Protokoll-Nr. 14/35
DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
14. Wahlperiode
22 38-24 50
Wortprotokoll
der
35. Sitzung
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten
(10. Ausschuss)
am 13. März 2000, 11.00 Uhr
(Berlin, Reichstagsgebäude, Sitzungssaal 2. S. 023)
Öffentliche Anhörung zu den
Folgerungen aus dem Urteil des BVerfG
- 2 BvF 3/90- vom 10. Dezember 1987 -
zur
Hennenhaltungsverordnung
vom 6. Juli 1999
Vorsitz: Peter Harry Carstensen (Nordstrand), MdB
Einziger Punkt der Tagesordnung Seite
Folgerungen aus dem Urteil des BVerfG
- 2 BvF 3/90 - vom 10. Dezember 1987 -
zur
Hennenhaltungsverordnung vom 6. Juli 1999
6 - 54
Anlage 1: Sachverständigenliste 55 - 56
Anlage 2: Fragenkatalog 57 - 58
Anlage 3: Arbeitsunterlagen (Auszug) 59 - 61
Der Vorsitzende begrüßt die
Sachverständigen (Anlage 1).
Er erinnert daran, dass der Ausschuss am 15. Dezember 1999 auf
Antrag der Koalitionsfraktionen beschlossen habe, zu den
Folgerungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG)
vom 6. Juli 1999 zur Hennenhaltungsverordnung vom 10. Dezember 1987
eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Hierbei
gehe es insbesondere um die Frage, welche konkreten Vorgaben
für die Hennenhaltungsverordnung aus dem Urteil abgeleitet
werden müssen und inwieweit die Anforderungen der
EG-Richtlinie 1999/74 des Rates vom 19. Juli 1999 zur Festlegung
von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen den Vorgaben des
Urteils genügen.
Diese Anhörung erfolge im Rahmen der sog. Selbstbefassung, da
eine Beratung der Verordnung, von der ein überarbeiteter
Referentenentwurf des BML auf Ausschuss-Drucksache 14/244 vorliege,
durch den Bundestag nicht vorgesehen sei. Daher könne der
Ausschuss hierzu auch keinerlei Beschlüsse fassen.
Gleichwohl diene die Anhörung der Information der
Abgeordneten, um zumindest indirekt Einfluss auf die Gestaltung der
Verordnung nehmen zu können.
Der Bitte des Ausschusses entsprechend seien eine Reihe von Fragen
vorab schriftlich beantwortet. Die entsprechenden Stellungnahmen
würden als Ausschuss-Drucksache 14/260 bis 14/267
vorliegen.
Der Vorsitzende bittet die Sachverständigen
um ein kurzes Eingangsstatement, um im Anschluss daran mit einer
ersten Fragerunde zu beginnen.
Albert Huber, Deutscher Bauernverband (DBV), weist
darauf hin, dass er aktiver Landwirt sei und seit ca. 40 Jahren
Hühner halte. In seinem Statement werde er auf drei Bereiche
eingehen: Zum einen auf die Stellungnahme des DBV vom 8. November
zur Zukunft der deutschen Legehennenhaltung, dann auf die
Stellungnahme der Arbeitsgruppe ?Haltungssysteme Legehennen? zur
Weiterentwicklung moderner Haltungsformen (Anlage 3) sowie
schließlich auf die Folgen einer verschärften
Hennenhaltungsverordnung gegenüber der EU-Richtlinie vom Juli
1999 aus Sicht eines Praktikers und des Berufsstandes.
Zu erstens führt er aus, dass das Präsidium des Deutschen
Bauernverbandes anlässlich einer Podiumsveranstaltung am 8.
November 1999 eine Stellungnahme zur Zukunft der deutschen
Legehennenhaltung abgegeben habe. Danach verfolge der DBV mit
großer Sorge die aktuelle Diskussion über die
Legehennenhaltung in Deutschland. Die Entwürfe für eine
nationale Hennenhaltungsverordnung gingen weit über die
entsprechende EU-Richtlinie vom Juli 1999 hinaus. Gerade weil sich
die deutschen Landwirte und Hennenhalter dem Tierschutz
gegenüber verpflichtet fühlten, würden sie
unmissverständlich auf EU-einheitlichen Regelungen bestehen.
Ebenso wichtig sei es, bei den anstehenden WTO-Verhandlungen
Tierschutz-Standards für den internationalen Agrarhandel
festzulegen. Die deutschen Legehennenhalter würden sich nicht
einer Weiterentwicklung moderner Haltungssysteme
verschließen. So habe der DBV zusammen mit dem Zentralverband
der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), mit der Wirtschaft und
dem BML ein Modellvorhaben ins Leben gerufen, um eine
Neuausgestaltung des Käfigs, eine sog. Kleingruppenhaltung,
ausgestattet mit Sandbad, Sitzstange und Legenest in der Praxis zu
testen. Dieses Modellvorhaben laufe in dieser Woche an, und zwar
auch auf seinem Betrieb. Der DBV stelle insbesondere die
Bereitschaft der betroffenen Wirtschaft heraus, modernere
tierschutzgerechte Aufstallungsformen zu initiieren und weiter zu
entwickeln.
Was die Stellungnahme der Arbeitsgruppe Legehennen-Haltungssysteme
betreffe, so verweist er auf die entsprechende Arbeitsunterlage des
ZDG, und zwar auf die Übersicht der dazu gehörigen Anlage
auf Seite 16, in der die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen
Haltungsverfahren aufgezeigt würden. Als Praktiker kenne er
alle diese unterschiedlichen Verfahren, weshalb er die in der
Übersicht erfolgte Bewertung nur unterstreichen könne.
Auch sein Betrieb habe Mitte der 60er Jahre die damals übliche
Bodenauslaufhaltung auf die Käfighaltung umgestellt. Der
Krankheitsdruck sei in der damaligen Bodenauslaufhaltung so
groß geworden, dass Tiere nur im Wege einer entsprechenden
Umstellung des Haltungssystems gesund erhalten werden konnten. Die
Tiergesundheit sowie das stabile Sozialverhalten seien nach wie vor
die zwei wichtigsten Vorteile der bisherigen Käfighaltung.
Tiere vor Krankheiten zu schützen bedeute praktizierten
Tierschutz sowie ein entsprechendes Höchstmaß an
Verbraucherschutz. Die Vorteile der herkömmlichen
Käfighaltung würden daher klar auf der Hand liegen,
ebenso allerdings auch deren Nachteile, und zwar eingeengt sitzen
zu müssen, kein Nest, kein Sandbad und keine Sitzstange zu
haben.
Offen sei weiterhin die Frage, ob ein Tier bei Fehlen
entsprechender Kriterien darunter leide oder ob nicht mehr
Krankheit auch zu einem größeren Leiden führe. Auch
sei zu fragen, ob nicht die starke Rang- und Hackordnung in einer
großen Hühnerherde auch für die schwächeren
Hennen schon Leiden bedeute. Dennoch verschließe man sich dem
Wunsch der Gesellschaft nicht, dass die Hühner die ihnen
angeborenen Verhaltensweisen auch erleben könnten. Auch die
Legehennenhalter möchten glückliche Hühner in ihren
Ställen haben. Denn nur gesunde, glückliche Hühner
seien zu hohen Leistungen bereit. Mit dem vorhin erwähnten
Modellvorhaben sei beabsichtigt, die Kleingruppenhaltung unter
wissenschaftlicher Begleitung auf ihre Praxistauglichkeit zu
überprüfen. Allerdings gebe es hier rechtliche Vorgaben
seitens der EU, die von der Praxis her nicht nachvollziehbar seien.
Das hier vorgesehene Haltungssystem sei auf seine
Praxistauglichkeit hin nicht überprüft worden.
Was die Auswirkungen einer nationalen Hennenhaltungsverordnung
betreffe, die schärfere Anforderungen als die geltende
EU-Richtlinie enthalte, weist er darauf hin, dass bei anderen
EU-Ländern, wie z. B. Holland, der Selbstversorgungsgrad bei
Eiern in den letzten Jahrzehnten ständig gestiegen sei. Er
liege dort zur Zeit bei 360 % des Eigenbedarfs. Im Vergleich dazu
sei die Eigenbedarfsdeckung in Deutschland auf zur Zeit 70 %
abgesunken. Dies bedeute, dass jedes dritte in Deutschland
verzehrte Ei außerhalb Deutschlands gelegt werde. Diese
Abnahme des Eigenversorgungsgrades stehe in engem Zusammenhang mit
den Wettbewerbsnachteilen, denen man hier ausgesetzt gewesen
sei.
Der jetzt vorliegende Entwurf einer nationalen
Hennenhaltungsverordnung sehe eine wesentliche Schlechterstellung
der deutschen Eierversorgung gegenüber den anderen EU-Staaten
vor. Damit wäre eine Verlagerung der hiesigen
Hühnerhaltung in andere Länder vorprogrammiert.
Deutschland verfüge zur Zeit wohl weltweit über die
höchsten Standards in diesem Bereich. Die sicherlich auch
notwendige Weiterentwicklung dieser Standards sei allerdings so zu
gestalten, dass eine weitere Abwanderung der Hennenhaltung ins
Ausland vermieden werde. Tierschutz und Verbraucherschutz
könnten dann am besten praktiziert werden, wenn die
Hühnerhaltung in Deutschland erfolge. Wenn es nicht zu einer
fairen Gleichstellung innerhalb der EU-Staaten komme, bestehe die
Gefahr der weiteren Abwanderung der Hennenhaltung ins Ausland,
womit die Existenz zahlreicher mittlerer Betriebe vernichtet
würde.
Dr. Glarita Martin, Internationale Gesellschaft für
Nutztierhaltung, Stuttgart, führt dazu aus, dass sie
sich im Wesentlichen auf die Aspekte der Ethologie und der
Hühnerhaltung beschränken wolle. Vorab weist sie
allerdings darauf hin, dass das BVerfG festgestellt habe, dass die
Vorschriften des Tierschutzgesetzes (TierSchG) verbindlich, also zu
erfüllen seien, während die EU-Richtlinie nur
Mindestanforderungen enthalte. Das Gericht hebe ausdrücklich
hervor, dass gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG kein
artgemäßes Bedürfnis unangemessen
zurückgedrängt werden dürfe. Dies gelte für
alle Verhaltensbedürfnisse, die sich den Oberbegriffen
artgemäße Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte
Unterbringung zuordnen ließen. Nur das
Bewegungsbedürfnis unterliege der weiteren
Einschränkungsmöglichkeit, was jedoch nicht zu Schmerzen,
vermeidbaren Leiden oder Schäden führen dürfe.
Dem BVerfG haben die Störungen, die bei der Futteraufnahme und
beim Ruhen entstehen, ausgereicht, um die gesamte Verordnung von
1988 für nichtig zu erklären. Zusätzlich zu den
Ausführungen über die Nichtigkeitsgründe habe das
Gericht konkrete Ausführungen zu den Bedürfnissen der
Legehennen gemacht und diese explizit genannt, und zwar das
Scharren und Picken aus dem Funktionskreis Nahrungserwerb, dann die
ungestörte Eiablage, die Eigenkörperpflege wie Staubbaden
sowie schließlich das erhöhte Sitzen auf Stangen zum
Ruhen und Schutzverhalten. Damit seien klare Vorgaben für den
Inhalt einer neuen Verordnung gemacht worden.
Zu prüfen sei nun, ob die im Verordnungsentwurf vorgegebenen
Mindestanforderungen die Grundbedürfnisse der Tiere
befriedigen oder zurückdrängen. Für die in der
Verordnung eingeführten ausgestalteten Käfige, mit denen
die herkömmlichen Käfige ersetzt werden sollen, zeigten
sich gravierende Mängel. So würden im Nahrungsverhalten
kardinale Fehler gemacht. Die bestehenden Probleme würden in
ihrer Bedeutung im Wesentlichen nicht erkannt. Zuerst sei
festzustellen, dass eine Mindesttroglänge von 12 cm je Henne -
so im Verordnungsentwurf vorgegeben - nicht ausreiche, um den
Tieren eine ungestörte gleichzeitige Nahrungsaufnahme zu
ermöglichen, da die Körperbreite durchschnittlich 14,5 cm
betrage. Damit sei nicht einmal die Minimalforderung des BVerfG
erfüllt.
Darüber hinaus habe das Gericht aus dem Funktionskreis
Nahrungsaufnahme die Anforderung Scharren und Picken gefordert.
Damit erkenne das Gericht an, dass zusammen mit der
artgemäßen Ernährung nicht nur Futter zur
physiologischen Sättigung zugänglich sein müsse,
sondern auch die Möglichkeit zum Nahrungssuchverhalten
bestehen müsse. Dies sei mit intensiver
Schnabelbetätigung verbunden wie Ziehen, Reißen, Hacken,
also Anstrengung und Beschäftigung mit Nahrungsobjekten. Wenn
dieses genetisch determinierte Verhalten nicht an adäquaten
Objekten wie dem Erdboden oder der Stroheinstreu ausgeführt
werden könne, werde dieses Verhalten auf Ersatzobjekte
umorientiert. So entstehe Federpicken und Kannibalismus. Das
anfänglich harmlose Federpicken könne sich zu einer
Pickstereotypie entwickeln, die eine schwere Verhaltensstörung
darstelle und als ein deutliches Anzeichen für erhebliches
Leiden gewertet werde. Hierzu gebe es neue wissenschaftliche
Erkenntnisse. So befasse sich eine Wissenschaftlergruppe in Bern
intensiv mit dem Thema Federpicken. Sie habe nachgewiesen, dass
eine strohlose Umwelt bei Hennen zu chronischer Angst und
Dauerstress sowie einer reduzierten Leistung des Immunsystems
führe. Dies seien außerordentlich schwerwiegende
Befunde, die endlich zur Kenntnis genommen werden müssten. An
Stelle der Symptombekämpfung wie Lichtentzug und
Schnabelkupieren müssten die Ursachen dieser Störungen
beseitigt werden.
Die vorliegende Tabelle (Ausschuss-Drucksache 14/263) zeige, dass
auch die Bedürfnisse der anderen Funktionsbereiche in den
ausgestalteten Käfigen nicht ausgelebt werden könnten und
dadurch teilweise Verhaltensstörungen entstehen würden.
Hierzu gehöre die ungestörte Eiablage, die
Eigenkörperpflege, das Sandbaden. So würden die Tiere auf
dem Drahtboden baden. Auch sei der Unterschied zu dem bisherigen
Käfig nicht erkennbar und ein erhöhtes Sitzen auf Stangen
nicht möglich, weil diese zu tief platziert und zu kurz seien.
Auch seien Sozialverhalten nicht möglich. Von einer stabilen
Sozialordnung könne keine Rede sein.
Was die räumlichen Bedingungen in dem Käfig betreffe,
verweist sie auf die entsprechende Übersicht AVIPLUS der
erwähnten Tabelle. Hier handele es sich um eine neue
Entwicklung aus dem Jahre 1999, die seitdem auf dem Markt sei.
Diese Variante werde zur Zeit favorisiert und in verschiedenen
Versuchsanstalten getestet. Eine vergleichbare Anlage werde in dem
Betrieb von Herrn Huber überprüft. Aus der Übersicht
gehe hervor, dass keine der notwendigen Verhaltensweisen
durchgeführt werden könne.
Zusammenfassend sei zu sagen, dass in den bisher untersuchten
ausgestalteten Käfigen alle Grundbedürfnisse in hohem
Maße eingeschränkt seien, womit § 2 TierSchG
eindeutig verletzt werde. Die Käfige würden nicht die
Bedingungen erfüllen, die zur Aufrechterhaltung der
ethologischen und physiologischen Körperfunktionen notwendig
seien. Die bisherigen Probleme der intensiven Hühnerhaltung
würden im Wesentlichen bestehen bleiben, in gewisser Hinsicht
sogar verstärkt. Etwas mehr Raum in den Käfigen
führe dazu, dass mehr Federpicken möglich sei, dass die
Tiere mehr Bewegungsfreiheit hätten und sich deshalb an den
Kloaken der Tiere über ihnen anpicken. So sei Kloakenpicken
und entsprechender Kannibalismus in diesen Käfigen
häufiger als in den herkömmlichen Käfigen. Eine
Fluchtmöglichkeit bestehe nicht.
Die Einführung dieser Käfige durch die vorgesehene
Verordnung diene der Unterstützung und Aufrechterhaltung
bodenunabhängiger industrieller Betriebe. Darüber hinaus
seien sie nicht getestet worden, weshalb der Tierhalter ein hohes
Risiko eingehe. Notwendig sei daher, auf bewährte alternative
Haltungssysteme wie die Boden-, Volieren- und Auslaufhaltung
umzustellen, diese ggf. weiter zu entwickeln und mit Hilfe
politischer Maßnahmen zu fördern. Diese Haltungssysteme
könnten unter Einhaltung bestimmter Bedingungen sowohl die
Bedürfnisse der Tiere als auch ökologische Aspekte der
Hühnerhaltung berücksichtigen und damit auch dem Schutz
des bäuerlichen Berufsstandes dienen.
RA Dr. Eisenhart von Loeper, führt dazu aus,
dass er vor ca. 20 Jahren zusammen mit Frau Dr. Martin im Rahmen
der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung intensiv
daran gearbeitet habe, dass die Legehennenbatteriehaltung
abgeschafft werde. Dazu habe es eine Reihe von
Gerichtsentscheidungen gegeben. Inzwischen liege nun das Urteil des
BVerfG vor. In diesen 20 Jahren seien den Tieren
unnötigerweise erhebliche Leiden und Schäden
zugefügt worden. Eine Umstellung der Haltungssysteme sei
überfällig und werde von der Gesellschaft den Tieren
gegenüber geschuldet.
Er begrüße es, dass der Ausschuss sich mit diesen Fragen
befasse, da es ja letztlich um eine Umsetzung der Regelungen des
Tierschutzgesetzes gehe. Für vertretbar halte er die
Übergangsfrist für Altanlagen gem. § 7 Abs. 2,
wonach Legehennen noch bis zum 31. Dezember 2002 in den bisherigen
Käfigen gehalten werden könnten, und zwar deshalb, weil
die Einzelfallregelung, die das Gesetz über § 48
Verwaltungsverfahrensgesetz (VVerfG) eröffne, mit einigen
Unsicherheiten verbunden sei, so dass insofern Rechtssicherheit
geschaffen werde. Allerdings sei die Verwaltungsbehörde auf
Grund des BVerfG-Urteils nicht nur berechtigt, sondern auch
verpflichtet, die unanfechtbaren Genehmigungsbescheide
zurückzunehmen.
Für nicht akzeptabel halte er allerdings die nach § 7
Abs. 1 vorgesehene Übergangsregelung bis zum 31. Dezember
2011, weil sie das bisherige Haltungssystem fortschreibe, worauf er
noch näher eingehen werde. Was die Regelung für
ausgestaltete Käfige betreffe, so sollte diese Regelung nach
seiner Auffassung sofort Geltung haben, was positiv zu bewerten
wäre. Allerdings werde auch die Auffassung vertreten, dass
diese Regelung erst ab dem Jahre 2003 Geltung haben solle. Dies
halte er allerdings angesichts des BVerfG-Urteils nicht für
vertretbar.
Zu den besonderen Anforderungen an Käfige gem. § 6 des
Verordnungsentwurfes verweist er auf die entsprechenden
Ausführungen von Frau Dr. Martin.
Zur Begründung seiner Auffassung verweist er darauf, dass das
BVerfG in seinem Urteil einen doppelten Kontrollmaßstab
angelegt habe, und zwar zum einen im Hinblick auf den § 2 Nr.
1 TierSchG, und zwar die Frage, ob die Grundbedürfnisse der
Tiere in den Käfigen erfüllt seien oder nicht. Da mit den
jetzigen Käfigen das ungestörte Schlafen und die
gleichzeitige Nahrungsaufnahme verhindert werde, liege ein
Verstoß gegen § 2 Nr. 1 TierSchG vor. Der zweite
Kontrollmaßstab setze bei der europarechtlichen Betrachtung
an. Beides seien tragende Gründe, die für sich genommen
bereits zu einer Bindungswirkung des Urteils führten und
insofern zwingend seien.
Weiterhin gebe es den Grundansatz im Urteil, dass die
Grundbedürfnisse der Tiere im Käfig nicht befriedigt
werden können. Hier sei der europarechtliche Ansatz der
schwerwiegendere, wonach auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse
der Batteriekäfig wegen seiner kleinen Größe und
seines sterilen Umfelds das Wohlbefinden der Hennen erheblich
beeinträchtige. Dieser Ansatz sei im Wesentlichen identisch
mit dem Ansatz des § 17 Nr. 2 b TierSchG, wonach es sich genau
genommen um eine Verletzung eines Straftatbestandes handele, und
zwar hinsichtlich des Batteriekäfiges insgesamt, also nicht
nur in der Größe von 450 m2. Diese Strafnorm dürfe
in keinem Falle verletzt werden, was in die Verordnungsgebung
Eingang finden müsse, und zwar auch hinsichtlich der
Übergangsregelung. So erscheine es unvereinbar, dass noch bis
zum Jahre 2011 Verstöße gegen die Strafnorm durch den
Verordnungsgeber sanktioniert werden.
Prof. Dr. Gerhard Robbers, Universität Trier,
erklärt, dass er nur zu den juristischen Zusammenhängen
Stellung nehmen werde. Nach seiner Auffassung gebe es zwei
Hauptkontroversen hinsichtlich der Auslegung des BVerfG-Urteils,
was auch Auswirkung auf die Ausgestaltung der neuen
Hennenhaltungsverordnung habe.
Die erste Kontroverse betreffe die Frage, ob es numerische
Größenvorgaben des BVerfG-Urteils gebe. Zwar habe das
BVerfG die Mindestfläche von 450 m2 und die
Mindesttroglänge von 10 cm für gesetzeswidrig
erklärt, darüber hinaus aber keine numerischen
Mindestgrößen festgelegt. Insbesondere habe es keine
Aussage dazu gemacht, dass das Produkt aus der durchschnittlichen
Länge und Breite einer Henne die Mindestfläche des
Käfigs vorgeben müsse, sondern vielmehr in den
entscheidenden Passagen wiederholt darauf hingewiesen, dass eine
Hennenhaltungsverordnung von den wissenschaftlichen Erkenntnissen
über die Grundbedürfnisse der Hennen ausgehen müsse.
Diese Grundbedürfnisse dürften sehr wohl angemessen -
aber nicht darüber hinaus - zurückgedrängt werden.
Ein volles Ausleben aller Bedürfnisse sei nach dem Urteil
nicht erforderlich. Bei der Frage der Angemessenheit müssten
neben den rechtlich geschützten Interessen der Tierhalter auch
die relevanten Überlegungen der Wirtschaftlichkeit mit
einbezogen werden.
Hinsichtlich der 450 m2 Fläche und 10 cm Troglänge treffe
das BVerfG jenseits der Vorstellung der Gesetzeswidrigkeit eine
Aussage numerischer Hinsicht weder ausdrücklich noch implizit.
Darüber habe es auch nicht entscheiden müssen.
Bei der Ausgestaltung einer neuen Verordnung müssten die
jeweils neuesten tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen
Erkenntnisse einbezogen, ein angemessener Ausgleich erzielt und die
Bedürfnisse der Hennen dürften nicht wie in der
Vergangenheit zurückgedrängt werden. Insbesondere
müssten die Hennen gleichzeitig ungestört schlafen und
fressen können. Dies habe das Gericht ausdrücklich
festgestellt.
Ohne eine verfassungsrechtliche Bindungswirkung zu beanspruchen,
lege die Entscheidung des Gerichtes nahe, dass bei einer
Neuregelung auch weitere artgemäße Bedürfnisse wie
geschützte Eiablage, Eigenkörperpflege und erhöhtes
Sitzen auf Stangen berücksichtigt werden müsse. Dies sei
tunlichst zu beachten. Sollten diese Bedürfnisse mehr als
angemessen zurückgedrängt werden, wäre vorstellbar,
dass das BVerfG in einem neuen Verfahren eine entsprechende neue
Verordnung wiederum für gesetzeswidrig erklären
würde.
Die zweite Kontroverse betreffe den Bestandsschutz bestehender
Anlagen. Hierzu werde bisweilen teilweise erklärt, dass das
BVerfG den Bestandsschutz vorhandener und genehmigter Anlagen
insofern beschränkt habe, als es gesagt habe, dass der
Bestandsschutz vorbehaltlich besonderer Bestimmungen gelte. Dies
sei in der Tat so. So stelle das Gericht ausdrücklich fest,
dass die vorhandenen Käfiganlagen, die bestandskräftig
genehmigt worden seien, nur vorbehaltlich besonderer weiterer
Bestimmungen Bestandsschutz genießen. Es wäre aber
unplausibel anzunehmen, dass das BVerfG zunächst betone, dass
die vorhandenen Anlagen Bestandskraft hätten, gleichzeitig
aber etwa über § 48 VVerfG diese Genehmigungen insgesamt
wieder zurückgenommen werden müssten. Dies wäre
kontradiktorisch. § 79 Abs. 2 BVerfGG bedeute, dass die
erteilten Genehmigungen in ihrem Bestand und in ihrer
Rechtmäßigkeit nunmehr fingiert würden. Man setzt
also voraus, dass sie rechtmäßig seien, da sie Grundlage
von bestehenden Genehmigungen sind.
Das BVerfG habe auch nicht, wie teilweise behauptet, eine positive
Stellungnahme zur Strafbarkeit der Käfighaltung abgegeben. Das
Gericht habe vielmehr auf eine Mitteilung der EU-Kommission
hingewiesen, indem erhebliche Beeinträchtigungen des
Wohlbefindens in der herkömmlichen Käfighaltung
festgestellt worden seien. Weiterhin habe der Bundesgerichtshof
Leiden definiert als erhebliche Beeinträchtigungen des
Wohlbefindens. Allerdings könne die Terminologie des
Gemeinschaftsrechts nicht ohne weiteres in die Terminologie des
deutschen Strafrechtes übertragen werden.
RA Wolfgang Schindler, erklärt, dass er das
Land Nordrhein-Westfalen vor dem BVerfG im Verfahren zur
Nichtigkeit der alten Hennenhaltungsverordnung vertreten habe,
weshalb er mit den Einzelheiten sehr vertraut sei. Im Übrigen
begrüße er, dass mit dem Fragenkatalog auch versucht
werde, mögliche wirtschaftliche Folgen einer korrekten
Anwendung des Tierschutzgesetzes zu klären. Gleichwohl sei
festzustellen, dass eine Hennenhaltungsverordnung das Gesetz
lediglich konkretisieren dürfe. Der vorliegende Entwurf einer
neuen Hennenhaltungsverordnung zeige in aller Deutlichkeit, dass er
vor allem die Forderungen des Gesetzes nach einer
verhaltensgerechten Unterbringung entsprechend dem
europäischen Kompromiss industriefreundlich abmildern wolle.
Der wiederum eine Nichtigkeit bewirkende Widerspruch zum Gesetz und
zu der Entscheidung des BVerfG sei unübersehbar.
Zu den weiteren Ausführungen verweist er auf die von ihm
vorgelegte Übersicht zu den Folgerungen aus dem Urteil des
BVerfG auf Ausschuss-Drucksache 14/264. Die dem Urteil des
Gerichtes entsprechende Liste von Haltungskriterien zeige, dass
Hennenhaltungsverordnung und EU-Richtlinie bis auf die
Futtertrogbreite identisch seien. Das offensichtliche Bestreben des
Ministeriums sei erklärlich, obwohl andererseits nicht
übersehen werden könne, dass die Folgen der letzten
?eins-zu-eins?-Umsetzung eine nichtige Verordnung gewesen sei. Wie
die Tabelle ebenfalls deutlich zeige, seien die Forderungen des
Gerichtes völlig anders als der Inhalt des neuen
Verordnungsentwurfes.
Wenn sich die Antwort auf eine Frage, so z. B., ob den Hennen
Sandbaden ermöglicht werden müsse, nicht aus dem Gesetz
ergebe, müsse dies ausgelegt werden. Hierzu stehe das
BVerfG-Urteil zur Verfügung. Im Rahmen der Auslegung sei es
völlig unerheblich, ob bestimmte Aussagen des Gerichtes von
der sog. Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG erfasst seien oder
nicht. Kein einziges Wort des Urteils sei für die Auslegung
unerheblich. Auch wenn das BML ganze Teile des Urteile ignoriere,
bleibe dies als Ganzes Maßstab für jeden, der das Gesetz
korrekt anwenden müsse, wie z. B. Staatsanwaltschaften und
Gerichte. Dort finde dann die mittlerweile verbreitete
interessengesteuerte Minimalisierung des Urteils ihr Ende.
Strafanzeigen durch die Tierschutzverbände würden
anstehen. Dies zeige Anlage 5 der erwähnten
Übersicht.
Schließlich beglückwünscht er den ZDG dazu, dass es
ihm gelungen sei, eine verhaltensgerechte Unterbringung von
Legehennen fast 30 Jahre gegen das Gesetz, teilweise geschützt
durch eine nichtige Verordnung, weitgehend zu verhindern. Lieber
wäre es ihm allerdings, angesichts der ca. 1 Mrd. in der
Käfighaltung verschlissener Hennen zu einem Erfolg zu
gratulieren, der in der Zukunft liegen könne. Unter
Führung des ZDG könnten die deutschen Hennenhalter zu
europäischen Marktführern artgerecht erzeugter Produkte
werden, wenn man die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den
Unterschied zwischen leidensfähigen Geschöpfen und
Industrieprodukten wiedergeben, endlich akzeptieren und nicht
bekämpfen würde. Er bitte daher darum, dass die
gesetzliche Vorschrift, um deren Anwendung bzw. Auslegung es im
Wesentlichen gehe, nämlich § 2 des Tierschutzgesetzes,
nicht aus den Augen zu verlieren (Anlage 6 der
Übersicht).
Dr. Ronald Steiling, ZDG, erklärt, dass bei
dem Erlass einer neuen Hennenhaltungsverordnung nicht nur das
BVerfG-Urteil vom 6. Juli 1999, sondern auch die EG-Richtlinie vom
19. Juli 1999 zu berücksichtigen sei. Diese Richtlinie, die
bis zum 1. Januar 2002 in nationales Recht umgesetzt werden
müsse, sei das Ergebnis jahrelanger intensiver Gespräche
in allen Gremien. Sie basiere insbesondere auf der Stellungnahme
des Wissenschaftlichen Veterinärausschusses, die dieser nach
mehrjähriger Arbeit im Herbst 1996 vorgelegt habe. Dieser
Bericht über das Wohlbefinden der Hennen stelle das
gegenwärtig gesamte verfügbare Wissen zu diesem Thema
dar, womit sich die Richtlinie auf dem neuesten wissenschaftlichen
Stand befinde. Abweichungen von der Richtlinie wären nur dann
vertretbar, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Aus
Sicht des ZDG sei dies allerdings nicht der Fall, und zwar
insbesondere auch deswegen nicht, weil die darin vorgesehenen
ausgestalteten Käfige sich noch in der Erprobungsphase
befinden. Hinzu komme, dass die Richtlinie selber vorsehe, dass bis
zum 1. Januar 2005 der Kommission ein neuer Bericht vorzulegen sei,
und zwar über die Ergebnisse der Haltungsformen, die in der
Richtlinie vorgesehen seien. Aus diesem Grunde wäre es
kontraproduktiv, wenn man jetzt über die Richtlinie
hinausgehen würde.
Eine ?eins-zu-eins?-Umsetzung der Richtlinie, für die der ZDG
auch eintrete, stehe auch nicht im Widerspruch zum BVerfG-Urteil.
Was die Feststellung des BVerfG betreffe, so habe es nicht die
Käfighaltung als solche für unzulässig erklärt.
Auch habe der Senat des Gerichtes entgegen zahlreicher Stimmen
keinen Mindestflächenbedarf je Legehenne festgeschrieben. Das
Gericht habe ausschließlich im Rahmen einer negativen
Abgrenzung festgestellt, dass eine Käfigbodenfläche von
450 m2 nicht ausreiche. Welchen Flächenbedarf eine Henne
benötige, habe das Gericht ausdrücklich offen gelassen.
Im Übrigen sei dies eine wissenschaftliche und nicht
juristische Frage.
Ähnliches gelte für die Futtertroglänge. Hier stimme
er mit Prof. Dr. Robbers nicht ganz überein. Das Gericht habe
zwar erklärt, dass eine Futtertroglänge von 10 cm pro
Legehenne nicht ausreichend sei, um das Bedürfnis der Tiere
nach Nahrung und Flüssigkeitsaufnahme zu gewährleisten.
Dabei sei das Gericht allerdings davon ausgegangen, dass es ein
Grundbedürfnis der gleichzeitigen Nahrungsaufnahme gebe. Im
Falle der ad libitum-Fütterung, wonach den Tieren also den
ganzen Tag über Nahrung zur Verfügung stehe, sei dies
nicht erforderlich. Insofern werde auch der neue Verordnungsentwurf
diesem Anliegen des Gerichtes gerecht. So werde dort bei der
Alternativhaltung unterschieden zwischen dem Fall des
ständigen Futterangebotes und dem Fall des nicht
ständigen Futterangebotes. Während im Fall des
ständigen Futterangebotes 10 cm als ausreichend angesehen
werden, halte man im Fall des nicht ständigen Futterangebotes
12 cm für erforderlich. Dies sei auch der Ansatz des ZDG
für die ausgestalteten Käfige. Insofern entspreche auch
die EG-Richtlinie den Ausführungen des BVerfG-Urteils.
Darüber hinaus weise das Gericht an mehreren Stellen darauf
hin, dass der Verordnungsgeber einen Ausgleich zwischen den
Belangen des Tierschutzes und den rechtlich geschützten
Interessen der Tierhalter zu erreichen habe. All diesen
Anforderungen werde die EG-Richtlinie gerecht und daher sei man
für eine ?eins-zu-eins?-Umsetzung der Richtlinie. Würde
die nationale Hennenhaltungsverordnung über die Anforderungen
der EG-Richtlinie hinausgehen, käme es zu eklatanten
Wettbewerbsverzerrungen. So habe Deutschland gegenwärtig einen
Selbstversorgungsgrad zwischen 60 und 72 % und einen Importbedarf
von 5,3 Mrd. Eiern und sei insofern mit weitem Abstand das
größte Importland der EU. Die Importlücke
könnte durch die Niederlande oder Dänemark gedeckt
werden, die einen Überschuss von 7,1 bzw. 1,3 Mrd. Eiern
hätten.
Würde man die Anforderungen der nationalen Verordnung
erheblich erhöhen, würde der Selbstversorgungsgrad in
Deutschland auf ca. 30 % sinken, was einen Verlust von
Arbeitsplätzen in allen Branchen - Mischfutter,
Geflügelschlachtereien, Legehennenhaltungsbetriebe - in
Höhe von 7.800 zur Folge hätte. Dies würde
insbesondere die bäuerlichen Betriebe betreffen, da diese
nicht in der Lage wären, die erhöhten Produktionskosten
zu tragen. Auch würde das Tierschutzproblem in
Drittländer verlagert werden. So sei in Tschechien
kürzlich eine Anlage für 1,5 Mio. Legehennen genehmigt
worden. In Ungarn stehe eine Anlage, die für 8 Mio. Legehennen
geplant sei. Diese Eier würden sicherlich nach Deutschland
importiert werden. Aus diesen Gründen der
Wettbewerbsverzerrung habe der Bundeslandwirtschaftsminister
wiederholt erklärt, dass er an dem vorgesehenen
Verordnungsentwurf festhalten werde, da weitere
Wettbewerbsverzerrungen nicht zulässig wären. Der ZDG
erwarte, dass der Minister zu diesem Wort stehe.
Prof. Dr. Martin Kutscha, Berlin, erklärt,
dass er sich auf die strittigen Punkte beschränken werde. So
gehe es zum einen um die Auslegung des § 2 TierSchG. Hierzu
habe nach seiner Auffassung das BVerfG eine bindende Auslegung gem.
§ 31 Abs. 1 BVerfGG vorgenommen, was demnach für den
künftigen Verordnungsgeber absolut zu berücksichtigen
sei.
Von Prof. Dr. Robbers und Dr. Steiling sei die Behauptung
aufgestellt worden, dass das BVerfG keinerlei numerische
Mindestgrößen vorgegeben habe. Das Gericht mache jedoch
unter Punkt C 3 folgende Aussage: ?Aus dem Produkt von Länge
und Breite der Tiere ergibt sich ein Flächenbedarf für
jede Henne in der Ruhelage, der die vorgesehene
Mindestbodenfläche überschreitet.? Hier gehe das BVerfG
eindeutig davon aus, dass das Produkt von Länge und Breite
einen Mindestflächenbedarf beinhalte, und zwar 690 cm2.
Richtig sei, dass es keine maximale Größe vorgebe.
Ebenso verhalte es sich mit der Mindestlänge des Futtertroges,
und zwar würden hier 15 cm gelten an Stelle der 12 cm, wie
dies der Verordnungsentwurf vorsehe. Er habe den Eindruck, dass mit
dem Verordnungsentwurf eine Art Delegitimierung des BVerfG-Urteils
betrieben werde.
Was die Anwendbarkeit der EG-Richtlinie betreffe, so sei dort in
§ 13 Abs. 2 ausdrücklich formuliert, dass diese
Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten beeinträchtige,
ihrerseits strengere Anforderungen zu stellen, als dies die
Richtlinie vorsehe. Solche strengeren Anforderungen würden
sich genau aus dem BVerfG-Urteil ergeben, nämlich nach §
2 TierSchG. Während an anderer Stelle die EU durchaus bindende
Vorgaben mache, handele es sich hier nur um Mindestvorgaben. Hier
sei das nationale Recht eindeutig strenger.
Zur strittigen Frage der Bestandskraft und der Rechtswidrigkeit
führt er aus, dass grundsätzlich in der deutschen
Rechtsordnung ein rechtswidriger Verwaltungsakt, also eine
rechtswidrige Genehmigung, Bestandskraft habe. Diese gelte im
Interesse der Verkehrssicherheit weiter, es sei denn, sie sei
nichtig, was er hier allerdings nicht annehme. Unstrittig sei
allerdings die Rechtswidrigkeit dieser Verwaltungsakte. Nach §
48 Abs. 1 VVerfG könnten solche rechtswidrigen Verwaltungsakte
zurückgenommen werden. Hierbei habe das öffentliche
Interesse an der Wiederherstellung des rechtmäßigen
Zustandes Vorrang.
Der Vertrauensschutz könnte allerdings bei der Frage des
Vermögensausgleiches nach § 48 Abs. 3 VVerfG eine Rolle
spielen. Hier müsse allerdings eine Interessenabwägung
stattfinden, wobei es überhaupt fraglich sei, ob es einen
Vertrauenstatbestand auf der Seite der Geflügelzüchter
gebe. Jedenfalls bestünde die Möglichkeit, durch eine
Änderung der Besatzdichte einen genehmigungsfähigen
Zustand herzustellen.
Abschließend hält er es für sehr bedenklich, wenn
der Verordnungsentwurf die nach der nichtigen Verordnung
ausgestalteten Käfige noch bis zum Jahre 2002 für
zulässig halte. Hier werde offenbar die Frage der
Rechtswidrigkeit mit der Frage der Bestandskraft verwechselt.
Notwendig sei es, die Mindestvorgaben des BVerfG im
Verordnungsentwurf zu berücksichtigen, wenn nicht sogar noch
mehr.
Dr. Klaus Damme, Lehr- und Versuchsstation für
Kleintierzucht der Bayerischen Landesanstalt für Tierzucht,
Kitzingen, bestätigt, dass man national über die
Anforderungen der EG-Richtlinie hinausgehen könne. Allerdings
sei es notwendig, dass in der Praxis auch noch eine kostendeckende
Produktion möglich sei, da ansonsten in Deutschland keine
Eierproduktion mehr stattfinden werde.
Die Landesanstalt habe versucht, die hierzu vorhandene Literatur
und Daten zu sammeln und auszuwerten. So sei festzustellen, dass es
zwar eine gewisse Varianz hinsichtlich der
Gesamtkostenschätzung gebe, aber der Grundtenor aller
wissenschaftlichen Publikationen zu dieser Thematik sei eindeutig.
Danach führe eine Vergrößerung des Platzangebotes
im Käfig oder jeder Wechsel auf alternative Haltungssysteme zu
einem Anstieg der Produktionskosten. Was die Festkosten betreffe,
so betrügen auf der Grundlage konkreter Angaben der
Stalleinrichtungsunternehmen die konventionellen Kosten eines
Käfigplatzes 15 DM, ein sog. Enriched Cage führe zu 22 DM
pro Hennenplatz, während dieser bei einer Volierenhaltung
zwischen 15 und 30 DM liege, je nach
Bestandsgröße.
In Abhängigkeit von der Aufstellungsdichte könne man sehr
gut die Festkosten der Gebäude erheben. Schwieriger sei die
Kostenerhebung im Bereich der Arbeitskosten und der variablen
Kosten. So sei vorgeschrieben, dass die Aufzucht der Junghennen in
dem System erfolgen solle, in dem später die Legehenne
gehalten werde. Eine Volierenaufzucht koste etwa 1 DM mehr als eine
Käfigaufzucht.
Der Futterbedarf sei von der Gesellschaft für Ernährung
für verschiedene Systeme errechnet worden. So benötige
eine in einer Voliere gehaltene Henne ca. 5 % mehr Futter, eine in
Bodenhaltung gehaltene Henne 10 % mehr Futter. Der entsprechende
Erhaltungsbedarf liege bei einer Freilandhenne infolge der
Bewilligungsmöglichkeiten um 15 % höher.
Im Bereich der Verluste zeige sich ein sehr unterschiedliches Bild.
So gebe es Betriebe, die im Alternativbereich zum Teil sogar
weniger Verluste hätten als bei der Käfighaltung.
Allerdings dürfe man hierbei das Produktionsrisiko nicht
vernachlässigen, was monetär kaum quantifizierbar sei. So
sei das Risiko in Alternativsystemen der Kannibalismus wesentlich
höher. Auch sei das Risiko durch Ekto- und Endoparasitenbefall
sowie das Infektionsrisiko allgemein höher. Eine
Kokzidiosebehandlung sei nur noch möglich, wenn man danach
Absetzfristen einhalte, d. h., dass die Eier entsorgt werden
müssten, was wiederum zu erheblichen finanziellen
Einbußen führe. Auch habe man in Freilandhaltung
erhöhte Verluste durch Raubwild sowie Greifvögel.
Was die Arbeitsbelastung betreffe, so benötige ein
Betriebshalter, der in alternative Haltung umsteige, eine bessere
Ausbildung. Er benötige ein größeres Wissen
über Herdenverhalten, über Hygiene und Tierschutz im
prophylaktischen Bereich, und der Betreuungsaufwand sei
größer.
Dies sei gerade das Problem, denn man wolle eine bäuerliche
Produktion und Direktvermarktung ankurbeln. Auch ein
bäuerlicher Betrieb müsse mindestens zwischen drei- und
fünftausend halten, um davon leben zu können, wenn er in
der Lage sei, alle Eier direkt zu vermarkten. Die
Arbeitsorganisation entsprechender Betriebe sehe so aus, dass 80 %
der Arbeit auf die Vermarktung entfallen. Steige er auf ein System
um, das vom Betreuungsaufwand und der Automatisierung aufwendiger
sei, habe er weniger Zeit für die Vermarktung.
Zusammengefasst lasse sich feststellen, dass die Produktionskosten
in der ersten Umstellungsstufe auf Käfige von 550 cm2 mit
Krallenabrieb um ca. 7 % anstiegen. Dabei sei allerdings noch nicht
berücksichtigt, dass durch die Herausnahme eines Tieres aus
dem Käfig etwa 20 % in Alternativsysteme investiert werden
müsse, wenn der Betrieb den Bestand halten wolle. Bei einem
Wechsel von der Käfighaltung zu einer Bodenhaltung mit neun
Tieren pro Quadratmetern Bewegungsfläche würden
Mehrkosten zwischen 15 und 37 % anfallen, bei einem moderat
belegten Volierensystem 15 % Mehrkosten und bei 8 bis 9 Hennen in
der Bodenhaltung 37 % Mehrkosten. Dies sei deckungsgleich mit
entsprechenden Kosten eines sog. Enriched Cage. Bei einem
Übergang von konventioneller Käfighaltung auf
Freilandhaltung würden sich Mehrkosten in Höhe von 50 bis
70 % ergeben.
Wenn man sich die Situation in den USA vor Augen halte, so werde
dort in Käfigen mit 350 cm2 produziert, weshalb man dort im
Vergleich zu Europa 7 % geringere Kosten habe. Bei einem
Übergang auf Käfige mit 550 cm2 liege die Kostendifferenz
bereits bei 15 % wie dies die Übersicht Nr. 3 seiner
Stellungnahme zeige (Ausschuss-Drucksache 14/260).
Weltweit habe man heute noch einen Anteil an der Eierproduktion in
Höhe von 1,7 %. 37 % der Eier würden heute bereits in
China produziert. Länder wie Indien, die Türkei oder auch
China würden damit anfangen, Eier zu exportieren. 30 % unserer
Eier würden nicht als Schaleneier gehandelt, sondern gingen
direkt in die Eierindustrie. Es sei nicht zu erwarten, dass diese
30 % in Alternativhaltungssystemen produziert würden. Diese
müssten kostengünstig produziert werden und würden
nach Kilogramm abgerechnet.
Das unterstützenswerte Ziel, tiergerechtere Haltungssysteme in
der EU durchzusetzen, sollte flankiert werden durch
Verbraucheraufklärungsmaßnahmen und finanzielle
Umstellungshilfen für bereits jetzt umsteigende Landwirte.
Parallel dazu sollte gesetzlich die Eierkennzeichnung
vorgeschrieben werden, um die hiesige Produktion zu
unterstützen.
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst, Universität
Vechta, erklärt, dass er nur zu den Fragen 8 bis 12
Stellung nehmen werde. Zur Frage, inwieweit das BVerfG
wirtschaftliche Aspekte bei seiner Entscheidung bewertet habe, sei
festzuhalten, dass es einige Argumente des Landes
Nordrhein-Westfalen und der Bundesregierung aufgegriffen habe, ohne
jedoch zu einer eigenen Bewertung der dort getroffenen Aussagen zur
Wirtschaftlichkeit zu gelangen und auf mögliche
Wettbewerbsverzerrungen insbesondere gegenüber
Drittländern einzugehen. Die ökonomischen Gesichtspunkte
in der Urteilsbegründung würden sogar vollständig
ausgeblendet und die Argumentation ausschließlich aus dem
Blickwinkel der Sicherung der Grundbedürfnisse der Legehennen
geführt, was angesichts der Klageschrift des Landes
Nordrhein-Westfalen auch verständlich werde.
Zu der Frage nach dem Anstieg der Produktionskosten infolge der
neuen Hennenhaltungsverordnung verweist er weitestgehend auf die
Ausführungen von Dr. Damme sowie seine vollständige
Stellungnahme hierzu.
Zu den Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit der deutschen
Eiproduktenindustrie sei allerdings zu ergänzen, dass
häufig nicht bekannt sei, dass ca. 20 bis 25 % der gelegten
Eier, in Alternativsystemen bis zu 30 %, nicht direkt in den Handel
gelangen können, sondern zu Eiprodukten verarbeitet werden
müssten. Eine deutliche Erhöhung der Kosten der Rohware
würde unausweichlich dazu führen, dass die deutsche
Eiproduktenindustrie im internationalen Rahmen nicht mehr
konkurrenzfähig wäre. Die Orientierung der
Lebensmittelindustrie zu Anbietern in Drittländern werde die
Folge sein.
Bei allen Entscheidungen sei daher zu bedenken, und zwar
unabhängig davon, ob Eier in Käfigen oder alternativen
Systemen produziert werden, dass eine marktorientierte
Eierproduktion immer nur dann möglich sei, wenn es dazu
parallel die Erzeugung von Eiprodukten gebe.
Zur Frage der Bedeutung evtl. Wettbewerbsnachteile infolge
erhöhter Erzeugerkosten, auch im Falle ausgestalteter
Käfige, weist er auf Folgendes hin: So würde das
Inkrafttreten der Verordnung dazu führen, dass in einem
Standardkäfig künftig nicht mehr fünf, sondern nur
noch vier Legehennen gehalten werden können. Die Folge
wäre eine Verringerung der Eierproduktion in Deutschland um 14
%. Damit würde man in Deutschland nur noch einen
Selbstversorgungsgrad in Höhe von 58 % erreichen, denn 1998
habe man noch 89,2 % der Hennen in Beständen mit mehr als
3.000 Stellplätzen in Käfigen gehalten.
Würde man zu einer weiteren Verschärfung kommen, z. B.
durch eine Vergrößerung der Troglänge auf 12 cm,
würde der Versorgungsgrad voraussichtlich auf 50 % absinken.
Die Folge wären nicht nur vermehrte Importe aus
Drittländern, sondern auch eine Beeinträchtigung der
Konkurrenzfähigkeit der Betriebe, insbesondere in den
Hochburgen der Hennenhaltung im Nordwesten Deutschlands, aber auch
in Holland.
Zur Frage 11, der Beurteilung der Probleme der Drittlandimporte,
verweist er auf folgende Zahlen: So würden zur Zeit in
Deutschland ca. 18,4 Mrd. Eier verbraucht, wovon in Deutschland nur
13,5 Mrd. erzeugt würden. Eingeführt würden ca. 6,2
Mrd. Eier, davon 1,1 Mrd. indirekt als Eiprodukte. Gleichzeitig
würden 1,3 Mrd. Eier ausgeführt, davon 0,4 Mrd. als
Eiprodukte.
Der in der Regel genannte Selbstversorgungsgrad in Höhe von 72
bis 73 % sei nur insofern richtig, als dabei die Exporte nicht
eingerechnet würden. Der Marktanteil der deutschen Produktion
betrage zur Zeit nur 66 %. Dies bedeute, dass ein Drittel aller
Eier bzw. Eiprodukte eingeführt würde. Eine
Verschärfung der Anforderungen würde zu einer schnellen
Steigerung führen. Drittlandimporte würden in der EU zur
Zeit eine geringe Rolle spielen. So würden die Eier
überwiegend innerhalb der EU gehandelt. Allerdings würde
die EU-Richtlinie sowie das BVerfG-Urteil dazu führen, dass
die Drittlandimporte zunehmen werden, da die Ausfälle infolge
der Anwendung der EU-Richtlinie nicht durch Neuanlagen schnell
genug kompensiert werden könnten.
Die Staaten, die im Wesentlichen für Drittlandimporte in Frage
kommen, seien zum einen die mittel- und osteuropäischen
Staaten sowie Weißrussland, die Ukraine und einige
nordafrikanische Staaten und schließlich Kanada, die USA,
Mexiko und Brasilien. In Tabelle 8 (Ausschuss-Drucksache 14/268)
sei ein Vergleich der entsprechenden Produktionskosten enthalten.
Insbesondere gegenüber den USA und Kanada werde man nicht die
geringste Chance haben, sich am Markt zu behaupten, wenn die WTO
eine Marktöffnung herbeiführe. Die Auswirkungen
würden sich jedoch nicht allein auf die Legehennenhaltung
beschränken, sondern auch auf die Eiproduktenindustrie, die
Mischfutterindustrie und die Hersteller von
Haltungsgeräten.
Zur Frage 12 verweist er darauf, dass zur Zeit in Deutschland in
Käfigbatterien der konventionellen Art ca. 90 % der Legehennen
gehalten werden, in der Volierenhaltung 0,3 %, in der Bodenhaltung
6,3 %, in der intensiven Auslaufhaltung ca. 0,4 %, in der
Freilandhaltung ca. 3,7 %.
In einigen EU-Staaten würden deutlich höhere Anteile bei
der Käfighaltung erreicht, in anderen EU-Staaten weitaus
geringere. Die Konsequenz werde sein, dass die Eierproduzenten in
den jeweiligen EU-Staaten in unterschiedlicher Weise von der neuen
EU-Richtlinie betroffen sein werden. Gegenwärtig sei kaum
abzuschätzen, wie die Konsumenten, sofern ihnen die neuen
Rahmenbedingungen überhaupt bewusst sind, reagieren werden. Es
stelle sich die Frage, ob sie in Zukunft bereit sein werden,
deutlich mehr für das Ei zu zahlen, oder ob sie durch ihr
Kaufverhalten die weitgehende Beibehaltung der Käfighaltung,
wenngleich in modifizierter Form, durchsetzen werden, weil sie
trotz aller Bekundungen, dass sie diese Haltungsform für
Legehennen ablehnen, ganz überwiegend zum billigen Ei greifen.
Jüngste Untersuchungen in den Niederlanden hätten
gezeigt, dass trotz Informationen über die Haltungsform der
Konsument überwiegend zum billigen Ei greife.
Wenn es gelingen sollte, einen Außenschutz im Rahmen der
WTO-Verhandlungen zu erreichen, so dass keine Eier aus
konventioneller Käfighaltung oder daraus erzeugte Eiprodukte
auf den EU-Markt gelangen, werde es wahrscheinlich zu einer
allmählichen Reduzierung des Anteils der in Käfigen
gehaltenen Legehennen kommen. Der Preisvorteil gegenüber den
in anderen Haltungsformen erzeugten Eier werde jedoch noch auf
längere Sicht diese Haltungsform in der Spitzenstellung
verbleiben lassen, insbesondere auch dann, wenn die Hygienevorteile
in das Bewusstsein der Konsumenten dringen.
Sollte jedoch ein Außenschutz im Rahmen der WTO-Verhandlungen
nicht gelingen, ergebe sich eine völlig andere Situation. Ob
die Konsumenten in der EU dann zu billigeren importierten Eiern
greifen oder sich stärker den in der EU unter den bestehenden
Verordnungen produzierten, aber teureren Eiern zuwenden werden,
könne kaum vorhergesagt werden. Eindeutig beantworten lasse
sich die Frage für die Verarbeiter von Eiprodukten. Sie
würden sich weitgehend an den günstigeren Angeboten aus
Drittländern orientieren.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram, Lehrstuhl für
Marktforschung, Universität Bonn, weist darauf hin,
dass er sich im Wesentlichen mit den ökonomischen Auswirkungen
der Hennenhaltungsverordnung befassen werde. Dabei werde es nicht
um den Gegensatz Ökonomie und Tierschutz gehen, sondern um
eine entsprechende Synthese. Was den Tierschutz betrifft, so weist
er darauf hin, dass zum einen die Grenzen des Handlungsspielraums
im Tierschutz nicht durch Auflagen des BVerfG oder nationaler bzw.
EU-Vorlagen gezogen werden, sondern maßgebend hierfür
seien die Auflagen an den Grenzen der EU, die vorgegeben werden
durch die Außenhandelsregelungen nach Abschluss der
WTO-Verhandlungen. Zum anderen sei das Eiergeschäft ein
Zehntelspfenniggeschäft. So würden marginale
Wettbewerbsverschiebungen zu drastischen Produktionsverlagerungen
führen.
Zur Frage nach 7 a sei vorher die Frage zu beantworten, ob einem
maßnahmebedingten Kostenanstieg eine entsprechende
Preiserhöhung gegenüberstehe. Er gehe davon aus, dass die
Kosten um einen Pfennig infolge der Produktionseinschränkung
anstiegen. Dies bedeute für die Konkurrenzländer
innerhalb der EU, dass sich die Gewinnsituation hier in Deutschland
um ca. 50 % erhöhe. Durch diese Verbesserung der
Erlössituation auf dem deutschen Markt komme es zum einen zu
einer Umlenkung der Drittlandexporte aus den stark
exportorientierten Ländern. Wenn die Menge nicht reiche,
würden die Mengen, die für andere EU-Länder
vorgesehen seien, ebenfalls auf den deutschen Markt drängen.
Außerdem werde der Gewinnanstieg in Deutschland zu
Produktionsanreizen führen, was zu einem weiteren
Angebotsdruck führen werde. Dies bedeute für die
Preisbildung, dass die Preisanhebung maximal dem
Transportkostenanteil der exportorientierten EU-Länder
entsprechen könne. Dies würde dann nicht die
Kostensteigerung decken.
Was den Verordnungsentwurf betreffe, so entspreche er weitestgehend
den Auflagen des BVerfG mit einer gravierenden Ausnahme. So
müssten die Legehennenhalter, die bereits über
Käfige mit einer Fläche von 550 cm2 verfügten,
allerdings einer Troglänge von nur 10 cm, ihre Produktion
voraussichtlich um ca. 20 % reduzieren. Eine Aufstockung käme
für diese Betriebe nicht in Frage, da zum einen die
Investitionskosten zu hoch seien, darüber hinaus der
Kapitalbedarf sehr hoch sei und schließlich die rechtlichen
Unklarheiten zu einer entsprechenden Planungsunsicherheit
führten. Damit werde dieser Marktanteil verloren gehen. Sollte
eine entsprechende neue Regelung eingeführt werden,
müsste dies europaweit geschehen, und zwar zum gleichen
Zeitpunkt und mit gleicher Ausgestaltung.
Zu der Frage einer ?eins-zu-eins?-Umsetzung sei vorher wiederum die
Frage zu klären, ob die tierschutzbedingten
Kostenerhöhungen durch einen entsprechenden Außenschutz
kompensiert würden. Dies führe wiederum zu folgenden drei
Fragen: Wie hoch ist der EU-Außenhandelsschutz gegenüber
Drittländern? Dieser betrage in diesem Jahr 3,6 Pfennig pro
Ei. Außerdem könne man davon ausgehen, dass in der
nächsten WTO-Runde weitere Zollsenkungen - um ca. 36 % -
vorgenommen werden. Damit würde der Zoll auf 2,3 Pfennig pro
Ei sinken. Dies würde genau zu dem Zeitpunkt wirksam, wenn die
Übergangsregelungen der Verordnung auslaufen.
Eine weitere Frage sei der Umfang der Wettbewerbsvorteile der
konkurrierenden Drittländer. Wie bereits ausgeführt,
hätten insbesondere die USA, Ungarn und Tschechien erhebliche
Standort- und Kostenvorteile, und zwar in der
Größenordnung von 4 Pfennigen auf Grund niedrigerer
Futter- und Gebäudekosten infolge geringerer Auflagen und
günstigerer Produktions- und Vermarktungsstrukturen.
Die dritte Frage sei, wie hoch der wettbewerbsneutrale
Anpassungsspielraum in der EU für Kostensteigerungen auf Grund
tierschutzbedingter Auflagen sei. Dieser Betrag lasse sich wie
folgt errechnen: So müssten vom Außenschutz die
Wettbewerbsvorteile der Konkurrenzländer abgezogen werden
unter Berücksichtigung der Transportkosten. Dies führe zu
folgendem Ergebnis: Bei dem derzeitigen Zollsatz hätten die
USA noch einen Nachteil in Höhe von 1 bis 1,5 Pfennig pro Ei,
bei Ungarn und Tschechien liege der Betrag bei Null. Bei einem
Zollsatz von 2,3 Pfennigen hätten die USA einen Vorteil von
0,5 Pfennig, während der Vorteil bei Tschechien z. B. bei 1,5
Pfennig liegen würde. Die Folge wäre, dass es zu einer
erheblichen Verlagerung der Hennenhaltung ins Ausland käme,
wobei sich die Situation der Legehennen auf Grund der dortigen
Haltungsbedingungen erheblich verschlechtern würde. Hinzu
käme, dass der Import von getrockneten und gefrorenen
Eiprodukten zunehmen werde und damit auch entsprechende
Hygieneprobleme für die Bevölkerung. Insgesamt werde die
Eierproduktion in der Europäischen Union, aber auch in
Deutschland, erheblich abnehmen, und zwar voraussichtlich von 90
Mrd. auf 30 Mrd.
Was die Alternativsysteme betreffe, so hätten sie keine
nennenswerten Expansionsmöglichkeiten, da die
Zahlungsbereitschaft für die entsprechend teuer produzierten
Eier relativ gering sei. Ein besonderes Problem sei hierbei, dass
ein nur geringer Angebotsüberhang bereits zu drastischen
Preiseinbrüchen führe. Dies alles werde zu erheblichen
volkswirtschaftlichen Verlusten führen. So werde der
Rückgang der Inlandserzeugung um eine Mrd. Eier zu einer
Übertragung der Wertschöpfung auf Drittländer in
einer Größenordnung von 50 Mio. DM führen. Auch
habe der Rückgang von einer Mrd. Eier einen Verlust von 1.200
Arbeitsplätzen zur Folge.
Abg. Marianne Klappert möchte von Prof. Dr.
Robbers wissen, ob er den vorliegenden Entwurf einer
Hennenhaltungsverordnung für gerichtsfest halte, da die
bisherigen Ausführungen der Sachverständigen doch sehr
unterschiedliche Auffassungen hierzu deutlich machten.
Abg. Ulrich Heinrich bittet Frau Dr. Martin um
nähere Erläuterungen dazu, dass nach ihren bisherigen
Ausführungen eine Vergrößerung des Platzangebotes
für die Legehennen nicht zu einem friedlicheren Verhalten,
sondern zu mehr Aggressivität zwischen den Tieren
führe.
Abg. Peter Bleser weist darauf hin, dass nach den
Ausführungen des DBV und von Prof. Dr. Wolffram die
Tierschutzstandards in Europa nur im Rahmen internationaler
Vereinbarungen erhöht werden könnten. Eine
Beschränkung auf nationale Regelungen führe lediglich zu
einer Verlagerung der Produktion in Niedrigstandardländer. Er
habe daher die Frage, inwieweit die Chancen beurteilt werden,
entsprechende Standards auf WTO-Ebene durchzusetzen, und ob es
hierzu bereits Positionen anderer WTO-Länder gebe.
Abg. Eva-Maria Bulling-Schröter bittet
ebenfalls um Beantwortung der Frage, ob der vorliegende Entwurf
einer Hennenhaltungsverordnung für gerichtsfest gehalten
werde.
Der Vorsitzende schließt hieran die Frage
an, unter welchen Voraussetzungen es zu einer erneuten Entscheidung
des BVerfG kommen könnte. Auch bitte er um eine Stellungnahme
zu der Frage der Wettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund der
anstehenden WTO-Verhandlungen. An Dr. Damme stellt er die Frage, ob
die Vorgaben hinsichtlich Tiergesundheit, Produkt, Qualität
und Arbeitsqualität ausreichend fundiert oder ob noch weitere
Untersuchungen erforderlich seien. Schließlich bittet er die
Sachverständigen angesichts der unterschiedlichen
Ausführungen zu den Fragen des Bestandsschutzes und der
Feststellung von Mindestgrößen um nähere
Präzisierungen.
Albert Huber, DBV, geht davon aus, dass auch die
Hennenhalter in den übrigen EU-Ländern Interesse an
einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen haben, und zwar sowohl
innerhalb der EU als auch gegenüber den Drittländern.
Sollte dies nicht möglich sein, müsste es in Ländern
mit höheren Standards Ausgleichszahlungen geben. Allerdings
sei er über entsprechende Verhandlungen nicht informiert.
Gleichwohl sei es unerlässlich, im Falle höherer
nationaler Standards auch für einen entsprechenden
Außenschutz zu sorgen, da es ansonsten zu einer Verlagerung
der Produktion in andere Länder komme, insbesondere nach
Osteuropa. Daher sollte sich Deutschland auch gegen die Errichtung
dortiger riesiger Anlagen wenden und dafür Sorge tragen, dass
die Gesichtspunkte in die Beitrittsverhandlungen einbezogen
werden.
Dr. Glarita Martin erklärt, dass es nicht
richtig sei, dass ein höheres Platzangebot für die Hennen
zu einer größeren Aggressivität zwischen den Tieren
führen werde. Vielmehr sei das Verhalten, das zu Kannibalismus
und teilweise auch Todesfällen führe, durch ein
umgewandeltes Nahrungsaufnahmeverhalten bedingt. Es gebe zwei
Formen des Kannibalismus. So könne sich zum einen
Kannibalismus aus Federpicken ergeben, das sich zu einem
regelrechten Hacken entwickeln könne. Die andere Form sei der
sog. Kloakenkannibalismus. So würde die für das Legen
ausgestülpte Kloake nicht sofort wieder eingestülpt, was
auch mit dem Leistungsdruck der Tiere zu tun habe. In den neuen
Käfigen hätten die Tiere etwas mehr Platz. Hier habe man
festgestellt, dass die Tiere auf dem Käfigboden die auf den
Sitzstangen sitzenden Hennen besser beobachten können und zu
einem entsprechenden Kloakenpicken verleitet werden.
Die Antwort könne allerdings nicht heißen, das
Platzangebot zu reduzieren, um diesen Kannibalismus zu vermeiden,
sondern die Antwort könne nur heißen, dass man ein sehr
viel größeres Platzangebot benötige. Die Tiere
müssten fliehen und sich zurückziehen können, um den
Aggressionen auszuweichen. Da es sich letztlich um ein
gestörtes Nahrungsaufnahmeverhalten handele, müssten die
Bedingungen zur Nahrungsaufnahme verbessert werden. Dies
heiße nicht nur Futter ad libitum, sondern betreffe auch die
Einstreu, die unabdingbar für eine Geflügelhaltung sei,
da sich die Tiere mit dieser Einstreu nahrungsbezogen
beschäftigen könnten und dann auch nicht zu Federpicken
oder Kloakenpicken verleitet würden. Dieser Gesichtspunkt
werde zwar von der Praxis noch nicht durchgehend anerkannt, sei
aber ein ethologisch eingehend untersuchter Zusammenhang, der auch
dementsprechend zur Kenntnis genommen werden sollte. Ohne eine
entsprechende Einstreu würden chronische Angstzustände
entstehen, was auch zu einer Störung des Immunsystems
führen könne, wozu es eingehende Untersuchungen gebe.
Diese Frage der Einstreu sei ein ganz entscheidender Punkt.
Der Vorsitzende stellt die Frage, wie groß
die Käfigeinheiten sein müssten, um
Verhaltensstörungen wie Kannibalismus und Federpicken der
Hennen zu vermeiden.
Dr. Glarita Martin erklärt darauf, dass man
dies nicht quantifizieren könne. Vermeiden ließe es sich
allerdings mit einer alternativen Haltung, wie dies nach dem System
Natura möglich wäre (Ausschuss-Drucksache 14/263, S. 3).
Hier hätten die Tiere die ganze Bodenfläche, die
eingestreut werden könne, zur Verfügung. Dies diene der
Bewegung, Nahrungssuche und auch dem Staubbaden. Nur auf diese
Weise könnten Verhaltensstörungen vermieden werden.
Weiterhin erläutert sie das Käfigsystem AVIPLUS für
10 Hennen (Ausschuss-Drucksache 14/263, S. 3). Daran werde
deutlich, dass nicht 10 Hennen in einem Käfig Platz
hätten. Bei der Übersicht handele es sich um zwei
Käfige, die an der Rückseite aneinander stoßen, und
zwar mit einem durchgehenden Sandbad. Da auf der Sitzstange nicht
alle Tiere gleichzeitig Platz hätten, würden sich auch
immer einige Tiere unten auf dem Käfigboden aufhalten. Die
unten sitzenden Hennen könnten dann sehr bequem die auf den
Stangen sitzenden Hennen anpicken. Dies sei eine übliche
Verhaltensweise und auch von früheren
Großraumkäfigen bekannt, wie man sie in der Schweiz mit
mehr als 10 Tieren ausprobiert habe. Diese Käfige seien
verboten worden, da sie zu einem vermehrten Kannibalismus
geführt hätten. Was das Käfigsystem AVIPLUS
betreffe, sei das dort vorgesehene Sandbad zu klein. Insofern
könne dort weder das Sandbaden noch das
Nahrungsaufnahmeverhalten in der sog. Einstreu ausgeführt
werden.
Prof. Dr. Gerhard Robbers weist zu der Frage eines
möglichen zweiten Verfahrens vor dem BVerfG darauf hin, dass
er sich hierzu lediglich auf die vom BVerfG ausdrücklich offen
gelassene Frage bezogen habe, ob nämlich das
Zurückdrängen von weiteren artgemäßen
Verhaltensweisen wie Sandbaden oder Körperpflege angemessen
sei oder nicht. So eine Frage wäre vom BVerfG im Falle eines
zweiten Verfahrens hierzu zu prüfen, wozu es z. B. im Rahmen
eines Normenkontrollverfahrens kommen könnte. Dies könne
durch ein Bundesland - wie in diesem Falle durch
Nordrhein-Westfalen - eingeleitet werden, wenn es die neue
Verordnung für gesetzeswidrig halte.
Er halte den vorliegenden Entwurf einer neuen
Hennenhaltungsverordnung im Übrigen für gerichtsfest. Das
immer bestehende Prozessrisiko halte er für relativ gering, da
es bei der Prüfung nicht nur um die Belange des Schutzes der
Tiere gehe, sondern um die Frage, inwieweit es zwischen ihnen und
den Belangen der Tierhalter einen angemessen Ausgleich gebe.
Bemerkenswert sei auch, dass das BVerfG ausdrücklich keine
Käfiggröße für einen Hennenplatz bindend
festgelegt habe, was durchaus möglich gewesen wäre,
sondern vielmehr alle numerischen Größen in den
Gesamtkomplex ?angemessener Ausgleich zwischen den beiderseitigen
Interessen? gestellt habe.
Konkludent habe das Gericht festgestellt, dass der Verordnungsgeber
nicht berechtigt gewesen sei, das Schlafbedürfnis der Hennen,
wie geschehen, zu Gunsten wirtschaftlicher Interessen
zurückzudrängen - mehr nicht. Dieser angemessene
Ausgleich zwischen beiden Interessen sei die zentrale Frage und
werde durch die neue Verordnung hergestellt.
Auf Frage des Vorsitzenden, ob das Gericht
Mindestgrößen festgelegt habe, verweist Prof.
Dr. Robbers darauf, dass das BVerfG erklärt habe,
dass das Tierschutzgesetz keine Höchststandards vorgebe.
Allerdings müsse man auf Grund allgemeiner Erwägungen,
korrespondierender Grundrechte sowie rechtlicher Interessen anderer
von einem gewissen Höchstschutz ausgehen.
Was den Mindeststandard betreffe, so habe das BVerfG lediglich
festgestellt, dass der Vergleich zwischen der numerischen
Größe einer Henne und dem vorhandenen Platz in
herkömmlichen Käfigen zeige, dass dieser Platz nicht
ausreiche. Ab welcher Größe der Platz ausreichend sei,
habe es allerdings nicht festgestellt.
Zum Bestandsschutz habe das BVerfG festgestellt, dass vorhandene
Käfiganlagen in ihrem Bestand geschützt bleiben. Dies
schließe allerdings nicht aus, dass der Verordnungsgeber
diese Anlagen irgendwann einmal verbiete. Nach der neuen Verordnung
sei ein Verbot ab dem Jahre 2003 vorgesehen. Gesetz- wie
Verordnungsgeber seien frei, eine Neuregelung hierzu zu treffen.
Die Fragen des Bestandsschutzes betreffen Gerichte und Verwaltung,
wobei eine ganze Reihe unterschiedlicher Fallkonstellationen zu
berücksichtigen seien, die das BVerfG im Einzelnen nicht
ausdifferenziert habe, wozu er auf seine schriftliche Stellungnahme
verweise. Letztlich sei es eine Frage der Gerichte und der
Verwaltung, hierüber zu entscheiden.
RA Wolfgang Schindler erklärt zur Frage des
Bestandsschutzes, dass sie die Klärung einer Vorfrage
voraussetze, ob nämlich das BVerfG die objektive Strafbarkeit
der Käfighaltung bejaht habe oder nicht. Nach seiner
Auffassung habe das BVerfG-Urteil diese Frage bejaht, indem es
folgende Mitteilung der EU-Kommission: ?Es ist klar, dass der
Batteriekäfig wegen seiner kleinen Größe und seines
sterilen Umfelds das Wohlbefinden der Hennen erheblich
beeinträchtigt.? Dieser Hinweis auf das Zitat der Kommission
könne nur so interpretiert werden, dass das BVerfG-Urteil
bestätige, dass die Hennen in Batteriekäfigen erheblich
leiden, was ein Synonym der erheblichen Beeinträchtigung des
Wohlbefindens sei. Diese Aussage sei bisher noch von niemandem
überzeugend entkräftet worden und für die Frage des
Bestandsschutzes von ausschlaggebender Bedeutung. So habe jemand,
der an der Begehung weiterer Straftaten gehindert werde, keinen
Anspruch auf Entschädigung noch darauf, entsprechende Anlagen
weiter zu betreiben. Daher bitte er die Kollegen, die hierzu eine
andere Auffassung vertreten, um eine entsprechende
Begründung.
Die Frage, ob der Entwurf einer neuen Hennenhaltungsverordnung
gerichtsfest sei bzw. der Interpretation des Begriffes
?verhaltensgerechte Unterbringung nach § 2 TierSchG? durch das
BVerfG-Urteil entspreche, verneint er. So habe das BVerfG zu den
Grundbedürfnissen folgendes ausgeführt: ?Ob daneben auch
weitere artgemäße Bedürfnisse wie insbesondere das
Scharren und Picken, die ungestörte und geschützte
Eiablage, die Eigenkörperpflege, zu der auch das Sandbaden
gehört oder das erhöhte Sitzen auf Stangen ...
unangemessen zurückgedrängt werden, kann offen bleiben.
Zur weiteren Bestimmung und Verdeutlichung der Anforderungen des
§ 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz an eine Käfighaltung von
Legehennen und damit zugleich zur Bestätigung des gefundenen
Ergebnisses kann auf normative Texte und amtliche Dokumente
zurückgegriffen werden.? Mit den ?amtlichen Dokumenten? meine
das Gericht die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 11.
März 1998 sowie die Empfehlungen des Europarates zur
Käfighennenhaltung. Zur weiteren Verdeutlichung stelle das
Gericht folgendes fest: ?Wegen der aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisse über die Grundbedürfnisse von Hennen in der
Käfighaltung, die der Verordnungsgeber nach § 2 a, §
2 Nr. 1 TierSchG ... beachten muss, ist schließlich noch auf
die Mitteilung zu verweisen.? Dies bedeute, dass das Gericht auf
amtliche Dokumente verweise, woran sich der Verordnungsgeber
hinsichtlich der Grundbedürfnisse zu orientieren habe.
Zum Sandbaden laute die Empfehlung der Kommission wie folgt: ?...
die Motivation im Staub zu baden ist nach wie vor besonders stark,
selbst bei Tieren die auf Drahtgitterböden gehalten werden.?
Das Sandbaden gehöre begrifflich zur Eigenkörperpflege,
was das BVerfG-Urteil für ein Grundbedürfnis halte. Es
sei kein Grund ersichtlich, warum der Verordnungsgeber auf das
Sandbaden verzichten könne.
Zu der Frage des Mindestflächenbedarfs verweist er auf die
Aussage des BverfG: ?Aus dem Produkt von Länge und Breite der
Tiere ergibt sich ein Flächenbedarf für jede Henne in der
Ruhelage, der die vorgesehene Mindestbodenfläche
überschreitet.? Hiermit lege das Gericht eindeutig 690 cm2 als
Mindestbedarf für das ungestörte Ruhen fest. Der einzige
Grund, warum das Gericht dies nicht ausdrücklich erklärt
habe, sei der, dass es voreilige Schlüsse im Hinblick auf
einen Gesamtbedarf habe vermeiden wollen. So gebe es in der
Mitteilung der EU-Kommission Hinweise auf den Flächenbedarf,
an der sich der Verordnungsgeber zu orientieren habe. Darin
heiße es: ?Selbst bei einem Platzangebot von 800 cm2 pro Tier
in einer Gruppe von fünf Tieren können jedoch nicht alle
Verhaltensweisen (wie Kopfkratzen, Körperschütteln und
Aufplustern des Gefieders) ausgelebt werden, selbst wenn sich die
Tiere den vorhandenen Raum teilen. Gemeinsame Erfahrungen mit
Systemen mit größeren Kolonien zeigen, dass eine
Fläche von 1.000 cm2 pro Tier es den Hennen ermöglicht,
eine große Vielfalt von Verhaltensweisen auszuleben.? Vom
Wissenschaftlichen Veterinärausschuss der Kommission werde zum
Flügelschlagen, das ein wesentliches Verhaltungsbedürfnis
sei, ein Mindestplatzbedarf von 860 cm2 festgestellt. Insofern sei
er zu dem Ergebnis gekommen, dass mindestens 900 cm2 erforderlich
seien.
Als Gegner dieser Auffassung werde man argumentieren, dass es dem
Gericht nur um eine angemessene Berücksichtigung dieser
Verhaltensbedürfnisse gehe. Dies sei im Grundsatz richtig.
Allerdings habe es auch Aussagen zur Angemessenheit gemacht. So
werde seine Interpretation des § 2 - Verhaltensgerechte
Unterbringung - daran deutlich, dass das Bedürfnis der
Nahrungsaufnahme nicht nur generell befriedigt sein müsse,
sondern hierbei auch ganz spezielle Anforderungen wie die
gleichzeitige Nahrungsaufnahme. Dass entsprechende Defizite
ausreichten, die Verordnung für nichtig zu erklären,
zeigten den anzusetzenden Maßstab. Sicherlich müsse es
bei der Frage der Reduzierung der Verhaltensbedürfnisse zu
einer Abwägung kommen, da auch der Tierschutz seine Grenzen
habe. Hierbei sei man jedoch streng an das BVerfG-Urteil gebunden.
So habe das Gericht die Verhaltensbedürfnisse aufgezählt,
auf die Mitteilung der EU-Kommission verwiesen und zur
Abwägung Folgendes ausgeführt: ?Der Verordnungsgeber muss
mithin entsprechend dem in § 1, § 2 TierSchG vom
Gesetzgeber vorgezeichneten Interessenausgleich einen ethisch
begründeten Tierschutz befördern, ohne die Rechte der
Tierhalter übermäßig einzuschränken.?
Danach sei der Interessenausgleich bereits vom Gesetzgeber
vorgezeichnet. So erlaube § 2 Nr. 2 Besatzdichten bis zur
Schmerz- und Leidensgrenze. Wenn man hierbei § 1 einbeziehe,
wonach ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen und Leiden
verursacht werden dürfen, ergebe sich in Verbindung mit dem
Wort ?vermeidbar? in § 2 Nr. 2 Raum für eine
Abwägung. § 2 Nr. 1 gelte allerdings
uneingeschränkt, wonach Grundbedürfnisse wesentlich zu
berücksichtigen seien.
Was den Käfig als generelle Unterbringungsform betreffe, so
halte er sie für rechtswidrig, weil es keinen Streit
darüber geben werde, dass die Verhaltensbedürfnisse
jedenfalls weiter zurückgedrängt werden als in anderen
alternativen Haltungsformen, und weil nach den Feststellungen der
EU-Kommission die Kosten für die Unterbringung in einer
Voliere identisch seien mit denen in einem angereicherten System.
Für diese zusätzliche Zurückdrängung einer
ganzen Reihe weiterer Verhaltensbedürfnisse gebe es keinerlei
Rechtfertigung.
Für das Argument von Betrieben, dass sie in ihrer Existenz
gefährdet seien, habe er grundsätzlich Verständnis.
Andererseits sei es eine Tatsache, dass jede Industrie über
die Änderung bestehender Rahmenbedingungen stöhne, so
auch hier. Die genannten Zahlen hierzu würden im Wesentlichen
nicht korrekt sein. So würden bei den Prognosen hinsichtlich
zusätzlicher Importe und drohender Abwanderungen von Betrieben
ins Ausland das Beispiel Schweiz nicht berücksichtigt. Ein
Vergleich sei durchaus zulässig, da der schweizer Verbraucher
die Möglichkeit habe, zwischen billigen Importeiern oder den
teueren Alternativeiern zu wählen. Hierbei sei auch zu
berücksichtigen, dass heute genau so viele Eier in der Schweiz
produziert werden wie vor 20 Jahren. Auch würden von den 85 %
der Personen, die sich seinerzeit gegen eine Käfighaltung
ausgesprochen hätten, heute 72 % das alternative teurere Ei
kaufen. Entscheidend sei hierfür auch, dass man die schweizer
Verbraucher entsprechend habe motivieren können, was auch hier
möglich wäre, und zwar mittels einer entsprechenden
Kennzeichnung. In der Schweiz sei es gelungen, dass die Mehrheit
der Verbraucher das alternative Ei kaufen, und zwar nicht nur aus
Gründen des Tierschutzes, sondern auch deshalb, weil es
über eine hohe Produktqualität verfüge und ein
Regionalprodukt sei.
Was den Flächenbedarf betreffe, so fordere das BVerfG an
keiner Stelle, dass der Verordnungsgeber neben den Vorgaben der
genannten Mitteilung noch eine Abwägung vornehmen müsse
und damit die Mitteilung quasi wieder relativiere.
Der Vorsitzende nimmt Bezug auf die
Äußerung von RA Schindler, dass nach dessen Auffassung
auch der neue Verordnungsentwurf der Bundesregierung nicht den
Vorgaben des BVerfG-Urteils entspreche. Daher stelle sich die
Frage, ob zu erwarten sei, dass Nordrhein-Westfalen
möglicherweise erneut ein Normenkontrollverfahren einleiten
würde.
RA Wolfgang Schindler antwortet darauf, dass das
Normenkontrollverfahren seinerzeit weniger aus Gründen des
Tierschutzes, sondern vielmehr aus politischen Gründen
gegenüber der alten Bundesregierung eingeleitet worden sei.
Insofern sei vom jetzigen Bundeslandwirtschaftsminister nicht zu
befürchten, dass auch gegen eine neue Verordnung wieder ein
Normenkontrollverfahren eingeleitet werde. Dies sei das Problem aus
Sicht des Tierschutzes. Womit lediglich gerechnet werden
könne, seien Strafanzeigen gegenüber Käfighaltern.
Hierbei würden die Gerichte natürlich die Entscheidung
des BVerfG berücksichtigen.
RA Dr. Eisenhart von Loeper erklärt, dass er
die Ausführungen von RA Schindler in den wesentlichen Punkten
unterstreichen könne. Allerdings sei noch ein Punkt
klärungsbedürftig gegenüber den Ausführungen
von Prof. Dr. Kutscha.
Wenn die neue Verordnung so zu verstehen wäre, dass die
Übergangsregelung eine weitere Genehmigungspraxis bis Ende
2002 gestatten würde im Sinne der alten Genehmigungsbescheide,
dann würde er dies für einen schwerwiegenden
Verstoß gegen die Bindungskraft des Urteils des BVerfG
ansehen. Er habe den vorliegenden Verordnungsentwurf so verstanden,
dass er mit dem Inkrafttreten auch ohne Übergangsregelung
Geltungskraft erhalten solle, nicht aber die alte Praxis noch bis
zum Ende 2002 Gültigkeit haben dürfe. Angesichts der
Feststellung der Nichtigkeit der alten Verordnung sei nach seiner
Auffassung eine Fortschreibung der alten Praxis in keiner Weise
zulässig.
Hinsichtlich der Flächengröße 690 cm2 halte er dies
als Produkt von Länge und Breite für eine bindende
Vorgabe des BVerfG für das ungestörte Ruhen des Tieres.
Bemerkenswert sei weiterhin, dass das BVerfG ungeachtet seiner
Feststellung der Nichtigkeit infolge der Verletzung des
ungestörten Schlaf- und Fressbedürfnisses weitere, aber
nicht entscheidungserhebliche Bedürfnisse explizit genannt
habe, und zwar erhöhtes Sitzen auf Stangen,
Eigenkörperpflege, wobei dieser Begriff im Gesetz gar nicht
enthalten sei, sondern nur der Begriff Pflege. So spreche es bei
§ 2 Nr. 1 von der ?Pflege des Wohlbefindens der Tiere im weit
verstandenen Sinne?. Diese Aussage habe ein erhebliches Gewicht.
Dies sei im Zusammenhang zu bewerten. So könne aus der
Tatsache, dass es sich bei den vom Gericht festgestellten
Verstößen gegen das Grundbedürfnis nach
ungestörter Ruhe und gleichzeitiger Nahrungsaufnahme um
relativ geringe Verstöße handele, andere
Bedürfnisse dagegen wie das Sandbaden und die ungestörte
und geschützte Eiablage im Käfig wesentlich stärker
beeinträchtigt werden als das Schlaf- und Fressbedürfnis
der Tiere, gefolgert werden, dass diese Bedürfnisse
unangemessen zurückgedrängt werden.
Dr. Ronald Steiling, ZDG, wendet sich dagegen,
dass in dieser Anhörung Sätze des BVerfG von RA Schindler
nur unvollständig zitiert werden. Was die
Grundbedürfnisse betreffe, so sei klar, dass es sich hierbei
um die gleichzeitige Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
handele sowie um gleichzeitiges Ruhen. Daneben würden im
Urteil andere artgemäße Bedürfnisse erwähnt.
?Ob daneben auch weitere artgemäße Bedürfnisse wie
insbesondere das Scharren und Picken, die ungestörte und
geschützte Eiablage, die Eigenkörperpflege, zu der auch
das Sandbaden gehört oder das erhöhte Sitzen auf Stangen
durch die in § 2 Abs. 1 und 2 alter Hennehaltungsverordnung
getroffenen Regelungen über die Käfighaltung unangemessen
zurückgedrängt werden, kann offen bleiben.? Dies
unvollständige Zitieren sei nicht fair.
Darüber hinaus sei es eine Dreistigkeit, in der verteilten
Übersicht zu Ausschuss-Drucksache 14/264 in der Anlage 2 des
Zitates des BVerfG lediglich vom Scharren und Picken, der
ungestörten und geschützten Eiablage, der
Eigenkörperpflege, zu der auch das Sandbaden gehöre, und
dem erhöhten Sitzen auf Stangen zu sprechen. Das BVerfG habe
diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Gegenstand seiner
Prüfung sei die alte Hennenhaltungsverordnung gewesen. Zu der
neuen vorgesehenen Verordnung habe es, und zwar bewusst keinerlei
Ausführungen gemacht. Es habe lediglich festgestellt, dass es
weitere artgemäße Bedürfnisse wie das Scharren und
Picken usw. gebe, habe aber bewusst offen gelassen, ob die alte
Hennenhaltungsverordnung insoweit die Interessen der Tiere
unangemessen zurückdränge. Im Übrigen seien in der
neuen Verordnung Sitzstangen, Nest und Sandbad ausdrücklich
aufgeführt.
Zur Frage, ob das BVerfG die 690 cm2 als Mindestfläche
festgeschrieben habe, sei festzustellen, dass diese Zahl nicht im
Urteil stehe. Vielmehr heiße es auf Seite 49: ?Aus dem
Produkt von Länge und Breite der Tiere ergibt sich
nämlich ein Flächenbedarf für jede Henne in der
Ruhelage, der die vorgesehene Mindestbodenfläche
überschreitet." Mit vorgesehener Mindestbodenfläche sei
natürlich die alte Hennenhaltungsverordnung gemeint, nicht
dagegen die Mindestbodenfläche einer neuen
Hennenhaltungsverordnung. Allerdings sei diese Diskussion auch
insofern obsolet, als § 6 der neuen Verordnung vorsehe, dass
die Mindestbodenfläche 750 cm2 betrage, die damit über
der Mindestbodenfläche der alten Verordnung liege.
Diese Frage der Mindestbodenfläche spiele deshalb eine Rolle,
da es bestandsgeschützte Anlagen gebe, die jetzt
umgerüstet werden müssten, wenn man jetzt direkt ohne
Übergangsfrist eine neue Fläche fordere. Auch hierzu habe
sich das BVerfG eindeutig erklärt. ?Neue Käfiganlagen
sind nicht mehr nach der Hennenhaltungsverordnung vom 10. Dezember
1987 genehmigungsfähig.? Ganz am Ende des Urteils heiße
es dann: ?Vorhandene Käfiganlagen, die auf unanfechtbar
gewordenen Genehmigungen beruhen, bleiben in ihrem Bestand
geschützt. Freilich gilt dies gem. § 79 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG nur vorbehaltlich besonderer, den Bestandsschutz
begrenzender gesetzlicher Vorschriften.?
Das BVerfG hätte diesen klarstellenden Satz am Ende des
Urteils niemals aufgenommen, wenn es nicht davon ausgehen
würde, dass genehmigte vorhandene Anlagen in ihrem Bestand
geschützt seien.
Dies bedeute, dass ein Legehennenhalter diese alten Anlagen weiter
betreiben dürfe. Allerdings sei es dem Bundesgesetz- und
Verordnungsgeber unbenommen festzulegen, dass die Käfighaltung
von heute auf morgen abgeschafft werde. Allerdings würde dies
die Frage notwendiger Entschädigungen aufwerfen. Der Bestand
von genehmigten Anlagen sei geschützt. Daher sehe sowohl die
EG-Richtlinie als auch der neue Verordnungsentwurf
Übergangsfristen vor, um den Legehennenhaltern die
Möglichkeit zu geben, sich auf die neuen Vorgaben
einzustellen.
Ob die vorgesehenen Übergangszeiten ausreichend seien, sei
eine zweite Frage, wenn man davon ausgehe, dass eine normale
Käfighaltungsanlage eine Betriebsdauer von 25 Jahren habe.
Zwischen diesen Fragestellungen sei entsprechend zu unterscheiden.
Insofern wende er sich gegen den Versuch den Eindruck zu erwecken,
dass das BVerfG indirekt über den neuen Verordnungsentwurf
entschieden habe.
Abschließend verweist er nochmals auf die Notwendigkeit,
einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Belangen des
Tierschutzes und den rechtlich geschützten Interessen der
Tierhalter vorzunehmen. Darauf habe das BVerfG dreimal im Urteil
hingewiesen. So gehe es neben den Belangen des Tierschutzes um die
in Artikel 12 und Artikel 14 GG verankerte Berufsfreiheit und
Eigentumsgarantien im Hinblick auf die Rechte der Tierhalter. Auch
hier seien Eingriffe möglich. Erfolgten sie jedoch in
unzulässiger Weise, hätten sie
Entschädigungsleistungen zur Folge.
Abg. Marianne Klappert stellt die Frage, ob die im
Urteil angeführte Durchschnittsbreite einer Henne von 14,5 cm
akzeptiert werde.
Der Vorsitzende bittet ergänzend um Antwort
darauf, inwiefern eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme möglich
sein müsse.
Dr. Ronald Steiling, ZDG, erklärt, dass er
die Frage der Breite einer Henne als Jurist nicht beurteilen
könne. Dies sei auch nicht die entscheidende Frage, sondern
vielmehr die Feststellung des BVerfG, dass ein Grundbedürfnis
der Hennen die gleichzeitige und ungestörte Nahrungsaufnahme
sei. Daraus folge, dass alle Hennen gleichzeitig Platz am
Futtertrog haben müssten. Hierzu sehe die neue Verordnung zu
Alternativhaltungssystemen folgende differenzierte Lösung vor:
Wenn die Tiere nach der ad libitum-Fütterung die
Möglichkeit haben, den ganzen Tag über Futter
aufzunehmen, halte man eine 10 cm Kantenlänge des Futtertroges
für ausreichend, wie dies auch in der Stellungnahme des
Europarates vorgesehen sei. Haben die Hennen dagegen kein
ständiges Futterangebot, dann müsse die Troglänge
mindestens 12 cm betragen. Entscheidende Frage sei daher, ob es ein
ständiges Futterangebot gebe oder nicht.
Prof. Dr. Martin Kutscha verweist anfangs auf den
allgemeinen Grundsatz der Juristerei, wonach ein Richter
normalerweise nicht selber rechne. Manchmal ließen sich
allerdings gewisse Zahlen nicht vermeiden. Hierzu verweist er
nochmals ausdrücklich auf den Satz des BVerfG, dass sich aus
dem Produkt von Länge und Breite des Tieres ein
Mindestflächenbedarf ergebe. Dieses Produkt der
Durchschnittsgröße ergebe unzweideutig 690 cm2. Da der
Verordnungsentwurf allerdings nur 600 cm2 Bodenfläche vorsehe,
würde das Gericht voraussichtlich, sofern es bei dieser
Größe bleibe, die Verordnung aufheben. Entscheidend
hierfür sei, dass das Gericht auf seiner bindenden
Interpretation zu § 2 TierSchG aufbaue. So dürften nach
der gesetzgeberischen Wertung - ?... zwar die
Bewegungsbedürfnisse eines Tieres bis zu der in Nr. 2 (§
2 TierSchG) umschriebenen Grenze eingeschränkt werden, nicht
hingegen seine anderen in Nr. 1 angesprochenen
Grundbedürfnisse, wie insbesondere Schlafen sowie Nahrungs-
und Flüssigkeitsaufnahme.?
Dies bedeute, dass es bei diesen beiden Grundbedürfnissen
keinerlei Spielraum gebe, sondern nach Auffassung des BVerfG nur
bei der Möglichkeit zur artgemäßen Bewegung.
Hieraus leite sich zwingend ab, dass der Käfighalter
mindestens die Durchschnittsgröße, also das Produkt von
Länge und Breite gewährleisten müsse. Insofern
wäre der Verordnungsentwurf aus zwei Gründen nicht
gerichtsfest, und zwar einmal hinsichtlich der vorgesehenen
Durchschnittsfläche von 600 cm2 sowie der Troglänge von
nur 12 cm, während das Gericht 15 cm pro Henne angegeben
habe.
Weiterhin habe das Gericht unmissverständlich erklärt,
dass eine Haltung nach der alten Hennenhaltungsverordnung auf Grund
eines Verstoßes gegen § 2 TierSchG unzulässig
sei.
Von dieser Frage sei die Frage des Bestandsschutzes strikt zu
trennen. So seien auch rechtswidrige Genehmigungen durchaus
bestandskräftig, sofern sie nicht nichtig seien. Mit dem
vorhin zitierten Satz des BVerfG, dass die bereits vorhandenen
Anlagen bestandskräftig seien, habe es voraussichtlich zum
Ausdruck bringen wollen, dass die damals erteilten Genehmigungen
nicht nichtig seien. In diesem Falle wären sie nicht
bestandskräftig.
Gleichwohl seien diese Genehmigungen rechtswidrig, womit nach
§ 48 VVerfG, die Möglichkeit bestehe, diese
rechtswidrigen Verwaltungsakte zurückzunehmen. Hinsichtlich
einer möglichen Entschädigungspflicht müsse eine
Abwägung stattfinden nach § 48 Abs. 3 des VVerfG. Dies
bedeute, dass nicht in voller Höhe entschädigt werden
müsse. Im Übrigen seien Einschränkungen der Artikel
12 und 14 des BVerfG möglich, wobei Artikel 14 Abs. 2 GG sogar
von der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums durch den
Gesetzgeber spreche. So nehme das Tierschutzgesetz eine
entsprechende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums vor.
Es handele sich insofern nicht um eine Enteignung und nur die
wäre nach § 14 Abs. 3 entschädigungspflichtig. Daher
enthalte das Gesetz durchaus Spielraum und er erwarte daher nicht,
dass es zu unübersehbaren Schadensersatzforderungen
komme.
Zu entsprechenden Befürchtungen, dass es bei höheren
nationalen Standards zur Abwanderung von Hennenhaltern ins Ausland
komme, erklärt er, dass dies auch in anderen
Wirtschaftsbereichen ein immer wieder gerne vorgetragenes Argument
sei. Allerdings habe sich herausgestellt, dass trotz hoher
Standards in Deutschland eine entsprechende Verlagerung von
Arbeitsplätzen in die Dritte Welt nicht stattgefunden habe.
Trotz hoher arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen würden
vielmehr Arbeitsplätze nach Deutschland verlagert. Insofern
sei die hierzu erfolgte Aussage rein spekulativer Natur.
Dr. Klaus Damme, BLT, erklärt auf Befragung,
dass der Legehennenhalter Pohlmann in Bayern über 600.000
Legehennen verfüge und Mitglied im Bayerischen
Geflügelwirtschaftsverband sei. Er habe eindeutig
erklärt, dass er im Falle einer Verschärfung der
Haltungsvorschriften auf Grund seiner Lieferverträge seine
Anlagen aufstocken müsste. Da er in Bayern hierfür keine
Genehmigung erhalten würde, würde er entsprechende
Anlagen ins Ausland verlagern.
Was den Kostenvergleich verschiedener Systeme betreffe, so gebe es
hierzu noch keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen, die
vergleichbar seien. So gebe es bis auf Rute keine Institution, von
der sowohl konventionelle Käfige als auch
vergrößerte, ausgestattete Käfige, Boden- und
Volierensysteme als auch Freilandhaltung parallel miteinander
verglichen werden. Dies wäre Grundlage für einen
entsprechenden fundierten Kostenvergleich. Daher müsse man zu
dieser Frage auf Feldstudien, auf Vergleiche verschiedener Systeme
mit unterschiedlichem Management, unterschiedlicher Fütterung
und unterschiedlichen Herkünften ausweichen.
Allerdings gebe es in Sachsen von Dr. Klemm eine Feldstudie zum
Arbeitsbedarf in der Boden- und Freilandhaltung. Hier liege der
Arbeitsbedarf zwischen 25 und 35 AKH, also Arbeitsstunden für
100 Hennen pro Jahr. Bei der Käfighaltung liege dieser Faktor
in Abhängigkeit von der Bestandsgröße zwischen zwei
und 10 Arbeitsstunden pro Jahr. Hier liege also der Arbeitseinsatz
beim Zwei- bis Zehnfachen. Dies hänge ab von der Frage, ob es
viele verlegte Eier gebe, die eingesammelt werden müssten, wie
intensiv die Einstreupflege sei. Dies sei sehr variabel.
Was die Arbeitsqualität betreffe, so seien einerseits die
Belange des Tierschutzes zu berücksichtigen, aber auch die
Belange der Beschäftigten. Wenn bei einer Volierenhaltung
einen Tag nicht gefegt werde, gebe es dort erheblichen Staub. So
habe er zwei Mitarbeiter, die auf Grund einer Stauballergie
vorzeitig ausscheiden bzw. in den Ruhestand gehen mussten. Diese
Probleme seien in den alternativen System größer als in
der Käfighaltung. Zwar sei man auch dabei, hier Verbesserungen
im Hinblick auf den Arbeitsschutz zu entwickeln. Trotzdem
würden die Produktionskosten hier höher sein. Insofern
sei auch zu berücksichtigen, dass rechtliche Anforderungen
auch in der Praxis umsetzbar sein müssten. Wenn z. B. eine 15
cm lange Sitzstange in einer Bodenhaltung gefordert werde,
gleichzeitig aber vermieden werden soll, dass sich die Hühner
von unten an die Kloake picken, dann erfordere dies einen
bestimmten Abstand zur Sitzstange in der Höhe. Dies führe
dazu, dass in der Praxis die Sitzstange in den Rost integriert
werde, da ansonsten mit den Aufbauten für die Sitzstange so
viel Widerstand zum Nest geschaffen werde, was wiederum zu einer
hohen Zahl verlegter Eier in der Einstreu führe, womit man
dann nicht mehr zurecht komme.
Wenn weiterhin für 10 Hennen ein Tränkenippel gefordert
werde, führe dies dazu, dass zwischen den Nippeln künftig
nur noch ein Abstand von 10 cm gegenüber den jetzt bestehenden
24 cm bestehe.
Unstreitig sei, dass bei einer restriktiven Fütterung eine
gleichzeitige Nahrungsaufnahme möglich sein müsse.
Andererseits seien die Hennen in der Lage, bis zu 80/100 g Futter
im Kropf zu speichern. So würde bei einer zweimaligen
Fütterung von jeweils 80 g das Futter bereits nach einer
viertel Stunde aufgenommen sein. Das bedeute, dass eine Henne
innerhalb einer halben Stunde den gesamten Tagesfutterbedarf
aufnehmen könne.
Insofern sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die
Wirtschaft bei kostenträchtigen Auflagen versuche, dem durch
Änderungen in der Zucht zu begegnen. So werden z. B.
Hühner teilweise restriktiv gefüttert, um durch ein
entsprechend niedrigeres Gewicht rechtlichen Auflagen zu
entsprechen. Dies könne nicht der Sinn entsprechender
Regelungen sein. Sinnvoller wäre es daher, bei einer
Troglänge von 10 cm zu bleiben, dafür aber zu fordern,
dass immer wieder frisches Futter angeboten werde. So habe man eine
Reihe von Bodenhaltungen, wo die Fressplatzbreite nur 4 cm betrage.
Da aber die Fütterungskette alle zwei Stunden in Betrieb
gesetzt werde, habe die Henne die Möglichkeit, achtmal am Tage
Futter aufzunehmen, womit der Druck am Trog entfalle. Dies sei der
entscheidende Punkt. Ein Kompromiss wäre daher, bei
restriktiver Fütterung eine Troglänge von 12 cm
festzulegen, bei einer ad libitum-Fütterung 10 cm. Dies
würde den Vorgaben des BVerfG entsprechen und wäre auch
von den Landwirten akzeptabel.
Dr. Glarita Martin erklärt, dass man
unterscheiden müsse zwischen der Käfighaltung sowie der
Volieren- und Bodenhaltung. Bei Käfigen sei festgelegt, dass
die Futtertrogbreite der Körperbreite des Tieres entspreche.
In diesen Käfigen sei die Nahrungsaufnahme das einzige, womit
sich die Tiere beschäftigen könnten.
Den Tieren sei eigentlich angeboren, den ganzen Tag über nach
Nahrung zu suchen. So gehe es nicht nur um die reine
Nahrungsaufnahme und Sättigung des Tieres, sondern auch um die
Beschäftigung mit der Nahrungsaufnahme als solcher. Dies und
das damit verbundene ständige Scharren und Picken sei
genetisch bedingt. Mit der Aufnahme von sehr konzentriertem Futter
werde zwar eine Sättigung des Tieres erreicht, nicht aber dem
übrigen nahrungsbezogenen Verhaltensbedürfnis
entsprochen. Diese Möglichkeit bestehe auch in ausgestalteten
Käfigen nicht. Daher suchten sich die Tiere dort andere
Objekte, und dies seien in der Regel die gefiederten Artgenossen
sowie die Käfigwände, die dann Gegenstand ihres Pickens
würden. Wenn dann das Futterband in Betrieb gesetzt
würde, würden sich alle Hennen gleichzeitig darauf
stürzen, weil ihnen dies angeboren sei. Dieses soziale
Verhalten sei der entscheidende Punkt und bedeute, dass eine
Troglänge von 10 cm angesichts einer durchschnittlichen
Körperbreite von 14 cm nicht ausreiche. Hennen, die keinen
Platz am Futtertrog hätten, versuchten, sich unter den dort
befindlichen Hennen durchzuschieben. Dieses Verhalten erfolge
unabhängig von der unbestrittenen Tatsache, dass jede Henne im
Laufe des Tages satt werde. Diese Erkenntnisse habe sie bereits vor
25 Jahren in einem entsprechenden Gutachten niedergelegt. Dieser
Kampf um den Futterplatz habe auch zu einer Beeinträchtigung
der Knochenstabilität geführt.
Insofern würden weder 10 noch 12 cm Troglänge ausreichen,
da das BVerfG nicht nur ein gleichzeitiges, sondern auch ein
ungestörtes Fressen gefordert habe. Dieser Futterkampf
führe zu einem enormen Stress, denn es sei eine Utopie, von
den Hennen zu erwarten, sich angesichts des wiederholten
Nahrungsangebotes bei der einzelnen Fütterung
zurückzuhalten. Im Übrigen würde eine restriktive
Fütterung auch dem Gesetz widersprechen. Gewisse
Einschränkungen hiervon seien allenfalls möglich, wenn es
eine Einstreu gebe. Dies beruhe auf eingehenden wissenschaftlichen
Untersuchungen, insbesondere von schweizer Kollegen, was letztlich
dazu führe, dass die Käfighaltung eine artgerechte
Haltung nicht erlaube. Wolle man den entsprechenden Anforderungen
in einem Käfig gerecht werden, wäre er nicht mehr
rentabel.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram erklärt, dass er zu
der Frage, inwieweit entsprechende Standards Gegenstand der
WTO-Verhandlungen seien, keine Informationen habe.
Im Übrigen werde es nicht möglich sein, diese Standards
der EU international durchzusetzen, da es sich hierbei um eine Art
verdeckter Zölle handeln würde, was der EU nicht
möglich wäre. Insofern habe die deutsche und
europäische Käfighaltung ökonomisch auf Dauer keine
Chance.
Was den Hinweis auf die häufige Kritik der Legehennenhalter an
entsprechenden Auflagen betreffe, so handele es sich hier um per
Gesetz vorgegebene ökonomische Rahmenbedingungen, die nicht
unterlaufen werden könnten. Weiterhin handele es sich um
homogene Güter, für die es keine Preisdifferenz
gebe.
Zur die Situation in der Schweiz sei festzustellen, dass es dort
einen Selbstversorgungsgrad von 60 % gebe, der notwendige Import
also 40 % umfasse. Da dort das durchschnittliche Einkommensniveau
jedoch höher sei als in Deutschland, sei dort auch die
Bereitschaft größer, alternativ erzeugte teurere Eier zu
kaufen.
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst ergänzt zur
Situation in der Schweiz, dass auf Grund der dort höheren
Anforderungen die Eiprodukteneinfuhr innerhalb von fünf Jahren
um 30 % gestiegen sei mit der Folge, dass die gesamte
Eiproduktenindustrie in der Schweiz zum Erliegen gekommen sei, und
zwar deshalb, weil der Käufer überwiegend auf das billige
importierte Ei zurückgegriffen habe, womit in Deutschland
ebenfalls gerechnet werden müsse. Im Übrigen sei bei dem
Selbstversorgungsgrad von 60 % auch zu berücksichtigen, dass
diese Eier nicht alle aus der Alternativhaltung kommen, sondern
auch aus in den letzten Jahren eingeführten
Käfighaltungen. 30 % der Eierproduzenten in der Schweiz
hätten in den letzten Jahren aus ökonomischen
Gründen die Produktion eingestellt.
Zu den Auswirkungen einer Umsetzung der EU-Richtlinie bemerkt er,
dass innerhalb der Europäischen Union zur Zeit 90 Mrd. Eier
erzeugt werden. Bei einer Umsetzung der Richtlinie würde die
Produktion pro Jahr um 15 bis 18 Mrd. Eier sinken. Dies bedeute,
dass man zwischen 70 bis 100 Mio. neue Legehennenplätze
benötige, um den dargestellten Produktionsrückgang zu
kompensieren. Allerdings wäre es illusorisch zu glauben, dass
sich dies in der Übergangszeit bis zum Jahre 2011 angesichts
der notwendigen investiven Entscheidungen und Genehmigungsverfahren
zeitgerecht erreichen ließe. Die Folge hiervon werde eine
entsprechende Verlagerung der Produktion in Länder sein, in
denen die Produktions- und investiven Kosten so niedrig seien, dass
der Absatz in Europa auf Grund der entsprechenden Nachfrage noch
rentabel bleibe.
Was die Drittlandimporte betreffe, so führe die
Europäischen Union zur Zeit zwischen 50 und 420 Mio.
Schaleneier - also nicht Eiprodukte - ein. Diese relativ hohen
Schwankungen hingen davon ab, ob Exportsubventionen gezahlt werden
oder nicht. Die größten Eierexporteure außerhalb
der EU seien die USA, China, die Türkei, Thailand und Kanada,
die zur Zeit insgesamt weniger als 5 Mrd. Eier ausführten.
Wenn der dargestellte Produktionsrückgang in Europa nicht
kompensiert werden könne, müssten diese genannten
Exportländer ihre Ausfuhr innerhalb einer kurzen Zeit verdrei-
bzw. vervierfachen. Dies werde in einigen Staaten gelingen.
Was die Kostenseite allein bei Futter und der Junghenne betreffe,
so hätten die USA die niedrigsten Kosten. 1998 die USA mit
13,60 DM, danach Brasilien mit 17,00 DM, Indien mit 19,00 DM,
Thailand mit 19,15 DM und Deutschland schon damals mit 23,20 DM.
Damit liege Deutschland um ca. 10,00 DM über den
entsprechenden Produktionskosten in den USA.
Wenn der Außenschutz infolge der WTO-Verhandlungen weiter
reduziert werde, könne man davon ausgehen, dass die genannten
Exportstaaten den mitteleuropäischen Markt mit entsprechenden
Eiern versorgen werden. Diese Entwicklung finde schon im Bereich
des Geflügelfleisches statt, wo insbesondere Thailand und
Brasilien auf Grund von Kostenvorteilen den europäischen Markt
in zunehmendem Maße bedienten. Zu dieser Entwicklung werde es
auch bei der Eierproduktion kommen. Ein Hauptimporteur werde Mexiko
sein, das ein entsprechendes Assoziierungsabkommen mit der EU
abgeschlossen und bereits in den letzten Jahren erhebliche
Investitionen getätigt habe.
Dieser Druck in Europa infolge der Umsetzung der EU-Richtlinie
würde noch erheblich zunehmen, wenn sich die Situation
für die deutschen Hennenhalter auf Grund über die
EU-Richtlinie hinausgehende nationale Anforderungen
verschärfen würde.
Abg. Eva-Maria Bulling-Schröter möchte
wissen, in welcher Weise der Transport dieser importierten Eier
erfolge und warum sie nicht entsprechend deklariert seien. Hieran
bestehe ein starkes Interesse der Verbraucher, der zunehmend
regionale Produkte nachfrage.
Abg. Marianne Klappert möchte wissen, wie
viele kleinere bäuerliche Betriebe mit einer Produktion
zwischen 3.000 und 5.000 Eiern es in Deutschland noch gebe und was
seitens der Politik erforderlich wäre, um diesen Betrieben den
Umstieg auf alternative Haltungssysteme zu ermöglichen.
Weiterhin weist sie kritisch darauf hin, dass ein deutscher
Eierproduzent, der in Deutschland einem Berufsverbot unterliege,
nun versuche, in anderen Ländern mit niedrigeren Standards
eine Eierproduktion zu betreiben, wie z. B. in Ungarn mit einer
Anlage mit 7 Mio. Legehennen. Hier sei auch die Europäischen
Union gefordert, im Rahmen der Beitrittverhandlungen darauf
hinzuwirken. dass sich die Beitrittsländer frühzeitig zu
entsprechenden EU-Standards verpflichten.
Der Vorsitzende bemerkt dazu, dass in der
nächsten Sitzungswoche ein Gespräch mit Vertretern der
Beitrittsländer der ersten Runde mit dem Ausschuss vorgesehen
sei, wo diese Fragen mit angesprochen werden können. Weiterhin
habe sich auch EU-Kommissar Günther Verheugen zu dieser Frage
in einem Brief an Dr. von Loeper (der Anlage Ausschuss-Drucksache
14/266) geäußert und auf das EU-Recht verwiesen.
Allerdings würde die EU-Richtlinie nicht den Forderungen der
Tierschutzverbände entsprechen. Gleichwohl habe man sich im
Ausschuss immer dafür stark gemacht, dass Verbesserungen der
Haltungsbedingungen von einer EU-weiten Geltung abhängig
gemacht werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Für
eine abschließende Bewertung sei die entscheidende Frage,
inwieweit sich Forderungen des Tierschutzes betriebs- und
volkswirtschaftlich auswirken, da eine entsprechende
Gesamtbetrachtung unerlässlich sei.
Albert Huber, DBV, erklärt, dass eine
Grundvoraussetzung für notwendige Umstellungen in den kleinen
bäuerlichen Betrieben gleiche Wettbewerbsbedingungen auf
EU-Ebene seien. Zur Zeit gebe es eine Reihe von
Wettbewerbsnachteilen, so z. B. beim Hennengewicht und der
Auslauffläche. Sollte es weitere Auflagen geben wie z. B. die
12 cm Futtertroglänge, habe er die Befürchtung, dass
insbesondere mittelgroße Betriebe ihre Produktion verlagern
würden. Andererseits sei man daran interessiert, dass neben
der Vermarktung auch die Produktion in der Region erhalten
bleibe.
Weiterhin verweist er auf die bereits erwähnte Übersicht
zur Bewertung der Legehennenhaltungsverfahren aus der Stellungnahme
des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (Anlage
3). Hier stelle sich die Frage, inwieweit bei einer
Gesamtabwägung und der entsprechenden Berücksichtigung
der Verhaltensgrundbedürfnisse die Anforderungen der
Tiergesundheit vernachlässigt werden dürften. So sei
wissenschaftlich erwiesen, dass in der Bodenauslaufhaltung eine
sechs- bis achtfach höhere Erkrankungsrate der Tiere
gegenüber der Käfighaltung bestehe. Eine Erkrankung der
Tiere bedeute kein Wohlbefinden, also Leiden. Hier sei zu fragen,
inwieweit dies mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sei. Nach seiner
Auffassung dürften die in der angesprochenen Übersicht
niedergelegten Erkenntnisse nicht außer Acht gelassen werden,
wonach die alternativen Haltungsformen fast durchweg Mängel
hinsichtlich der Tiergesundheit zur Folge haben. Was die
Verhaltensbedürfnisse betreffe, so gebe es hier zweifellos bei
der Käfighaltung hinsichtlich der Möglichkeiten zur
Bewegung und zum Scharren eindeutige Nachteile.
Hinsichtlich der Arbeitsplatzbedingungen gebe es im Bereich der
alternativen Haltung eine sehr viel höhere Staubbelastung,
auch einen größeren Zeitaufwand. Schließlich
schneide die Käfighaltung auch hinsichtlich der
Produktqualität deutlich besser ab als die alternative
Haltung. Sei das Tier gesund, gebe es auch gesunde und
rückstandsfreie Produkte. So sei bei der Freilandhaltung der
Tierarzeimitteleinsatz problematisch, da die Ausscheidungen von den
Hennen wieder aufgenommen würden. Hier gebe es keine Trennung
zwischen Tier und Kot.
Was die Situation in der Schweiz betreffe, so gehe es der dortigen
Geflügelwirtschaft sehr schlecht. Der Produktionsrückgang
nehme weiter zu, da die schweizer Verbraucher seit dem Beitritt
Österreichs zur EU verstärkt dort ihre Eier einkaufen
würden. Zur Zeit würde fast jedes zweite in der Schweiz
konsumierte Ei importiert. Sollte die nationale
Hennenhaltungsverordnung mit höheren Auflagen verbunden
werden, befürchte er, dass es in Deutschland zu ähnlichen
Entwicklungen wie in der Schweiz komme.
Dr. Glarita Martin bemerkt zu der Frage der
Tiergesundheit, dass die entsprechenden Bedingungen in der
Bodenhaltung vor allem in früheren Jahren nicht sehr ideal
gewesen seien, da die Besatzdichte angesichts des Konkurrenzdruckes
durch die Käfighalter vergrößert worden sei.
Allerdings gebe es eine Reihe von Landwirten, die die Boden- und
Volierenhaltung unter einwandfreien hygienischen und
ökologischen Bedingungen durchführten. Voraussetzung
hierfür sei eine qualitativ gute Einstreu, die dazu
führe, dass der Kot sofort gebunden und in Verbindung mit dem
Stroh biologisch abgebaut werde, was man aerobe Umsetzung nenne.
Damit würde eine Art humusartige Substanz entstehen, die unter
der Voraussetzung einer nicht zu großen Besatzdichte und
genügend Licht zu einem mikrobiologischen Gleichgewicht
führe. Zwar seien weiterhin Krankheitskeime vorhanden, aber
nur limitiert. Dies habe den Vorteil, dass sich die Tiere
immunisieren könnten, was in der Käfighaltung nicht
möglich sei.
Staub trete insbesondere dann auf, wenn die Einstreu zu trocken
sei. Wenn jedoch die Einstreu wie beschrieben entsprechend
qualitativ gut sei, verfüge sie auch über einen
bestimmten Feuchtigkeitsgrad zwischen 20 und 40 %, was eine
entsprechend starke Staubentwicklung verhindere. Insofern sei die
alternative Haltung, wie z. B. die Bodenhaltung, nicht von
vornherein hygienisch bedenklicher. Entscheidend sei die Art und
Weise, wie sie durchgeführt werde, was natürlich auch
entsprechende Kenntnisse und Zeit erfordere. Für die
notwendige Umstellung der Landwirte auf Alternativsysteme
könnten die Fördermöglichkeiten der
Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes verwendet werden. Auch habe man in
Baden-Württemberg im Tierschutzrat Empfehlungen zur
tiergerechten Legehennenhaltung ausgearbeitet. Diese Empfehlungen
betreffen nur alternative Systeme und enthielten Anforderungen, die
über die Verordnung hinausgehen.
Diese einzelbetriebliche Förderung sollte allerdings nur den
alternativen und nicht wie bisher auch den konventionellen
Haltungssystemen zur Verfügung stehen, um entsprechende
Anreize zur Umstellung zu schaffen.
In diesem Zusammenhang halte sie auch eine Art konzertierter
Werbekampagne unter Beteiligung der staatlichen Stellen, der
Wirtschaft, des Tierschutzes und der Forschung für
erforderlich, um, wie seinerzeit in der Schweiz anlässlich des
Verbotes der Käfighaltung, für alternative
Haltungssysteme, insbesondere auch bei den Verbrauchern, gezielt zu
werben. Diese seien auch zunehmend bereit, entsprechend höhere
Eierpreise zu zahlen.
RA Dr. Eisenhart von Loeper dankt für die
Aufmerksamkeit, die der Ausschuss diesem nicht einfachen Thema
widme, und für die souveräne Verhandlungsführung des
Vorsitzenden. Im Übrigen appelliert er nochmals an die
Beteiligten, das BVerfG-Urteil ernst zu nehmen. Es handele sich
hier um einen Konsens, der gerade zum jetzigen Zeitpunkt, in dem
eine neue Verordnung vorbereitet werde, besondere Bedeutung habe,
da sie im Einklang mit den entsprechenden Vorgaben stehen
müsse. So enthalte das Urteil eine Reihe neuer Ansätze,
zu denen auch der Begriff Grundbedürfnisse gehöre, die in
§ 2 TierSchG angesiedelt seien. Diese Grundbedürfnisse
der Tiere, denen die Grundrechte der Tierhalter
gegenüberstehen, könnten nur bei
unverhältnismäßigen Eingriffen begrenzt werden.
Dies bedeute, dass aus Gründen des effektiven Tierschutzes,
der nach Aussage des BVerfG zum Gemeinwohl gehöre, Grundrechte
eingeschränkt werden können. Im Übrigen gebe es eine
Globalisierung nicht nur im wirtschaftlichen, sondern
gewissermaßen auch im rechtlichen, und zwar im EU-Raum. So
erlaube es die EU in einzelnen Regelungsbereichen
ausdrücklich, dass einzelne Mitgliedstaaten eine
Vorreiterrolle einnehmen. Auch bei der Einführung des
bleifreien Benzins im Umweltbereich seien national Akzente gesetzt
worden, wobei es gleichzeitig gelungen sei, dies auch
wirtschaftlich umzusetzen. Insofern unterstütze er die
Forderung, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte in Einklang zu
bringen. Ergänzend dazu würden sicherlich flankierende
Maßnahmen erforderlich sein, wie z. B. im Bereich der
Kennzeichnung, der Öffentlichkeitsarbeit sowie dem Bereich der
steuerlichen Entlastungen.
Zur strittigen Frage der numerischen Größen neige er
eher doch der Auffassung zu, dass das BVerfG angesichts der
genannten Körpermaße Mindestgrößen für
die Bodenfläche und die Trogbreite vorgegeben habe. Dies
gewinne auch Bedeutung vor dem Hintergrund, dass Pflege des
Wohlbefindens der Tiere in weit verstandenem Sinne eine eindeutige
Vorgabe sei.
Hinsichtlich der Frage des Bestandsschutzes erinnert er daran, dass
der Verordnungsgeber der Verordnung, die für nichtig
erklärt worden sei, bereits 1987 einen Übergangscharakter
verliehen habe. Eine Dauerlösung sei also nie beabsichtigt
gewesen. Nach § 48 VVerfG sei ein Vertrauensschutz der
Betreiber nur dann gerechtfertigt, wenn das Vertrauen
schutzwürdig sei. Sei dem Halter jedoch bei Antragstellung der
vorläufige Charakter der zugrunde liegenden Verordnung bekannt
und liegen zu diesem Zeitpunkt ernst zu nehmende gerichtliche
Entscheidungen vor, die auf eine erhebliche Beeinträchtigung
des Wohlbefindens der Tiere im Käfig hinweisen, und
berücksichtige man schließlich die Tatsache, dass sowohl
Staatsminister Jürgens als auch PSt von Geldern bei der
seinerzeitigen Verabschiedung der Verordnung im Bundesrat zum
Ausdruck gebracht hätten, dass die vorgesehenen
Haltungssysteme nicht den Verhaltensanforderungen der Tiere dienen,
so sei letztlich kein Raum für eine entsprechende
Vertrauensschutzwürdigkeit. Bestehe aber ein entsprechendes
schutzwürdiges Vertrauen nicht, so gebe es auch keine
Entschädigung gemäß § 48 VVerfG.
Die Relevanz der öffentlichen Interessen, die eine
Rücknahme des rechtswidrigen und unanfechtbar gewordenen
Bescheides gebieten, steige durch die Feststellung des BVerfG, dass
der Batteriekäfig zu erheblichen Beeinträchtigungen des
Wohlbefindens der Tiere führe. Damit kehrten strafrechtliche
Elemente wieder, die in § 17 Nr. 2 TierSchG genannt seien. Aus
diesen Gründen seien Entschädigungsansprüche von
Legebatteriehaltern eindeutig zu verneinen, auch bei
einzelfallbezogenen Entscheidungen nach § 48 VVerfG auf Grund
der Schwere des Verstoßes und der mangelnden
Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf die Zukunft.
Prof. Dr. Gerhard Robbers weist darauf hin, dass
für den Verordnungsgeber eine eigenständige
verfassungsrechtliche Pflicht bestehe, jeweils nach den neuesten
wissenschaftlichen und ökonomischen Erkenntnissen die
erforderliche Abwägung vorzunehmen, zu der er nach dem
Tierschutzgesetz verpflichtet sei. Falsch wäre es, den
wissenschaftlichen Stand der Mitteilung der Kommission von 1998 auf
Dauer festzuschreiben. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse seien
bei der Ausarbeitung der neuen Verordnung zu berücksichtigen.
Die erwähnte Mitteilung der EU-Kommission sowie die
entsprechenden Empfehlungen des Europarates seien deshalb vom
BVerfG berücksichtigt worden, da sie zum damaligen Zeitpunkt
den wissenschaftlichen Stand wiedergegeben hätten.
RA Wolfgang Schindler erklärt, dass es
für einen, der mit der Materie nicht so vertraut sei, auf
Grund der unterschiedlichen Aussagen in dieser Anhörung
schwierig sei, zu einer eigenen Schlussfolgerung zu kommen. So
seien hier gemachte Aussagen zum Teil nicht belegt. Auch würde
die Aussage des DBV, nur glückliche Hühner seien
leistungsfähig, zu dem Schluss führen, dass man an der
Leistung erkennen könne, ob die Hühner leiden. Dieser
Schluss sei jedoch seit 20 Jahren widerlegt. Auch sei die indirekte
Behauptung, dass die Tiere in Käfigen gesund seien, abwegig.
So sei man in den einzigen relevanten Untersuchungen in den
Niederlanden zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tiere in der
alternativen Haltung durchaus gesund seien. Die Aussage, dass die
Käfighaltung für die Tiere sehr viel gesünder sei,
entbehre daher jeglicher Grundlage, da es über die
kommerzielle Haltung noch keinerlei Untersuchungen, lediglich in
Holland, gebe.
Im Übrigen stelle er fest, dass nicht einmal der Versuch
unternommen worden sei, seine Auffassung zu entkräften, wonach
der neue Entwurf einer Hennenhaltungsverordnung dem BVerfG-Urteil
widerspreche. Das Urteil sei zu dieser Aussage insgesamt
heranzuziehen und nicht punktuell. Danach stehe fest, dass die
Mindestbodenfläche wenigstens 900 cm2 betragen müsse.
Weiterhin müssten Scharren und Picken, eine geschützte
Eiablage, Sandbaden und Aufbaumen gewährleistet sein. Diese
Bedürfnisse könnten in den angereicherten Käfigen
nur unvollkommen, das Sandbaden überhaupt nicht,
berücksichtigt werden. Auch stelle das Urteil fest, dass
objektiv die herkömmliche Käfighaltung strafbar sei. Im
Übrigen enthalte das Urteil keinerlei Hinweise zu den
angeblichen negativen wirtschaftlichen Folgen, vor denen in einer
Reihe von Stellungnahmen gewarnt worden sei. So habe ein Gutachten
von Prof. Dr. Wolffram die Aussage enthalten, dass die Forderung
nach einer Mindestbodenfläche von 550 cm2 den Verlust von
9.181 Arbeitsplätzen zur Folge habe. Die Grundannahmen dieses
Gutachtens seien zumindest als irreführend zu betrachten. So
gingen die Berechnungen des Gutachtens nach einer Schätzung
des DGS von Kostensteigerungen zwischen 2 und 4 Pfennigen aus. Das
Gutachten des ZDG habe dann als Kostensteigerung den Mittelwert 3
Pfennig zugrunde gelegt. Da das Gericht auf diese Argumente nicht
eingegangen sei, könne man davon ausgehen, dass sie bei der
Entscheidung keinerlei Rolle gespielt hätten.
Hinsichtlich der Klagen der Branchen könne er die
Ausführungen von Prof. Dr. Kutscha nur unterstreichen und
verweist hierzu nochmals auf die Situation in der Schweiz. So
würden dort heute nicht weniger Eier produziert als vor 20
Jahren. Im Übrigen habe die Zahl der Arbeitsplätze, die
mit der Eiererzeugung in Verbindung stehen, um 20 % zugenommen.
Auch habe der schweizer Käufer heute die Wahl zwischen einem
Käfigei zu 25 Rappen sowie einem alternativ erzeugten Ei zu 45
Rappen.
Dies sei ein erheblicher Preisunterschied, der in Deutschland nicht
so groß sein müsste. Wenn man weiterhin
berücksichtige, dass in der Schweiz ca. 70 % der Verbraucher
auf die alternativ und heimatnah erzeugten Eier zurückgreife,
sei nicht einsehbar, warum dies nicht auch in Deutschland
möglich sein sollte.
Zu dem Hinweis seitens der Geflügelwirtschaft, dass es in der
Schweiz zu Betriebsschließungen in der
Größenordnung von 33 % gekommen sei, entgegnet er, dass
sich in Deutschland auf Grund der Konzentration der Eiererzeugung
in den letzten 20 Jahren die Zahl der Betriebe auf ein Drittel
reduziert habe.
Was die richtige Tatsache betreffe, dass es in der Schweiz zu
Importerhöhungen gekommen sei, so beruhten diese darauf, dass
sie für die Herstellung von Eiindustrieprodukten in der
Schweiz Verwendung finden, die für den EU-Raum vorgesehen
seien. Dieser Importzuwachs lasse allerdings keinerlei Prognose
darüber zu, wie der Verbraucher in Deutschland entscheide,
wenn er die Wahl zwischen einem Kä-figei und einem um ca. 20 %
teureren Alternativei habe.
Zu dem Vorwurf, er habe das BVerfG nicht seriös zitiert, laute
der entscheidende Satz, den er inhaltlich wiedergegeben habe, wie
folgt: ?Ob daneben auch weitere artgemäße
Bedürfnisse, wie insbesondere das Scharren und Picken, die
ungestörte und geschützte Eiablage, die
Körperpflege, zu der auch das Sandbaden gehört, oder das
erhöhte Sitzen auf Stangen durch die in § 2 Abs. 1 usw.
Hennenhaltungsverordnung getroffenen Regelung über die
Käfighaltung unangemessen zurückgedrängt werden,
kann offen bleiben.? Damit wolle das Gericht zweierlei
ausdrücken. So sei es zur Feststellung der Nichtigkeit nicht
notwendig, auf weitere Bedürfnisse der Tiere einzugehen.
Weiterhin sei es bemerkenswert, dass das Gericht auf die
Bedürfnisse im Einzelnen eingehe. Um auszudrücken, dass
es keiner weiteren Begründung bedürfe, hätte es den
Satz wesentlich kürzer fassen können. Dies habe er mit
seiner inhaltlichen Wiedergabe des Satzes zum Ausdruck bringen
wollen, was keineswegs den Vorwurf der Unseriosität
rechtfertige.
Im Übrigen sei der Hinweis, die im BVerfG-Urteil angegebene
Mindestfläche von 690 cm2 werde durch die in der neuen
Verordnung vorgegebene Mindestfläche von 750 cm2 sogar
überschritten, unseriös, da von diesen 750 cm2 nur 600
cm2 für das Stehen der Henne nutzbar seien. Hinzu komme, dass
die neue Verordnung für eine Übergangszeit von drei
Jahren 450 cm2 und 550 cm2 für weitere 11 Jahre zulasse. Auch
sei es nicht richtig, dass die neue Verordnung das Sandbaden
vorsehe.
Auch hinke der Vergleich mit der Kernenergie, da das Betreiben von
Kernkraftwerken keine Straftat darstelle, während die
Käfighaltung objektiv den Tatbestand der Tierquälerei
erfülle. Das Argument der Arbeitsplatzbedingungen greife
nicht. Wenn es im Zuge der Umstellung auf alternative
Haltungssysteme auf Grund höherer Staubentwicklungen zu
Frühverrentungen von Beschäftigten gekommen sei, so liege
dies daran, dass die entsprechenden Arbeitsplatzschutzbestimmungen
nicht eingehalten worden seien.
Dr. Klaus Peter Linn, ZDG, erklärt, dass in
der neuen Hennenhaltungsverordnung, und zwar in § 6, sehr wohl
das Sandbaden vorgesehen sei. Hinsichtlich der Tiergesundheit gebe
es zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die belegten, dass
die Gesundheit der Tiere in der Käfighaltung größer
sei als in der alternativen Haltung. Auch könne dies durch die
praktischen Tierärzte vor Ort belegt werden. Zur Frage der
Zahl der Legehennenhalter weist er darauf hin, dass es 1996 in
Deutschland insgesamt 220.000 Legehennenhalter gegeben habe. Die
offiziellen Tierzählungen würden allerdings erst bei
einer Tierhaltung über 3.000 Hennen einsetzen. So liege die
Zahl der Haltungen von 1998 mit 3.000 bis 5.000 Hennenplätzen
bei 273, mit 5.000 bis 10.000 Hennenplätzen bei 443, mit
10.000 bis 30.000 Hennenplätzen bei 375, mit 30.000 und mehr
Hennenplätze bei 252. Das Gros der Betriebe seien also
Kleinsthaltungen unter 3.000 Hennenplätze, für die die
Eierproduktion ein weiteres wirtschaftliches Standbein sei.
Was die WTO-Verhandlungen betreffe, so hätten die
amerikanischen Delegationsmitglieder in den Vorgesprächen
eindeutig zu erkennen gegeben, Fragen des Tierschutzes in den
anstehenden WTO-Verhandlungen nicht zu erörtern, geschweige
denn, entsprechende Standards in die WTO-Vereinbarungen
aufzunehmen. Argument sei, dass nur wissenschaftlich fundierte
Fakten erörtert werden könnten. Die Ethologie würde
allerdings wissenschaftlichen Ansprüchen nicht immer gerecht
werden. Für die europäischen Produzenten werde es daher
sehr schwer sein, sich künftig auf dem Weltmarkt zu behaupten.
Auf Grund der Wettbewerbsnachteile deutscher Produzenten innerhalb
Europas würden insbesondere kapitalschwache bäuerliche
Betriebe nicht überleben können. Eine
?eins-zu-eins?-Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht sei
daher gerade für diese Betriebe unverzichtbar. Der Tierschutz
sollte hier nicht zur Strukturbereinigung beitragen.
Dr. Ronald Steiling, ZDG, weist die Aussage
zurück, dass das weitere Betreiben einer Käfighaltung in
Deutschland eine Straftat darstelle. Wäre dies so, müsste
man dem BVerfG den Vorwurf machen, eine Anstiftung zur Straftat
begangen zu haben, da es am Ende des Urteils formuliert habe, dass
vorhandene Käfiganlagen, die auf unanfechtbar gewordenen
Genehmigungen beruhen, im Bestand geschützt bleiben. Im
Übrigen habe das BVerfG den Verordnungsgeber verpflichtet,
einen Ausgleich zwischen den Belangen des Tierschutzes und der
Legehennenhalter zu schaffen. Dieser gerechte Ausgleich sei in der
EG-Richtlinie enthalten, die auf den neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhe. Es gebe auch deshalb keinen Grund, hiervon
abzuweichen, da gemäß Artikel 10 der Richtlinie die
Kommission dem Rat bis zum 1. Januar 2005 einen auf der Grundlage
einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen
Veterinärausschusses erstellten Berichtes über die
verschiedenen Systeme zur Haltung von Legehennen vorzulegen habe.
Selbst die EU-Kommission habe hinsichtlich der Ausgestaltung der
Käfige noch keine feste Meinung, da es noch keine
abschließenden Ergebnisse über die ausgestalteten
Käfige gebe. Deshalb sei eine ?eins-zu-eins?-Umsetzung der
EG-Richtlinie geboten, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Auch dies sei nach EU-Recht eine Aufgabe des Binnenmarktes, womit
auch den rechtlich geschützten Interessen der Tierhalter
entsprochen werde.
Prof. Dr. Martin Kutscha weist darauf hin, dass
das BVerfG zum Interessenausgleich zwischen den Belangen des
Tierschutzes und der Tierhalter zwei konkrete Vorgaben gemacht
habe, und zwar zum einen zur Mindestgröße pro Henne
bezogen auf das Schlafbedürfnis und zum anderen zur
Mindestgröße des Troges. Hieran müsse sich die neue
Verordnung mindestens messen lassen. Diese Mindestgrößen
seien einzuhalten, was nach dem jetzigen Entwurf nicht sagen
könne. Auch sollte das BVerfG rechtspolitisch ernst genommen
werden, was zur Zeit zum Teil leider nicht der Fall und auch im
Hinblick auf das Verhalten der Bevölkerung wichtig sei.
Die Frage des DBV, ob Deutschland nicht weltweit eine
Chancengleichheit haben solle, verneint er. Dies könne die
nationale Rechtsordnung nicht gewährleisten. So müsse man
damit leben, dass das deutsche Recht bestimmte höhere
Anforderungen stelle, und zwar sowohl hinsichtlich der Tiere als
auch hinsichtlich des Menschen als Arbeitskraft. Politisch ergebe
sich daher auch für die staatlichen Stellen die Aufgabe, sich
dafür einzusetzen, dass beim Handel entsprechende Vorgaben
beachtet werden, um damit auch zu einer Anhebung der entsprechenden
Standards in anderen Ländern beizutragen.
Dr. Klaus Damme erklärt, dass man insgesamt
für eine tiergerechte Legehennenhaltung eintrete, die national
auf EU-Ebene und auch weltweit zunehmen solle. Auf der Ebene der EU
seien die Weichen bereits gestellt worden, und zwar gebe es einen
sanften Ausstieg aus der Käfighennenhaltung bis zum Jahre
2012. Diese Übergangszeit sei auch erforderlich, denn bei
einem abrupten Ausstieg würden zahlreiche Betriebe den
Einstieg in die alternative Haltung nicht mehr leisten
können.
Was die 12 cm Troglänge betreffe, so könne durch
Selektion das Verhalten der Tiere verändert werden, was sich
am Beispiel der Verhaltensstörungen wie aggressives Picken und
Kannibalismus zeige. So habe man auf Grund einer Nichtbeachtung
dieser Verhaltensmerkmale und die Selektion in Einzelkäfigen
Herkünfte, die diese Verhaltensstörungen deutlich
stärker zeigten als früher. Zum Teil müsse man damit
rechnen, dass sich dann, wenn man bei anderen Merkmalen direkt
selektiere - Veränderung der Legeleistung, Reduzierung des
Körpergewichtes, Veränderung der
Futteraufnahmemöglichkeit der Tiere - diese Änderung in
den Leistungsmerkmalen, auch in Änderungen der Futteraufnahme
manifestierten. Er kenne keine Studie, die mit aktuellen Hybriden
und Herkünften Stress-, Futteraufnahmeverhalten bei
unterschiedlichen Futterangeboten und unterschiedlicher
Troglänge eingehend getestet habe. Der Stress einer Henne
dürfte deutlich abgebaut sein, wenn den Hennen sechs- bis
zehnmal pro Tag Futter frisch angeboten werde. Daher schlage er den
Kompromiss vor, dass für Betriebe, die nur restriktiv
füttern, eine Troglänge von 12 cm gefordert werde.
Hiermit könnte die Praxis leben.
Nach Auffassung von Prof. Dr. Windhorst
müssten sich Ökonomie und Tierschutz nicht widersprechen.
Nachhaltige Tierproduktion sei nur dann möglich und umsetzbar,
wenn sie rentabel sei. Wenn es eine marktorientierte Eierproduktion
in Deutschland mittelfristig geben solle, sei es erforderlich, die
EG-Richtlinie in ihrer bisherigen Form umzusetzen und national
keine Verschärfungen vorzunehmen, da dies die
Konkurrenzfähigkeit deutscher Hennenhalter nachhaltig
beeinflussen würde. Auch sollte man noch einmal darüber
nachdenken, ob nicht alle Beteiligten mit dem Kompromissvorschlag
des BLT leben könnten.
Was die Deklarierung betreffe, so sei sie von verarbeitetem
Geflügelfleisch nicht erforderlich, wohl aber, wenn es als
Frischfleisch auf den Markt komme. Bei Eiern könne man dies
auf den Kleinverpackungen entsprechend der Länderbuchstaben
entnehmen. Der jetzige Vorstoß für eine sog.
Dreifachkennzeichnung - z. B. D-D-D, also Brut, Aufzucht,
Produktion und Verpackung in Deutschland - würde für die
Transparenz im Markt sehr viel beitragen. Dies würde den
Verbraucherinteressen sicherlich entgegenkommen.
Auf Einwand des Vorsitzenden bestätigt er,
dass die Kennzeichnungen für den Verbraucher deutlicher
erkennbar sein müssen. Herkunfts- und Qualitätssicherung
seien eine der großen Forderung der nächsten Zukunft.
Problematisch seien allerdings weniger die Kleinverpackungen als
vielmehr die locker verpackte Ware.
Prof. Dr. Rudolf Wolffram wirft Rechtsanwalt
Schindler vor, dass er keinen Beweis für seine
ökonomischen Aussagen angetreten habe. Im Übrigen handele
es sich bei seinem zitierten Gutachten nicht um ein
Gefälligkeitsgutachten.
Was die Kosten betreffe, so habe man hier nachgefragt, wie auch bei
Dr. Damme. Man habe allerdings keine genauen Kosten erfahren. Dass
es allerdings zu einem Kostenanstieg kommen werde, müsste auch
einem Juristen klar sein. Da der Verband mit einer Kostensteigerung
zwischen 2 bis 4 Pfennigen rechne, habe man den Mittelwert
genommen. Entscheidend sei jedoch die Tatsache, dass es zu einem
Kostenanstieg komme, und die Frage, wie sich die Produktion in der
Bundesrepublik weiter entwickeln werde, ob es zu Preissteigerungen
komme und wenn ja in welcher Höhe. Sollten die Preise um einen
Pfennig steigen, dann verblieben nach Abzug der Transportkosten
für die EU-Mitgliedsländer Gewinne von 0,5 Pfennig pro
Ei, was also 50 % in der Eierproduktion bedeute. Auf Grund der
Kostenerhöhungen werde es auch zu entsprechenden
Verdrängungen auf dem Markt kommen. Tatsache sei auch, dass
Wertschöpfungen in einer Größenordnung von ca. 500
Mio. DM und Arbeitsplätze verloren gingen, seien es 7.800 oder
9.800. Dies bedeute insgesamt gravierende Veränderungen im
gesamten Produktionsbereich, was insbesondere in den
strukturschwachen Gebieten zu einer Erhöhung der
Arbeitslosigkeit führen würde. Ein Gegenbeweis dieser
Prognose sei bisher nicht angetreten worden.
Im Übrigen unterstreiche er, dass nationale Anforderungen, die
über die EU-Richtlinie hinausgingen, aus
Wettbewerbsgründen nicht akzeptabel seien. Tatsache sei auch,
dass kapitalstarke Betriebe ihre Produktion nach Osteuropa
verlagern würden. Dies zeichne sich bereits ab. Es müsse
daher ernsthaft die Frage gestellt werden, ob man sich diesen
Verlust bei der Wertschöpfung und dem Arbeitskräftebesatz
leisten könne. Schließlich sei zu berücksichtigen,
dass den berechtigten Belangen des Tierschutzes durch solche
Entwicklungen nicht mehr, sondern weniger entsprochen werde.
Der Ausschuss dankt den Sachverständigen
für die umfangreichen Auskünfte dieser sehr sensiblen
Materie. Gleichwohl verhehle er nicht auf Grund der auch
unterschiedlichen Aussagen die Schwierigkeit, sich eine eigene
Meinung zu bilden für den notwendigen Ausgleich zwischen den
Belangen des Tierschutzes auf der einen und denen der Tierhalter
auf der anderen Seite.
Der Vorsitzende schließt die Anhörung
15.30 Uhr.