtschaft anders gestalten, was
letztendlich zu einer Perpetuierung des Quotensystems führen
werde. Dies wäre aber wiederum negativ im Hinblick auf die
Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplatzsituation im
ländlichen Raum. Entscheidend sei daher, bei allen
möglichen Maßnahmen zum Quotensystem nicht die Pacht zu
verbieten. Als Element einer Übergangsstategie mit klar
definierten Ausstiegszeiträumen sei eine Poollösung oder
ein Börsenmodell durchaus vorstellbar.
Prof. Dr. Cay Langbehn warnt davor, übereilt
aus der Quote auszusteigen. Würde die Quote morgen nicht mehr
bestehen, so hätte der gesamte Milchbereich existentielle
Schwierigkeiten. Zur Zeit sei das Kilo Milch in Schleswig-Holstein
mit 6 Pfennig Quotenkosten belastet. Bei einem Wegfall der Quote
wäre jeder Milchbetrieb in der Lage, aus dem Stand heraus
seine Produktion um ca. 20 % zu erhöhen. Der Marktpreis
würde sich dann auf ein Niveau herunterentwickeln, wo von
Kostendeckung keine Rede mehr sein könnte. Die
Milchproduktionskosten würden heute bei den mittleren und
guten Betrieben bereits in der Nähe des Milchpreises liegen.
Das Angebot würde auf sinkende Milchpreise nur sehr
schwerfällig reagieren.
Auf dem Weltmarkt sei langfristig mit einem Ansteigen der realen
Weltmarktpreise zu rechnen, insbesondere bei Getreide. Allerdings
sei dies mit einer Reihe von Unsicherheiten behaftet.
Wenn es zu dieser Entwicklung komme, sollte die Europäische
Union auch ihre Transfers flexibel an diese veränderten
Bedingungen anpassen. Im Moment jedenfalls seien die Transfers noch
unverzichtbar, um eine ruinöse Entwicklung im Agrarsektor zu
verhindern. Deutschland und Europa könnten auf Grund der
Standortvorteile durchaus wettbewerbsfähig sein, wenn zugleich
notwendige Strukturänderungen und der überfällige
Abbau hausgemachter Wettbewerbsnachteile in Angriff genommen
würden.
Bei der notwendigen Zielformulierung sei zu berücksichtigen,
daß in Europa mit den guten Standorten nur eine intensive
Produktion auch eine kostengünstige Produktion sei. Diese
lasse sich durchaus auch mit notwendigen Umweltmaßnahmen
verbinden, aber nicht im Wege von Verboten, sondern im Wege der
Nutzung entsprechender technologischer Entwicklungen und
diesbezüglicher Anreize. Im Falle von Verboten sei der
Anschluß an den Weltmarkt nicht zu erreichen. Dies seien
produktionstechnische und betriebswirtschaftliche
Zusammenhänge, an denen kein Weg vorbeiführe. Dies gelte
auch für die Beschäftigung im ländlichen Raum, die
allerdings nur dann sinnvoll sei, wenn sie auch produktiven
Charakter habe.
Im übrigen wende er sich gegen die Aussage, Ökonomie
müsse mit der Ökologie versöhnt werden. Vielmehr
gehe es darum, ökologische Ziele klar zu definieren und
mittels der Ökonomie festzustellen, wie diese Ziele am
zweckmäßigsten erreicht werden könnten. Europa habe
durchaus die Chance, eine kostengünstige Agrarproduktion zu
betreiben und gleichzeitig der Gesellschaft die herrliche
Kulturlandschaft zu erhalten.
Prof. Dr. Winfried von Urff antwortet auf die
Frage des Abg. Ronsöhr, daß man sehr genau
differenzieren müsse zwischen Standards, die sich auf die
Qualität eines Produktes beziehen, Standards zu der
Umweltverträglichkeit der Produktionsbedingungen und sozialen
Standards.
Was die Produktstandards betreffe, so sei mit der Uruguay-Runde
nicht nur das Landwirtschaftsabkommen verabschiedet worden, sondern
auch ein Abkommen über sanitäre und
fötosanitäre Standards. In Artikel 1 dieses Abkommens
stehe, daß jedes Land das Recht habe, den Schutz der
Gesundheit seiner Bürger durch entsprechende
Qualitätsstandards für Nahrungsmittel sicherzustellen.
Nach § 2 dürfe dies nicht diskriminierend wirken. Es
müßten inländische und ausländische Produkte
gleich behandelt werden. Auch dürfe nicht zwischen
verschiedenen ausländischen Lieferanten differenziert werden.
Weiterhin sei dort ausgeführt, daß sich entsprechende
Standards auf wissenschaftliche Untersuchungen stützten
müßten, und zwar insbesondere der sog. Codex
Alimentarius.
Die Europäische Union sei Mitglied dieses Abkommens und
befinde sich in der fatalen Situation, daß sie selbst den
Einsatz von Hormonen in der Tiermast verboten habe auf Grund von
Bedenken der Verbraucher. In den USA dagegen würden die
Verbraucher dies überhaupt nicht als bedenklich empfinden. Es
gebe bisher keine wissenschaftliche Untersuchung, die zu dem
Ergebnis komme, daß der sachgerechte Einsatz von Hormonen in
der Tiermast zu gesundheitlichen Schäden beim Menschen
führe. Hieran müsse sich die EU als Zeichnerstaat halten.
Die USA und Kanada seien der Auffassung, daß durch das Verbot
der Einfuhr von Tieren oder Tierprodukten, bei deren Mast Hormone
eingesetzt worden seien, ein nicht tarifäres Handelshemmnis
aufgebaut worden sei, das einer wissenschaftlichen Prüfung
nicht standhalte. Das Panel des GATT sei im Schiedsverfahren zu dem
Ergebnis gekommen, daß ein Verstoß des Abkommens durch
die EU vorliege. Die EU habe den wissenschaftlichen Nachweis,
daß hier gesundheitliche Schäden zu befürchten
seien, in der Frist bis zum 13. Mai nicht erbracht. In dem zugrunde
liegenden Gutachten werde nur erklärt, daß bei
übermäßigem Einsatz von Hormonen, also nicht
entsprechend der guten fachlichen Praxis Bedenken bestehen
können.
Die USA und Kanada drängten jetzt auf entsprechende
Kompensationszahlungen oder darauf, den ursprünglichen
Verstoß abzustellen, und hätten angedroht, notfalls
Strafzölle zu erheben. Daher habe die EU keine andere
Möglichkeit, als mit den USA und Kanada einen Modus vivendi zu
finden, wenn sie nicht entsprechenden Sanktionen ausgesetzt sein
wolle.
Was die Umweltverträglichkeit von Produktionsbedingungen
betreffe, so verstoße die Landwirtschaft in den meisten
Fällen gegen Umweltverträglichkeit im ganz strengen
Sinne, wonach die Nachhaltigkeit in einer extremen Form
gewährleistet sein müsse. Die Frage sei nur, inwieweit
dies noch hinnehmbar sei, wo also die Produktion beginne, mit der
objektiv Ressourcen zerstört werden. Optimal wäre
natürlich, wenn man sich auf WTO-Ebene hierüber einigen
könnte. Jedenfalls könne man anderen Ländern nicht
unsere Vorstellungen von Umweltverträglichkeit vorschreiben
und vor allem könne man nicht Handelsbarrieren errichten
gegenüber Produkten, die nach unseren Vorstellungen nicht
umweltverträglich hergestellt worden sein, während die
produzierenden Länder diese Vorstellungen nicht haben. Dies
betreffe z. B. Soja.
Insgesamt sei auffallend, daß sich die
Entwicklungsländer dagegen wehrten, daß man ihnen
Standards auferlege, die sie nicht einhalten können und womit
sie ihre Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel verlieren
würden. Dies gelte insbesondere für soziale Standards,
für die diese Länder nach ihrer eigenen Einschätzung
noch nicht reif seien und bei deren Einführung sie daher ihre
Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden. Damit würden
sie auf dem niedrigen Entwicklungsniveau, das sie derzeit haben,
festgeschrieben.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram stimmt mit der Aussage
überein, daß Märkte differenziert zu betrachten
seien. Trotzdem gebe es Algorithmen, die voll identisch seien. So
gehe eine Marktanalyse von der Aufnahmefähigkeit des Marktes
aus. Am Milchmarkt würden etwa 33 Mio. t Rohmilch gehandelt.
Butter stagniere etwa bei 800.000 t, Magermilch bei einer Mio.
Tonnen, während es bei Käse einen gewissen Anstieg gebe.
Das Entscheidende bei diesem Vergleich sei, daß die Preise
außerordentlich niedrig seien.
Bemerkenswert sei auch, daß die EU-Kommission wie auch
einzelne Verbände und Politiker Unterschiedliches unter dem
Begriff Wettbewerbsfähigkeit verstehen. Internationale
Wettbewerbsfähigkeit bedeute, daß diese an den Kosten
gemessen werde. Eine entsprechende notwendige Kostensenkung
würden die Agenda-Beschlüsse überhaupt nicht
vorsehen. In anderen Bereichen der Wirtschaft wäre es
undenkbar, ein Produkt zu über 50 % zu subventionieren, um ihm
Marktchancen zu geben. Im Bereich der Landwirtschaft ? s. das
Beispiel Butter ? sei dies aber gängige Praxis. Die Kosten
zahle der Steuerzahler.
Was die Milchquotenregelung betreffe, so gebe es
zusammengefaßt das Problem, daß immer mehr Menschen,
die nicht mehr in der Landwirtschaft tätig seien, einen hohen
Anteil des Agrareinkommens ? s. Quotenmelker ? auf sich
vereinigten. Damit werde die Notwendigkeit, die internationale
Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, gravierend
unterlaufen.
Dies gelte im übrigen auch für die
Teilflächenstillegung. Wenn man aus einem 100-ha-Betrieb mit
seiner Kapazität und Maschinenausstattung einen 90-ha-Betrieb
auf Grund einer 10%igen Flächenstillegung mache, habe dieser
einen Kostenzuwachs in Höhe von 2 bis 3 DM je Dezitonne. Dies
schwäche wiederum die internationale
Wettbewerbsfähigkeit. Deutlich werde dies durch Tabelle 8
(Anlage 3) deutlich. Der frühere Bundeslandwirtschaftsminister
Kiechle habe mit dieser Regelung der deutschen Landwirtschaft einen
deutlichen Schaden zugefügt, da die Ausgangsposition der
deutschen Milcherzeuger im Vergleich zu den konkurrierenden
Mitgliedsländern damals außerordentlich schlecht gewesen
sei. Seinerzeit habe Großbritannien eine durchschnittliche
Milchmenge von 300.000 kg gehabt, heute von ca. 385.000 kg pro
Betrieb. Die niederländischen Betriebe würden bei ca.
300.000 kg liegen, Deutschland habe in dieser Zeit die Leistung von
70.000 auf 145.000 pro Betrieb gesteigert. Diese Steigerung habe
Quotenkosten verursacht.
Richtig sei, daß man nicht abrupt die Milchquotenregelung
aufgegeben könne. Deshalb benötige man eine
Übergangsregelung, die den Betrieben eine kostengünstige
Aufstockung ermöglichen, da ansonsten die Betriebe nicht
überlebensfähig wären. Dies gelte auch für
Bayern. Wenn man internationale Wettbewerbsfähigkeit erreichen
wolle, dann brauche man andere Strukturen, insbesondere andere
Kostenstrukturen.
Abschließend kritisiert er Milchlieferungen wie z. B. nach
Rußland. Diese Dumping-Politik zerstöre die ganze
dortige heimische Milchproduktion, wie dies die Unruhen in Polen
zeigten. Diese Länder hätten keine Chance, eine
vernünftige Agrarstruktur zu entwickeln. Wichtig sei es, den
Selbstversorgungsgrad unter 100 % zu bringen. Jeder
zusätzliche Prozentpunkt über 100 bringe enorme
volkswirtschaftliche Verluste.
Der Vorsitzende unterbricht die Sitzung um 12.40
Uhr und eröffnet die Fortsetzung der Sitzung um 13.35
Uhr.
MR Dr. Schick, Bayern, antwortet auf die Frage
nach dem Zustandekommen des landesweiten Anlastungsrisikos,
daß die EU-Kommission stichprobenweise den Vollzug der
Fördermaßnahmen prüfe und dabei feststelle, ob es
Abweichungen von EU-Normen gebe.
Hierbei sei allerdings zu berücksichtigen, daß es z. T.
auch deshalb zu entsprechenden Abweichungen komme, weil die
Kommission hierbei andere Interpretationen vornehme, als es der
Kontext der deutschen Normen gebiete. Zum Teil würden auch
lediglich rein formale Mängel beanstandet, die nicht einmal
für den Fördertatbestand relevant seien.
Dieser Prozentsatz der festgestellten Mängel werde dann
über ein statistisches Wahrscheinlichkeitsverfahren auf den
quasi maximalen Fehler hochgerechnet. Dieser Fehler werde wieder
zurückgerechnet auf den Durchschnittsfehler, der dann wiederum
der Grundgesamtheit angelastet werde. Auf dieser Basis werde der
sog. Anlastungsbetrag unter Zugrundelegung der
Gesamtfördermenge ermittelt.
Auf Grund der entsprechenden Dimensionen, die in die Milliarden
gingen, könnte dies bei Anlastungsprozenten in Höhe von 3
bis 5 % zu Größenordnungen führen, die
jährlich bei 50 Mio. bis 100 Mio. liegen würden. Soweit
sei es allerdings bisher noch nicht gekommen. Bei den bisherigen
Anlastungsfällen handele es sich je nach Land und
Beträgen um Summen zwischen 1 und 7 Mio. Hierzu gebe es
entsprechende Verhandlungen mit der Kommission. Es bestehe die
Möglichkeit, vor einem entsprechenden Schiedsgericht den
Anlastungsprozentsatz durch entsprechende Erklärungen
herunterzuhandeln.
Was den Verweis auf Artikel 164 der bayerischen Verfassung
betreffe, so werde dort Bezug auf die Einkommenssituation in der
Landwirtschaft genommen. Allerdings enthalte die Verfassung auch
Hinweise auf die entsprechenden Instrumente, und zwar die
Preisgestaltung sowie die Marktordnungen. Hierzu habe es auch eine
Entwicklung gegeben. So sei dieser Artikel 164 in Artikel 39 der
Römischen Verträge aufgenommen worden und insofern seien
die genannten Instrumente inzwischen europäisches Recht
geworden.
Dies bedeute nicht, daß sich die Bayerische Staatsregierung
der entsprechenden Verantwortung entziehen wolle. Ihre ablehnende
Haltung gegenüber der Agenda 2000 sei sehr wohl konform mit
Artikel 164 der bayerischen Verfassung.
Hinsichtlich der Kofinanzierung stelle Bayern pro Jahr 300 Mio. DM
im Bereich der Ausgleichszulage und 500 Mio. DM im Bereich der
Landschaftspflege als Honorie-rung für gesellschaftliche
Leistungen der Landwirtschaft zur Verfügung. Diese
be-währte Landespolitik gerate jedoch im wesentlichen dadurch
in Gefahr, daß die übergeordnete Ebene, also Bund und
Europäische Union, nicht in der Lage seien, die notwendigen
Mittel in ausreichendem Umfange zur Verfügung zu stellen, da
gerade auf EU-Ebene der Ansatz in Höhe von 4,3 Mrd. Euro zu
knapp sei.
Eine entsprechende politische Neuausrichtung laufe darauf hinaus,
daß die Investiti-onspolitik wieder verstärkt in den
Vordergrund gerückt werde, was allerdings in ei-nem
ausgewogenen Konzept hinsichtlich der zur Verfügung stehenden
Mittel erfol-gen müsse. Hierdurch werde auch der
Wertschöpfungsaspekt wieder eine besondere Bedeutung
erfahren.
Dr. Helmut Born, DBV, antwortet auf die Frage nach
den Veränderungen der deutschen Landwirtschaft auf Grund des
Berliner Kompromisses, daß mit Belastungen von 1,5 Mrd. DM
gerechnet werden müsse, während die ursprünglichen
Kommissionsvorschläge zu einer doppelten Belastung
geführt hätten. Dieser Unterschied beruhe darauf,
daß zum einen die Preissenkungen reduziert worden seien, bei
Getreide auf 15 %, bei Rindfleisch auf 20 %. Bei der Milch habe es
keine Veränderungen gegeben. Bei Getreide seien die
Ausgleichszahlungen gesenkt worden, nicht aber beim Rindfleisch.
Dadurch seien die Auswirkungen beim Rindfleisch reduziert worden,
bei gleichbleibendem Ausgleichsvolumen. Der Unterschied beruhe
weiterhin darauf, daß die ursprünglich vorgesehene
zeitliche Degression vom Tisch sei, was insbesondere für die
neuen Bundesländer von Bedeutung sei.
Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wäre es
wichtig, daß nicht neben den Belastungen infolge der
Agenda-Beschlüsse noch zusätzliche nationale
Erschwernisse dazukämen, sei es infolge von umwelt-, steuer-
oder haushaltspolitischen Maßnahmen. Neben diesen
außerbetrieblichen Möglichkeiten wäre es wichtig,
alle Formen der Kooperation zu nutzen, Stichwort Maschinenkosten.
Hierbei gehe es zusammengefaßt darum, alle Kostenfaktoren zu
senken.
Um dauerhaft zu einer Markt- und Preisführerschaft zu kommen,
sei es neben der Kostenseite erforderlich, im Gesamtverbund mit den
vor- und nachgelagerten Bereichen entsprechend aktiv zu werden.
Hierbei müsse angestrebt werden, das Vertrauen der Verbraucher
zu erhalten und diese von einer ausschließlichen
Preisorientierung mehr hin zu einer Qualitätsorientierung zu
bringen. Hierzu gebe es auch bereits eigene Initiativen. Dies habe
zu tun mit Herkunftskennzeichnung, Qualitätssicherung, aber
auch der Frage, wie man sich auf verändertes
Verbraucherverhalten einstelle. Entscheidend sei, daß sich
Verarbeiter und Landwirte gemeinsam strategisch das Ziel setzen, im
Markt zu bleiben.
Was die Entkoppelung betreffe, also der Markt auf der einen Seite
und die direkten Zahlungen auf der anderen Seite, so gebe es
natürlich die berechtigte Frage, wie der Unternehmer mit
dieser Situation zurechtkomme. Hierauf gebe die Wissenschaft auch
bisher nur wenig Antworten. Fest stehe jedenfalls, daß im
Falle einer Entkoppelung der Zeitraum und die Bedingungen der
Zahlungen klar definiert seien. Sei dies nicht der Fall, gebe es
eine erhebliche Planungssicherheit mit entsprechenden Folgen.
Zu den Chancen im Falle der Aufhebung der Flächenbindung bei
der Garantiemengenregelung habe der DBV den Vorschlag für ein
Bewirtschafterbörsenmodell gemacht, wobei auch die rechtlichen
Aspekte geprüft worden seien. Zu den Eckdaten dieses
Vorschlages gehöre, daß der wirtschaftende Betrieb ab
dem 01.04.2000, also einer neuen Situation der Milchmarktordnung,
die volle Verfügung über die Referenzmengen habe, die er
mit Milchproduktion versehe.
Weiterhin habe man erklärt, daß im Falle einer
Mengenbeschränkung am Markt, ob man dies nun positiv oder
negativ bewerte, diese Begrenzung in jedem Falle einen
ökonomischen Wert entwickle, der auch nicht verdeckt, sondern
offen an die Börse gebracht werden solle, um die Beweglichkeit
in diesem System zu halten. Eine exakte rechtliche Bewertung
könne er allerdings nicht vornehmen.
Zu den kritischen Hinweisen, daß sich von den eingesetzten
Agrarmitteln nur ein kleinerer Teil einkommenswirksam bei den
Landwirten auswirke, weist er darauf hin, daß in der EU von
den Verbrauchern insgesamt den Landwirten auf Erzeugerebene 450
Mrd. gezahlt werden. Wenn es richtig sei, daß die EU im
Durchschnitt 20 bis 30 % über dem Weltmarkt liege und
dafür Restmengen bei Butter, Magermilch, Pulver und
Rindfleisch exportieren müsse, dann bedeute dies, daß
die Landwirte mindestens über 90 Mrd. direkten Einkommens
verfügen können. Insofern könne er die Aussage, die
aufgewendeten Mittel kämen bei den Landwirten nicht an, nicht
ganz nachvollziehen.
Gleichwohl wäre es natürlich besser, von den
Überschüssen wegzukommen und sie gleichwohl nicht zu
verschleudern. Hierbei sei allerdings auch zu berücksichtigen,
daß die Agrarsysteme in Rußland, China und Indien
marktwirtschaftlich ausgerichtet seien.
Dr. Volker Petersen, DRV, bemerkt zu der Frage
nach den Perspektiven für den Milchmarkt und einer
entsprechenden Preisentwicklung, daß bereits mit Beginn des
kommenden Jahres eine länderspezifische Anhebung der Quoten,
insbesondere in den südeuropäischen Ländern erfolgen
werde, und zwar um ca. 1 %, während die 1,5%ige Aufstockung im
zweiten Schritt für die übrigen Länder im Jahre 2005
erfolgen werde. Man müsse davon ausgehen, daß bei dann
unverändertem Interventionspreisniveau zunächst mit
dieser Aufstockung ab dem Jahre 2000/2001 ein zusätzliches
Angebot auf den Markt komme. Die Frage sei dann, welche
Exportmöglichkeiten sich ergeben, über welche
Verwertungsmöglichkeiten der Binnenmarkt verfüge. Wenn
die Exportsituation so schwach bleibe, wie sie sich Ende 1998/1999
auf Grund der Situation in Rußland dargestellt habe,
müsse man mit einem gewissen Druck auf die Preise bei
unverändertem Interventionspreisniveau in den ersten Jahren
nach 2000 rechnen.
Auch sei zu berücksichtigen, daß auf dem Milchmarkt die
GATT-Bestimmungen wirkten. Dies bedeute, daß in diesem Jahr
und im nächsten Jahr jeweils 20 t Käse weniger in
Drittländer mit Exportsubventionen veräußert werden
könnten. Der Exportrahmen werde also infolge der
GATT-Bestimmungen weiter eingeschränkt.
Wichtig werde weiterhin sein, daß die Kommission im Rahmen
der ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zur Stabilisierung
des Milchmarktes aktiv bleibe, um eine günstige Verwertung im
Rahmen der vorhandenen Bedingungen zu halten.
Bernd-Dietrich Graf von Hardenberg, BVA, weist
darauf hin, daß sich der Agrarmarkt fast vollständig in
seinen Warenströmen in Deutschland und Europa abspiele. Nur
eine geringe Spitze werde international vermarktet. Damit dies
sichergestellt ist, gebe es in Europa einen funktionierenden
Bereich des Handels, der insbesondere für eine optimale
Logistik sorge, Voraussetzung für den Fluß von
Warenströmen.
In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß
insbesondere seit der 92er Reform der Strukturwandel auch in den
vor- und nachgelagerten Bereichen fortgeschritten sei. Die Zahl der
Handelsbetriebe und der Dienstleistungsbetriebe in der
Landwirtschaft sei dramatisch zurückgegangen. So gebe es heute
in reinen Marktfruchtbaugebieten mit zwei bis drei Betrieben keinen
vor- und nachgelagerten Bereich mehr. Eine wirtschaftliche
Verflechtung könne, wenn sie nicht mehr vorhanden sei, nicht
ersetzt werden. Trotzdem funktioniere in diesen Bereichen die
Erfassung und Vermarktung relativ gut.
In Europa habe man in erster Linie einen Binnenmarkt, der recht gut
organisiert sei. Hier sei es nicht zuletzt auf Grund des Handels
auch der Landwirtschaft gelungen, für bestimmte Produkte, z.
B. Qualitätsgetreide aus Norddeutschland einschließlich
Sachsen-Anhalts und Mecklenburg-Vorpommerns Marktmöglichkeiten
zu nutzen, und zwar in anderen europäischen
Ländern.
Wenn man jetzt den Blick über diese Grenzen werfe, zeige sich
folgendes Bild: Wenn man Produktionssysteme habe, sei es für
Pkw oder für veredelte Produkte aus landwirtschaftlichen
Rohstoffen ? Hundefutter oder Brötchen ?, dann sei es
notwendig, Spitzen untereinander auszutauschen, und zwar sowohl von
Produktionseinzelrohstoffen als auch von ganzen Produkten. Ein
freies Produktionssystem könne nur dann erfolgreich arbeiten,
wenn es möglich sei, Überschüsse abzusetzen, aber
auch fehlende Produkte dazuzukaufen. Hier habe der Handel eine sehr
wichtige Funktion.
Dr. Klaus-Dieter Schumacher, BVA, wendet sich
gegen den Eindruck, daß es in Deutschland und Europa unter
den veränderten Bedingungen der Agenda-Beschlüsse in
keinem Bereich mehr möglich sei, international
konkurrenzfähig zu produzieren und zu vermarkten. Unstreitig
sei es, daß man im Getreide durchaus entsprechende Chancen
habe. Bei Milch sehe es etwas anders aus. Aber hier müsse auch
eine andere Beurteilung erfolgen.
Wenn im Hinblick auf den Getreidemarkt die bisherigen Annahmen zur
künftigen internationalen Nachfrage stimmten, wobei die
Produktion dort erhöht werden sollte, wo der Bedarf vorliege,
man aber dennoch einen Teil international beliefern müsse,
dann müßten national entsprechende Anstrengungen gemacht
werden, um die Teilnahme an diesen international wachsenden
Märkten zu sichern. Nach den Agenda-Beschlüssen sei dies
bei Getreide durchaus möglich, bei Weizen wesentlich leichter
und regelmäßiger der Fall, daß ohne
Exporterstattungen exportiert werden könne.
Bei Futtergetreide sei die Situation allerdings völlig anders.
Wenn man die Preise der letzten 10 Jahre betrachte, so habe man in
Zukunft dort erhebliche Probleme.
Angesichts der Tatsache, daß die Exportsubventionen im Rahmen
der WTO abgeschafft werden sollen, dann müsse hier weiter
dafür Sorge getragen werden, daß es gelinge,
künftig regelmäßiger auch in diesen Bereichen ohne
Exporterstattungen am Weltmarkt teilzunehmen.
Was die Produktqualität betreffe, so sei hier sehr zu
differenzieren im Hinblick auf die nach Deutschland
eingeführten Waren. Er warne davor, diese Waren auch aus
außereuropäischen Ländern pauschal als qualitativ
schlechter zu bezeichnen. Bei den entsprechenden Umweltaspekten sei
es wiederum etwas anders.
Dirk Detlefsen, Bund der Deutschen Landjugend
(BDL), bemerkt zu den Fragen, daß die Situation auf
Grund der Planungsunsicherheiten von Unzufriedenheit bei den
Landwirten geprägt sei. Für die Übergangszeit
hätten sich in der letzten Zeit Modelle herausentwickelt, und
zwar das Börsenbewirtschaftermodell sowie das Lieferrecht.
Beide Modelle hätten Vor- und Nachteile. Als Bund der
Landjugend sehe man das allerdings als einen Übergang, denn
man müsse das langfristige Ziel formulieren. Die notwendige
Planungssicherheit sei jetzt überfällig. Auf Grund der
Berlinbeschlüsse sei die Unsicherheit noch größer
geworden. Die Verlängerung der Quotenregelung von 2006 auf
2008 sei vor Ort von den landwirtschaftlichen Betrieben nicht
nachvollziehbar. Es gebe durchaus Junglandwirte, die ohne Quote
leben könnten, während andere Betriebe weiterhin eine
Mengenregelung für erforderlich halten. Hier den notwendigen
Mittelweg zu finden, sei sicherlich schwierig.
Aus jetziger Sicht könne man auf die Mengenregelung nicht
verzichten, wenn man die Eckdaten zugrundelege wie Kosten,
Milchpreis, Milchmenge. Allerdings sei offen, welchen technischen
Fortschritt es in den nächsten 10 Jahren in der Landwirtschaft
geben werde. Wenn man sich die Produktionsentwicklung beim Weizen
in den letzten 20 Jahren vor Augen halte, so sei es durchaus
vorstellbar, daß auch im Bereich Milch Ertragspotentiale
vorhanden seien. So produziere eine Kuh heute durchschnittlich
7.500 l und könnte sicher auch irgendwann 10.000 l leisten,
womit man dann ganz andere Kostenstrukturen als heute
hätte.
Langfristiges Ziel müsse der freie Markt sein, was aber eine
gewisse Übergangszeit erfordere, um sich darauf einzustellen.
So wäre eine Anpassung an das Ziel ?Wegfall der Quoten im
Jahre 2008 oder 2010? durchaus realisierbar.
Wolfgang Reimer, AGBL, erklärt, daß
für ihn immer noch nicht nachvollziehbar sei, wie man im
Milchbereich weltmarktfähig werden solle. Prof. Dr. Wolffram
hätte zu Recht beklagt, daß die Agenda keinerlei
Hilfestellung in dieser Richtung gebe.
Die Zweite Säule sei von der Situation gekennzeichnet,
daß Agrarumweltmaßnahmen mit
Investitionszuschüssen und vielen anderen Punkten bei einem
kleinen Budget konkurriere. Die bisherige Praxis, mit hohen
staatlichen Subventionen die Milchviehbetriebe zu
vergrößern, sei nicht realisierbar. Ohne staatliche
Hilfen sei dies jedoch zumindest im größeren
Ausmaß nicht möglich. Daher sei für ihn weiter
offen, wie realistisch es überhaupt sei, unter den jetzigen
finanziellen Bedingungen weltmarktfähig zu werden.
Was die Ziele des Naturschutzes, der Beschäftigung und
dergleichen betreffe, so seien sie im Kern auf Grund der
Agenda-Beschlüsse nicht leichter durchsetzbar als vorher. Wenn
es darum gehe, sich ökonomisch am Weltmarkt zu behaupten, dann
sei es nicht möglich, die Landwirtschaft mit Priorität in
Richtung Umweltschutz, Beschäftigung und dergleichen
auszurichten. Dies sei ein ökonomischer Widerspruch, der im
Wege des Ordnungsrechts allenfalls etwas abgemildert werden
könne. Was die Agenda zur Zweiten Säule vorsehe, sei
nicht viel mehr als ein Feigenblatt im Hinblick auf die
Öffentlichkeit. Wenn allein die deutschen Bundesländer so
viel für Agrarumweltmaßnahmen tun würden wie Bayern
und Baden-Württemberg, dann wäre der deutsche Anteil
bereits überschritten. Dies allein schon würde nicht
für eine Kofinanzierung reichen. Würde man das auf
EU-Ebene hochrechnen und hier die beiden genannten
süddeutschen Bundesländer als Maßstab nehmen,
wäre es noch viel weniger möglich. Die Zweite Säule
sei also viel zu gering ausgestattet und konkurriere darüber
hinaus mit den Investitionsmitteln.
Zu den jetzt bestehenden Möglichkeiten weist er darauf hin,
daß eine Modulation ohne chematische Obergrenze durchaus
möglich wäre. 20 % der Mittel wären anders
verteilbar. Auch für die ostdeutschen Betriebsstrukturen
wäre dies nicht so negativ, wenn es hier eine Bindung an den
Arbeitskräftebesatz gebe. Kennzeichnend in diesem Zusammenhang
für die neuen Bundesländer sei auch die große
Schere zwischen den flächenstarken Ackerbaubetrieben mit
entsprechenden Mitnahmeeffekten sowie den Tierhaltungsbetrieben,
die kaum existenzfähig seien. Daher könnte über die
Modulation ein gewisser Ausgleich zwischen Pflanzenbau und
Tierhaltung erfolgen. Deshalb sollte man die Modulation nicht von
vornherein ablehnen.
Was die Bindung von Maßnahmen an Umweltstandards betreffe,
also die Cross-Compliance, weist er darauf hin, daß die
Schweiz ohne EU-Druck eine Bindung der Ausgleichsprämien
für Preissenkungen an einen genau definierten Standard
?Integrierte Produktion? festgelegt habe und praktiziere. Dadurch
gewinne sie in der Gesamtgesellschaft eine ganz andere Akzeptanz
zur künftigen Sicherung dieser Ausgleichsprämie als in
Deutschland.
Christof Weins, NABU, erklärt, daß es
im Bereich der einzelnen Marktordnungen keine umweltentlastenden
Effekte gebe. Es bestehe vielmehr die Gefahr, daß infolge der
Preissenkung eine zunehmende Intensivierung der Produktion
stattfinde. Im Grunde genommen werde dies auch bestätigt durch
die Effekte der Preissenkung nach der 92er Reform. Seit 1993 sei
kein Rückgang beim Einsatz von Düngemitteln und
Pflanzenschutzmitteln erkennbar. Das Statistische Bundesamt sowie
die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft
würden vielmehr einen gegenteiligen Effekt dokumentieren.
Voraussichtlich sei dies auf den Rückgang der
Flächenstillegung seit 1993 zurückzuführen. Auch
werde die Flächenstillegung durch die Agenda-Beschlüsse
künftig weiter zurückgehen.
Da im Marktordnungsbereich nicht viel zu erwarten sei, sollten Bund
und Länder die Möglichkeit nutzen, zum einen durch die
Anwendung der horizontalen Verordnung die Verknüpfung der
Direktzahlungen mit verschiedenen Umweltanforderungen vorzusehen,
und zum anderen die ländliche Entwicklung zumindest
perspektivisch auszubauen, auch wenn die Haushaltsmittel sehr
begrenzt seien.
Weiterhin erinnert er daran, daß es bei den Umweltproblemen
im Bereich des Artenschutzes und der Biodiversität in den
letzten 20/30 Jahren weiterhin keine Lösung gegeben habe,
obwohl sich die Landwirtschaft inzwischen einiger neuer Techniken
bedient habe. So würden z. B. bei den Feldvogelarten, einem
Umweltindikator, 75 % auf der Roten Liste stehen, während es
in anderen Bereichen durchaus Bestandsverbesserungen gebe.
Auch gebe es einen Stickstoffbilanzüberschuß von 110
kg/ha. Die entsprechenden Auswirkungen, s. unter anderem den
Bodenstandsbericht, seien bekannt. Weiterhin gebe es Defizite beim
Gewässerschutz. Dies zeige insgesamt den Handlungsbedarf im
Bereich der Agrarumweltpolitik. Nicht zuletzt auf Grund des
Amsterdamer Vertrages sei es erforderlich, die Agrarpolitik mit den
Umweltbelangen zu verknüpfen.
Was die Anwendung der horizontalen Verordnung betreffe, so sollte
im Hinblick auf das Argument der Wettbewerbsverzerrungen
berücksichtigt werden, daß auch andere Länder wie
Großbritannien und Frankreich die Verordnung anwenden wollen.
Als Grundlage und absolutes Minimum sollte die gute fachliche
Praxis mit dem bestehenden Fachrecht dienen. Bei zuwider handelnden
Betrieben sollten auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten
genutzt werden, da diese Betriebe letztlich zu dem Vertrauens- und
Ansehensschwund der Landwirtschaft beitrügen. Allerdings werde
die gute fachliche Praxis nicht ausreichen, sondern man brauche
einige weitere Kriterien wie z. B. Tierbesatz,
Stickstoffbilanzüberschuß, worüber noch näher
beraten werden müßte. Im übrigen könne er die
Forderung nur unterstreichen, die Agrarumweltprogramme finanziell
deutlich aufzustocken.
Arnd Span, IG BAU, weist zu der Frage nach der
Ausgestaltung beschäftigungsfördernder Aspekte darauf
hin, daß es hierbei um betriebliche, Arbeitnehmer- und
Agenda-Aspekte gehe. Hierzu teile er die Auffassung, daß eine
Zweiteilung der zentralen Zielsetzung für die Betriebe nicht
möglich sei, nämlich auf der einen Seite unabhängig
von der Betriebsform generell den Aspekten des Landschaftsschutzes
und der Kulturlandschaftspflege Rechnung zu tragen, als auch
andererseits unter geringen Kosten maximal zu produzieren. Hier
sollte man die unternehmerischen Teile der Branche stärken, da
nur so Innovationen in den Betrieben auf Unternehmer- und
Arbeitnehmerseite gefördert werden können. So
benötige man insbesondere die betriebliche Innovation, da man
ansonsten auf Dauer einen gesellschaftlichen Konsens über die
Produktion nicht werde halten können. Dies sei ein zentraler
Ansatz in der Frage der Beschäftigungsförderung. Da nicht
alle Betriebe dem Anspruch einer Wettbewerbsorientierung
entsprechen werden können, sei zu überlegen, ob nicht
unter der gesellschaftlichen Zielsetzung einer
flächendeckenden Landbewirtschaftung über eine
Entkoppelung betrieblicher Produktion oder dem Aufbau eines zweiten
betrieblichen Standbeines in der Landschaftspflege neue
Perspektiven geschaffen werden könnten.
Hinsichtlich der Umweltstandards werde es schwierig sein, alle
Anforderungen auf die Betrieb auszurichten. Insbesondere intensiv
produzierende, auf den Weltmarkt ausgerichtete Betriebe würden
kaum dem genannten doppelten Zielansatz entsprechen können.
Daher müsse im Hinblick auf die langfristige Sicherung von
Märkten und von guten Beziehungen zu den Konsumenten
müsse ein entsprechendes ordnungspolitisches Rahmenwerk
geschaffen werden, mit hohen Qualitäts- und Umweltstandards.
Grundlage hierfür müsse die gute fachliche Praxis sein,
die allerdings noch klarer definiert werden müsse, wobei
allerdings einige intensiv Betroffene über die Ordnungspolitik
noch zusätzliche Perspektiven und Klarheit bekommen
müßten.
Bei der IG BAU liege der Schwerpunkt also bei der
Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, die auf dem Weltmarkt der
Konkurrenz standhalten und damit auch den Produktionsstandort
Deutschland sichern helfen. Darüber hinaus brauche man aber
auch für einen Großteil der wettbewerbsfähigen
Betriebe eine Orientierung auf Regionalmärkte, weil auch diese
Bereiche Arbeitsplätze schafften und sichern. So habe es in
der Arbeitnehmerschaft in den letzten drei Jahren in der
Landwirtschaft einen Zuwachs von 20.000 Arbeitsplätzen,
insbesondere im Bereich des ökologischen Landbaues, beim
integrierten Landbau und bei regional vermarktenden
Sonderkulturbetrieben gegeben. Dies zeige die Notwendigkeit zur
Verbesserung des Aufbaus regionaler Strukturen. Dieser
Innovationsaufgabe sollten sich die Betriebe selber stellen, wobei
sich der Staat auf die Schaffung der entsprechenden
Rahmenbedingungen beschränken sollte. Hierzu gehöre auch
die staatliche Unterstützung im Rahmen von
Qualitätsprogrammen, wie dies Bayern und auch andere
Länder bei der Auswertung der Agenda-Beschlüsse vorsehen.
Dies sei ein richtiger Weg, wobei sich allerdings die Qualität
nicht nur auf unternehmerische, sondern auch
Arbeitnehmertätigkeit erstrecken sollte. Hier erwarte man
nicht, daß die weitgehenden Anstrengungen der Sozialpartner
in der Landwirtschaft staatliches Handeln ersetzen
können.
Hinsichtlich der Arbeitnehmerseite enthielten die
Agenda-Beschlüsse drei zentrale Ansatzpunkte. Hierzu
gehöre die Modulation, die eine logische Umsetzung der
nationalen Beschäftigungspolitik für den Sektor
Landwirtschaft darstelle. Hierzu unterstütze man entsprechende
Vorschläge, sehe allerdings auch die Grenzen der Modulation.
Gleichwohl wäre dies ein zentraler Punkt, wie man die
Agenda-Möglichkeiten in der Landwirtschaft in diesem Bereich
in die gesamtgesellschaftliche Zielsetzung integrieren
könnte.
Der zweite Punkt sei eine definitive Förderung der
Vorruhestandsregelung, insbesondere die Fortsetzung des alten
FELEG, weil damit die Zielsetzungen dieses Gesetzes eindeutig
erreicht worden seien. Zur Zeit werde der Agrarstrukturwandel der
Arbeitnehmerschaft blockiert auf Grund des Fehlens einer
entsprechend adäquaten Vorruhestandsregelung.
Der dritte Bereich betreffe die bereits angesprochene
Qualifikation. Für qualifizierte Maßnahmen der
Agrarpolitik benötige man auch qualifizierte Fähigkeiten
und Kenntnisse. Die IG BAU habe dementsprechend ein Paket von
Forderungen entwickelt, so z. B. die Ausgleichszulage nicht mehr
nur an die Fläche zu binden, sondern auch an andere Faktoren
wie z. B. an die Vergabe öffentlicher Gelder für
Landschaftspflegeprogramme, an entsprechende Fortbildung,
Qualifikation ? Stichwort: staatlich geprüfter Natur- und
Landschaftspfleger ? stärker zu binden, um auch hier einen
entsprechenden Modernisierungsschub bei den Beteiligten zu
unterstützen.
Schließlich sei eine Stärkung der Zweiten Säule in
der Agenda insbesondere für einen integrierten Ansatz in der
Entwicklung des ländlichen Raumes vorzusehen, denn nur da
könne auf Dauer auch in den kleinbäuerlichen Strukturen
zusätzliches Einkommen und damit Zukunftssicherheit geschaffen
werden. Dies sei dringend geboten. Die entsprechenden finanziellen
vorgesehenen Mittel seien nicht ausreichend.
Dr. Peters, Mecklenburg-Vorpommern, ergänzt
zu der Frage nach dem Anlastungsrisiko, daß dies ein
erhebliches Risiko bei den Länderverwaltungen bedeute. Das
Land befinde sich gerade in einem entsprechenden Rechtsverfahren.
Ursache hierfür sei, daß die entsprechenden
Vorstellungen der EU-Kommission sowie der Mitgliedstaaten über
die ordnungsgemäße Verwaltungsabwicklung auf Grund
unterschiedlicher Vorschriften auseinanderklafften. Ungeachtet
dessen gebe es natürlich im Vollzug auch immer wieder
menschliches Versagen, was z. B. bei der Kontrolle von Ohrmarken
bei einem Mutterkuhbestand von 500 Tieren auf der Weide nicht
ausgeschlossen werden könne. Bei einem entsprechenden
Anlastungsrisiko behalte dann der Landwirt das Geld, während
das Land in mehrfacher Weise diese Mittel an die EU-Kommission
zurückzahlen müsse.
Weiterhin erwidert er auf den häufigen Vorwurf, daß z.
B. Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu süddeutschen
Ländern nur in geringem Umfange Agrarumweltmaßnahmen
durchführe, daß man sehr wohl unterscheiden müsse
zwischen dem Abfluß von Mitteln aus entsprechenden Titeln
sowie dem Umfang entsprechender Maßnahmen im
Agrarumweltbereich. So werde in Mecklenburg-Vorpommern in
erheblichem Maße Umweltschutz betrieben. Kein Bundesland
verfüge über so viel Naturschutzflächen und betreibe
so viel ökologischen Anbau wie dieses Land. Gleichwohl sei
vorgesehen, in diesem Bereich der sog. 2078-Mittel stärker
aktiv zu werden, was allerdings seine Grenze in den entsprechenden
Landesmitteln zur Kofinanzierung habe.
Was die Agenda-Beschlüsse betreffe, so beabsichtige
Mecklenburg-Vorpommern, den notwendigen Anpassungsprozeß auf
Grund der neuen Vorgaben im Rahmen der haushaltsrechtlichen
Möglichkeiten flankierend zu unterstützen. Hierzu
gehöre die investive Förderung, die Qualifikation der
Betriebsleiter sowie die Unterstützung des technischen
Fortschrittes.
LMR Dr. Lampe, Niedersachsen, erklärt zu dem
Anlastungsrisiko, daß man aus dem Konflikt der
unterschiedlichen Beurteilung von Kommission und
Länderverwaltungen über den ordnungsgemäßen
Verwaltungsvollzug nur herauskomme, wenn vorher mit der Kommission
klar abgestimmt worden sei, wie eine entsprechende
Vollzugskontrolle zu erfolgen habe, welche Nachweise benötigt
werden. Daneben gelte es natürlich, behördeninterne
Mängel möglichst abzustellen.
Bei den flankierenden Maßnahmen zur Anpassung an die
Agenda-Beschlüsse gehe es neben der investiven Förderung
sowie der Verbesserung der Marktstrukturen insbesondere auch darum,
mit Pilotprojekten und im Rahmen der Direktförderung
horizontale und vertikale Verbundsysteme mit den vor- und
nachgelagerten Bereichen zu schaffen. Niedersachsen verfüge
bereits über eine relativ hohe Organisationsintensität im
Schweinebereich (25 %), was allerdings im Vergleich zu den
Niederlanden und Dänemark noch sehr wenig sei (80,90 %). Hier
gebe es daher dringenden Handlungsbedarf.
Dr. Ludger Wilstacke, Nordrhein-Westfalen,
erklärt, daß die Kommission beim Anlastungsrisiko von
einer Null-Fehler-Toleranz ausgehe. Dieses hohe Prinzip lasse sich
in der Praxis auf Grund der Menge und Detailliertheit der
Vorschriften nicht durchhalten. Je umfangreicher die Vorschriften
werden, desto überproportionaler steige das entsprechende
Anlastungsrisiko, da es Verkettungen aus unterschiedlichen
Bereichen gebe. Daher sei es wichtig, hier Lösungen und
Regelungen zu finden, die sowohl für die Landwirte
draußen als auch die Verwaltung praktikabel seien. Hierbei
sei auch zu berücksichtigen, daß eine Verlagerung der
Verantwortlichkeit in einem Maße auf die Länder erfolge,
die zu im Moment noch kaum absehbaren finanziellen Dimensionen
führten.
Zu den Agrarumweltmaßnahmen erklärt er, daß es in
Nordrhein-Westfalen, in dem bisherigen Programm 2078 eine
kontinuierliche Zunahme der Antragsflächen gebe, was man
für notwendig halte. Diese Entwicklung müsse
kontinuierlich vonstatten gehen und dürfe nicht kurzfristig
stark ausgeweitet werden, um dann festzustellen, daß eine
Fortsetzung nicht möglich sei. Daher sei das entsprechende
Programm stufenförmig angelegt, denn die Bereitschaft der
Landwirte für entsprechende Aktivitäten müsse
reifen.
Hinsichtlich der Verordnung ländlicher Raum/integraler Ansatz
bereite Nordrhein-Westfalen ein breit angelegtes Programm vor, bei
dem allerdings nicht nur die EU sowie die Bundesländer und
Regionen gefordert seien, sondern auch der Bund ? Stichwort
Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstrukturen des
Küstenschutzes. Sollte sich der Bund hier nicht in der Pflicht
sehen, müßte auch darüber nachgedacht werden, ob
die institutionelle Vertretung in Brüssel noch richtig
sei.
MDg Beyer, Sachsen, erklärt, daß
Sachsen zu den ersten Ländern gehört habe, die sich in
dem Bereich 2078 engagiert hätten. Zur Zeit könne Sachsen
ca. 100 Mio. DM kofinanziert aus Brüssel den Landwirten
für ein ganzes Maßnahmenbündnis bis hin zum
ökologischen Landbau zur Verfügung stellen, der in
Sachsen mit den höchsten Sätzen gefördert werde, um
damit gewisse Impulse zu setzen. Man hoffe, daß man die zur
Kofinanzierung notwendigen Mittel des zweiten agrarpolitischen
Zieles neben der Wettbewerbsfähigkeit, nämlich die
umweltgerechte Landbewirtschaftung, auch in Zukunft aufbringen
werde. Auch sei in die Förderung der Grünlandbereich
einbezogen, wobei man allerdings bei dem Bemühen, dies
praxisgerecht zu gestalten, auch an gewisse Verwaltungsgrenzen
stoße.
Um sich selber ein Bild über die Effektivität des
entsprechenden Mitteleinsatzes verschaffen zu können, habe man
ein externes Institut mit der Evaluierung des entsprechenden
Programmes beauftragt. Hierbei habe sich gezeigt, daß die
Mengen an eingespartem Boden auf Grund von
Erosionsschutzmaßnahmen sowie die eingesparten
Pflanzenschutzmittel bei Teilnehmerbetrieben gegenüber
Nicht-Teilnehmerbetrieben sehr beachtlich gewesen seien. Die
Beteiligungsquote an dem Programm belaufe sich auf zwei Drittel der
landwirtschaftlichen Nutzfläche, so daß man hier eine
zunehmende Akzeptanz erwarte.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram nimmt zur Verdeutlichung
den Getreidemarkt als Beispiel und weist darauf hin, daß es
sich bei den Überschüssen um die Grenzmengen handele, die
die teuersten Mengen darstellten. Wenn nun die Länder mit
niedrigen Produktionskosten auf dem Weltmarkt exportieren, dann sei
dies ökonomisch nichts anderes als die Spiegelung der
Grenzkostenkurve. Dies bedeute, daß man die teuersten Mengen
auf dem Binnenmarkt belasse und exportiere dafür die weniger
teuren Mengen auf dem Weltmarkt, wodurch der Eindruck der
Wettbewerbsfähigkeit hervorgerufen werde. Gebe es keine
Überschußmengen, also die Grenzmengen, wäre man
nicht im Export tätig.
Zu den Welthandelsmengen bei Getreide verweist er auf das Schaubild
4 (s. Anlage 3). Daran werde deutlich, daß das jährliche
Welthandelsvolumen bei ca. 180 t liege, und zwar schon seit vielen
Jahren, und unabhängig vom Preisniveau. Würde die EU die
Mengen, die durch die Flächenstillegung gebunden seien, auf
den Markt bringen, würde das Preisniveau einbrechen. Dies
zeige, daß es enorme Produktionsreserven gebe. Entscheidend
sei eine kaufkräftige Nachfrage, wie das Beispiel China zeige,
für das noch vor wenigen Jahren für das Jahr 2000 ein
Importbedarf an Getreide in Höhe von 20 Mio. bis 50 Mio. t
vorhergesagt würden, sei während China für 1998
gerade 3 Mio. t importiert habe.
Zwar sei es richtig, daß keine Exporterstattungen geleistet
werden, aber gleichwohl werde der Export subventioniert über
die Ausgleichszahlungen. So habe ein durchschnittlicher
100-ha-Betrieb Produktionskosten in Höhe von ca. 290 DM.
Dieser erhalte vom Staat Ausgleichszahlungen in Höhe von 120
DM. Bei einem Kaufpreis von 220 DM käme er dann auf 340 DM pro
t. Bei Abzug der Produktionskosten bedeute dies ein Einkommen von
50 DM bei einer Stützung von 120 DM. Dies sei die Situation
auf dem Binnenmarkt.
Bei dem Export, den Grenzmengen, sehe es so aus, daß hier
Kosten in Höhe von 170 DM entstünden. Den
Exporterstattungen würden in Grenzstandorten ein Einkommen in
Höhe von 50 DM pro t gegenüberstehen. Damit würden
weniger als ein Drittel des aufgewendeten Kapitals
einkommenswirksam.
Was die Ausgleichszahlungen betreffe, so würde zum Beispiel
ein 30-ha-Betrieb bei 50 Dezitonnen ohne Ausgleichszahlungen einen
Verlust in Höhe von ca. 22.000 DM erwirtschaften. Auf Grund
der Agenda-Beschlüsse erhalte er Ausgleichszahlungen in
Höhe von 21.500 DM. Dies zeige, daß sein Gewinn faktisch
bei Null liege. Daher sollte ihm diese Summe direkt ausgezahlt
werden, denn damit würde das Geld auch der Volkswirtschaft
wiederum zur Verfügung stehen. Die Alternative wäre
größere Betriebseinheiten. Selbst bei einem Betrieb mit
85 Dezitonnen/ha würden sich von den aufgewendeten Mitteln nur
knapp 40 % einkommenswirksam erweisen.
Bei einem 100-ha-Betrieb erwirtschafte dieser bei 50 Dezitonnen/ha
einen Verlust von 52.000 DM. Damit blieben gegenüber den
erhaltenen 69.000 DM nur 17.000 DM übrig. Viele Landwirte
wüßten gar nicht, welche Kapitalvernichtung sie auf
diese Art und Weise betrieben.
Anders sehe es natürlich bei den Großbetriebseinheiten -
1.000-ha-Betrieb ? aus. So liege die Einkommenswirksamkeit selbst
bei einem Ertrag von 50 Dezitonnen/ha bei ca. 64 %. Die restlichen
36 % seien allerdings auch verloren, was gesamtwirtschaftlich nicht
verantwortet werden könne. Ein entsprechender Betrieb auf
guten Standorten mache einen Gewinn von ca. 200.000 DM, zu dem er
zusätzlich noch eine Stützung in Höhe von ca.
680.000 DM erhalte. Gehe man jetzt auf die größeren
Betriebe, z. B. in Großbritannien, dann komme es zu einer
Kapitalakkumulation zu Lasten der Steuerzahler, die nur einen
Bruchteil hiervon verdienen würden. So würde z. B. ein
2.000-ha-Betrieb 1,3 Mio. DM Stützung erhalten,
zusätzlich zu einem Durchschnittseinkommen von 300.000 bis
400.000 DM entsprechend der jeweiligen Preis-situation. Diese 1,3
Mio. DM Stützung würde der Durchschnittsarbeitnehmer in
der EU nicht einmal brutto in seinem ganzen Leben verdienen. Dies
habe mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Dies seien
die beiden zu berücksichtigenden Aspekte.
Zusammengefaßt würden also bei den Betrieben von etwa
25.000 DM eingesetztem Kapital nur 40 % einkommenswirksam sein.
Dies könne keine vernünftige Agrarpolitik sein. Daher
sollten die Mittel im ländlichen Raum Verwendung finden. Damit
würden Arbeitsplätze geschaffen. Der andere Weg sei
jedenfalls sowohl einzelbetrieblich wie auch gesamtwirtschaftlich
nicht verantwortbar. Eigentlich wäre hier eine Klage gegen die
Autoren dieser Politik angebracht.
Abschließend unterstreicht er, daß ein funktionierender
Markt keine Marktordnungskosten verursache. Dies sei die
entscheidende Größe.
Der Vorsitzende bemerkt dazu, daß er diese
Ausführungen nicht ganz nachvollziehen könne.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram weist ergänzend
darauf hin, daß es nur eine Umverteilung gegeben habe.
Während bisher der Verbraucher zur Kasse gebeten worden sei,
sei es jetzt der Steuerzahler. In beiden Fällen würden
Überschußbeseitigungskosten entstehen. Zu einer
wirklichen Einsparung komme es jedoch nur, wenn die Mengen
reduziert würden.
Prof. Dr. Winfried von Urff erklärt
ebenfalls, daß er Verständnisprobleme habe. Er greift
das Beispiel von den 200 Mio. t am Getreidemarkt auf, wovon 90 %
auf den Binnenmarkt gingen und 10 % in den Export. Für das
Getreide gebe es einen Richt-preis, der durch eine Intervention
abgesichert werde. Dieser Richtpreis liege norma-lerweise über
dem Weltmarktpreis. Dies bedeute, daß die sog. aufnehmende
Hand einen Preis bezahle, der dann wiederum auf den Verbraucher
abgewälzt werde, und der über dem Weltmarktpreis liege.
Dadurch komme es zu einem Einkom-menstransfer von dem Verbraucher
zu dem landwirtschaftlichen Erzeuger. Damit dieser Mechanismus
insgesamt für die 100-%-Produktion funktioniere,
müßten diese 10 % aus dem Markt herausgenommen werden
durch die Intervention sowie anschließendem Export mit
Erstattungen. Angenommene Kosten hierfür seien 170 DM/t. Der
Landwirt erlöse allerdings für die 100-%-Produktion 220
DM/t. Dies bedeute, daß der Landwirt für die Grenzmenge,
die herausgenommen werde, immerhin noch 50 DM mehr erlöse, als
die Exporterstattung je t in Höhe von 170 DM ausmache.
Bei Milch und bei Rindfleisch könne dies durchaus weniger
sein, wenn dies erst in die Intervention gehe, gewälzt,
ausgelagert und dann erstattet werde. Hier könnten durchaus
höhere Kosten entstehen, als der Landwirt ursprünglich
durch den Interventionspreis für den Schlachtbullen erhalte.
Entscheidend sei, daß mit der Herausnahme der Grenzmenge der
gesamte Mechanismus aufrecht erhalten werde.
Durchaus rechnerisch nachvollziehbar sei das Beispiel, wonach der
Landwirt für die von ihm produzierte Grenzmenge, für die
er 220 DM erhalte, was mit Produktionskosten in Höhe von 170
DM verbunden sei, ein Einkommen in Höhe von 50 DM erhalte, und
zwar für eine Menge, für die der Staat 170 DM aufgewendet
habe. Allerdings bewerte er diesen Vorgang doch etwas anders. Zwar
wäre es besser, man würde die 170 DM dem Landwirt direkt
auszahlen, ohne daß dieser produzieren müsse, denn
offensichtlich decke der auf dem Weltmarkt zu erzielende Preis
nicht die Produktionskosten. Dies sei das Problem bei einem System,
bei dem man Überschüsse über 100 % habe. Solange man
unter 100 % liege, verursache dies keinerlei Kosten beim
Steuerzahler. In diesem Falle brauchte man nur einen
Außenschutz, wobei dann alles über die Verbraucher mit
dem Marktpreis finanziert werde. Erst bei einem Überschreiten
des Selbstversorgungsgrades von 100 % habe der Staat mit
Erstattungen intervenieren müssen. Je höher man über
die 100 % Selbstversorgung hinauskomme, um so teurer und
ineffizienter werde es.
Zusammengefaßt lasse sich feststellen, daß es in einem
Hochpreisland keinen Sinn mache, mit hohen Faktorkosten für
den Weltmarkt zu produzieren, wenn man damit letztlich nur die
Weltmarktpreise erzielen könne und die Differenz durch
Erstattungen dem Exporteur und damit indirekt dem Produzenten
erstatten müsse. In dieser Konsequenz sei man sich hier
sicherlich einig, auch wenn er die Zwischenschritte seines
Vorredners nicht habe nachvollziehen können. Was die
Ausgleichszahlungen betreffe, so würden sie den Landwirt im
Gegensatz zu einer Einkommenspolitik über gestützte
Preise direkt zu 100 % erreichen. Jede aus Brüssel geleistete
Mark käme in vollem Umfang beim Landwirt an.
Insofern sei eine Umschichtung der Einkommensstützung
über den Preis zu einem System der Stützung über
Ausgleichszahlungen effizienter, da hier die Transfereffizienz bei
eins zu eins liege, während sie bei der Stützung
über den Preis bei zwei bzw. drei zu eins liege.
Dies erhebe die Frage, ob man das System nicht in der Form
reformiere, daß man den Markt von Anfang an in eine
Produktion für den Binnenmarkt mit entsprechend hohen Preisen
sowie in eine Produktion für den Weltmarkt mit niedrigen
Preisen spalte, also das von der AGBL präferierte Modell
(AC-Modell).
Bei Zucker funktioniere dies, bei Milch habe man allerdings schon
erhebliche Probleme, denn hier gebe es eine große
Produktpalette. Auch habe die Milch zwei wertbildende Bestandteile,
und zwar Fett sowie Eiweiß. Es stellten sich folgende Fragen:
Solle die A-Quote am Fett, am Eiweiß oder an beiden
Bestandteilen festgemacht werden? Wie sollen die Molkereien ihre
Produktion steuern, daß sie sowohl bei Fett als auch bei
Eiweiß ihre Binnenmarktquote ausschöpfen und dann den
Rest auf dem Weltmarkt unterbringen müssen? Hier gebe es noch
erheblichen Klärungsbedarf.
Bei allen übrigen landwirtschaftlichen Produkten sei dies noch
komplizierter, da es dort keine Quotenregelung und keine
Marktsteuerung gebe, sondern einen anonymen Markt, auf dem sich die
Preise nach den Grenzmengen bildeten. Hier könne man nur
versuchen, mit einem gewissen Einfuhrschutz die Höhe des
Marktpreises zu halten, ohne daß auf der anderen Seite die
Exporterstattungen zu große volkswirtschaftliche Verluste
erbringen.
Das Problem werde insofern in jedem Falle eine Lösung
erfahren, da bei der nächsten WTO-Runde die Exporterstattungen
als erstes gefährdet sein werden. Man werde sie
voraussichtlich noch einmal drastisch reduzieren, um sie dann in
der übernächsten Runde ganz abzuschaffen. Die
Exporterstattungen und damit die entsprechenden
volkswirtschaftlichen Verluste würden daher auch ohne ein
Handeln der europäischen Mitgliedstaaten infolge der WTO-Runde
reduziert werden. Daher müsse man ein Preisniveau mit
Importbelastungen erreichen, das ein Gleichgewicht halte, bei dem
die Exportüberschüsse nicht so hoch werden, daß die
Grenzen für die Exporterstattungen überschritten werden
und damit letztlich auch das ganze System weniger ineffizient
werde, als wenn man mit zu hohen Exporterstattungen und zu hohen
Exportmengen arbeite.
Auch könne er die Auffassung nicht ganz nachvollziehen,
daß es kein Problem sei, solange der Einkommenstransfer vom
Verbraucher über künstlich gestützte Preise erfolge,
daß es wohl aber ein Problem sei, wenn der Transfer über
staatliche Ausgaben in Form des EU-Haushaltes erfolge.
Für ihn mache es keinen Unterschied, ob der Transfer über
den Konsumenten oder den Staatshaushalt erfolge. Hinzu komme, zwar
eher in der Theorie, daß Steuern nach der
Leistungsfähigkeit aufgebracht werden, die Preise für
Nahrungsmittel dagegen regressiv wirkten, also das genaue
Gegenteil, so daß die Lösung über den
Staatshaushalt eigentlich die bessere wäre. Allerdings schaffe
dies ein großes Problem für den Landwirt im Hinblick auf
die notwendige Akzeptanz.
Hinsichtlich der Finanzierung der Agrarpolitik habe es durch die
Berliner Beschlüsse eine Festlegung gegeben, und zwar werde
sie sich im Rahmen von 298 Mrd. Euro bewegen müssen,
zuzüglich der Kosten, die für die Vorbereitung der
Osterweiterung anfielen. Ein Problem sehe er bei der Frage,
inwieweit das bisherige Agrarsystem auf die mittel- und
osteuropäischen Länder übertragen werden könne.
Die nicht reformierte Agrarpolitik hätte mit Sicherheit nicht
übertragen werden können, da sie zumindest im Rahmen der
Agrarleitlinie nicht finanzierbar gewesen wäre. Sie hätte
darüber hinaus die Konsumenten in den Beitrittsländern
belastet, die heute zwischen 50 und 60 % ihres Einkommens für
Nahrungsmittel ausgeben müßten. Auch hätte sie
falsche Signale dahingehend gesetzt, noch mehr in die
Landwirtschaft zu investieren, wenn die Landwirtschaft auf Grund
einer Einbeziehung in ein weitgehend gestütztes System
attraktiver geworden wäre gegenüber den anderen Bereichen
der Volkswirtschaft.
Ob alle Probleme durch die Agenda-Beschlüsse gelöst
worden seien, erscheine zweifelhaft, zumindest, wenn man davon
ausgehe, daß sich die Philosophie, Ausgleichszahlungen gebe
es in den Beitrittsländern nicht, weil sie von einem
niedrigeren und nicht einem höheren Preisniveau kommen, nicht
durchhalten lasse. Diese Philosophie lasse sich wahrscheinlich nur
eine begrenzte Zeit durchhalten, denn dann käme in kurzer Zeit
das Argument, daß man nicht Bürger zweiter Klasse sein
wolle. Die Beitrittsländer hätten bereits in dieser Weise
argumentiert. Dies bedeute, daß sich eine Zweiteilung
zwischen Ausgleichszahlungen hier, da man von einem
größeren Preisniveau komme, dort aber keine
Ausgleichszahlungen, weil dieser Grund dort nicht gegeben sei, auf
Dauer nicht aufrechterhalten lasse. Spätestens dann werde eine
erneute Reformdiskussion beginnen, wenn sie nicht schon vorher im
Zusammenhang mit der WTO-Runde beginne. So sei die
green-box-Fähigkeit der Agenda äußerst zweifelhaft,
was schon sehr rasch zu erneutem Handlungsbedarf bei der EU
führen könne.
Prof. Dr. Cay Langbehn schließt sich diesen
Ausführungen zu den finanziellen Aspekten der Osterweiterung
an.
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer erklärt,
daß er zur Transfereffizienz noch eine kleine Modifikation
anbringen möchte. So sei in der Tat die Preispolitik in Zeiten
der Überversorgung kaum effizient. Hier seien die direkten
Zahlungen wesentlich effizienter. Allerdings müsse man
fairerweise sagen, daß diese Direktzahlungen zwar erst einmal
beim Landwirt ankommen, dann allerdings an die Grundeigentümer
weitergeleitet würden oder auch an die Quoteneigentümer.
Daher unterstreiche er nochmals, daß jede Form der
sektorspezifischen Einkommenspolitik nur auf Zeit gelingen werde,
da der Marktprozeß dem entgegenwirke.
Der Vorsitzende bittet um Auskunft darüber,
was der Mangel an Planungssicherheit bei den Betrieben für
Konsequenzen habe.
Weiterhin stellt er an die sachverständigen Professoren die
Frage, welche staatlichen Rahmenbedingungen zur Zeit Auswirkungen
auf die Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft haben und
welche im Hinblick auf eine Stärkung dieser
Wettbewerbsfähigkeit künftig erforderlich seien.
Weiterhin weist er darauf hin, daß auf Grund der
unterschiedlichen Förderungsleistungen im Rahmen der
Agrarumweltprogramme der einzelnen Bundesländer pro Hektar zum
Teil erhebliche Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der
Bundesrepublik Deutschland entstünden und stellt die Frage, ob
hier nicht eine entsprechende interne Harmonisierung dringend
erforderlich wäre. Hierunter fielen auch andere Faktoren wie
z. B. unterschiedliche Fleischbeschaugebühren bei den
Schweinen u. ä.
Abg. Ulrich Heinrich möchte wissen, mit
welchen Marktordnungskosten auf Grund der durch die
Agenda-Beschlüsse vorgesehenen Aufstockung der Milchmengen zu
rechnen sei und welche zusätzlichen Preiseinbußen dies
bei den Milcherzeugern zur Folge haben werde. Außerdem
hält er seine Frage nach den Auswirkungen des Reformkonzeptes
der Agenda 2000 auf den Berufsstand insgesamt vom DBV noch nicht
für ausreichend beantwortet. Er bitte daher nochmals um
Mitteilung, wie der starke Einfluß von Politik und
Steuerzahler und nicht das Marktgeschehen auf die Preis- und
Einkommensentwicklung gerade für Junglandwirte im Hinblick auf
die Zukunftsplanung auswirke.
Abg. Albert Deß möchte wissen, warum
von der Landwirtschaft erwartet werde, sich vollständig auf
den internationalen Wettbewerb einzustellen, während sich
andere gesellschaftliche Gruppen dem vollständig entziehen,
wie z. B. Architekten, Notare, Rechtsanwälte, ohne daß
dies beanstandet werde.
Im übrigen sei richtig, daß es auch ohne die
Beschlüsse zur Agenda 2000 einen weiteren Preisrückgang
auf Grund der GATT-Beschlüsse gegeben hätte. Gleichwohl
hätte die Agenda 2000 die Chance geboten, anstatt auf
Preisdruck auf eine Mengenbegrenzung zu setzen. Zu
berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, daß seitens
eines hochrangigen Vertreters des US-Handelsministeriums
erklärt worden sei, daß man mit einem
eigenständigen europäischen Agrarmodell durchaus
einverstanden wäre, wenn die Agrarproduktion auf den
Binnenmarkt von 380 Mio. Einwohner beschränkt würde. Dies
sei die Richtung, in die die Agenda-Beschlüsse hätten
gehen müssen. Beispielhaft hierfür seien die
Zuckerrübenregelungen, die auch für andere Bereiche
hätten Anwendung finden können.
Weiterhin stelle sich angesichts der Tatsache, daß das
jetzige Agrarsystem zu Wettbewerbsverzerrungen führe, die
Frage, ob es nicht andere Ausgleichsmöglichkeiten
gegenüber den jetzigen Regelungen gebe. Er denke z. B. daran,
daß europaweit ca. 50 % der Sozialkosten in der
Landwirtschaft übernommen würden, was auch zu einer
anderen gesellschaftlichen Akzeptanz entsprechender staatlicher
Leistungen führen würde. Auch wäre es dringend
erforderlich, die bestehenden Schlaggrößen zu
vergrößern und die gesamtgesellschaftlichen Leistungen
der Landwirtschaft stärker zu honorieren, da sie allein
über die Weltmarktpreise nicht abgedeckt werden
können.
Abschließend stellt er die Frage, über welche
Größe ein Getreidebaubetrieb verfügen
müßte, um international wettbewerbsfähig zu sein,
und um über ein Betriebseinkommen von 100.000 DM zu
verfügen und nicht von Ausgleichszahlungen abhängig zu
sein. Wenn er versuche, selber die Antwort zu geben, komme man bei
einem Getreidepreis von 19 DM bei 85 dz zu einem Deckungsbeitrag
von 544 DM pro ha. Bei insgesamt 400 ha würde der
Deckungsbeitrag bei ca. 200.000 DM liegen. Nach den Berechnungen
von Prof. Dr. Wolffam müßte sich dann ein Gewinn von
100.000 DM ergeben. Wenn dies richtig sei, so stelle sich die
Frage, warum dann ein Betrieb mit einer Fläche über 400
ha noch Flächenausgleichszahlungen erhalte. Er halte dies
nicht für berechtigt, ohne hier einen Ost-West-Gegensatz
aufzubauen.
Was die Diskussion um niedrige Weltmarktpreise betreffe, so gebe es
weltweit keinen Landwirt, der entsprechend niedrige Preise fordere.
Dies würde von anderen Interessengruppen gefordert. In diesem
Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, daß die
Flächengröße allein auch keine Problemlösung
erbringe.
Mit der Darstellung der Situation der Wettbewerbskosten durch Prof.
Dr. Wolffram stimme er überein. Allerdings ziehe dieser die
falschen Schlüsse daraus. Die einzige Konsequenz aus der
richtigen Zustandsbeschreibung sei für ihn die Entwicklung
eines europäischen Agrarmodells mit einer Mengenbegrenzung im
Hinblick auf die 100 % Selbstversorgung.
Auf Grund der von den Agenda-Beschlüssen geschaffenen neuen
Rahmenbedingungen sehe er für die Landwirtschaft keine Zukunft
mehr und rate daher jungen Menschen von einer entsprechenden
Ausbildung ab. Wenn die Gesellschaft nicht mehr bereit sei,
für eine notwendige Entlohnung der Landwirtschaft zu sorgen,
hätten diese auch keine Verpflichtung mehr, sich bei einer
80-Stunden-Woche für die Erhaltung einer entsprechenden
Kulturlandschaft einzusetzen. Er werde künftig sein Getreide
verfeuern, da Getreide bei einem Preis unter 20 DM zu einem
Ramschprodukt werde und er damit auch Heizöl spare.
Der Vorsitzende bittet noch um eine Stellungnahme
zu der kürzlichen Erklärung des
Bundeslandwirtschaftsministers, wonach auf großen Betrieben
in den neuen Bundesländern eine Produktion von Weizen zu einem
Getreidepreis von 20 DM/dz noch rentabel sei.
Abg. Ulrike Höfken wendet sich gegen eine
Agrarpolitik, die ausschließlich an Kostenminimierung und
Mengenbegrenzung orientiert sei, nicht aber die veränderten
Rahmenbedingungen und volkswirtschaftlichen Anforderungen
berücksichtige. Überfällig sei daher eine Politik,
die sowohl eine Mengenreduzierung vorsehe, Mittel einspare,
darüber hinaus aber Auswirkungen auf die
Beschäftigungssituation, die Lebensmittelqualität sowie
die Erhaltung von Umwelt- und Naturschutz habe. Hierzu bitte sie um
eine Stellungnahme. Dabei sollte auch die Notwendigkeit einbezogen
werden, der Zweispaltung des Marktes Rechnung zu tragen, also neben
dem 10%igen Weltmarktanteil auch den überwiegend anderen
Betrieben auf dem Binnenmarkt eine Einkommenserzielung zu
ermöglichen, wozu insbesondere die Zweite Säule
gehöre. Hier sollten die Länder stärker aktiv werden
und darüber hinaus sollten im Rahmen der bevorstehenden
WTO-Verhandlungen entsprechende Weichen gestellt werden.
Harry Czeke erklärt, daß zur Zeit ein
Preisverfall erfolge, so bei Getreide auf 16 DM, bei Öllein
und Raps von 40 auf 30 DM, der bei gleichbleibenden Kosten ein
rentables Wirtschaften kaum mehr ermögliche. Hier mache es
sich der Bundeslandwirtschaftsminister zu einfach, wenn er nur auf
die notwendige Beachtung des Kostenmanagements hinweise.
Der Milchmarkt sei völlig durcheinander und der für Ende
2007, der Wirksamkeit der Agenda-Beschlüsse, vorausgesagte
Verfall des Milchpreises auf 45 Pfennig erfolge mittlerweile schon
jetzt durch den nachgelagerten Bereich, so daß man sich
bereits jetzt auf 50 Pfennig zubewege. Bei der Butter gebe es seit
Jahreswechsel einen Preisverfall von 40 bis 50 Pfennig je nach
Region pro kg. Der Verbraucher zahle für die Butter seiner
Molkerei durchaus 10 Pfennig mehr, aber dieses Geld lande eben
nicht beim Landwirt. Über diese Preisentwicklung wachse der
Gesellschaft eine Wohlfahrtsleistung zu, zu der sie dann im
Gegenzug für die Leistungen der Landwirtschaft, die über
die agrarische Produktion hinausgehen, auch bereit sein müsse,
zu zahlen. Hierbei sollte nicht vergessen werden, daß die
günstigen Nahrungsmittelpreise innerhalb der Volkswirtschaft
auch eine Inflationsbremse darstellten. Nicht hinnehmbar sei
für den Landwirt, daß im Supermarkt 1 l Milch unter dem
Literpreis für Mineralwasser quasi verramscht werde.
Hinsichtlich der Perspektiven eines Betriebes sei offen, ob nicht
bis zum Wirksamwerden der Agenda-Beschlüsse im Jahr 2007
erneute Änderungen auf Grund der WTO-Verhandlungen ins Haus
stehen, was zu einer zusätzlichen Planungsunsicherheit
führe. Daher würden notwendige Investitionen
zurückgestellt. Hinzu kämen die Belastungen auf
nationaler Ebene ? Stichwort: Gasölverbilligung. Hier habe man
inzwischen vergessen, daß der Grund für die 50%ige
Erstattung im Bereich der Landwirtschaft darauf beruhe, daß
man auf den Äckern fahre und damit die Straßen
entlaste.
Auch bei den Zuschüssen für die Berufsgenossenschaften
seien Einschnitte vorgesehen. In den neuen Bundesländern gebe
es das Problem, daß man für DDR-Unfallrenten aufkommen
müsse, was eigentlich Aufgabe der Bundesanstalt für
Arbeit in Nürnberg wäre. Die dadurch bedingte
Verdoppelung der Beiträge der Landwirte führe zu einer
Größenordnung, die die Belastung durch die Energiesteuer
in Höhe von 6 DM/ha deutlich übersteige.
Kosteneinsparungen infolge von Personalabbau seien nicht mehr
möglich, da man sich bereits jetzt am unteren Limit bewege.
Investitionen bei der Betriebstechnik seien im Hinblick auf die
Amortisation wiederum von der Planungssicherheit abhängig, die
eben nicht bestehe.
Nicht nur die Junglandwirte, sondern der Berufsstand insgesamt
könne jetzt durchaus eindeutige Aussagen von den
Entscheidungsträgern in Europa verlangen. Wenn die
Landwirtschaft Leistungen über die normale Produktion hinaus
erbringe, müsse dies auch von der Gesellschaft honoriert
werden.
Abschließend stellt er fest, daß es zur Zeit auf Grund
der Unsicherheit infolge der Agenda-Beschlüsse und angesichts
der bevorstehenden WTO-Verhandlungen keine gesicherten
Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gebe.
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer erklärt,
daß die zunehmende Weltmarktorientierung nicht nur die
Landwirtschaft erfasse, sondern auch zunehmend andere
gesellschaftliche Bereiche ? Stichwort: Buchpreisbindung. Diese
Entwicklung könne man nicht aufhalten und deshalb sollte man
sich frühzeitig hierauf einstellen.
Wenn man davon ausgehe, daß die alte Strategie - die Mengen
begrenzen, um die Preise hochzuhalten - nicht funktioniere,
müsse man nach neuen Lösungen suchen. Unverzichtbar seien
hier jedenfalls zwei Dinge, und zwar zum einen ein
Außenschutz, wenn man die Landwirtschaft hier erhalten wolle.
Dies allein würde eine 100%ige Selbstversorgung sicherstellen.
Die ganzen Marktordnungen mit Quoten, Flächenprämien und
dergleichen wären dann entbehrlich.
Die zweite Voraussetzung wäre, die übrigen Mittel ? die
40 Mrd. Euro ? verstärkt für die Modernisierung der
Landwirtschaft einzusetzen. Modernisierung bedeute hier nicht nur
kostenorientiert wie in den USA, sondern auch durchaus investiv,
aber auch erweiterte Agrarumweltprogramme. Dies bedeute, daß
sich die Gesellschaft ein System schaffen müsse, um die
gesamten gesellschaftlichen Sonderwünsche, die man nun einmal
an die Landwirtschaft habe, einzukaufen. Wenn z. B. die
Agrarminister künftig die Käfighaltung verbieten wollen,
sei dies eine Reaktion auf die entsprechenden gesellschaftlichen
Wünsche, die man ernst nehmen müsse. Wenn man es
allerdings bei so einem Verbot belasse, sei es nicht verwunderlich,
wenn Investoren ihre Betriebe dorthin auslagerten, wo sie dem nicht
ausgesetzt seien. Deshalb müsse dies Wohlverhalten
gesellschaftlich eingekauft werden.
Ähnlich sei es z. B. bei der einzelbetrieblichen
Investitionsförderung, die nur unter bestimmten, den Landwirt
erschwerenden Auflagen möglich sei. Auch dies reflektiere
entsprechende Wünsche der Gesellschaft. Auch hier
müßte sich die Gesellschaft die von ihr erwünschten
Rahmenbedingungen einkaufen.
Ergänzt werden könnte dies dann noch durch wirkliche
Agrarsozialprogramme. Dies würde insgesamt zu einem schlanken
Politikgefüge führen. Die bestehenden
Wettbewerbsnachteile im Rahmen der Marktordnungen, die alle
hausgemacht seien, müßten dann mittelfristig sozusagen
im Gleitflug abgebaut werden.
Berechtigt sei natürlich auch die Frage, ob nicht der
Außenschutz auf Grund der WTO-Vorgaben auf Dauer
gefährdet sei. Als Importschutz werde der Außenschutz
sicherlich nur langsam im Rahmen eines Gleitfluges abgebaut werden,
was etwa 20 Jahre Luft schaffen werde. Dieser Zeitraum werde
diejenigen Investoren ermutigen, die man benötige, um die
notwendigen Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu
schaffen.
Was die Milch betreffe, so könne er sich durchaus vorstellen,
daß auch in 20 Jahren Milch noch wettbewerbsfähig
produziert werden könne. Der Wettbewerb werde insbesondere auf
der nördlichen Erdhalbkugel stattfinden, und zwar zwischen den
USA und Europa. Die Frage des Standortes werde u. a. durch den
Strukturwandel entschieden, die Lage der günstigen
Produktionsstätten. Eine mittel- bis großbäuerliche
Struktur wäre hier durchaus wettbewerbsfähig.
Voraussetzung wäre aber auch die technischen Fortschritte zu
nutzen ? Stichwort: Melkroboter - um die Belastung auf der
Lohnkostenseite zu verringern.
Insgesamt wäre daher eine Vorwärtsstrategie wichtig, die
die künftigen Schwerpunkte einer neuen zukunftsträchtigen
Agrarpolitik herausarbeite. Bisher würde sich die Agrarpolitik
insbesondere auf die Versuche beschränken, alte Schwerpunkte
zu verteidigen.
Prof. Dr. Cay Langbehn entgegnet auf den Vorwurf
einer rückwärtsgewandten Agrarpolitik, daß er sich
für eine Kostenorientierung in der Agrarpolitik ausgesprochen
habe. Dies bedeute an diesem Standort eine intensive Produktion.
Man könne sich auch in Zukunft nicht gänzlich von dem
Weltagrarmarkt abschotten. Selbst wenn man den Außenschutz
noch über lange Zeit hätte, würde dies nicht
ausreichen, denn man müsse künftig verstärkt auch
über die Grenzen Europas hinaus exportieren im weltweiten
Wettbewerb und dies funktioniere nur bei einer kostenorientierten
Produktion.
Wichtig sei, daß man bei diesen Erörterungen nicht den
Bezug zur Realität verliere. So habe er in einer empirischen
Untersuchung 1.000 Betriebsabschlüsse in Schleswig-Holstein,
Niedersachsen und Vorpommern ausgewertet. Hierbei habe man u. a.
die Stickstoffeffizienz untersucht und geprüft, wieviel Kilo
Stickstoff für die Produktion von einer Dezitonne Getreide
eingesetzt werden müssen.
Bemerkenswert sei das Ergebnis, wonach Betriebe mit über 85
Dezitonnen Getreideeinheiten 2,6 kg Stickstoff pro Dezitonne
Getreideeinheit benötigten. Bei Betrieben unter 70 Dezitonnen
Getreideeinheiten liege dieser Koeffizient bei 3,4. Ursachen
hierfür seien verschiedene Gründe wie das Management, der
Betriebsleiter, der Standort. Soll der Agrarstandort Europa
wirtschaftlich effektiv genutzt werden, so erfordere dies eine
intensive Bewirtschaftung.
Weiterhin hätten die Untersuchungen gezeigt, daß die
Größe der Betriebe nicht der ausschlaggebende Faktor
sei, sondern das Management der Betriebe, da es innerhalb der
einzelnen Größenklassen erhebliche Unterschiede gebe.
Die besten Betriebe, und zwar das oberste Viertel, habe 22 DM
Produktionskosten je Dezitonne aufgewiesen, und zwar im
dreijährigen Mittel, die schlechtesten Betriebe 32 DM.
Er rate jungen Menschen nicht grundsätzlich von der
Landwirtschaft ab, sondern bestärke sie, wenn sie motiviert
seien. Wenn sie kostengünstig wirtschaften, hätten sie
auch eine Zukunftschance. Die kostenorientierte Produktion stehe
nicht im Widerspruch zu notwendigen ökologischen Leistungen
der Landwirte, für die sie allerdings dann auch entsprechend
honoriert werden sollen.
Was die notwendige Wettbewerbsfähigkeit betreffe, so sei es
die erste Aufgabe des Staates, den aktiven Unternehmern nicht
unnötig Steine in den Weg zu legen bei der Ausschöpfung
ihres Anpassungspotentials. Man müsse daher von dieser
Überregulierung wegkommen.
Weiterhin müsse der Staat auf absehbare Zeit Einfluß auf
die Erlöse der Landwirte nehmen - Stichwort: Außenschutz
- da die europäische und deutsche Landwirtschaft kurz- und
mittelfristig nicht zu Weltmarktpreisen produzieren könne. Der
Landwirt dagegen müsse auf seinen Standorten intensiv und
kostengünstig wirtschaften. Für notwendig erachte er es,
sich von dem sog. Schreckgespenst der intensiven Landwirtschaft zu
lösen, die sich durchaus mit einer Reihe von Nebenzielen, die
man in Europa im Hinblick auf die Kulturlandschaft habe,
vereinbaren lasse. Nicht richtig sei, daß die Intensität
steige, wenn die Preise fielen. Richtig sei allerdings, daß
das Optimum sehr nahe beim Maximum liege.
Notwendig sei es auch, den technologischen Fortschritt zu nutzen,
was daran deutlich werde, daß seit 1990 trotz der drastisch
gesenkten Preise das Ertragsniveau heute höher sei als
damals.
Nicht unterstützt werde von ihm das Instrument
Cross-Compliance, da die Landwirtschaft die Transfers
benötige. Letztere dürften nicht zur Deckung von
Umweltkosten Verwendung finden. Was an zusätzlichen
Umweltleistungen der Landwirtschaft von der Gesellschaft erwartet
werde, das müsse dann auch gesondert honoriert werden.
Auch sei er gegen eine Koppelung mit dem Arbeitskräftebesatz,
da dies ökonomischen Grundsätzen widerspreche.
Abg. Ulrike Höfken erklärt dazu,
daß sie durchaus für eine kostenorientierte und
intensive Form der Bewirtschaftung eintrete. Allerdings gehe sie
von einer anderen Kostenstruktur aus und habe und eine andere
Vorstellung von Intensität. Als Politiker denke man
volkswirtschaftlich und nicht betriebswirtschaftlich.
Prof. Dr. Cay Langbehn ergänzt zu dem
Beispiel integrierter Anbau in der Schweiz, daß dies durchaus
in Ordnung sei, soweit dies keine besondere Kosten in der
Landwirtschaft verursache. Wenn der Staat allerdings nur deshalb
fördere, weil es die Akzeptanz der Agrarpolitik in der
Gesellschaft erhöhe, dann sei der Staat auf einem falschen
Wege.
Prof. Dr. Winfried von Urff erklärt,
daß die Landwirtschaft der Europäischen Union immer noch
über ein Protektionsniveau von 40 % gegenüber dem
Weltmarktpreis verfüge. Im Durchschnitt aller
Industrieerzeugnisse seien es weniger als 4 %. Hier seien es auch
früher einmal 40 % gewesen, aber in 8 Zoll-Senkungsrunden im
GATT habe man dies mittlerweile soweit abgebaut. Bei der
Landwirtschaft sei dies Niveau immer noch höher und zu
Recht.
Es sei richtig, daß ein Außenschutz notwendig sei. Der
Außenschutz allein führe zu einer 100%igen
Selbstversorgung, wenn man von weiteren Eingriffen absehe. Dann
wäre man exakt bei einem Modell, das 1950 von einer Gruppe des
wissenschaftlichen Beirates im damaligen Landwirtschaftsministerium
vorgeschlagen worden sei. Dieses Modell habe sich allerdings nicht
durchgesetzt.
Einer zweiten Gruppe, mehr technokratisch ausgerichtet, sei es
zuzuschreiben, daß sich die Marktordnungen, die auf Elementen
der Weltwirtschaftskrise sowie auf Elementen des
Nationalsozialismus aufbauten, letztendlich durchgesetzt
hätten.
Neben dem Außenschutz müsse die Entlohnung von
Umweltleistungen hinzu kommen. Wenn Landwirte Umweltleistungen
erbringen, handele es sich um öffentliche Güter, die von
der Öffentlichen Hand bezahlt aus Steuermitteln entlohnt
werden müssen.
Hinsichtlich des ökologischen Landbaues sei es notwendig, ihn
zu fördern wie alle anderen Formen der Landwirtschaft auch.
Allerdings müsse er von der Nachfrageseite her angetrieben
werden, denn nur diesen Raum könne er ausfüllen. Wenn man
versuche, darüber hinauszugehen, würde dies zu genau den
Problemen führen, die allgemein mit der Landwirtschaft
verbunden seien. Auch er hätte eine stärkere finanzielle
Ausstattung der Zweiten Säule begrüßt. Dies sei
nicht durchsetzbar gewesen. Hierbei müsse aber auch immer
berücksichtigt werden, daß die Marktordnungspolitik
weitergeführt werden müsse, solange das bisherige System
funktionsfähig bleiben solle und solange man diese
Marktordnungen benötige, um bei einer Selbstversorgung
über 100 %, ein Preisniveau durchzusetzen, das über dem
Weltmarktpreis liege.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram erklärt zur Frage
nach der regionalen Wettbewerbsstellung, daß man hier bei
einer entsprechenden Bewertung für die Bundesrepublik
Deutschland die jeweiligen unterschiedlichen Strukturen und die
unterschiedlichen Einkommen berücksichtigen müsse. Im
EU-Vergleich werde häufig übersehen, daß die
Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu den Hauptkonkurrenten
Niederlande und Dänemark erhebliche Standortvorteile habe, und
zwar im Bereich der Besteuerung und der Soziallasten. So müsse
z. B. ein 60-Kuh-Betrieb in Dänemark ca. 25.000 DM mehr
Steuern als ein entsprechender Betrieb in Deutschland
abführen.
Zur Frage der Aufstockung der Quote müsse man wissen,
daß im Rahmen der WTO-Verhandlungen bis 2000 3 Mio. t Milch
aus dem Markt genommen werden müßten. Zu den Kosten
einer entsprechenden Mengenrückführung weist er darauf
hin, daß man dann, wenn man das Fett über das Butterfett
durch Verdrängung von normalpreisiger Butter absetze, auf
Kosten auf 20 bis 30 DM je kg Butter Mehrabsatz komme. Je kg Milch
würde dann die Belastung bei 1 DM liegen, was zu enormen
Beträgen führen würde.
Wenn mit einer Politik der Mengenbegrenzung Quoten gemeint seien,
so könne er dem nicht zustimmen, wenn dann indirekt die
Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft angesprochen werden sollen.
Hierzu habe Müller-Amark inhaltlich folgendes erklärt:
Ein Sektor, der durch den technischen Fortschritt in
Bedrängnis geraten sei, den sollte man durch die
subventionierte Herausnahme dieser schwachen Betriebe wieder an das
Marktgleichgewicht heranführen. Dies gelte in
ausgesprägtem Maße für die europäische
Landwirtschaft. So gebe es etwa 3 Mio. Kühe zu viel. Eine Kuh
verursache jährlich ca. 2.000 DM Kosten. Wenn man dafür
den Milcherzeugern 8.000 DM zahle, käme man im Milchsektor zu
Einsparungen von 6 Mrd. DM und im Rindfleischsektor von 12 Mrd. DM.
Damit stünden insgesamt 18 Mrd. DM zur Verfügung, womit
der Milch- und Rindfleischmarkt entlastet werden könnte. Ein
wesentlicher Aspekt hierbei sei auch, daß das Kapital im
Lande bliebe. Die aufgebenden Betriebe würden sozial
abgesichert.
Falsch sei, daß der Zuckerrübenmarkt keine Kosten
verursache. Wer auf dem Weltmarkt Zucker für 35 DM verkaufe,
habe Fabrikationskosten in Höhe von 48 DM zuzüglich 8 DM
Transportkosten, wobei der Kaufpreis vom Erzeuger noch nicht
berücksichtigt sei. Jeder Überschußhektar Zucker
koste die Landwirtschaft, die Zuckerwirtschaft und letztlich den
Verbraucher um die 4.000 DM.
MR Dr. Schick, Bayern, appelliert an den Bund,
auch auf EU-Ebene für eine ausreichende finanzielle
Ausstattung der Zweiten Säule Sorge zu tragen, da ansonsten
die Bundesländer, die in der Vergangenheit Erhebliches in
diesem Bereich geleistet hätten, große Schwierigkeiten
haben würden, die durch diese Aktivitäten entstandene
Nachfrage abzudecken.
LMR Dr. Lampe, Niedersachsen, räumt ein,
daß sich die Entwicklung zu den Regionalmärkten
entsprechend dem Verbraucherverhalten weiter entwickeln werde.
Gleichwohl könne man diese Forderung nicht verallgemeinern. So
fördere Niedersachsen diesen Bereich zwar, stehe jedoch vor
der Notwendigkeit, 50 % seiner Produktion außerhalb der
Landesgrenzen abzusetzen. Deshalb sei es erforderlich, daß es
auch außerhalb der Regionalmärkte viel Bewegung
gebe.
Dr. Ludger Wilstacke, Nordrhein-Westfalen, bejaht
die Frage, ob eine Marktdifferenzierung auch möglich sei. Auf
der einen Seite individualisiere sich die Gesellschaft,
während gleichzeitig die Muster von gesellschaftlichen
Nachfragegruppen breiter würden, da sich dort entsprechende
Strömungen, die sich in gesellschaftlichen Strömungen in
verschiedenen Gruppen wiederfinden, gleichzeitig am Markt
auftreten. Die Chance der Nahrungsmittelindustrie in Deutschland
sei die, festzustellen, wo neue gesellschaftliche Gruppen mit
kaufkräftiger Nachfrage auftreten bzw. wo man entsprechende
Märkte entwickeln könne. Diese Chancen müßten
systematisch entwickelt werden, wobei dem Staat auch eine gewisse
Förderungspflicht obliege, da die landwirtschaftliche
Erzeugung so zersplittert sei, daß sich Erzeuger, Verarbeiter
und dgl. nicht von alleine am Markt zusammenfinden, um auf diese
neuen Verbraucherwünsche direkt eingehen zu können. Daher
habe die Öffentliche Hand hier Kommunikations- und
Moderationsaufgaben, müsse Impulse geben und auch
Fördermittel bereitstellen. Stichworte seien hier
Regionsorientierung, regionale Vermarktung. Dies bedeute, den
Produkten neue vom Verbraucher nachgefragte Qualitäten zu
geben ? Ökoprodukte, artgerechte Tierhaltung, kurze
Transportwege, Kennzeichnung nach Qualitäten und regionalen
Herkünften.
Dies solle vor allen Dingen die Breite des Marktes und seine
ständige Veränderung zeigen, auf die man rechtzeitig
reagieren müsse, und zwar im Interesse der Landwirtschaft
sowie der Region.
Dr. Helmut Born, DBV, erklärt zu der Frage
nach der Motivation junger Landwirte, daß das Produktrisiko
groß geworden sei, das Marktrisiko allerdings noch
größer. Daher benötige man gut ausgebildete,
motivierte und auch risikobereite junge Menschen, die bereit seien,
in die Landwirtschaft einzusteigen und hierbei versuche man sie
auch zu unterstützen.
Nicht könne er die Auffassung teilen, daß der
Außenschutz allein ohne die Marktordnungen eine wirkliche
Alternative sei. Wenn man innen eine Produktion von 120 % habe,
könne man den Außenschutz so hoch machen wie man wolle,
eine Lösung für die inneren Probleme bringe er dann
nicht.
Dr. Volker Petersen, DRV, ergänzt zur Frage
nach der Intensität, daß es in dem 10-Jahres-Zeitraum
1989 bis 1997/98 bei Stickstoff einen Rückgang von 2,2 Mio.
auf 1,8 Mio. gegeben habe, bei Phosphor und Kali eine Halbierung.
Dies seien die Fakten bei gestiegenen Erträgen und bei
ständig verbesserter Ausbringungstechnik und berühre auch
den Agrarhandel. Man sei eben nicht nur von den
Getreidepreissenkungen betroffen, sondern auf der Inputseite gebe
es auch entsprechende Anpassungen.
Dr. Klaus-Dieter Schumacher, BVA, weist zu dem
Schaubild Nr. 4 in Anlage 3 von Prof. Dr. Wolffram hin, daß
sich der Getreidehandel zwar hinsichtlich der absoluten Summe nicht
verändert habe. Allerdings sei darin eine gewaltige
strukturelle Änderung, in der Größenordnung von 3
Mio. t und darüber enthalten, und zwar die Mengen, die die
frühere Sowjetunion nicht mehr importiere und die nun andere
Länder in der Welt importierten, die auch in Zukunft die
Nachfragesteigerung auf den internationalen Märkten,
insbesondere in Asien bewirken werden.
Was die Ernährungssituation weltweit und regional (Europa)
betreffe und die Möglichkeit, eine nachhaltige Landwirtschaft
zu betreiben, so habe man sicherlich eine gewisse Verantwortung
für die weltweite Ernährungssicherung.
Dirk Detlefsen, BDL, hält es für falsch,
jungen Menschen pauschal von einem Einstieg in die Landwirtschaft
abzuraten. Hierbei handele es sich immer um eine
betriebswirtschaftliche Entscheidung in jedem einzelnen Falle.
Sicher werde nicht jeder Betrieb überleben können, aber
andererseits habe die Landwirtschaft in Deutschland auch in Zukunft
eine Chance, sofern man sich ein Stück von der traditionellen
Landwirtschaft entferne und den Weg der Diversifikation beschreite
und mit Leben ausfülle. Die Haupterwerbsbetriebe, deren Anzahl
abnehme, werden sicherlich nicht in die Diversifikation einsteigen,
wohl aber, und zwar massiv, die Zuerwerbsbetriebe, deren Zahl
zunehme. Ähnlich sei es bei den Nebenerwerbsbetrieben, die
stagnierten oder leicht abnehmen würden, aber gleichwohl auch
noch einen gewissen Zuerwerb hinzuverdienen
müßten.
Wolfgang Reimer, AGBL, erklärt, daß der
frühere Bundeskanzler Schmidt vor 15 Jahren die
Liberalisierung der Finanzmärkte begonnen und vorangetrieben
habe. Heute hätte er eine andere Auffassung dazu. Die Frage
sei, ob sich diese Tendenz fortsetze bei entsprechenden
Brüchen und Veränderungen in der Weltwirtschaft. Diese
Frage sei noch nicht beantwortet. Ihn erstaune daher die Sicherheit
der entsprechenden Vorredner, daß diese Entwicklung
unverändert voranschreite, denn das Risiko der
Weltmarktausrichtung sei sehr hoch.
In welcher Richtung der Zug auf Druck der WTO und GATT laufe, sei
klar. Gleichwohl erhebe sich die Frage, ob man sich dem beuge oder
doch versuche, angesichts der knappen nationalen und
europäischen Haushalte in gewisser Weise entgegenzusteuern, da
nur ca. 10 % die Weltmarktausrichtung schaffen würden. Daher
bleibe die Frage, woher man die Sicherheit nehme, diesen Weg zu
empfehlen.
Abg. Albert Deß würde genau die
Stimmung der übrigen 90 % der Landwirte zum Ausdruck bringen,
die hier keine Chance sehen, auch wenn er den zum Ausdruck
gebrachten Pessimismus bedauere.
Was die Finanzen betreffe, so habe Ende letzten Jahres der
Europäische Rechnungshof einen Bericht zur Agenda 2000
vorgelegt. Darin habe er zum Ausdruck gebracht, daß die
Agrarleitlinie als Obergrenze des Agrarhaushaltes sehr vage sei, da
sie von einem sehr optimistischen Wirtschaftswachstum, das die
Agenda zugrunde lege, abhänge. Dieses angenommene
Wirtschaftswachstum habe es in den letzten Jahren nie gegeben. Auch
sei in dem Bericht darauf hingewiesen worden, daß es dann,
wenn die Agenda so durchgeführt würde, wie sie
ursprünglich konzipiert gewesen sei, und zwar mit
stärkeren Preissenkungen, gleichwohl immer noch einen
erheblichen Abstand zu den Weltmarktpreisen geben würde. Nur
durch Strukturwandel und Kostendiskussion im Lande allein
könne dieser Abstand nicht überwunden werden. Wenn die
Zweite Säule über zu wenig Mittel verfüge, um die
Betriebe entsprechend fit zu machen, sei offen, wie dieser Weg
beschritten werden solle.
Prof. Dr. Cay Langbehn erwidert darauf, daß
keiner der Professoren erklärt habe, daß kurz- oder
mittelfristig in Europa Weltmarktpreise gelten würden.
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer ergänzt,
daß man für Außenschutz plädiert habe, was
eine 100%ige Selbstversorgung bedeute, und dies sei keine
Weltmarktorientierung.
Wolfgang Reimer, AGBL, erklärt dazu,
daß zur Zeit der Außenschutz bei Getreide auf Grund der
letzten GATT-Runde bei 155 % des Interventionspreises liege. Wenn
man die Intervention absenke, werde auch der Außenschutz
reduziert, da beides nicht voneinander unabhängig sei.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram entgegnet darauf,
daß dann, wenn der Weltmarktpreis bei Null liege, der
Außenschutz so hoch sei, daß man selbst zu diesen
Bedingungen nicht den Interventionspreis unterlaufe. Selbst bei
einer weiteren Senkung um 36 % habe die gesamte WTO-Diskussion
für die Preisbildung innerhalb der Europäischen Union
überhaupt keine Bedeutung. Dies gelte für Getreide und
für Milch. Die einzige Konsequenz sei die Kürzung der
Exportmengen und die Kürzung der Exporterstattungen.
Christof Weins, NABU, unterstreicht, daß es
sicherlich betriebswirtschaftlich unsinnig sei, bei sinkenden
Erzeugerpreisen das Intensitätsniveau gleichhoch zu halten.
Gleichwohl wisse man auch, daß sich die Preise für die
Betriebsmittel auch an die Erzeugerpreise anpaßten.
Was die Fakten zur Intensität betreffe, so sei der vom DRV
zugrunde gelegte Vergleichszeitraum 1989 bis 1998 wegen der
Vereinigungsproblematik und dergleichen ungeeignet. Daher habe er
den Zeitraum 1993 bis 1998 gewählt und hier sei deutlich
erkennbar, daß es einen höheren Einsatz von Dünge-
und Pflanzenschutzmitteln gegeben habe.
Arnd Span, IG BAU, erklärt, daß sich
die Kollegen in Spanien und Frankreich bei der Bewertung der
Agenda-Beschlüsse erheblich optimistischer äußerten
als man dies hier tue. Dort würden Veränderungen in den
Betrieben in einer Intensität stattfinden, die es hier bisher
nicht gebe. Diese Veränderungen würden von der IG BAU
unterstützt. Sie beruhten auf dem Prinzip, zu prüfen,
welche Entwicklungen es gebe, die für die Betriebe interessant
sein könnten. Diese Innovation der betrieblichen Produktion
gebe es bisher nur vereinzelt und nicht flächendeckend in
Deutschland. Daher gehe es um die Frage, wie dieser Anteil
erweitert und gleichzeitig der Marktordnungsanteil der Agrarpolitik
zurückgenommen werden könne. Dies müsse man zusammen
angehen.
Entscheidend sei die Fähigkeit der Menschen, sich auf
entsprechende Prozesse einzustellen. Dazu gehöre die
Qualifikation und dies erfordere, daß der Staat auch
entsprechende Strukturen schaffe, um neben der direkten investiven
Form der Förderung auch die Förderung der Humanressourcen
stärker in das Zentrum der Förderung zu stellen.
Entsprechende Qualifikationen seien Voraussetzung für das
Entdecken entsprechend neuer Märkte und ein entsprechendes
Tätigwerden. Dies wiederum könnte zum Überleben
vieler Betriebe und zur Sicherung zahlreicher Arbeitsplätze
führen.
Vermißt habe er bisher die gründliche Auseinandersetzung
mit den Opfern dieses notwendigen Anpassungsprozesses, und zwar
insbesondere im Bereich der benachteiligten Gebiete. Dies erfordere
auch eine eingehende Diskussion darüber, wie das
gesamtgesellschaftliche Ziel, die Aufrechterhaltung einer
flächendeckenden Landnutzung, künftig und unter welchen
finanziellen und anderen Rahmenbedingungen und auch von den
Köpfen her erreicht werden könne.
Abg. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr erklärt
abschließend, daß es bei der Anhörung darum gehe,
nicht die Einlassungen der anderen zu bewerten, sondern vielmehr
diese kennenzulernen.
Wenn sich die Marktsituation nicht dramatisch verändere, werde
die Agenda 2000 zu einem erheblichen Verlustgeschäft für
die deutsche Landwirtschaft.
Der Vorsitzende erklärt abschließend,
daß man in der Agrarpolitik sicherlich viele Wünsche
habe. Entscheidend sei jedoch, die Gegebenheiten zur Kenntnis zu
nehmen und sich zu fragen, was dies für die Zukunft erfordere.
Daher habe die Agrarpolitik die Aufgabe, die Betriebe
frühzeitig auf die hier schärfer werdenden
Herausforderungen einzustellen. Er schließt die Anhörung
mit einem Dank an die Sachverständigen.
Ende der Sitzung 16.45 Uhr
Peter Harry Carstensen
Vorsitzender