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14. Wahlperiode
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Deutscher Bundestag
Protokoll 14/50
14. Wahlperiode

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Protokoll

50. Sitzung
Wortprotokoll der Öffentlichen Anhörung
vom 15. November 2000, 14.30 Uhr,
Berlin, Plenarbereich Reichstagsgebäude, Saal 3 N 008

Vorsitz: Christel Hanewinckel, MdB

Tagesordnung:

Einziger Punkt der Tagesordnung:

ÖffentlicheAnhörung

I. Zu den folgenden Vorlagen

a)

Bericht der Bundesregierung über die Auswirkunder jetzigen Fassung

des § 3 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS)

-Drucksache 14/1105-

federführend :

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

mitberatend :

Rechtsausschuss

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ausschuss für Kultur und Medien

b) Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen und Entwicklungen bei

den neuen Informations- und Kommunikationsdiensten im Zusammenhang

mit der Umsetzung des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes

(IuKDG)

-Drucksache 14/1191-

federführend:

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

mitberatend :

Innenausschuss

Rechtsausschuss

Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ausschuss für Tourismus

Ausschuss für Kultur und Medien

c)

Dritter Zwischenbericht der Enquete-Kommission 'Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft' zum Thema

Kinder- und Jugendschutz im Multimediazeitalter

- Drucksache 13/11001-

federführend :

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

mitberatend :

Innenausschuss

Rechtsausschuss

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ausschuss für Kultur und Medien

sowie

    Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels, Hildegard Wester, Lothar Bindig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

    sowie der Abgeordneten Christian Simmert, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch

    und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

    - Ausschussdrucksache 14/374 (neu)-

    Berichterstatter

    Abg. Kerstin Griese (SPD)

    Abg. Maria Eichhorn (CDU/CSU)

    Abg. Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Abg. Klaus Haupt (F.D.P.)

    II. Liste der Sachverständigen:

    Dr. Anja Bundschuh

    Kirchmedia GmbH & Co. KG

    Robert-Burkle-Str. 2

    85737 Ismaning

    Christine Feil

    Deutsches Jugendinstitut e. V.

    Nockherstr. 2

    81541 München

    Thorsten Grothe

    Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation e. V.

    Burgstr. 69

    53177 Bonn

    Cornelius von Heyl

    Jugendschutz.net

    Austraße 33

    52179 Bonn

    Folker Hönge

    Ständiger Vertreter der Obersten

    Landesjugendbehörden

    bei der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK)

    Postfach 5129

    65041 Wiesbaden

    Irene Johns

    Deutscher Kinderschutzbund e. V.

    -Kinderschutz-Zentrum Kiel ?

    Zastrowstr. 12

    24114 Kiel

    Christine Ketzer

    Erfa-Kreis des Chaos-Computer-Club e.V.

    Postfach 64 02 36

    D-10048 Berlin

    Elke Monssen-Engberding

    Vorsitzende der Bundesprüfstelle

    für jugendgefährdende Schriften

    Kennedyallee 105

    53175 Bonn

    Dr. Wolfgang Schulz

    Hans-Bredow-Institut

    für Medienforschung

    an der Universität Hamburg

    Heimhuder Str. 21

    20148 Hamburg

    Werner Sosalla

    Direktor der Landesmedienanstalt Saar

    Nell-Breuning-Allee 6

    66115 Saarbrücken

    Dr. Arthur Waldenberger

    Verband der Deutschen

    Zeitschriftenverleger e.V.

    Markgrafenstr. 15

    10969 Berlin

    III. Fragenkatalog:

    Inhalt der Anhörung:

    Der inhaltliche Schwerpunkt wird auf das Internet gelegt werden. Im Vordergrund stehen Online-Angebote. Ergänzend wird das Fernsehen, insbesondere das digitale Fernsehen einbezogen. Rundfunk, Videos, CDs, Offline-Angebote u.s.w. stehen bei dieser Anhörung im Hintergrund. Nur bei den Themenbereichen Spiele und Werbung sollte von dieser Beschränkung abgewichen werden.

    Folgende fünf Themenblöcke sind vorgesehen:

    1) Jugendgefährdende Angebote

    2) Rechtliche und institutionelle Maßnahmen des Jugendschutzes

    a) Wie hat sich die rechtliche Situation für den Jugendschutz in den letzen Jahren insbesondere im Hinblick auf die neuen Medien entwickelt?

    b) Wie hat sich die Arbeit der relevanten Institutionen (z.B. Bundesprüfstelle, Freiwillige Selbstkontrolle, Jugendschutz.net, Jugendschutzbeauftragte) in den letzten Jahren entwickelt?

    3) Technische Möglichkeiten des Jugendschutzes

    4) Verhältnis Medienkompetenz und Schutzmaßnahmen

    Welche medienpädagogischen Maßnahmen zur Stärkung der Medienkompetenz von Jugendlichen sind insbesondere im Umgang mit den neuen Medien nötig und in welchem Verhältnis stehen diese zu notwendigen Schutzmaßnahmen ?

    5) Europäische und internationale Aspekte



    50. Sitzung

    Beginn: 14.30 Uhr

    Vorsitzende Ich eröffne die Anhörung des Familienausschusses und begrüße sehr herzlich alle Sachverständigen. Ihre schriftlichen Stellungnahmen liegen uns vor. Ich bitte Sie nun, dass Sie in etwa drei bis höchstens fünf Minuten Ihr Statement oder das, was noch darüber hinausgeht, hier kurz vorzustellen, danach schließen wir die erste Fragerunde an, in der erst die Berichterstatter und danach alle Kolleginnen und Kollegen ihre Fragen stellen können. Wir gehen in alphabetischer Reihenfolge vor und ich gebe jetzt Frau Anja Bundschuh das Wort.

    SV Dr. Anja Bundschuh : Vielen Dank, Frau Vorsitzende, sehr verehrte Abgeordnete, der Einladung habe ich entnehmen können, dass der Schwerpunkt dieser Anhörung im Internet liegen wird, die Tatsache, dass Sie die Kirch-Gruppe eingeladen haben, hat mich zu dem Schluss veranlasst, dass Sie dies getan haben, weil wir diejenigen sind, die in Deutschland das digitale Fernsehen seit Mitte der 90er Jahre durch erhebliche Investitionen entschieden vorangebracht haben und Sie insbesondere, was mir aus der Einladung klar wurde, Interesse daran haben, Erfahrungen im Bereich ?digitales Fernsehen? mitgeteilt zu bekommen. Ich konzentriere mich deswegen auf den Bereich ?digitales Fernsehen?, wie es jetzt in Deutschland in seiner Anfangsphase verstärkt ausgeprägt ist, nämlich das digitale ?pay-tv?. Die Entwicklung des digitalen Fernsehens hat auch in anderen europäischen Ländern durch das digitale pay-tv den entschiedenen push bekommen. Digitales Fernsehen bedeutet nicht nur eine technisch andere Art und Weise der Übertragung von Bild und Ton, die technischen Neuerungen ermöglichen auch neue Nutzungsformen. Digitales Fernsehen wird in Zukunft und bereits jetzt in Ansätzen zu einer individualisierten Abrufbarkeit von Informationen bzw. Inhalten führen. Letztlich bekommen sie jeglichen Inhalt über jegliche Verbreitungsform, sei es IP-basiertes Internet-Protokoll oder Rundfunktechnologien.

    Technik steht beim digitalen Fernsehen im Zentrum und damit auch an einem sehr wichtigen Platz für den Jugendschutz. Ich möchte Ihnen dieses digitale Neuland mit der digitalen Vorversperrung kurz erläutern. Wir haben in Deutschland unterschiedliche Jugendschutzebenen aufgrund der Regulierungsdichte. Wir haben im analogen Fernsehen den Schwerpunkt der Sendezeitenregulierung, im digitalen Fernsehen durch die Technik die Möglichkeit, zusätzlich zu diesen Sendezeiten technische Maßnahmen, die in der Box integriert sind, zu nutzen. Zwei verschiedene Möglichkeiten existieren dazu in Europa, einmal die Kindersperre, d.h. die Eltern können selbst aktiv entscheiden, welche Sendung sie ihren Kindern nicht zugänglich machen wollen. Diese sog. Kindersperre hatten wir als digitaler pay-tv-Veranstalter mit DF 1 im Jahr 1996 auch in unserer Box integriert. Die Landesmedienanstalten haben in dem sog. Praxistest 1 diese Sperrmöglichkeit als nicht ausreichend im Sinne des Jugendschutzgesetzes nicht anerkannt. Wir haben daraufhin mit den Landesmedienanstalten ein neues Konzept erarbeitet, das jetzt in der derzeitigen Form der digitalen Box, die für den Empfang digitaler Signale notwendig ist, vorliegt, die digitale Vorversperrung. Sie besagt, dass sie Filme, die eine FSK-16 bzw. FSK-18 Kennzeichnung haben, außerhalb der vom Rundfunkstaatsvertrag vorgegebenen Sendezeiten, FSK-16-Filme ab 22.00 Uhr, FSK-18-Filme ab 23.00 Uhr, außerhalb dieser Sendezeiten laufen lassen können mit dem Vorbehalt, dass diese Filme vorgesperrt sind. Sie kommen beim Zuschauer mit schwarzem Bildschirm an, der Zuschauer wird auf den jugendschutzrelevanten Inhalt hingewiesen, die Eltern müssen sich dann auseinandersetzen, ob sie den Film freigeben wollen. Die Freischaltung des schwarzen Bildschirms erfolgt durch Eingabe eines vierstelligen Pin-Codes, dieser sieht aus wie der Code einer Scheckkarte. Wenn es zur Einführung des interaktiven pay-review Angebots kommt, d.h. wenn der Einzelabruf von Sendungen über die Fernbedienung funktioniert ? interaktiv über einen direkten Kanal zum Sendezentrum, dass wir diesen Pincode mit der Geheimzahl für die Bestellung kombinieren. Wir halten dies für ein gutes Kontrollinstrument, um diesen Missbrauch, der letztlich nicht in der Verantwortung der Veranstalter liegt, einzuschränken.

    Mit Blick auf die Konvergenz, d.h. bei der Möglichkeit, audiovisuelle Inhalte nun auch über Internet zu empfangen, gilt, die digitale Vorsperre, wie sie jetzt im digitalen Fernsehen existiert, dort steht die Veranstalterseite sehr im Vordergrund. Das ist gerechtfertigt und im Vergleich zum analogen Fernsehen äquivalent.

    Im Internet haben wir eine Verantwortlichkeit, die bei den Eltern liegt. Die Internetanbieter stellen zur Verfügung, dass Eltern bestimmte Filter einstellen können und aktiv entscheiden, diese Inhalte möchte ich meinem Kind nicht zeigen. Wir haben hier zwei unterschiedliche Ebenen der Verantwortlichkeit, womit ich zu dem Thema Ordnungspolitik komme. Die bisherige Trennung von Telediensten und Rundfunk wird letztendlich durch die Beliebigkeit der Übertragungswege sehr an Bedeutung verlieren. Bisher macht sich die Unterschiedlichkeit der Rundfunkregulierung bzw. die unterschiedlichen Mediendienstregulierung noch am Übertragungsweg fest. Dies wird bereits jetzt schon ad absurdum geführt und auf Dauer nicht mehr tragbar sein, z.B. Einzelabruf von Inhalten. Wenn Sie einen FSK-18-Film über Rundfunkübertragung, beim Premiere World im ?hear video on demand? Verfahren, also über digitales pay-tv abrufen, unterliegt der Veranstalter den Jugendschutzregelungen des Rundfunkstaatsvertrages, d.h. er ist an Sendezeiten gebunden und muss die digitale Vorversperrung nutzen. Wenn sie den gleichen Film über ip-basierte Protokolle im Internet abrufen wollen, können sie den jederzeit abrufen. Sie haben eine bestimmte Altersabfrage, die sie umgehen können, deren Effektivität also zweifelhaft ist.

    Drei Fragen sind aus unserer Sicht relevant: Wichtig ist, dass wir in Zukunft einen kohärenten Regelungsrahmen haben, der die Dienste, die über bestimmte Teledienste abrufbar sind, rechtlich gleich behandelt, d.h. audiovisuelle Inhalte müssen vergleichbar geregelt werden. Ein mögliches Kriterium ist die Zugänglichkeit, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass technische Maßnahmen im Jugendschutz eine große Rolle im Jugendschutz spielen werden.

    Zweites Problem: Wie lösen wir die Verantwortlichkeiten, die Diskrepanz Internet und pay-tv bzw. free-tv.

    Drittes Problem: Verhältnis Selbstkontrolle und staatliche Kontrolle. Klar ist, dass es einen gesetzlichen Rahmen geben muss, der Sendeverbote statuiert. Hier ist auch ein globaler Konsens erforderlich, um Sendeverbote zu statuieren und die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden zu intensivieren. Bei Sendebeschränkungen global Einigkeit zu erzielen, ist recht schwierig. Hier können technische als auch die Selbstkontrolle platzgreifen.

    Grundsätzlich muss gelten: Vorabkontrolle durch die Institutionen der Selbstkontrolle. Dazu müssen die bestehenden Institutionen, z.B. die FSF gestärkt werden ? im Rundfunkstaatsvertrag war eher eine gegenläufige Tendenz erkennbar.

    Vermieden werden muss auch die Verwebung von Aufsichtsinstanzen in die Vorabkontrolle hinein ? das ist im Rundfunkstaatsvertrag derzeit noch praktiziert.

    Aus Sicht des digitalen pay-tv-Veranstalters in Umsetzung der EU-Fernsehrichtlinie ist wichtig: Es muss ein Bekenntnis zu den unterschiedlichen Möglichkeiten des Jugendschutzes konsequent auch im gesetzlichen Rahmen umgesetzt werden, ein abgestufter Mechanismus bestehend aus Sendezeiten, technischen Maßnahmen und Selbstkontrolle. Über allem schwebt das Thema ?Medienkompetenz?, wo wir von Premiere world versuchen, Aufklärungsarbeit zu leisten.

    Vorsitzende : Ich möchte noch einmal betonen, dass wir uns heute als inhaltlichen Schwerpunkt das Internet ausgewählt haben, in zweiter Linie die on-line Angebote und ergänzend das Fernsehen, insbesondere das digitale Fernsehen.

    SV Christine Feil : Ich möchte hervorheben, dass wir aus der Perspektive des Internets das Thema angegangen sind und möchte klarstellen, dass wir das Thema Kinder im Internet oder Kinder- und Jugendschutz weniger aus der juristischen Perspektive behandeln, wie es hier im Fragenkatalog angesprochen ist, oder aus technischer Perspektive, sondern eher vom Standpunkt der Medienpädagogik aus sehen. Provokant möchte ich sagen, man weiß, das steht in den Gutachten, die Sie selbst in Auftrag gegeben haben, dass der überwiegende Teil oder alle Filtertechnologien unzureichend funktionieren, und dass es umgekehrt auch vom pädagogischen oder dem Medienstandpunkt aus nicht klar ist, ob es wünschenswert ist, alles kontrollieren zu wollen, was Kinder im Internet tun. Von der Rechercheseite her, wenn es um Fragen der Pornographie geht, Gewaltverherrlichung oder Volksverhetzung, wenn man sich auf Kinderseite befindet, ist so etwas nicht zu finden. Es kommt vor, wenn Kinderseiten eingebunden sind in Erwachsenenseiten, dann braucht es Sensibilisierung, damit klar ist, dass Kinder auch eigenständige Angebote benötigen, wobei die Anbieter verpflichtet sind, die Links, die auf den Seiten sind, ausreichend zu prüfen.

    Es gibt andere Vorschläge zur Kindertechnologie von medienpägadogischer Seite, dass z.B. soziale Kontrolle genügt. Also wenn Kinder in öffentlichen Räumen, das ist das Thema des Jugendschutzes überhaupt, was Kindern öffentlich zugänglich ist ? was zu Hause passiert, ist etwas anderes -, dass die Räume so gestaltet sind, dass einsehbar ist, was Kinder im Netz treiben und welche Seiten sie ansteuern. Es stellt sich die Frage, wenn man Filtertechnologien benutzen will, wer überhaupt die Filtertechnologien mit Inhalten füllt, das Hauptproblem, und wer kontrolliert die Kontrolleure.

    Bei der Filtertechnologie ist man immer sofort mit dem Thema konfrontiert: Wo beginnt Kinder- und Jugendschutz und wo beginnt Zensur ? das ist die Streitfrage.

    Total unterbeleuchtet ist das Thema Werbung und Datenschutz. Die Daten, die abgesaugt werden, ich kann Ihnen dazu Informationsmaterial ?screen shots? geben. Was passiert da, was wird mit den Daten gemacht, oder werden sie so harmlos verwendet wie ein Gewinnspiel um kleine Preise, wie es oft dargestellt wird?

    SV Thorsten Grothe : Ich bin vom Verband privater Rundfunk- und Telekommunikation. Ein kleiner Ausflug in den Fernsehbereich muss erlaubt sein. Ich denke, dass die Rede von Konvergenz auch das Augenmerk darauf legen muss, dass vergleichbare Inhalte insbesondere bei Jugendschutzfragen, aber auch bei anderen Themen, nicht unterschiedlich behandelt werden. Die Entwicklung des Internets, das sich weitgehend staatlicher Kontrolle entzieht, ist insoweit ein Petitum für Selbstkontrolle. Medienübergreifend gilt es in Zukunft die Selbstkontrolle als grundsätzliches Prinzip zur Einhaltung von Jugendschutzvorgaben zu stärken. Die von Frau Dr. Bundschuh angesprochenen Verschärfungen im Rundfunkstaatsvertrag waren sicherlich ein Schritt in die falsche Richtung. Sass man der freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen ein originäres Aufgabenfeld, obwohl es gut funktioniert hat, genommen hat, mit Blick auf die Bewertung von indizierten Filmen und Ausnahmegenehmigungen und wieder zurück in die Hände der Landesmedienanstalten gelegt hat, war kein ermutigendes Signal für die Selbstkontrolle, auch über den Fernsehbereich hinaus.

    Einheitliches Jugendschutzniveau zu sichern heißt auch, zu erkennen, dass Jugendschutz nicht teilbar ist. Sicherlich wird man unterschiedlichen technischen Sperrmöglichkeiten Raum geben müssen. Nur vergleichbare Angebote müssen letztlich auch unter Jugendschutzgesichtspunkten gleich behandelt werden. D.h. ein Unterschied zwischen Video on-demand?Angeboten und Near video on demand-Angeboten, nur weil sie auf unterschiedlichen Übertragungsplattformen basiert, die einen rundfunkbasiert, die anderen über Kabelnetze, ist es nicht plausibel, hier Unterschiede zu machen. Gleiches gilt auch für die Vereinheitlichung der Aufsicht. Gerade weil in Jugendschutzfragen der externen Aufsicht ein relativ weiter Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Inhalte zu Gebote steht, ist hier zumindest eine starke Kooperation bei der Aufsichtseinrichtung der Landesmedienanstalten und der obersten Landesjugendbehörden, länderseitig auch der Bundesprüfstelle, angezeigt.

    Ich denke, dass eine Ausdehnung der Zuständigkeit des Bundes oder der politische Versuch dazu sehr schnell an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen dürfte, so weit Rundfunk- und Mediendienste betroffen wären. Sinnvoller wäre es und kompetenz- und verfahrensrechtlich gebotener, hier zunächst auf Länderseite anzufangen und dann mit dem Bund darüber zu reden, inwieweit auch die Aufsicht über die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen bei Telediensten unter Umständen mit in die Zuständigkeit der Länder fallen könnten. Hier sind politische Gespräche notwendig. Ich sehe die eher auf Länderseite. Die juristischen Abgrenzungsprobleme hat Herr Dr. Schulz in seiner schriftlichen Stellungnahme detailliert geschildert.

    Eine Bemerkung fernsehspezifisch, weil in dem vorliegenden Entschließungsantrag auch gefordert wird, Werbung im Kinderfernsehen zu untersagen. Wir halten das für einen grundsätzlich falschen Ansatz, der nicht nur nichts nützen wird, sondern nach Lage der Dinge kontraproduktive Auswirkungen haben dürfte. Privates Fernsehen ist existentiell auf Werbung angewiesen. Ich möchte kurz die möglichen Folgen skizzieren: Wenn ein umfassendes Verbot von Werbung im Umfeld von Kindersendungen über das jetzt bestehende Verbot der Unterbrecherwerbung bei Kindersendungen hinaus implementiert werden würde, unabhängig davon, dass das sicherlich nicht die Aufgabe des Bundesgesetzgebers wäre, müsste dies zur Folge haben, dass im privaten Rundfunk immer weniger Kinderprogramme angeboten werden können, weil sie nicht refinanziert werden können. Ich glaube nicht, dass Kinder weniger fernsehen, hieße das, dass sie auf Programme ausweichen, die nicht für sie gemacht sind, aber auch mit Werbung finanziert werden. Sie können fernsehspezifisch diesen Teil der Lebenswirklichkeit nicht ausblenden. Das würde dazu führen, dass Kinder andere für sie ungeeignete Programme anschauen ? das kann nicht im Sinne eines verantwortungsvollen Jugendschutzes sein.

    SV Christine Feil: Die Auswahl der Bilder, die ich hier zeige, ist beliebig. Man kann auf jeder Seite Ähnliches finden, weil auch Bilder von Super RTL dabei sind ? das ist einfach Zufall, man kann auf mindestens 50 % der Seiten ähnliche Motive finden. Hier ein Beispiel aus einer Online-Zeitung für Kinder, das Magazin ?Riesenrad?. Es heißt auch nicht, dass diese Seiten prinzipiell nicht für Kinder geeignet wären. Es geht darum, darauf aufmerksam zu machen, wie verbreitet die Werbung im Internet bereits ist, bis hin zu Kaufaufforderungen an Kinder, die eigentlich nicht erlaubt sind. Man sieht hier das Beispiel ?amazon.de? wie eine Seuche im Kinderbereich. Es ist interessant, dass hier eine Besprechung von einem Kind ist, der elfjährigen Domenica, zu einem Buch, das ihr sehr gut gefällt, es wird auf den Verlag hingewiesen, gleichzeitig heißt es, bestellen, dann kommt man zu amazon.de gleich auf die entsprechende Katalogseite und kann dort das Buch bestellen. Ich wollte nur wertfrei sagen, wie das auf der website funktioniert.

    Das zweite Beispiel von Super RTL, man sieht hier unten im Bild Werbung für Pokemon. Wenn man die Werbung anklickt, kommt man zu Intendo, das ist der Pokemon merchandizing Laden, wo Kinder zu allen Spielzeugen, die es rund um Pokemon gibt, hingewiesen werden, dass das im Handel erhältlich ist, manche Dinge können online bestellt werden.

    Als nächstes Beispiel ? eines der größten Probleme ? eine homepage, die ein Kind gemacht hat, inzwischen Jugendlicher, Frederik. Er baut seit fünf Jahren an der homepage und hat sich ein Gästebuch angeschafft. Gästebücher werden von den Online Dienstleistern kostenlos zur Verfügung gestellt, vorausgesetzt man ist bereit, dafür Bannerwerbung hereinzulassen. Das Prinzip der Bannerwerbung ist die Bannerrotation, d.h. die Werbung wird ausgetauscht in so und soviel Sekunden, das ist der Fall, wo es vorkommen kann, dass auf Kinderhomepages Reklame gemacht wird für Erotik und Lack- und Lederkleidung. Jeder kennt Otto ? ein reiner Ottofantenshop, hier werden alle Produkte rund um Otto, für Kids, für jede Altersgruppe, hier werden die Angebote aufgezeigt und man kann bestellen. Was es in Amerika gibt, Bestellung per Kreditkarte, ist hier nicht verbreitet. Wenn bestellt wird, kommt das Produkt per Nachnahme.

    Hier geht es um das Thema Datenkollektion bei Kindern. Wenn man in den Club eintreten will, wo die Kinder als Fan von Super-RTL organisiert sind, ist klar, dass Name, e-mail Adresse, Geburtstag usw. abgefragt wird und die Daten der Kinder gespeichert sind und in einem entsprechenden Adressbuch zur Verfügung stehen.

    Hier eine Seite tip top Miele, Seite für Kinder, sogar Materialien für Lehrer für den Unterricht, auch hier werden die Adressen der Kinder gesammelt. Man bietet Kinder ein news letter an, folglich werden die e-mail Adressen der Kinder gespeichert. Hier ist einer der wenigen Fälle, bei denen die Kinder darauf hingewiesen werden, dass sie zuerst die Eltern fragen müssen, ob sie die Adressen anbieten dürfen und an Miele weiterschicken. Man kann es nicht kontrollieren. Die Eltern könnten es kontrollieren, wenn das Kind keine eigene e-mail Adresse hat.

    Hier noch ein Beispiel von Kellogs, dort gibt es Packungsbeilagen, sog. gimmigs, die homepage dazu, wo Kinder tauschen können, also noch mal das Einbinden in den Medienverbund, wo es auch die e-mail Postkarten gibt, die Kinder gern verschicken, die immer mit der entsprechenden Reklame bepflastert sind.

    Es gibt oft Adressen, die nahe zusammen liegen, z.B. hooligans.com oder hooligans.de. Hat man hooligans.de eingegeben, war man auf einer Pornoseite, wenn man das de vergisst, kommt man auf eine Gewinnspielseite. Wenn kleine Fehler bei der Eingabe oder beim Surfen passieren, kann es passieren, dass Kinder auf Seiten kommen, die nicht geeignet sind oder als gefährdend eingeschätzt werden können.

    SV Cornelius von Heyl : Nachdem ich in Thüringen pensioniert worden war, haben mich die obersten Landesjugendbehörden beauftragt, diese Landesstelle Jugendschutz.net aufzubauen als Zentralstelle der Länder, die versucht, in den Onlinediensten für gesetzmäßige Zustände im Bezug auf den Jugendschutz zu sorgen. Die Entwicklung, mit der wir uns da konfrontiert sahen, übertraf alle unsere Erwartungen und ist am Anfang einfach unabsehbar gewesen. Es ist unerhört schwierig aber nicht erfolglos, dennoch dafür zu sorgen, dass gewisse Standards eingehalten werden. Allmählich bekommt Jugendschutz darin auch einen Ruf. Mich begleitet Herr Schindler, der das Jugendschutz.net leitet. Wir haben in der letzten Zeit zunehmend das Schwergewicht darauf gelegt, die Seiten zu untersuchen, von denen wir wissen, dass sie besonders oft von Kindern und Jugendlichen aufgerufen werden.

    Wir haben dazu drei Screenshots vorbereitet, mit denen wir Ihnen vorführen möchten, wohin sie geraten können, wenn Jugendliche ein jugendgemäß gestaltetes Angebot aufrufen. Ein anderes macht deutlich, wie rechtsextremistische Seiten gestaltet sind, wenn sie Kinder und Jugendliche besonders ansprechen. Ein drittes macht deutlich, was ihm begegnet, wenn ein normales Informationsbedürfnis da ist und der Jugendliche Sex eingibt. Wir können dies im Anschluss Ihnen vorführen.

    Das Schwergewicht unserer Stellungnahme liegt auf dem enormen legislatorischen Handlungsbedarf, den wir haben. Die obersten Landesjugendbehörden haben mich mit berufen in die Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder, in der wir Eckpunkte erarbeitet haben für das, was notwendig ist. Diese habe ich der Stellungnahme beigefügt. Hierbei ist eines wesentlich: Die mediale Revolution, von der ich spreche, liegt an der Konvergenz der Medien, die alle Vorstellungen übertrifft. Das Internet ist nicht ein Medium, wie man herkömmlich Medien neben einander stellt, sondern es ist ein Medienmedium, d.h. ein Medium, das jedes andere Medium vermitteln und transportieren kann. Es ist egal, ob das Printmedien sind, Audiokassetten, Bilder, Filme ? alles lässt sich über das Internet an sie heranführen. Sie können Bücher seitenweise im Internet abrufen, Zeitschriften lesen, diese Entwicklung schreitet von Quartal zu Quartal enorm voran.

    Man muss sich klar machen, was das bedeutet: Es wird absolut sinnlos, z.B. für eine Zeitschrift irgendwelche Verkaufsbeschränkungen machen, die am Kiosk oder im Laden gelten, weil man diese Bild für Bild nachlesbar im Internet nachlesen kann. Es ist sinnlos, bestimmte Beschränkungen für Videokassetten zu machen, wenn diese im Internet heruntergeladen werden können, oder dass indizierte rechtsradikale Songs nicht mehr im Laden zu kaufen sind, wenn diese zum Verkaufsschlager im Internet werden. Das sind die Tatbestände, vor denen wir stehen.

    Interessant ist dabei: Wenn man die legislatorischen Forderungen durchgeht, gibt es kaum sachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern darüber, dass dies notwendig ist, auch bei geringen Abweichungen der einzelnen Ressorts. Die einzige Differenz ist die: Soll das bundesgesetzlich oder landesgesetzlich geregelt werden.

    Hier haben wir drei Möglichkeiten, entweder wir regeln alles im Bundesrecht oder alles im Landesrecht, oder wir machen wie bisher einen Mischmasch von beidem, einen Teil Bundesrecht, einen Teil Landesrecht aus politischer Konzilianz. Für den Jugendschutz ist das gleichgültig, wenn die sachlichen Regelungen stimmen, wenn sie inhaltsidentisch, wirkungsidentisch auf einander abgestimmt sind. Das Problem ist die Schnittlinie, die ist immer wieder neu streitig und zum Teil nicht richtig bewusst. In der Presse war jetzt zu lesen, dass die Länder die elektronischen Medien als ihre Kompetenz für den Jugendschutz nähmen. Dabei wird verkannt, dass eine Diskette, eine CD-Rom, genauso ein elektronisches Medium ist, obwohl sie per Hand oder im Geschäft weitergegeben wird. Es ist nicht sinnvoll, eine CD-Rom einer Regelung zu unterwerfen, die nicht gilt, wenn man denselben Inhalt als Anlage zu einer e-mail an Tausende Empfänger schicken kann. Hier müssen gewisse Einheitlichkeiten gelten. Das ist die Gesamtlösung, die wir fordern, sie mag so oder so zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden.

    Tonstörung

    T-online ist das Portal für die Schulen. Ich habe auf diesem Portal gekuckt, was gibt es auf Erotik, life 3, dann bekommt man das, was man sonst im ?Playboy? findet, wofür man sonst viel Geld bezahlt, was beim Zeitschriftenhändler im obersten Regal steht, bei T-online frei haus geliefert. Es ist zwar ein sog. Piks-label darauf, also ein Filterlabel, aber dieses Filterlabel bezeichnet diese Seite als unvollständige Begleitung. Interessant ist, wenn ein Werbebanner eingeblendet ist, man findet hier ein Banner mit der Maus, deutet zum Orgasmus, man kommt auf ein kostenpflichtiges Angebot für 3,60 DM, was nur klein erwähnt wird. Als Altersschutz muss man ankreuzen, dass man mindestens 18 Jahre alt ist, dann werden noch zwei Ziffern aus dem Personalausweis verlangt ? das ist alles, was an Kontrolle gemacht wird. Ab dann läuft der Ticker mit 3,60 DM pro Minute. Dann hat man im Member-Bereich auf den pornographischen Bereich Zugriff. Wir erhalten vermehrt Beschwerden von Eltern, die sagen, wir haben Telefonrechnungen von 1000 DM und mehr, weil die Kinder das ausprobiert haben. Sie wissen zum Teil nicht, dass sich diese Verbindung als Defaut-Verbindung auf dem Rechner installiert, so dass, auch wenn sie hinterher auf diese Verbindung im Rechner gehen, immer noch diese 3,60 DM pro Minute laufen.

    SV Christine Ketz er : Vieles, was ich sagen wollte, hat Frau Feil angesprochen. Uns geht es darum, das Internet als Kulturraum zu betrachten und als Kommunikationsraum. Der Chaos-Computer-Club setzt sich in diesem Zusammenhang für Informationsfreiheit ein. Es gibt sicher diese Angebote. Das Internet hat aber andere Sachen zu bieten, gerade das gilt es, positiv hervorzuheben.

    Ich möchte auf die Werbung und die Datensicherheit eingehen, das ist etwas, was Kommunikation und Information behindern kann und auch gerade bei Kindern sicher nicht von Vorteil ist.

    Zur Filtersoftware möchte ich speziell eingehen. Es gibt neueste Untersuchungen aus den USA, und zwar hat der amerikanische Kongress zu diesem Thema eine Untersuchung in Auftrag gegeben bei der Cooper-Commission, das ist die Commission und Schall Protection online. Die haben seit 1998 Filtersoftware jeglicher Art evaluiert und geschaut, wie das funktioniert. Der Test ist, das Filtersoftware nicht empfohlen wird, auch nicht im Bereich von Schulen und Bibliotheken, wo die jetzt durch die Cooper-Commission eingesetzt werden sollten. Es gibt noch mehrere Untersuchungen, z.B. von Peace fire Org., die auch in diese Cooper-Commissions-Geschichte eingeflossen sind.

    Es gibt mehrere Möglichkeiten von Filtersoftware. Ich möchte nicht im einzelnen darauf eingehen. Man kann Sachen sperren, man kann Negativlisten aufstellen. Die Fehlerquote beim Marktführer liegt bei über 80 %, also es werden Sachen herausgefiltert, die durchaus für Auseinandersetzung sinnvoll wären. Diese Filtersoftware wird daher nicht weiter empfohlen.

    Die Frage stellt sich dann noch, wer kontrolliert die Kontrollierer, wer hat überhaupt Einsicht in solche Zensurlisten, für die diese Filter eingesetzt werden?

    Ein weiterer Punkt ist Piks ? Platform of internet Compu selection ? hier geht es um labels, die auf die Seiten verteilt werden. Seiten werden von den Besitzern einsortiert. Dabei hatte man bei der Cooper-Commission nicht sinnvoll erachtet, dass man eine weltweite Zensur Infrastruktur schafft mit solchen Systemen, also auch Staaten, die nicht demokratisch sind oder andere politische Orientierung haben, bekommen damit ein Mittel in die Hand, Seiten zu zensieren und zu filtern. Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man aus guten Gründen Filtersoftware einsetzen möchte. Man muss auch die großen Nachteile bedenken oder die Infrastruktur, die man damit für andere schafft. Dagegen haben wir Bedenken als Chaos-Computerclub.

    Grundsätzlich sind wir dafür, eine breite Aufklärung der Bevölkerung voranzutreiben, auch die Medienmündigkeit von Jugendlichen und Kindern durch Aufklärung zu verbessern.

    Noch ein Wort zu Punkt 2: Rechtliche und institutionelle Maßnahmen: Es wird im Entschließungsantrag vorgeschlagen, die Indizierungsentscheidungen der Bundesprüfstelle nur im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Diesen Vorschlag halten wir für nicht tragbar in einer demokratischen Gesellschaft. Damit würden wir ins Mittelalter abrutschen, das würde etwas vom päpstlichen Index haben, wo laienuntaugliche Schriften festgehalten würden. Dazu schlagen wir vor, zu prüfen, in wieweit dieser Bundesanzeiger überhaupt unter Jugendlichen verbreitet ist. Es wird angezweifelt, dass Jugendliche sich für diese Publikation interessieren und dass dies irgendetwas mit der Lebenswelt der Jugendlichen zu tun hat.

    SV Folker Hönge : Über die faktische Konvergenz der Medien und die Notwendigkeit gleicher rechtlicher Regelungen für gleiche Medieninhalte, unabhängig davon, ob sie online oder offline sind, hat Herr von Heyl einiges gesagt. Ich kann ihm nur zustimmen. Ich möchte mich auf einige Begleitpunkte festlegen, die immer wieder bei der Vorbereitung auf die Anhörung in den Unterlagen zu finden sind, auch in der öffentlichen Diskussion, einige Schlagworte, die wert sind, hinterfragt zu werden. Der Begriff der Medienkompetenz wird immer dann genommen, wenn es darum geht, Filtersysteme, die nicht funktionierten, oder fehlende rechtliche Regelungen als Alibifunktion in die Diskussion einzubringen. Medienkompetenz ist ein wesentlicher Punkt, nur wenn Sie bei Anbietern eingeladen sind und reden von Medienkompetenz, verstehen die etwas völlig anderes darunter als z.B. Sozialpädagogen oder Eltern.

    Ein weiterer Begriff, der vor zwei Jahren in der öffentlichen Diskussion war und jetzt auch wieder zu recht hervorgehoben wird, ist die Selbstkontrolle. An keiner Stelle ist definiert, was unter Selbstkontrolle verstanden wird. Selbstkontrolle muss dahingehend verstanden werden, dass Transparenz der inneren Struktur der Selbstkontrolle vorhanden ist und gesellschaftliche Sanktionsmöglichkeiten bei Voten dieser Selbstkontrolle mitgegeben sind. Es gehörte sich für jede Selbstkontrolle, mit Kindern und Jugendlichen zusammen zu arbeiten, d.h. Diskussion nicht nur vom grünen Tisch aus zu führen, sondern mit Kindern und Jugendlichen im Vorfeld gemeinsam zu arbeiten.

    Ein weiterer Punkt ist der Begriff des Jugendschutzbeauftragten. Er funktioniert im Fernsehbereich recht gut, im online-Bereich anders. Auch hier sind Diskussionen gefragt, was ist unter der Aufgabe des Jugendschutzbeauftragen zu verstehen.

    Der letzte Punkt, der im Entschließungsantrag zu lesen war, ich unterstütze diesen Punkt sehr, ist die Stärkung der Erziehungskraft der Eltern. Ich finde das richtig, niemand hat mehr Kompetenz, die eigenen Kinder zu erziehen, als die Eltern. Nur brauchen sie auch Unterstützung in diesem Medienpark, der sie umgibt, nicht nur im Bezug auf die Handhabung von technischen Sicherheitsvorkehrungen. Schaub und Teunert haben das vor Augen geführt, was darunter zu verstehen ist -, sondern wie gehen Kinder mit diesen neuen Medienangeboten emotional und medial um. Mir ist kein einziges medienpädagogisches Kurrikulum bekannt, das die Stärkung der erzieherischen Elternkraft im Bezug auf Medienarbeit in den Vordergrund stellt. Es gibt eine Fülle von lobenswerten Einzelaktionen ? ich denke an Flimmo aus Bayern, an Aktion Jugendschutz in Bayern. Es gibt Elternabende in Volkshochschulkursen. Es fehlt ein theoretisches Konzept und es fehlt, das sage ich mit Blick auf die hier vertretenen Institutionen, die Öffnung der Institutionen selbst im Bereich der Elterninformation. Es ist ganz wichtig, dass die Institutionen sich für Eltern öffnen, oftmals ist es nur ein Informationsbedürfnis, keine Kritik. Hier sind die Institutionen selbst gefragt.

    Letzter Punkt ist das Thema ?Europa?. Wir können über neue Medien gar nicht diskutieren ohne den Bereich Europa. Hier allein auf Regelungen von Brüssel zu warten, ist müßig. Wenn Regelungen kommen, so fragt sich auch noch, ob die immer ?das Gelbe vom Ei? sind. Ich denke an die akustische Ankündigung bei jugendgefährdenden Sendungen. Auch hier ist die Eigeninitiative der Jugendschutzinstitution, auch der Anbieter gefordert, eine Harmonisierung unterhalb der rechtlichen Regelungen zu machen. Als Beispiel: Wir hatten vor einiger Zeit bei der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft mit den Filmprüfstellen der Niederlande, Belgien, Holland und Österreich eine gemeinsame Sitzung in Maastricht mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Es waren mehrere Schulklassen von Aachen bis Maastricht. Wir haben Medieninhalte diskutiert, die in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich bewertet wurden, die aber von den Kindern im Hinblick darauf, ob sie jugendbeeinträchtigend sind oder nicht, erstaunlicherweise uni sono gleich bewertet worden sind.

    SV Irene Johns : Ich habe meiner Stellungnahme Empfehlungen aus dem 10. Kinder- und Jugendbericht beigefügt. Sie sind im Entschließungsantrag sehr differenziert eingegangen auf Forschungsbedarf im Bereich Kinderimmigrationshintergrund und geschlechtsspezifische Fragen. Darauf will ich jetzt nicht eingehen.

    Ich sehe vor dem Hintergrund des Kinderschutzes drei Probleme: Einmal, dass die Belange der jüngeren Kinder im Jugendmedienschutz bisher unzureichend erfasst werden, dass die Problematik der Gewaltdarstellung bisher immer noch ungelöst ist und die Chancen zum Erwerb von Medienkompetenz ungleich verteilt sind. Heute richten sich die Medienangebote im Fernsehen bereits an Kleinkinder, Computerspiele bereits an Vorschulkinder, das Internet an Grundschulkinder, und dennoch werden die Belange der jüngeren Kinder im Jugendmedienschutz bisher unzureichend bedacht. Es müssen neue Altersdifferenzierungen entwickelt werden. Es ist auch ? da muss ich Frau Bundschuh widersprechen ? einem vorzeitigen Abschied von Sendezeitgrenzen vorzubeugen. Wir wissen noch gar nicht, was sich aus dem Versuch mit dem Digitalfernsehen ergibt. Als Kinderschutzbund begrüßen wir natürlich auch das Verbot von Werbung im Umfeld von Kindersendungen. Dieses Verbot ist in unseren Nachbarländern bereits verankert, in Norwegen, Schweden und Dänemark. Und hier ist genau das gesagt worden, was im letzten Jahr in der Parlamentsdebatte in Dänemark gesagt wurde, dass sie dann das Kinderprogramm streichen werden. Im 4. Änderungsrundfunkstaatsvertrag haben wir Lockerungen im Werbebereich für das Privatfernsehen. Ich denke, dass das Privatfernsehen dann auch seine Kindersendungen anders finanzieren kann, wenn es wirklich will. In Dänemark sagte ein Parlamentarier, wie haben nichts dagegen, dass Firma Lego um 11.00 Uhr abends wirbt, um über das neue Sortiment zu informieren. Aber um 17.00 Uhr gleich nach dem Kinderspaß haben Spots nichts verloren. Das ist eine gute Idee.

    Wir haben zunächst gedacht, man könnte diesen Punkt im Rahmen der Selbstkontrolle lösen, dass der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft auch mehr Verständnis für die Position des Kinderschutzes in diesem Punkt entwickeln werde und seine Werberichtlinien entsprechend ändert. Das ist bis heute nicht geschehen, so dass nur noch der rechtliche Weg möglich ist.

    Zum Internet: Das Netz muss grundsätzlich kinderfreundlicher werden. Nach vorliegenden Studien, ARD/ZDF-online-Studie, 2000 Studie, Kim 1999, wird deutlich, dass Kinder und Jugendliche das Internet insbesondere zur Kontaktaufnahme und Kommunikation nutzen, das ist aber gerade die größte Gefährdung. Wir erfahren immer wieder, dass Erwachsene mit pädophilen Neigungen versuchen, sich in solche Gruppen einzuschleusen und über diesen Weg mit Kindern in Kontakt zu kommen.

    Das führt zum Thema Datenschutz. Es gibt seit diesem Jahr in Amerika ein neues Gesetz, das vorsieht, dass Daten von Kindern im Netz nur mit Einwilligung der Eltern erhoben werden. Darüber sollten wir auch einmal nachdenken.

    Es fehlt auch ein Verhaltenskodex für alle, die sich direkt an Kinder wenden. Das sind Anbieter von Kinder-Netseiten. Auch da finden sie Dinge, die schwierig anmuten, der gesamte Bereich Werbung, Firmen, die sich mit gezielten Angeboten an Kinder wenden, z.B. die lila Kuh von Milka, die von den Kindern gepflegt werden kann, im Sinne von Tamagotschi. In diesem Fall, dass die Kinder, wenn sie sich zwei Tage nicht melden, eine e-mail von der lila Kuh bekommt mit der Frage: Hast Du mich nicht mehr lieb? Die Frage ist: Ist so etwas überhaupt zulässig.

    Zusätzlich fehlt eine Stelle, die sich mit der Entwicklung für bis zu Zwölfjährige befasst, d.h. den gesamten Bereich Kindernetseiten, auch unter dem Aspekt der Qualität der Sendungen.

    Zur Problematik der Gewaltdarstellung: Diese ist im Bereich Internet, Video- und Computerspiele, aber auch im Fernsehen nicht gelöst. Sie dürfte sich durch interaktive Angebote, die praktisch vor der Tür stehen, noch verstärken. Dies bezieht sich auf für Kinder leicht zugängliche extrem gewalttätige Inhalte und Bilder.

    Ich erfahre es täglich: Kinder sehen alles, was es an problematischen Inhalten gibt. In der Regel erzählen sie es nicht. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Die problematischen Internet-Inhalte sind häufig aus dem Ausland, insbesondere den USA. Wir waren aufmerksam geworden auf eine Internet-Seite, auf der u.a. Leichenteile, Bilder von Hinrichtungen gezeigt wurden. Diese Internetseite war nachweislich vielen Kindern und Jugendlichen bekannt. Das zeigt, wie notwendig europäische und internationale Initiativen sind. Bei den Mindeststandards müssen wir allerdings aufpassen, dass wir unsere eigenen Standards wahren.

    Indizierung kann ich nur begrüßen. Wir vermissen differenzierte Alterskennzeichnung für Computerspiele. Technische Lösungen scheinen keinen ausreichenden Schutz zu bieten, zeigen zum Teil ganz ungewollte Ergebnisse, dass man z.B. bei AOL die Kindersicherung einstellt und dann feststellt, dass die Kinder-Netseite nicht mehr zu erreichen ist, weil dort über Sexualität diskutiert wird.

    Die Chancen zum Erwerb von Medienkompetenz sind ungleich. Wir haben bereits im 10. Kinder- und Jugendbericht darauf hingewiesen, dass sich für die Zukunft die Gefahr einer Wissenskluft abzeichnet. Das wird uns beschäftigen müssen. Computer- und Internetnutzung der Kinder ist nach wie vor abhängig vom formalen Bildungsgrad und der Berufstätigkeit der Eltern sowie von Anregungs- und Beratungsmöglichkeiten. Heranwachsende, die keinen Zugang haben, bleiben auf ihre Spiele und Gameboys beschränkt. Wenn wir Medienkompetenz ernst meinen, dann heißt das, dass wir dieser Entwicklung gegensteuern. Das heißt auch, dass Medienarbeit in anderem Umfang als bisher gefördert und umgesetzt werden muss.

    Zur Elternarbeit stellt sich die Frage: Wie erreichen wir gerade die Eltern, die Risikogruppen darstellen? Hier müssen neue Konzepte entwickelt werden. Man kann nicht nur über Medien diskutieren, man muss sie auch einladen, selbst den Computer zu erproben, im Internet zu surfen. Es muss Unterstützungsangebote geben im Rahmen von Beratungen, die die Familie bei Gewaltproblemen sucht.

    Es entsteht hier eine neue Kommunikationsgesellschaft. Wir überlassen die Diskussion darüber immer noch weitgehend den Medienpädagogen, Programmanbietern, Medienwissenschaftlern oder Jugendschutzbeauftragten. Sie müssen sich einmal umhören im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, der Sozialarbeit. Das sieht so düster aus, wie sie es sich gar nicht vorstellen können. Wir müssen nachholen, damit wir uns nicht abkoppeln von der Entwicklung, den Kinder- und Jugendschutz effektiver gestalten. Wir brauchen Vereinheitlichung, aber wenn ich die Vorschläge höre, z.B. FSF und Öffentlich-rechtliche an einen Tisch, was Kinder- und Jugendmedienschutz betrifft oder wie bei der Eröffnung der Medientage gesagt worden ist, Jugendschutz.net möge man integrieren in die Landesmedienanstalten. Man muss sicherlich eine genaue Bestandsaufnahme machen, wer welche Aufgaben bewältigen soll, welches Interesse dahinter steht, und ob die Ausstattung ausreicht, um die Aufgabe durchführen zu können.

    SV Elke Monssen-Engberding : Im Internet werden ? dazu dient im wesentlichen meine kurze Demonstration ? Medien angeboten, wie sie in den traditionellen Printmedien und im Video-Bereich auch angeboten werden, wo sie jedoch bestimmten gesetzlichen Regelungen unterliegen, die auch durchgesetzt werden konnten, während sie im Internet-Bereich nur erschwert durchzusetzen sind. Wir haben Medien im Internet, die unter § 86 a fallen, wie das Verwerten verfassungswidriger Kennzeichen, deren Vertrieb in der Bundesrepublik unter Erwachsenen verboten ist, Medien, die volksverhetzend sind bzw. den Holocaust leugnen, und Medien, die unter den Tatbestand der Gewaltverherrlichung fallen. Diese Medien werden beinahe ausschließlich aus Amerika und Kanada per Internet in die Bundesrepublik eingeführt, Medien von Neonazi-Seiten von dem hier bekannten Gerry Laub, auch Medieninhalte, die genau das transportieren, was wir im Printbereich in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen haben bzw. was seitens der Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte bundesweit beschlagnahmt ist. Ebenso wird verbreitet Pornographie mit Kindern, Tieren oder mit Gewalt, wobei ich heute darauf verzichtet habe, Kinderpornographie vorzuführen, da es sich hier um eine öffentliche Sitzung handelt. Sie sehen hier Pornographie mit Tieren, wobei wir sehr überrascht waren, als wir das erste mal im Internet konfrontiert wurden, in welcher Menge diese Seiten abrufbar sind. Sie dürfen im Printbereich noch nicht einmal unter Erwachsenen vertrieben werden. Das gleiche gilt für die Pornographie mit Gewalt. Wir haben drei Bilder mitgebracht. Ebenso massenweise wird verbreitet die sog. einfache Pornographie, deren Vertrieb unter Kindern und Jugendlichen verboten ist. Diese Art der Darstellung mutet gegenüber dem, was eben präsentiert wurde, weniger belastend an.

    Darüber hinaus Medien, die als jugendgefährdend eingestuft werden, z.B. die den Nationalsozialismus verherrlichen und verharmlosen, rassistischen Inhalt haben, Krieg verherrlichen oder verharmlosen. Dies sind Medien, die im Printbereich als jugendgefährdend eingestuft sind, die jedoch im Internet ohne Probleme verbreitet werden können, da die Indizierungsverbote für diesen Bereich nicht gelten. Diese Medien sind nicht strafrechtlich relevant, werden lediglich als jugendgefährdend eingestuft, so dass auch seitens der Strafverfolgungsbehörden hier nicht eingeschritten werden kann, es sei denn, die Medien werden indiziert.

    Hier sieht man die Propaganda, die von Amerika verbreitet wird, man möge seine rassistischen Inhalte von dort aus vertreiben, man kann nämlich von der Bundesrepublik Deutschland aus nicht belangt werden. Gleichzeitig wird eine genaue Anleitung dazu gegeben, wie man sich an der Verbreitung des Rassismus und Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik beteiligen kann.

    Das nächste Beispiel, von dem wir lediglich einen screenshot eingeblendet haben, ist das sog. Nazi-Moorhuhn, d.h. das Computerspiel, das harmlose Moorhuhn, wird nunmehr als Nazipropaganda genutzt, wobei wir feststellen müssen, dass die Neonazis in der letzten Zeit zunehmend bekannte Computerspiele nutzen, um diese mit Nazi-Emblemen und entsprechender Propaganda zu versehen, um sie dann unter den Kids zu verbreiten. Ebenso werden im Netz Medieninhalte verbreitet, die Sexualität in Verbindung mit Gewalt präsentieren, überwiegend solche, die junge Mädchen, Kinder fesseln, die Jugendliche vergewaltigen. Auch diese sind nicht strafrechtlich relevant, sondern lediglich durch die Indizierung kann die Verbreitung unter Kindern und Jugendlichen verhindert werden. Ein großes Problem sind die Medien, die die Würde des Menschen verletzen, in denen Leichengalerien in unterschiedlicher Art und Weise präsentiert werden. Der menschliche Körper wird zum Objekt degradiert, das beliebig misshandelt werden kann. Auch von diesen Inhalten haben wir einige in der Liste der jugendgefährdenden Schriften. Als besonders gravierend sehen wir auch die Medien an, die Kinder zu sexuellen Anschauungsobjekten degradieren, die kleine Mädchen so fotografieren, das entsprechende Bedürfnisse von pädophilen Tätern befriedigt werden.

    Ich habe bereits dargelegt, dass diese Medieninhalte auch im Printbereich angeboten wurden. Die Kontrolle dessen, was unter Erwachsenen verbreitet wurde und auch Jugendlichen und Kindern zugänglich war, war in der Bundesrepublik durch entsprechende Gesetze sehr ausgeprägt. Wir können davon ausgehen, dass Kinder und Jugendliche mit solchen Inhalten fast nie in Berührung gekommen sind. Nunmehr haben wir im Bereich der 14 bis 19-jährigen ca. 48,6 %, die das Medium nutzen, dass auch solche Inhalte ungehindert unter Kindern und Jugendlichen präsent sind. Es wird vielfach von Selbstkontrolle geredet, die von Seiten der Bundesprüfstelle befürwortet wird. Insbesondere möchte ich hier darauf hinweisen, dass die Indizierungen einige sehr positive Effekte haben, zum einen müssen indizierte Medien durch technische Vorkehrungen verbreitet werden, d.h. die Anbieter, sofern sie Firmensitze in Deutschland haben, sind verpflichtet, solche technischen Vorkehrungen zu wählen. Sofern Anbieter für die Inhalte nicht verantwortlich sind, können die Inhalte in entsprechende Filtersoftware gegeben werden, was nicht nur Aufgabe der Eltern sein kann.

    Indizierungen werden von einer zentralen Stelle vorgenommen, in der ausschließlich ehrenamtliche Beisitzer tätig sind unter Beteiligung der Länder. Es ist keine staatliche Stelle, die hier etwas bewertet, sondern bedeutet letztlich die Beteiligung der Bevölkerung und ist aus verschiedenen gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammengesetzt. Darüber hinaus ist Indizierung ein Verwaltungsakt, das heißt, diejenigen, die von der Indizierung betroffen sind, können verwaltungsrechtliche Schritte dagegen einleiten. Sie haben darüber hinaus die Sicherheit, dass die Kriterien immer umgesetzt werden und transparent sind. Insofern stellt die Indizierung ? das ist häufig missverstanden worden ? keine Zensur da.

    Zu den internationalen Standards: Ich würde es befürworten, dass insbesondere im Hinblick auf die Dinge, die hier vorgeführt worden sind, die den Nationalsozialismus verharmlosen und verherrlichen, Kinder in Verbindung mit Sexualität und Gewalt zeigen und die Kinder zu sexuellen Anschauungsobjekten degradieren, in dieser Form internationale Standards entwickelt werden könnten.

    SV Dr. Wolfgang Schulz : Ich spreche aus der Position als rechtswissenschaftlicher Beobachter dieser Situation und nicht jemand, der im aktiven Bereich des Jugendschutzes oder auf der Seite der Medien tätig ist. Ich möchte drei Dinge anmerken, die mir auffallen bei der derzeitigen Entwicklung.

    Das ist einmal die Frage der Konvergenz und wie reagiert man in sinnvoller Weise darauf. Herr von Heyl hat darauf aufmerksam gemacht, dass es möglich ist, den gleichen Inhalt auf ganz unterschiedlichen Wegen zu Rezipienten, Kindern und Erwachsenen zu bekommen. Man muss vorsichtig sein, daraus unmittelbar auf die gleiche Wirkung zu schließen, weil Rezeptionssituationen unterschiedlich sind. Aber im großen ganzen kann man sagen, dass die Gefährdungslage ähnlich ist. Angesichts dieser Tatsache ist die Rechtsordnung auch aus der wissenschaftlichen Beobachtung her unnötig zersplittert. Mich rufen z.B. Geschäftsführer von Verlagen an und fragen: Wie kann ich mein pornographisches Angebot so gestalten, dass es eher unter das Teledienste-Gesetz des Bundes fällt, als dass es einen Mediendienst darstellt. Da geht es nur darum, das so zu gestalten, dass man es unter die richtige rechtliche Regelung bekommt. Wenn man in der Lage ist, den gesetzlichen Willen so auszuhebeln, ist das aus meiner Sicht disfunktional. Deshalb würde ich von unserer Beobachtung her Vorschläge begrüßen, die Regelungen von Bund und Ländern zumindest zu vereinheitlichen, stärker auf einander zu beziehen, vielleicht sogar es eindeutig nur auf Seiten des Bundes oder der Länder zu regeln.

    Dazu noch eine kurze Anmerkung: Was ich schwer verstehen kann, ist, wenn das wiederum in einer Art Koppelgeschäften geschieht. Die Länder bekommen den Jugendschutz, aber dafür darf der Bund die Konzentrationskontrolle regeln. Das finde ich nicht systematisch. Wenn man bedenkt, wie wichtig die Rechtsgüter sind, die dahinter stehen, sowohl der Jugendschutz als auch auf der anderen Seite die Medienfreiheit, finde ich so etwas schwer nachvollziehbar und fast misslich.

    Der zweite Punkt betrifft die Selbstkontrolle. Ich beobachte insbesondere, wenn man den internationalen Vergleich heranzieht ? Kanada wird hier häufig genannt, ebenso Australien -, dass die deutschen Regelungen, auch wenn sie Selbstkontrolle einbeziehen, verhältnismäßig starr und altmodisch sind. Es gibt bei allen Erfolgen, die die Selbstkontrolle hat, in Deutschland auch Defizite, sowohl auf Seiten der Selbstkontrolleure, die zum Teil Maßstäbe anwenden, die nur die gesetzlichen Bedingungen erfüllen, aber nicht darüber hinausgehen, anstatt hier einen höheren Standard anzusetzen. Es gibt aber auch Probleme auf Seiten der Gesetzgeber, die der Selbstkontrolle nicht die Möglichkeit geben, eigene Regeln auszuprägen, eigene Erfahrungen zu machen. Hier kann man aus anderen Staaten, z.B. Kanada, lernen, dass es Sinn macht zu sagen, für begrenzte Zeit Verlagerung bestimmter Kompetenzen auf Selbstkontrolle. Es wird kontrolliert, ob die funktioniert. Dann kann der Gesetzgeber sie wieder zurücknehmen und sagen, das hat nicht funktioniert, das müssen wir wieder selbst regeln. Dazu sollte man den Mut haben und sich solche Regelungen im Ausland anschauen.

    Der dritte Punkt: Jugendschutz und Kommerzialisierung ? auch das ein wichtiger Faktor. Mir ist die Diskussion hier etwas zu holzschnittartig. Damit zu arbeiten, einfach Werbeverbote einzusetzen, wird, wenn sie heute in die Kinderzimmer sehen, der dort allgegenwärtigen Kommerzialisierung, die in das Leben der Kinder eingebunden ist, nicht gerecht. Ich will das nicht gut heißen und sagen, das ist zum Teil die Schuld der Medien. Aber rein auf werbefreie Zonen zu setzen, halte ich für problematisch. Auch hier kann ich mir vorstellen, dass man sich fragt: Wozu führt das eigentlich? Wie finanzieren die Sender z.B. die Kinderprogramme? Es muss nicht unbedingt sein, dass dort keine Werbung mehr stattfindet. Es kann auch sein, dass stärker ?product placement? eingesetzt wird, um die Sendungen zu finanzieren. Es kann nicht im Interesse des Jugendmedienschutzes sein, dass jetzt Schleichwerbung stärker eingesetzt wird, damit das Programm refinanziert werden kann.

    Es ist interessant, sich ausländische Modelle anzusehen und differenzierte Lösungen zu entwickeln.

    SV Werner Sosalla : Ich bin in der Geschäftsführung der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm für die Landesmedienanstalten Deutschland, insofern mit dem Thema Jugendschutz im Bereich des Fernsehens auch bundesweit befasst. Auf der anderen Seite kümmern wir uns im Saarland sehr intensiv um das Thema ?Medienkompetenz?, insofern kann ich von beiden Seiten Informationen beisteuern. Wir werden uns mit dem Thema ?Konvergenz? immer stärker befassen müssen, das bedeutet, dass es immer weniger auf die Frage ankommen kann, wie denn die Verwaltungs- und Transportwege aussehen. Wir müssen uns sehr viel stärker mit den Inhalten auseinandersetzen. Ich will nur eines deutlich machen ? das kam mir eben nur nebenbei zur Geltung ? wir dürfen dabei nicht außer acht lassen, dass der Satz ?Gleiche Regeln für gleiche Inhalte? etwas sehr verkürzt, weil die Wirkung, die das Gesehene hat, nicht unterschätzt werden darf. Es macht einen Unterschied, ob ich ein Video zufällig sehe, weil ich durch die Fernsehkanäle zappe, oder ob ich ins Kino gehe und mir den Film ganz bewusst und mit entsprechender inhaltlicher Vorbereitung anschaue. Darum kann ich den Satz voll unterschreiben, wenn man dazu die Rezeptionssituationen berücksichtigt, die eine Rolle spielen.

    Wir müssen mittelfristig zu einer einheitlichen Regelung für diese Inhalte kommen, unabhängig von den Transportwegen, wir müssen zweigleisig fahren. Einerseits wird nach wie vor in einem gewissen Umfang der traditionelle Jugendschutz stehen müssen, soz. als Basisregelung. Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass wir bestimmte Extremsituationen legislatorisch regeln müssen. Dazu sind, soweit es Online-Angebote angeht, sicherlich globale Ansätze notwendig.

    Traditioneller Jugendschutz heißt, obwohl ich auf der Seite der Landesmedienanstalten stehe, nicht eine ausschließlich ordnungsrechtliche Ausrichtung dieser Position, sondern wir müssen wesentlich stärker als bisher auf Selbstkontrollregelung setzen, weil eine vernünftig angewandte Selbstkontrolle viele Vorteile hat, denn sie kann anders als ordnungsrechtliche Regelungen nicht erst im Nachhinein greifen, sondern sich im Vorfeld mit Veranstaltern und Inhalten konstruktiv auseinandersetzen. Wir brauchen aber für funktionierende Selbstkontrolle einen Rahmen, der bestimmte Funktionskriterien für die Selbstkontrolle festschreibt. Dies soll nicht bedeuten, dass ordnungsrechtliche Funktionsträger die Entscheidungsgewalt an sich ziehen können und soz. das, was die Selbstkontrolle tut, wieder aufheben und sie dadurch ad absurdum führen. Wir brauchen klare Regelungen über die Verbindlichkeit der Selbstkontrolle zur Transparenz und zu ihrem Funktionieren insgesamt. Zur Verbindlichkeit ein Hinweis: Es muss für beide Seiten gelten, es müssen die Kriterien verbindlich sein, es muss ebenso verbindlich sein, dass die Veranstalter, die Inhalte präsentieren, auch verpflichtet sind, die Selbstkontrolle einzuschalten. Das war ein deutliches Defizit der bisherigen Selbstkontrolle im Bereich des Fernsehens, dass immer, wenn es um richtig viel Geld ging ? eine 20.15 Uhr Produktion ? die freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen vorsichtshalber vorab nicht eingeschaltet worden ist, weil das möglicherweise noch einige Schnitte vorsehen könnte. Das ist für mich ein Beispiel, wo man organisatorisch an den Selbstkontrollrahmen herangehen muss. Ich halte den ordnungsrechtlichen klassischen Jugendschutz für das richtige Mittel. Wenn wir uns Mühe geben, werden wir wohl auch dahin kommen, für die unter-schiedlichen Transportwege und unterschiedlichen Dienste, die wir derzeit haben, durchaus gleichartige Selbstkontrolleinrichtungen zu erreichen. Wir müssen uns nur davor hüten, in Kompetenzdiskussionen einzutreten.

    Das ist der eine Weg. Wir haben gesehen, dass Filterprogramme ausgesprochen schwer wiegen. Ich erwähne das Wort Medienkompetenz als das zweite Gleis, auf dem man sich bewegen sollte, obwohl ich eben gehört habe, dass es leicht als Alibi missverstanden werden kann. Man sollte sich nicht damit zufrieden geben, Medienkompetenz und das Wort ?Alibi? zu nahe zusammen zu bringen. Richtig verstandene Medienkompetenz kleinräumig angewendet bedeutet insbesondere auch die Forderung von Kompetenz der Eltern und bringt durchaus Erfolg. Voraussetzung dafür ist, dass das Thema Medienkompetenz als Thema in den entsprechenden Bereichen anerkannt wird. Auf dem Weg sind wir. Wir haben mit allen möglichen Projekten und Diskussionen viel Resonanz bei allen möglichen gesellschaftlichen Gruppen gefunden, bei Eltern, Veranstaltern, Erziehern. Bundesweit brauchen wir dringend eine Koordination der Maßnahmen im Bereich der Medienkompetenz, die vielfältig bereits angewendet werden. Mir wäre es lieb, wir würden es kurzfristig schaffen, eine Zusammenstellung der Medienkompetenz, Initiativen, Aktivitäten und Projekte, die wir bundesweit haben, die zum Teil wirksam sind, wenn wir eine Online-Sammlung von Aktivitäten erreichen könnten, wo jeder, der nachfragen möchte, wie es gemacht wird, die Chance hat, Anregungen oder ausformulierte Modellprojekte aufzugreifen und durchzuführen. Das ist für mich der praktische Weg, wie man Medienkompetenz umsetzen kann.

    Dazu brauchen wir fundierte Forschung. Wir haben bereits Forschung über Nutzungsdauer, z.B. Nutzung von Fernsehen. Wir stellen fest, dass sich die Nutzungsdauer über die Jahre hinweg kaum signifikant verändert hat. Wir wissen allerdings wenig über die Auswirkungen auf diejenigen, die täglich 100 Minuten Fernsehen schauen. Hier muss wesentlich stärker im Bereich der Forschung angesetzt werden, damit wir Problemlagen und Lösungsmöglichkeiten erkennen.

    SV Dr. Arthur Waldenberger : Ich möchte vorab darauf hinweisen, dass ich heute für die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia spreche, nicht für den Zeitschriftenverlegerverband. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia, deren Vorsitzender ich bin, ist mit diesem Thema weitaus mehr angesprochen als die Zeitschriftenverleger, insbesondere wenn es um das Thema Internet geht.

    Ich möchte nur einige Punkte ausleuchten. Wir haben viel Kritik gehört, ich beginne deshalb mit etwas Positivem. Wir haben 1997 die Jugendschutzgesetze für die neuen Medien geändert, GJS im Mediendienste-Staatsvertrag. Wir meinen, dass wir von Seiten der FSM in den letzten Jahren durchaus eine positive Entwicklung beobachten. Was Herr Schindler und andere hier vorgetragen haben, ist sicher richtig. Ich könnte Ihnen aber auch eine Reihe von Seiten präsentieren von Anbietern, die sich zunehmend an die deutschen Jugendschutzvorschriften halten und mit Filtersoftware oder Ähnlichem arbeiten. Diese positive Entwicklung hat viele Ursachen, z. B. dass sich ein Zusammenspiel von diversen Organisationen ergeben hat, anfangs mit gewissen Reibungsverlusten, zunehmend ohne Reibungen. Damit meine ich die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia, natürlich aber auch Jugendschutznetz und die BPJS, ein System, das sich durchaus bewährt hat.

    Um die steigende Bedeutung der Multimedia-Selbstkontrolle auch in der Öffentlichkeit bei den Nutzern zu dokumentieren, lassen Sie uns drei Zahlen vergleichen im Hinblick auf die Beschwerden, die sich ergeben haben. Im ersten vollen Geschäftsjahr der FSM 1998 gab es ca. 220 Beschwerden, im 2. Jahr waren es 272 Beschwerden, in diesem Jahr bis 31.10. waren es 1.365 Beschwerden gegen Online und ITM. Diese steil nach oben zeigende Kurve macht deutlich, dass im Bewusstsein der Öffentlichkeit jetzt klar ist, wie ich mich als Internetuser auch verhalten kann, wenn ich mich an die Freiwillige Selbstkontrolle im Netz wende.

    Es ist nach Schwachstellen im Gesetz gefragt worden. Es gibt eine ganze Reihe Schwachstellen im geltenden Recht, einmal seine generelle Zersplitterung, zum andern dass wir im Medienstaatsvertrag aus unserer Sicht eine verfassungswidrige, weil zu unbestimmte Klausel haben, die sich auf Inhalte bezieht, die in sonstiger Weise die Menschenwürde verletzen. Wenn wir so in Zukunft Jugendschutzpolitik mit derartigen Gummi-Klauseln betreiben, weiß ich nicht, wie das rechtssystematisch weiter gehen soll.

    Zum dritten sehen wir auf Seiten der freiwilligen Selbstkontrolle und im Interesse unserer Mitglieder, dass die Zuständigkeiten für die Bundesprüfstelle und für die Gemeinsame Länderstelle Jugendschutznetz deutlicher als bisher von einander abgegrenzt werden und dass ihnen bestimmte Kompetenzen zugewiesen werden. Wir wissen, dass es darüber konkrete Vorstellungen gibt, das Eckpunktepapier ist uns bekannt. Wir finden, die Diskussion bewegt sich in eine vernünftige Richtung. Wir beteiligen uns an diesen Diskussionen und unterstützen sie nachhaltig bei aller Kritik in einzelnen Fragen.

    Die positive Entwicklung hat auch eine Schattenseite. Wenn wir sehen, dass bestimmte Anbieter sich an Jugendschutzvorschriften halten, gibt es andere, die sie umgehen und ins Ausland verschwinden. Im Ausland ist die Rechtsverfolgung und die Verfolgung durch freiwillige Selbstkontrolle erschwert. Was ist dagegen zu tun? Wir glauben, dass ein Minimalkonsens hinsichtlich bestimmter Inhalte dringend erforderlich ist, nicht nur europaweit, sondern weltweit. Das muss das Ziel sein. Insofern ist der Entschließungsantrag vollkommen richtig. Wir schlagen noch eine zweite Maßnahme vor, bei der die freiwillige Selbstkontrolle dringend auf die Politik angewiesen ist. Wir haben gesehen, dass es in einigen Ländern, die für das Internet durchaus bedeutsam sind, entweder keine oder zu wenig Selbstkontrolle gibt, z.B. USA, Russland, Kanada usw.. Es wäre wünschenswert, dass von der Politik, vom Parlament sowohl als auch von der Regierung ? ich habe dazu auch mit Frau Justizministerin Däubler-Gmelin Kontakt aufgenommen - ein gewisser Druck ausgeübt wird, nicht ihre Gesetze zu ändern, weil wir damit wohl keinen Erfolg haben können, sondern zumindest versuchen, eine Art freiwillige Selbstkontrolle zu etablieren. Denn die Kooperation von freiwilligen Selbstkontrollen und über die Verpflichtung auf einen freiwilligen Verhaltenskodex lässt sich kurzfristig und effektiv sehr viel mehr erreichen, als wenn man den anderen Weg geht. Ich nenne dazu ein Beispiel.

    Kürzlich gab es in Wien eine Konferenz zum Thema ?Hass im Internet?, da waren viele hochmögende Teilnehmer anwesend. Ein Motiv dieser Konferenz war, die Amerikaner dazu zu bewegen, auch gesetzgeberisch stärker gegen diese- ?hate-speach? vorzugehen. Die Amerikaner haben dazu geantwortet, dass sie jemanden geschickt haben ? ohne irgendwelche Kompetenzen -, um den Deutschen gleich deutlich zu machen, was sie davon halten, nämlich nichts. Die Amerikaner werden auch in absehbarer Zeit ihre zweihundert Jahre alte Verfassung nicht ändern in dem Punkt, was die Meinungsfreiheit angeht. Das ist so, das müssen wir akzeptieren. Auch unsere vielen ausländischen Nachbarn, Holland, Dänemark usw. werden das auch nicht tun, wenn die Deutschen das gerade für sinnvoll halten.

    Was folgt für uns daraus? Wir glauben, dass es auch in den USA durchaus Provider gibt, die nicht damit einverstanden sind, dass über ihre Server ?hate speach? verbreitet wird, und dass wir sie durchaus dazu bewegen können, einen Verhaltenskodex aufzustellen, der so etwas untersagt und mit den freiwilligen vertraglichen Mitteln auf diese einzuwirken. Wir brauchen aber dazu Unterstützung von der Politik. Dass diese Forderung nicht ganz unrealistisch ist, beweist das Beispiel Europa. Sie alle kennen den Internet-action Plan der EU, die einzelnen Maßnahmen, die nach diesem Plan ergriffen worden sind. Unter anderem hat sich im vergangenen Jahr unter Mitwirkung der FSM ein europäischer Dachverband der Hotlines gebildet, der sich Inhope nennt. Dieser Dachverband hat u.a. zum Ziel, da spielt in positiver Weise Politik und Selbstkontrolle zusammen, in den Staaten Europas, in denen noch keine freiwillige Selbstkontrolle existiert, bei dem Aufbau solcher Organisationen zu helfen und gemeinsame Standards zu entwickeln. In diesem einen Jahr des Bestehens der Dachorganisation sind schon zahlreiche Organisationen dazu gekommen. Ich fahre in der nächsten Woche nach Paris zu unserem nächsten Inhope-Treffen. Dort will sich eine neue spanische Hotline vorstellen. Dies verspricht kurzfristig Aussicht auf Erfolg.

    Zur Filtersoftware: Wir haben von verschiedenen Experten durchaus zu recht gehört, die angebotene Filtersoftware sei nur englischsprachig erhältlich und wirke nicht so viel ? das ist auch unsere Beobachtung, wenngleich wir von der FSM uns als Ziel gesetzt haben, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass es solche Software überhaupt gibt. Wenn Sie unsere website beobachten, werden Sie Hinweise, wenngleich keine Empfehlungen, finden auf solche Software. Die Schwächen sind uns bewusst. Bei der technischen Entwicklung steht natürlich die Zeit nicht still und wir können durchaus positiv voranschreiten, wenn wir einmal ein dreistufiges System etabliert haben, wie es im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung im vergangenen Jahr schon vorgeschlagen wurde.

    Zum Thema Werbung im Kinderprogramm möchte ich mit zwei Fragen schließen: Sind sie sich bewusst bei den gezeigten Seiten, dass die von Kindern geschlossenen Verträge alle unwirksam wären nach dem BGB, dass es den Werbetreibenden gar nichts bringt?

    Sind Sie sich bewusst, dass die Kinderseiten automatisch auch im Netz verschwinden, wenn Werbung aus den Kinderseiten verschwindet? Als Beispiel: Mächtige Verlage in Deutschland verdienen kaum einen Pfennig mit Internetseiten, und wie sollen denn die kleinen Anbieter die für Kinder und Jugendliche geeigneten Seiten anbieten, wenn sie nicht mehr auf Werbung zurückgreifen können?

    Ein letzter Punkt zur freiwilligen Selbstkontrolle: Hier ist die Idee vorgetragen worden, freiwillige Selbstkontrolle müsse auch gesellschaftliche Sanktionsmöglichkeiten beinhalten. Wenn sie die beinhaltet, dann ist sie keine Selbstkontrolle mehr, sondern gesellschaftliche Kontrolle. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, wenn Sie sagen, die Selbstkontrolle muss Sanktionsmöglichkeiten haben. Aber wenn es eine gesellschaftliche Sanktion, Prangerwirkung oder ähnliches haben soll, dann sind wir im Bereich der Gesellschaftskontrolle. Ich will mich nicht dagegen aussprechen, dass sich eine solche gesellschaftliche Kontrolle bildet. Es gibt in jüngerer Zeit eine Initiative ....

    Vorsitzende : Ich muss Sie unterbrechen, Sie haben schon mehr als 10 Minuten, das ist gegenüber den anderen Sachverständigen unfair. Ich bitte jetzt die Berichterstatter, Herrn Bartels, Frau Eichhorn, Herrn Simmert und Herrn Haupt, maximal drei Fragen an die Sachverständigen zu richten.

    Abg . Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Ich danke für alle substantiellen Beiträge, die wir schriftlich und in vorgetragener Form hier zur Kenntnis nehmen konnten, die schon einiges Neues für alle Anwesenden gebracht haben, und sei es die erweiterte Anschauung. Ich bin sehr dankbar dafür, dass in fast allen Beiträgen unsere Zielsetzung der Vereinheitlichung des Jugendmedienschutzes sehr unterstützt worden ist. Das nehmen wir als eine Ermutigung. Das Ministerium ist auch in dieser Richtung tätig, wenn es daran geht, das Gesetzgebungsverfahren vorzubereiten.

    Meine Fragen an Frau Monssen-Engberding, Frau Johns und Herrn Dr. Schulz:

    Frau Monssen-Engberding, die Diskussion der Kausalitäten wird nicht gern geführt und ist heute im Hintergrund gewesen. Was bewirken die jugendgefährdenden Inhalte bei Kindern, was tun sie dann? Welche Folgen darf man unterstellen, welche Trends werden verstärkt durch jugendgefährdende Inhalte? Es gibt Wirkungsforschung darüber, immer sehr umstritten. Wenn wir davon ausgehen würden, es gäbe keine Wirkung, würden wir jetzt nicht hier sitzen.

    Frau Johns: Sie hatten das Thema ?Kinder mit besonderen Problemen? angerissen, Kinder in sozialen Brennpunkten, Kinder aus schwierigen Elternhäusern: Haben Sie Vorschläge, was kann man tun etwa für Migrantenkinder, um Medienkompetenz zu verbessern? Haben Sie aus Ihrer Praxis Erkenntnisse darüber, wie etwa Kinder mit psychischen Problemen von bestimmten Inhalten berührt sein können oder dass psychische Probleme auftreten können beim Betrachten bestimmter Inhalte?

    An Herrn Dr. Schulz eine Frage zum internationalen Vergleich: In Deutschland sind Inhalteanbieter verpflichtet, zu identifizieren. Ist das bei anderen Herkunftsländern auch so oder wo sind da Lücken? Das wäre die Basis dafür, dass man sich international vereinheitlicht, dass auch andere Länder wissen, wer von ihrem Territorium aus bei uns operiert.

    Abg. Maria Eichhorn (CDU/CSU): Frau Monssen-Engberding, Sie haben davon gesprochen, dass internationale Standards entwickelt werden müssten. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass Angebotene, die im Schriftenbereich verboten sind, über Internet jederzeit abrufbar sind. Was müsste auf nationaler Ebene getan werden, damit diese Vorschriften für die Indizierung auch auf das Internet angewandt werden können?

    Eine Frage an Frau Bundschuh und Herrn von Heyl: Was muss durch die Bundesregierung getan werden, dass auf internationaler Ebene diese gemeinsamen internationalen Standards entwickelt werden können, um einen internationalen Jugendmedienschutz zu erreichen?

    Herr Dr. Waldenberger sagte, es würde reichen, dass Druck auf die Länder zur freiwilligen Selbstkontrolle gemacht würde. Reicht das Ihrer Meinung nach aus?

    Herr von Heyl, Sie haben in Ihrer Stellungnahme davon gesprochen, dass die Aggressivität von Anbietern ständig zunimmt und es immer schwieriger ist, dem Einhalt zu gebieten. Was könnte von Seiten des Bundes gegen diese Aggressivität getan werden?

    Abg. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Sosalla, Sie hatten den Aspekt der Selbstkontrolle angesprochen und ordnen ihr eine hohe Bedeutung zu. Welche ordnungspolitischen Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Funktionsfähigkeit der Selbstkontrolle zu erhöhen? Sie wurde hier auf dem Podium teilweise auch sehr kritisch bewertet. Müssen hierzu neue Gremien geschaffen werden? Welche Vor- und Nachteile würde eine gemeinsame Selbstkontrolleinrichtung von privaten und öffentlichen Veranstaltern bringen? Diese Frage richtet sich auch an Frau Johns.

    Zur Werbung: Muss Werbung zwangsweise zur Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen gehören? Kann man Kinder überhaupt von Werbung fernhalten, oder müsste man grundsätzlich darüber nachdenken, warum es zu hohem Medien- und Fernsehkonsum kommt und wie man hier zu grundlegenden Änderungen des Konsumverhaltens von Kindern und Jugendlichen kommen kann?

    Abg. Klaus Haupt (F.D.P.): Zum Zauberwort ?Medienkompetenz? meine Frage an Herrn Sosalla: Wie sehen Sie Möglichkeiten, Kindern, Eltern, Lehrern im Hintergrund der neuen Medien diese ?Wunderdroge? zu vermitteln? Ist z.B. auch sinnvoll, ein entsprechendes Schulfach einzurichten, wissenschaftliche Begleitung, Forschungsprojekte usw.?

    An Herrn Schindler die Frage: Was kann man gegen sog. Einfangnetze von Anbietern jugendgefährdenden Inhalts im Internet tun, die durch irreführende Begriffe sich den Filtern entziehen?

    Meine Frage an Herrn Hönge: Wie können die vorhandenen Kontrollgremien besser vernetzt, harmonisiert werden, national und auch international?

    Abg. Kerstin Griese (SPD): Ich möchte die Frage nach der Medienwirkungsforschung ergänzen und fragen, ob nicht ein adult-check ausreicht? Sie haben das auf den Bildern gesehen, dass man die Altersstufe ankreuzt. Herr Hönge hat das in seiner Stellungnahme aufgeführt, es sei erfolgreich, dass jetzt viele der jugendschutzrelevanten Angebote in geschlossenen alterskontrollierten Erwachsenengruppen zu finden sind. Mir stellt sich die Frage, wie weit dieser adult-check überhaupt ausreicht.

    Zur Medienwirkungsforschung: Inwieweit ist zutreffend, was auch amerikanische Forscher sagen, Computerspiele dressierten zum Töten, regten die Funktion des Nachmachens an. Wir hören immer wieder, dass Jugendliche nach Gewalttaten darauf hinweisen, sie hätten das in Videospielen oder im Internet gesehen. Wie ist Ihre Erfahrung dazu?

    Meine Frage an Herrn von Heyl und Frau Monssen-Engberding und Herrn Schindler, weil wir regeln müssen, wie wir in der Bundesrepublik in dieser Frage weiter kommen: Die internationale Frage ist wichtig, aber wie stimmen Sie beide, also die Bundes- und die Länderseite, ihre Vorgehensweisen auf einander ab, wie ergänzen Sie sich da? Was halten Sie für sinnvoll im Sinne eines abgestimmten Vorgehens? Sie haben in Ihren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung in die Zuständigkeit der Bundesprüfstelle bei Telediensten und von Jugendschutznetz bei Mediendiensten für uns schon kaum verständlich, nach außen noch weniger nachvollziehbar ist, dass sich das in der Praxis nicht bewährt hat. Auch wenn Sie alle die Vereinheitlichung begrüßen: Wie soll es aussehen, welche Vorstellungen haben Sie, wie das Bundesrecht, die Kompetenz, die wir haben, novelliert werden soll? Wie ist Ihre Erfahrung, ob man eine solche Abgrenzung überhaupt weiter aufrecht erhalten kann?

    Abg. Hanna Wolf (München) (SPD): Ich habe bei Ihrer Vorführung, Frau Feil, der Kinderprogramme mit Werbeteil fragen wollen: Kann man herausbekommen, wieviel werden zu einer Bestellung führen? Wieviel Kinder gibt es, die über das Internet versuchen, etwas zu bestellen?

    Meine Frage an Herrn von Heyn: Wir hatten vor Jahren eine Anhörung zum Thema Kinderpornographie mit einer Vorführung der Münchner Kripo. Sie wollten uns demonstrieren, wie findet man das unter welchen Kennworten. Es ist ihnen damals nicht gelungen, uns etwas vorzuführen. Sie haben uns heute gezeigt, wie schnell man ohne Stern hineinkam in pornographische Bilder, in Bilder von Gewalt und Rechtsradikalismus. Ist das inzwischen viel schneller möglich? Dann wären alle Versuche, dies schwieriger zu machen, hinfällig. Wie schätzen Sie die Möglichkeit der Kontrolle, des Feststellens und der Sperrung ein? Ist es ein hoffnungsloses Unterfangen? Was geschieht mit Kindern, wenn sie diese Produkte sehen?

    SV Elke Monssen-Engberding : Zur Wirkungsforschung könnte man jetzt einen langen Vortrag halten. In den letzten Jahren hat sich immer wieder ergeben ? das ist von Herrn Bundschik, der seit 1975 Wirkungsforschung betreibt, und von Herrn Aufenanger zusammengefasst worden, dass es weit mehr Indizien dafür gibt, dass gewalthaltige Inhalte schädlicher als nützlicher sind. Wirkungsforschung ist noch so neu und so wenig vorangetrieben, dass man sich darauf geeinigt hat, was den gesellschaftlichen Gesamtkonsens an Wertevorstellung, z.B. das Töten von Menschen auf unterschiedliche Art und Weise, überschreitet, das sollte Kindern und Jugendlichen nicht vorgeführt werden, weil Kinder und Jugendliche in bestimmten Ausnahmesituationen dazu neigen könnte, die eigenen Hemmungen vor der Anwendung von Gewalt fallen zu lassen. Die Wirkung ist natürlich, was den Bereich des Nationalsozialismus angeht, sehr eindeutig. Wenn in bestimmten plakativen Schriften dargestellt wird, dass Ausländer Unmenschen sind, dass sie zu töten sind, dann liegt das Ergebnis von Wirkungsforschung auf der Hand. Ich kann Ihnen darüber Zusammenfassungen zuschicken.

    Zur nationalen Ebene: Ich halte es für sinnvoll, dass das, was im Trägermedienbereich als jugendgefährdend eingestuft wurde, auch nicht im Internet ohne Beschränkung verbreitet werden darf.

    Dazu ein typisches Beispiel, auch für den Bereich Werbung: Es gibt das sog. Shopping-Buch, in dem bereits Dreijährige dazu aufgefordert werden, ihre Eltern dahingehend zu erpressen, mehr Taschengeld zu bekommen, damit sie ungehindert konsumieren können. Gleichzeitig wird dazu aufgefordert, immer nur Markenartikel zu tragen, dass man nur dann ein wertvoller Mensch ist. Wir haben dieses Buch indiziert. Im Internet wird es weiter zugänglich gemacht. Die fahren mit Bussen durch die Republik und lesen dieses Buch vor. Ob die Verbreitung im Internet untersagt werden kann, das werden wir durch die Staatsanwaltschaft klären lassen. Gerade im rechtsradikalen Bereich halte ich das für sehr sinnvoll. Wir haben eine Vielzahl von Tonträgern indiziert, in denen dazu aufgefordert wird, Ausländer aus dem Land zu vertreiben, und noch viel Schlimmeres. Hier können Tonträger über das Internet ungehindert verbreitet werden. Die Anbieter aus Amerika werben noch damit, hier könnt Ihr all das hören, was euch in der Bundesrepublik Deutschland untersagt worden ist. Wenn es wenigstens strafrechtlich relevant wäre, weil es indiziert ist, dann kann auch die Strafverfolgungsbehörde etwas machen. Aber so kann leider gar nichts passieren.

    Die Zusammenarbeit mit Jugendschutznet funktioniert jetzt schon sehr gut. Wir würden gerne sehen, dass die Länderbehörden die entsprechenden Dinge kontrollieren, was ihre originäre Aufgabe ist, und dass wir für den Bereich ? wir arbeiten in unseren Gremien auch mit Ländervertretern zusammen ? der Jugendgefährdung, der Inidizierungen, verbindliche Kriterien aussprechen, damit durch die entsprechende Verfolgungsarbeit deren Verbreitung unter Kindern und Jugendlichen verhindert wird, sobald ein Medium in diesem Bereich indiziert ist

    SV Irene Johns : Zur Frage, was kann man tun, um für Kinder aus sozialen Brennpunkten Medienkompetenz zu verbessern? Zunächst ist das Aufgabe der Schulen. Man muss sehen, dass man bereits in Kinder-tagesstätten mit Medienerziehung anfangen muss, und dass sie da institutionalisiert sein muss und nicht nur der Beliebigkeit von einzelnen Erziehern überlassen sein kann. Man muss zusätzlich Jugendverbände gewinnen, die diese Kinder und Jugendlichen ansprechen.

    Der spezielle Bereich ?Kinder mit Migrations-hintergrund? ist insofern noch komplexer, als diese Kinder heute in den üblichen Medien Hörfunk und Fernsehen weder ihren kulturellen Hintergrund noch ihre Sprache wiederfinden, und dass die traditionellen klassischen Medien bis heute das wenig berücksichtigen. Da müsste man einwirken, dass das mehr geschieht.

    Im Zusammenhang mit Gewaltbereitschaft, Gewaltdarstellung, ist schon angesprochen worden, dass es hier ein Wirkungsrisiko gibt und vorhandene Aggressivität oder Ängstlichkeit verstärkt werden kann. Das betrifft den Bereich, den Sie, Herr Wandlitz, ansprachen, Kinder mit psychischen Störungen, die besonders labil sind. Die Forschung sagt eindeutig, dass Kinder, die in einer gewalttätigen Umgebung aufwachsen, in besonderer Gefahr stehen, gewaltdominierte Lösungsmuster zu übernehmen und Gewaltdarstellung zu Rechtfertigung für eigenes Gewalthandeln zu übernehmen.

    Zur Frage, wie muss Selbstkontrolle konzipiert sein, damit sie effektiv ist: Bei der FSF haben wir deutlich vorgeführt, was geschehen muss, damit Selbstkontrolle nicht effektiv ist, sowohl was den Bereich der Nachmittags-Talkshows angeht, als auch was Sie, Herr Sosalla, angesprochen haben. Immer wenn es um viel Geld geht, werden diese Filme möglichst der FSF nicht vorlegt, damit man keine Schnitte vornehmen muss. Der einzig sinnvolle Weg erscheint mir zu sein, den Herr Dr. Schulz aufgezeigt hat, klare Vorgaben zu machen, was die Selbstkontrolle erfüllen muss.

    Zur Frage, ob es Sinn macht, für öffentliche und private Sender gemeinsame Mechanismen einzusetzen: Ich war in der Programmaufsicht sowohl beim Privatfernsehen als auch beim öffentlich-rechtlichen. Dazwischen klaffen Welten, was den Kinder- und Jugendmedienschutz betrifft. Ich sehe darin überhaupt keinen Sinn, weil die Interessen der Programmanbieter unterschiedlich sind und es um unterschiedliche Systeme geht.

    SV Dr. Wolfgang Schulz : Zur Frage, ob Kennzeichnungspflichten auch in anderen Staaten bestehen, an die man anknüpfen könnte, wenn es um internationale Verfolgung geht: Es gibt zahlreiche Staaten, wo das nicht der Fall ist, insofern gehört so etwas für mich auf eine Mindeststandardliste, wenn man sich international darüber auseinandersetzen wollte, was gewährleistet werden muss. Das war auch eine der Stärken, dass in Deutschland frühzeitig mit dem Teledienste-Gesetz und dem Mediendienste-Staatsvertrag für bestimmte Dienste so etwas wie eine Impressumspflicht eingeführt wurde. Das hat nicht nur für den Jugendschutz, sondern auch für den Persönlichkeitsschutz und Beleidigung erhebliche Bedeutung, also insofern eine relativ klare Antwort. Das ist in vielen Staaten nicht der Fall.

    SV Dr. Anja Bundschuh : Zur Frage: Was muss die Bundesregierung tun, damit internationale Standards erreicht werden können? Man muss zunächst unterscheiden zwischen der Notwendigkeit, internationale und globale Standards zu erarbeiten, was Verbreitungsverbote von Inhalten angeht. Das sind die bei uns strafrechtlich verbotenen Inhalte wie Kinderpornographie, Pornographie mit Gewalt, Gewaltspiele, die Beispiele, die Frau Monssen-Engberding vorhin gezeigt hat. Es wird schwierig sein, dieses auf globaler Ebene zu erreichen, weil wir in den einzelnen Ländern sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was strafrechtlich verboten werden soll und was nicht. Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, über die EU im Rahmen der laufenden Initiativen ? Aktionsplan Internet, usw. ? hier Druck auszuüben, aber auch im Rahmen von G 8 oder sonstigen internationalen Gremien, um als Basis internationale Standards zu haben. Was nicht ausbleiben darf, ist eine Intensivierung und Verbesserung der Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden, um sicher zu stellen, dass hier eine Verfolgung effektiv durchzuführen ist.

    Andererseits haben wir die sog. jugendschutzrelevanten Inhalte, strafrechtlich nicht verbotene aber jugendgefährdende Inhalte. Hier hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund, dass sämtliche audiovisuellen Inhalte global verfügbar werden und es zum Teil schon sind, nur einen beschränkten Aktionsradius. Hier sind die Selbstkontrolle und technische Maßnahmen die zukunftsweisende Lösung. Es ist wichtig, das Verhältnis zwischen Selbstkontrolle und rechtlicher Kontrolle abzuklären, da besteht viel Anpassungsbedarf.

    Zu den technischen Maßnahmen: Wir müssen uns darüber klar sein, wir befinden uns beim Internet noch in den Kinderschuhen. Nur in dem kleinen Bereich ?digitales Fernsehen? haben wir innerhalb von zwei Jahren einen shift im Jugendschutzsystem von einer durch die Elternseite zu aktivierenden Sperre bis hin zu einer durch die Veranstalterseite zu aktivierenden Sperre vollzogen. Das ist technisch machbar. Bei den technischen Maßnahmen im Multimediabereich wird in zwei Jahren die Welt ganz anders aussehen, um jugendschutzrelevante Inhalte effektiver vor Kindern zurückzuhalten.

    Zur Zusammenlegung der Selbstkontrolle: Das ist eine Interessante Frage, die der weiteren Diskussion bedarf. Ich möchte dazu auf einen ep-Medienartikel vom 11. November hinweisen, der darauf eingeht, dass der Bezahl-Sender ?Premiere-world? im Moment ein Verfahren durchläuft, weil ein Film, der keine Alterskennzeichnung hatte, morgens um 6 Uhr gezeigt wurde ohne Verschlüsselung, im Kanal Krimi und Co.. Die gemeinsame Stelle der Landesmedienanstalten beschäftigt sich mit diesem Programmfall. Ich führe das hier nur auf, weil dieser Film im ZDF ohne Beanstandung um 20.15 Uhr gelaufen ist. Insofern gibt es schon Möglichkeiten, hier auf eine Gleichberechtigung hinzuwirken.

    SV Cornelius von Heyl : Zu den Fragen von Frau Eichhorn: Was muss getan werden, um auf internationaler Ebene weiterzukommen? Hier müssen wir die vier Bereiche trennen.

    Erstens: Kinderpornographie, das ist international geächtet, da haben wir sogar auf den Cayman-Inseln und sogar in Japan Erfolge. Dazu muss man wissen, alles was hier gezeigt wurde, war keine Kinderpornographie. Das waren Kinder, aber es waren keine sexuellen Handlungen mit Kindern in dem Sinne. Jedenfalls sind die Maßstäbe außerordentlich streng. Wir finden Kinderpornographie auch kaum mehr im öffentlich zugänglichen Netz und haben, wenn wir es finden, sogar international beachtliche Erfolge.

    Der zweite Bereich ist Erotik-Pornographie insgesamt. Ein internationales Bewusstsein ist noch nicht sehr stark. Die Gesetze der meisten europäischen Staaten verbieten es eigentlich, auch die meisten US-amerikanischen Einzelstaaten, es ist aber nicht ?federal law?. Aber der FBI nimmt Hinweise darüber nicht an, weil er meint, das sei unwesentlich. Hier ist ein weiter Schritt voran zu machen, weil die gesetzlichen Grundlagen in vielen internationalen Staaten dafür vorhanden sind.

    Der dritte Bereich ist das, was wir ?hate speach? nennen, Volksverhetzung, Rassenhetze, auch der Nazibereich und die Holocaustleugnung gehören dazu. Da sind wir ziemlich hoffnungslos. Das ist in Deutschland einmalig in der Welt geregelt. Wir haben die Hoffnung auf anderer Ebene, und zwar auf der gleichen Ebene, wo es lediglich um, wie man international sagt, schädigende Inhalte geht, also jugendgefährdende Inhalte, vielleicht nur jugendbeeinträchtigende. Hier haben wir Gespräche mit den deutschen Suchmaschinen, das sind etwa zwei Dutzend Betreiber, mehr haben wir nicht. Fast jeder Jugendliche geht über deutsche Suchmaschinen ins Netz und findet über diese Suchmaschinen diese Stellen. Die Suchmaschinen haben Möglichkeit, wenn wir Hinweise geben, entsprechende schädliche oder illegale Inhalte zu sperren. Hier bahnt sich eine Kooperation an, dass nach unserer Liste der nicht zulässigen Angebote bei den deutschen Suchmaschinen gesperrt wird. Das wäre ein enormer Fortschritt. Die ersten Gespräche haben stattgefunden. Ich denke, dass wir im nächsten Jahr zu einer Vereinbarung kommen.

    Zur Frage, was man tun kann gegen die Aggressivität von Anbietern. Ich bin selbst einmal versehentlich auf ein Werbebanner gestoßen und erhielt seitenweise Pornographie. Man kann dagegen überhaupt nichts tun. Das ist die Eigenart des Netzes, die Aggressivität in dieser Form möglich macht.

    Was wir tun können, ist, wenn verbotene Inhalte gezeigt werden, wir dagegen vorgehen und alles tun, dass mit verbotenen Inhalten keine Geschäfte gemacht werden können. Wer so aggressiv vorgeht, tut das, um Geschäfte zu machen. Wenn wir das Geschäftemachen verderben, haben wir viel gewonnen.

    Zur Frage von Abg. Griese, was kann man tun, dass sich Jugendschutz.net und Bundesprüfstelle in ihrer Arbeit auf einander abstimmen?

    Wir haben einen Lernprozess mit einigen Schwierigkeiten hinter uns, der zum Teil durch die Gesetzgebung mit verursacht war. Jugendschutz.net ist auf Mediendienste abgestellt, die Bundesprüfstelle nach anders definierten Telediensten. Das heißt, die Definition der Abgrenzung in dem für Jugendschutz.net maßgeblichen Länderrecht und das für die Bundesprüfstelle maßgebliche Bundesrecht sind dazu noch unterschiedlich, so dass es Schnittstellen beiderseitiger Zuständigkeiten gibt. Als wir gemeinsam über die Notwendigkeiten für die Zukunft nachdachten, haben wir herausgefunden, dass sich im Grunde sich beide Stellen in idealer Weise ergänzen, wenn sie für alles zuständig sind. Die Bundesprüfstelle kann durch Spruch eines pluralbesetzten Gremiums bei solchen Seiten im Internet, bei denen es fraglich wäre, feststellen: Die muss den gleichen Verfügungsbeschränkungen unterliegen wie etwa Pornographie. Das heißt, sie ist nur in einer Erwachsenengruppe zulässig. Jugendschutz.net macht nichts Konstitutives, es kontrolliert, ob das auch eingehalten wird. Wenn es nicht eingehalten wird, kriegt derjenige, der es falsch ins Netz stellt, einen entsprechenden Abmahnbrief, und wenn er renitent ist, geht das an die zuständige Verfolgungsbehörde. Da ist eine Entwicklung im Gange, die, wenn die Gesetzgebung die Grundlagen entsprechend weiter schafft, außerordentlich fruchtbar sein wird.

    Zur Frage von Frau Wolf: Sie werden auch heute im öffentlich-zugänglichen Netz kaum Kinderporno-graphie finden. Wir wissen, wie sie zu finden ist. Das Problem ist, das deutsche Gesetz sagt, das es sich nur um Kinderpornographie handelt, wenn es unter 14-Jährige sind. Das heißt, man muss dem Beschuldigten nachweisen, dass es unter 14-Jährige waren, oder dass sie jedenfalls so aussehen. In den skandinavischen Ländern geht das bei unter 18-Jährigen los.

    Zu den Möglichkeiten der Kontrolle sagt am besten Herr Schindler etwas, wenn die Vorsitzende es gestattet, der die Kontrollen aktiv durchführt.

    SV Schindler : Die Möglichkeiten der Kontrolle sind im Internet relativ einfach, weil jedes Angebot mehr oder weniger genau zu identifizieren ist. Man weiß, auf welchem Server ist die Seite und weiß in der Regel auch, wer sie ins Netz gestellt hat. Wenn es sich um ein deutsches Angebot handelt, können wir den Anbieter relativ schnell ermitteln, wir treten mit ihm in Kommunikation und bitten, dieses Angebot zu ändern, andernfalls geben wir es an die Strafverfolgungsbehörden oder die zuständigen Aufsichtsbehörden. Wenn ein Anbieter eine falsche Adresse angibt, was häufig vorkommt, informieren wir den Hausprovider, machen ihn in diesem Fall bösgläubig. Er ist nach dem Gesetz verpflichtet, entsprechend zu handeln.

    Schwieriger ist es, wenn Angebote über das Ausland ins Netz gestellt werden, z.B. bei einer ausländischen Registrierungsstelle wie Internik seine Seiten anmeldet, muss er dort auch seine Adresse angeben, es müssen Geldmittel fließen.

    Es gibt zunehmend Registrierungsstellen, die keine persönlichen Daten erfassen, z.B. Tonga oder Nihue, die im Prinzip winzige Inseln sind, aber im Internet eine große Rolle spielen, weil z.B. Tonga das Kürzel hat ?to?, come to, fly to, surf to. Bei Tonga muss man nur die Kreditkarte abgeben. Es gibt inzwischen auch Dienste, wo man es völlig anonym machen kann.

    Die meisten Sachen liegen auf größeren Servern, viele haben sog. allgemeine Geschäftsbedingungen, darin werden bestimmte Inhalte ausgeschlossen, z.B. im Bereich des Rechtsextremismus ist man auf den zentral organisierten Seiten relativ machtlos, z.B. ?stormfront? oder ?abbc.com? oder ?american skinhead? sind Seiten, die bekommt man nicht aus dem Netz. Aber das meiste, das von jugendlichen Rechtsextremisten ins Netz gestellt wird, d.h. es wird auf free server gestellt, z.B. bei dry... oder bei x-zoom, kann man leicht herausbekommen, weil alle diese free server in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen schon aufgenommen haben, dass sie mit hate-speach nicht einverstanden sind.

    Als Beispiel: In Berlin ist ?radio germania? ins Netz gestellt worden, es betreibt gleichzeitig im offenen Kanal eine Radiosendung und einen Internet-Auftritt, der bei Jugendlichen sehr bekannt war. Das Ermittlungsverfahren gegen diesen Betreiber dauert inzwischen mehr als eineinhalb Jahre, weil er umgezogen ist von Brandenburg nach Berlin. Man hatte Schwierigkeiten, bestimmte Tatbestände zuzuordnen. Er hat die Seite gewechselt von seiner Frau zu ihm selbst, d.h. man hatte die Schwierigkeit, die Verantwortlichkeit zu klären. Uns hat ein Nutzer aus der Schweiz angerufen und sich beschwert. Ich habe ihn über den Tatbestand aufgeklärt. Da hat er eine e-mail in die USA geschrieben und gebeten, diese Seite vom Server zu nehmen. Sie war am nächsten Tag verschwunden.

    Kontrolle bedeutet nicht, dass wir sie durchführen, sondern sie bedeutet Selbstorganisation in viel größerem Umfang als es bisher geschieht. Es kann nicht sein, dass es die Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle gibt, sondern es muss eine freiwillige Selbstkontrolle der Suchmaschinen geben, der großen Portale geben. Zum Beispiel müsste t-online sehen: Was ist an Erotik-Scheiß auf meiner Seite, ist das für Kinder zugänglich? Es müsste auch eine Selbstkontrolle von Nutzergemeinden geben, z.B. breiten sich jetzt Nazi-Clans im Internet aus. Es gibt aber eine intensive Gegenbewegung von Spielern, die mit dieser ganzen Nazi-Szene nichts zu tun haben wollen und die sie bekämpfen. Man hat die Möglichkeit, in Nazi-Angebote, in Gästebücher etwas hineinzuschreiben, das sind alles Möglichkeiten der Nutzerkontrolle, die momentan noch nicht voll ausgeschöpft werden.

    SV Werner Sosalla : An mich richteten sich Fragen zur Organisation der Selbstkontrolle, zur Werbung und zur Medienkompetenz.

    Zur Selbstkontrolle und den ordnungspolitischen Maßnahmen, die notwendig wären, Selbstkontrolle funktionierend zu machen: Es ist im wesentlichen eine Frage der Verbindlichkeit und Transparenz der Kriterien. Die Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle müssen in der Weise agieren können, dass sie zwar als Selbstkontrolleinrichtung organisiert sind, dass sie aber in ihrer Arbeit gewisse Selbständigkeit, Unabhängigkeit von denen gewinnen, die sie eingerichtet haben. Sie dürfen nicht davon abhängig sein, dass bestimmte ausgewählte Inhalte zur Kontrolle zugeliefert werden ? das gilt jedenfalls für den Fernsehbereich -, sie müssen deutlich machen können, nach welchen Kriterien das funktioniert. Ich hatte die FSF angesprochen ? sie hat gute inhaltliche Arbeit gemacht, soweit sie dazu gekommen ist. Das Problem war, dass einzelne Inhalte nicht vorgelegt worden sind und deswegen keiner Kontrolle zugänglich sein konnten. Ich glaube, dass das Prinzip, das uns FSK, FSF im Filmbereich vorgeführt haben, für eine Reihe von Inhalten funktionieren kann. Es wird in absehbarer Zeit keinen Unterschied machen, ob ich ein Video aus der Videothek ausleihe, aus dem Breitbandkabelnetz ziehe oder von einem Satellitenanbieter hole. Man kann Selbstkontrolle unter den Kriterien, die wir kennen, in langsamen Schritten vereinheitlichen. Wir brauchen positive ordnungspolitische Ansätze, die die Selbstkontrolle fördern können, weil man auch Anreize dazu schaffen muss, Selbstkontrolle als Selbstkontrolleinrichtung ernst zu nehmen und sie von sich aus funktionsfähig zu machen. Das kann unproblematisch funktionieren für den Fernsehbereich, wenn diese Kriterien gegeben sind, und diese nicht die Einzelheiten des Verfahrens von einer Ordnungseinrichtung überprüft werden können. Es geht mir nicht darum, Revision oder Berufung gegen eine inhaltliche Entscheidung einzulegen. Die Entscheidungen der FSK sind bisher nicht intensiv be anstandet worden ? das liegt auch an der Zusammensetzung der Prüfgremien, die ich mir für eine gemeinsame Einrichtung vorstellen kann. Sie sollte plural besetzt sein, damit die Breite und Akzeptanz der Entscheidung gewährleistet ist.

    Es hat auch damit zu tun, dass wir uns, soweit wir uns im Rundfunkbereich bewegen, immer noch unter einer verfassungsrechtlichen Situation sehen, was Rundfunkfreiheit und Meinungsfreiheit angeht. Insofern kann man das Verfahren der FSK leicht bereinigt um Fragen der Staatsferne durchaus als Vorbild nehmen. Wir brauchen ordnungspolitisch ein Instrumentarium, das dazu führt, die Arbeit der Selbstkontrolleinrichtung unabhängig zu machen, sie auch in die Lage zu versetzen, Sanktionen auszusprechen für den Fall, dass sich die, die von einer Entscheidung wirtschaftlich betroffen sind, an diese Entscheidung nicht halten. Ohne Sanktionensystem wird es letztlich nicht gehen.

    Das sind jedoch handwerkliche Fragen. Wenn man sich über diesen Rahmen einig ist, wird man schnell zu Konzepten kommen, wie das funktionieren kann. Wir haben das gerade in der Diskussion zwischen Jugendschutz.net und der Bundesprüfstelle gehört. Die Schwierigkeit ist, dass wir eine Reihe gut arbeitender Organisationen haben, eine Zusammenführung führte sehr schnell zu der Frage: Wer macht es letztlich? Ich sehe noch nicht den Königsweg, wie wir diese Debatte sinnvoll führen können, der Kompetenzenstreit überwindet und zu einer Sachlösung führt. Wenn man sich über das Ziel im klaren ist, hat man schon eine Menge gewonnen. Selbstkontrolle hat gut funktionierende Ansätze, sie braucht einen hohen Grad an Verbindlichkeit, dann wird sie funktionieren. Den ordnungspolitischen Rahmen kann man darüber schaffen. Positive Reize können auch Auswirkungen auf online-Anbieter haben, denn eine durch die Selbstkontrolleinrichtung zertifizierte Seite kann auch als Gütesiegel wirken, sie kann auf den Umgang von Eltern mit Kindern positive Effekte haben. Es muss nicht nur restriktiv passieren, sondern kann durchaus positive Anreize geben.

    Zur Zusammenfassung öffentlich-rechtlicher und privater Kontrolle ? ein reizvolles Thema, was auch mit gegenseitigen Kommunikationsschwierigkeiten belastet ist. Es gibt immer wieder Beispiele, wo man sagen muss, das eine oder andere öffentlich-rechtliche Angebot, das man um 20.15 oder 23.00 Uhr sieht, würden wir den privaten Veranstaltern zu diesem Zeitpunkt nicht gestatten ? das muss ich aus der Sicht der Landesmedienanstalten konstatieren. Dabei spielt keine Rolle, dass der Auftrag der öffentlich-rechtlichen ein anderer ist. Die Zielsetzung der Sendezeit 20.15 Uhr ist die gleiche, nämlich Quoten zu machen. Wenn man sich die Strukturen der Programmkontrolle innerhalb öffentlich-rechtlicher Anstalten ansieht, wird man deutliche Unterschiede feststellen. Die Programmkontrolle der öffentlich-rechtlichen funktioniert, aber es ist eine andere Struktur, es gibt auch keine Sanktionssysteme, die dazu führen, dass es innerhalb von ARD und ZDF Anreize gibt oder auch Schranken, bestimmte Inhalte nicht auszustrahlen. Üblicherweise funktioniert dort eine gewisse Selbstrestriktion, aber sie funktioniert nicht immer.

    Ein wesentlicher Punkt, der den Gedanken einer gemeinschaftlichen Aufsicht reizvoll erscheinen lässt, ist, wenn man sagt, gleiche Inhalte bedürfen gleicher Kriterien, wenn man auch in diesem Bereich keine Tabuzone aufbauen darf, wo man mit unterschiedlichen inhaltlichen Kriterien arbeitet. Wir müssen mittelfristig dazu kommen, dass die Kriterien bei allen Angeboten die gleichen sind, nicht um Wettbewerbsbedingungen gleich zu machen, sondern um die Akzeptanz von Jugendschutz zu erhöhen. Es ist nur schwer zu vermitteln, dass ein Angebot in einem Teil des dualen Systems anders gewichtet wird als in dem anderen Teil. Wir hätten es viel leichter mit dem Transport der Information zum Thema Jugendschutz, wenn wir sagen könnten, es läuft alles unter einem Etikett, unterliegt gleichen Kriterien und wird in gleicher Weise vermittelt. Das ist jedoch nicht das zentrale Thema. Man erschwert die Diskussion um wirksamen Jugendschutz, wenn man diese Diskussion jetzt führt. Aber man sollte sie nicht aus dem Auge verlieren.

    Zur Werbung im Umfeld von Kindersendungen: Ein schwieriges Thema, das nur nach einer ausführlichen Diskussion sinnvoll zu beantworten ist. Ich warne davor, pauschal zu sagen, es ist gut, wenn wir unsere Kinder vor Werbung schützen können, ihnen soz. ein kleines ?Naturschutzgebiet? einräumen, in dem sie werbefrei fernsehen können. Wir haben dieses ?Naturschutzgebiet? derzeit im Bereich des Kinderkanals. Das hindert die Kinder nicht daran, auf private Kindersendungen auszuweichen. Super-RTL hat als privater Kinderkanal beachtliche Quoten durch Akzeptanz und Reichweite. Die Kinder sehen das gerne. Ein großer Teil der Kindersendungen im privaten Bereich würde wegfallen, wenn diese Angebote nicht mehr finanzierbar wären. Man darf sich keinen Illusionen hingeben, dass das Interesse an den Kindern so weit geht, dass man völlig auf die Refinanzierbarkeit in diesem Sektor verzichten würde, und dass dort, wo jetzt Kindersendungen sind, plötzlich ein ?schwarzes Loch? entsteht und die Kinder keine Ausweichmöglichkeiten haben. Es führt dazu, dass wir zu einer Situation kommen, in der es einerseits den Kinderkanal gibt, andererseits Eigenangebote, die wir jetzt schon kennen, wie talk-shows, daily soaps. Weil sie billig sind, werden sie dann am Sonntag Morgen ausgestrahlt. Man kann Eltern nicht so viel Kompetenz beibringen, dass sich ihre Kinder nicht irgendwann vor die Glotze hängen, die Kinder herumzappen und bei den Sendungen mit spannendem, echten Leben bleiben. Auch ?big brother? ist nicht eigentlich für Zehnjährige gedacht, aber Zehnjährige gucken das Programm, weil sie denken, so ist das richtige Leben. Diese Gefahr würde bestehen, wenn man radikal sagen würde, weg mit der Kinderwerbung im Umfeld von Kindersendungen.

    Wie es im Moment ist, ist es auch nicht optimal. Ich könnte mir vorstellen, dass man mit den wenigen Veranstaltern, um die es geht, redet und mit ihnen gemeinsam einen Kodex entwickelt, der dazu führt, dass es Vereinbarungen über Inhalte und Formen von Werbung im Umfeld von Kindersendungen gibt, die dazu führen, dass diese einigermaßen kinderverträglich ist. Ich halte nichts davon, Kinder bis zu einem bestimmten Alter überhaupt nicht mit Werbung zu konfrontieren, und sie ab einem bestimmten Alter der vollen ?Droge? zu überlassen. Es gibt Mechanismen, die dazu führen, dass Kinder kritisch mit Werbung umgehen lernen ? ein hochdifferenziertes Thema, das sich hier nicht so schnell beantworten lässt.

    Zur Wunderdroge Medienkompetenz: Medienkompetenz ist in den letzten Jahren häufig verstanden worden als technische Mediennutzungskompetenz. Wenn ich mir die vielen Schulungsangebote im Bereich von online-medien anschaue, ist sie es dort auch noch. Medienkompetenz befasst sich nicht mit der Frage, wie ich den Video-Recorder programmiere, sondern es kann nur darum gehen, jemanden fit zu machen im kritischen Umgang mit dem, was an Information auf ihn einströmt, also eine inhaltliche Frage, technische Fragen ergeben sich nebenbei von selbst. Medienkompetenz in der Schule anzusetzen, ist sicher eine gute Idee, nicht als eigenes Schulfach, sondern als Querschnittaufgabe, weil wir in allen Bereichen thematisch mit Medien konfrontiert sind. Man sollte in der Schule das Internet als Recherche-Medium viel intensiver fördern, anstatt ein spezielles Fach einzurichten. Damit würde eine Abkoppelung von Medien und Inhalten erfolgen. Der Ansatz, erst in der Schule zu beginnen, scheint mir zu spät. Wir arbeiten im Moment intensiv mit Kindergartenprojekten, weil wir meinen, dass die Medienkompetenz früher ansetzen muss als bei Büchern. Die Wirkung von Büchern tritt erst ein, wenn das Kind lesen kann, während die Wirkung des Bildes in dem Moment eintritt, wenn ich den kleinen Knülch vor die Glotze setze. Dem Kind kann ich kindgerecht erklären, was passiert, wenn ich ihn vor die Glotze setze, z. B. indem man Kinder in eine Kiste krabbeln lässt, die wie ein Fernseher aussieht, dies auf Video aufnimmt und mit ihnen darüber spricht, was dort passiert. Man darf auch den außerschulischen Bereich nicht außer acht lassen. Auch das gehört zur Medienkompetenz. Dazu kommt: Medienkompetenz muss bei Kindern ansetzen, aber ist letztlich eine Frage der Elternkompetenz. Wenn die Eltern nicht gelernt haben, mit den Medien kritisch umzugehen, wird es schwer sein, den Kindern dies zu vermitteln. Wir haben die Erfahrung mit Kindergartenprojekten gemacht, wobei wir au ch mit Eltern kommuniziert haben, dass die Kinder selbst die Informationen, die sie aus dem Kindergarten haben, in einer bestimmten Weise in ihre Familie hineintragen, darüber reden, und die Eltern, die ich mit einem Elternprojekt nicht erreiche, plötzlich neugierig werden. Das erreicht noch nicht alle, aber erreicht mehr als die, die ich beim Elternabend erreiche. Da kann man ansetzen. Wir brauchen Medienkompetenz, aber wir müssen den Leuten auch erklären, wie Medienkompetenz funktioniert. Dazu brauchen wir viele konkrete Projekte, an denen man das demonstrieren kann, und wir brauchen viel mehr Forschung, die an der Basis des Erwerbs von Medienkompetenz ansetzt, als wir sie derzeit haben. Es darf keine abstrakte Forschung sein, sondern es muss eine handlungs- und wirkungsansatzorientierte Forschung sein.

    SV Folker Hönge : Zu Ihrer Frage, Herr Haupt: Die Vernetzung von Kontrollgremien ist ein wichtiger Punkt. Die effektivste Form der Vernetzung ist die, die seit der letzten Novellierung des Jugendschutzes von 1985 besteht, die obersten Landesjugendbehörden einerseits und freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft andererseits. Das sage ich nicht, weil ich in dieser Institution tätig bin, sondern weil ich es für den effektivsten Weg halte, zu Ergebnissen zu kommen, die gesellschaftlich plural und in der Öffentlichkeit akzeptiert werden. Die Video-Firmen brauchen nicht lange auf ihre Kennzeichnung zu warten, sie passiert umgehend. Die Kriterien sind transparent, die Entscheidungen werden von den obersten Landesjugendbehörden als eigene Entscheidungen übernommen. Sie haben natürlich auch ein Appellationsrecht. Das habe ich gemeint mit gesellschaftlicher Sanktionsmöglichkeit. Genau diese Form der Selbstkontrolle, die getragen ist von rechtlicher Akzeptanz, ist die einzige Form der Selbstkontrolle, die in diesem Medienpark Bestand haben wird.

    Es ist viel Kritik geübt worden an der freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen. Ich bin als Vertreter der Länder in diesem Kuratorium und weiß, dass dort die Struktur absolut seriös gewesen ist, auch die Prüfung. Schwierig ist, dass der Unterbau hier fehlt, zwei wichtige Säulen fehlen in der FSF, die Landesmedienanstalten und die öffentlich-rechtlichen Sender. Wenn dieser Unterbau fehlt, diese Sanktionsmöglichkeiten, die die obersten Landesbehörden bei der Filmwirtschaftsselbstkontrolle haben, dann ist eine freiwillige Selbstkontrolle immer gefährdet und zahnlos.

    Auf internationaler Ebene kenne ich das für meinen Bereich. Es gibt zahlreiche Prüferaustausche mit Holland, Österreich, ausländische Prüfer sind bei uns mit tätig als Gäste. Wir führen Sitzungen und Diskussionen mit Kindern und Jugendlichen durch, das hat dazu geführt, dass in den letzten 10 Jahren Unterschiede in der Alterskennzeichnung erfolgten, mit Ausnahme von Frankreich, dort gibt es eine staatliche Zensurstelle, 70 % aller Filme werden ohne Altersbeschränkung freigegeben. Dass alle anderen Institutionen der Filmprüfung ähnliche Kriterien anlegen, ist ein wichtiger Punkt. Da sind die Institutionen selbst gefragt, da kann man nicht darauf warten, dass staatliche oder gesetzgeberische Impulse kommen.

    Zur Frage nach der Akzeptanz bzw. Notwendigkeit bei digitalen Bildträgern und Computerspielen adult-checks einzurichten, kann besser Herr Schindler etwas sagen.

    SV Schindler : Es gibt eine erfreuliche Entwicklung, dass einerseits viele Anbieter in Deutschland solche Schutzsysteme verwenden. Es ist aber nicht genau definiert, wie diese Schutzsysteme auszusehen haben. Deswegen gibt es von den drei Institutionen, die damit befasst sind, FSM, Bundesprüfstelle und jugendschutz.net im Grunde nur Empfehlungen, die nicht mit einander kompatibel sind. Das wird von der Porno-Industrie als großes Problem angesehen, weil es damit keine Rechtssicherheit gibt und einen Wettbewerb nach unten. Wir haben uns mit allen Zentralstellenleitern der Staatsanwaltschaft und den Aufsichtsbehörden der Länder getroffen und das Votum geholt, dass wir eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema einrichten sollen. Wir haben mit den adult-headmastern gesprochen. Es gab zwei Treffen mit adult-porn-mastern, wo etwa 130 headmaster da waren, die ungefähr 80 bis 90 % des porn-traffics in der Bundesrepublik gerieren. Sie sagen, sie möchten eine einheitliche Regelung haben, an die sich alle halten. Sie wären zu großen Schnitten bereit, wenn das für alle gilt.

    Die Versuchung, ein möglichst billiges Schutzsystem einzusetzen, ist groß, weil man mit diesen 0190-Nummern sehr viel Geld verdienen kann. Man kann diese Einmal-software sehr gut mit einer Personalausweisnummerkontrolle verbinden. Das sagt allerdings nichts über die Identität der Person aus, die diese Nummer eingegeben hat. Wir hoffen, dass man demnächst zu einer gemeinsamen Empfehlung kommt, wie so etwas aussehen könnte, dass die Zukunft einen ?digitalen Fingerabdruck? bringt, mit dem man das Problem der geschlossenen Benutzergruppen ein für alle mal gut geregelt wäre.

    SV Christine Feil : Es wurde gefragt, ob es Zahlen gibt, in welchem Umfang es Kinderwerbung im Internet gibt bzw. über Bestellungen, die Kinder im Internet machen. Es gibt dazu keine Zahlen, vielleicht ist das auch gar nicht entscheidend, wie viel bestellt wird. Man muss daran denken, wenn es über Adressenkollektion geht, ist der Adresshandel auch eine Perspektive, über den Geschäfte gemacht werden.

    Zur Medienkompetenz: Ich weise darauf hin, dass im Zusammenhang mit dem Internet viel weniger Kinder im Internet sind und viel kürzere Zeiten, als man sich das überhaupt vorstellt. Man kann das mit dem Fernsehen nicht vergleichen. Die empirischen Untersuchungen arbeiten mit Zeiträumen ?Warst du innerhalb von vier Wochen einmal im Internet?? und kommen bei den 6 bis 8-Jährigen auf 2 % und bei den 12-Jährigen auf 25 bis 35 %, je nach Untersuchung.

    Es wurde gesagt, die Medienkompetenz der Eltern müsste gefördert werden und die der Kinder. Im Internet weiß überhaupt niemand, was Medienkompetenz sein soll. Es gibt darüber keine Untersuchung, die sich damit beschäftigt, wie Kinder mit dem Internet umgehen. Medienkompetenz im Fernsehen, wie Kinder Fernsehen wahrnehmen, ist mit dem Internet nicht vergleichbar. Wenn ich sage, Kinder rezipieren darüber, dass sie sich mit Protagonisten identifizieren, insofern das ein Mittel ist, wie sie Fernsehen verarbeiten, muss ich bedenken, im Internet gibt es keine einzige Erzählstruktur, auch wenn bei es der Konvergenz der Medien inhaltliche Konvergenz gibt in dem Punkt, dass man bestimmte Figuren aus den anderen Medien ins Internet adaptiert, fehlt nach wie vor der Erzählzusammenhang und die Dramaturgie, wie sie im Kinderfernsehen möglich ist. Im Internet ist das durch die hybertex-Struktur nicht vorhanden. Bevor man sich darüber unterhält, wie man die Internetkompetenz von Kindern oder Eltern fördern könnte, muss man sich klar machen, welche unterschiedlichen Medien man vor sich hat und worin unterscheiden sie sich.

    Wenn es um die Medienkompetenz der Eltern geht, wäre ein erster Schritt, dass man die Eltern informiert, was es überhaupt für Kinder im Netz gibt. Wenn die Programme für Kinder gut und tauglich sind, wäre ich nachsichtig, ob die mit oder ohne Werbung sind.

    Vorsitzende : Vielen Dank. Wir kommen nun zur zweiten Fragerunde.

    Abg. Wolfgang Dehnel (CDU/CSU): Frau Monssen-Engberding hat das Beispiel gebracht von Büchern, die indiziert waren und über das Internet vertrieben worden sind. Ähnlich gibt es das Verbot von indizierten Filmen. Dazu meine Frage an Herrn Hönge: Das Verbot wird in der Praxis unterlaufen. Welches sind Ihre Vorschläge, um die Bundesregierung aufzufordern, Maßnahmen zu ergreifen? Was könnten wir als Fraktion dazu tun, welche Anträge sollten wir stellen? Appelle allein werden nicht genügen, es muss ein ordnungspolitischer Rahmen sein.

    Abg. Hildegard Wester (SPD): Ich möchte auf die Medienkompetenz zurückkommen. Frau Johns hatte sehr stark auf Schule abgehoben, die als Vermittler von Medienkompetenz fungieren sollte. Dabei vergessen Sie, dass wir da die Eltern nicht erreichen. Wenn ich davon ausgehe, dass bei aller Schwammigkeit des Begriffs zur Medienkompetenz von Eltern gehören würde, zu wissen, dass es bestimmte Filterprogramme gibt und die dann auch anzuwenden, wüsste ich gern, ob Sie Kenntnis darüber haben, wie häufig solche Programme in Familien überhaupt gesehen werden. Wie wirksam sind solche Erkenntnisse? Es gibt ja auch Möglichkeiten, diese Filterprogramme außer Kraft zu setzen.

    An Herrn Dr. Schulz eine Frage zu den Filterprogrammen: Welche weiteren Möglichkeiten der Filterung gibt es, die nicht verbraucherautonom sind, die eine Wirkung versprechen?

    Abg. Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Eine Frage an Herrn von Heyl. Im IUKDG wurden Jugendschutzbeauftragte für größere Unternehmen zur Pflicht. Ich habe festgestellt, dass oftmals Unternehmen überhaupt nicht wissen, was sie mit diesen Personen anfangen sollen, welche Inhalte sie herüberbringen sollen, und wie sie in dem Konflikt stehen, Unternehmensinteressen zu berücksichtigen bzw. Jugendschutzinteressen. Welche Maßnahmen halten Sie für erforderlich, um eine bessere Öffentlichkeitswirkung und Wirksamkeit zu erreichen?

    Eine Frage an Herrn Dr. Schulz zur Werbung. Sie sagten, sie halten nichts von einem Werbeverbot. Wie könnten Sie sich eine vernünftige Werbung auf Kinder-Webseiten vorstellen, halten Sie etwas von Richtlinien, wie könnten sie aussehen?

    Eine dritte Frage an Herrn Hönge: Ich habe eine Vorstellung: wie der Kinderkanal der öffentlich-rechtlichen, könnte es ein Kinderportal im Internet geben. Könnten Sie sich vorstellen, dass so etwas realisierbar ist, wie könnte es realisiert werden? Was halten Sie von der Vorgabe, bestimmte Alterszuschnitte als Hilfen zu geben? Im Bereich der Medienkompetenz sollten Kinder und Jugendliche irgendwann auch das gesamte Programm in Händen halten und damit verantwortungsbewusst umgehen können. Halten Sie Altersvorgaben zur Freigabe eines Kinderportals für realistisch?

    Abg. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Frage an Frau Feil: Gibt es ein Angebot an Internet-Seiten für Kinder, die ohne Werbung auskommen, die qualitativ hochwertig sind, oder halten Sie es für sinnvoll, analog zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch im Internet gerade im Zuge der Konvergenz ein solches Informationsangebot von politischer Seite zu fördern?

    Abg. Kerstin Griese (SPD): Ein kurze Nachfrage an einen Sachverständigen, der die technische Seite erklären kann: Wenn die Filter zu umgehen sind, wenn Browser nicht wirken, wenn man irgendwelche Phantasienummern eingeben kann, gibt es noch den anderen Weg, wenn Nutzer irgend welche Stichworte eingeben, Pornographie oder Nationalsozialismus, dass sie automatisch umgeleitet werden zu aufklärenden Seiten, nicht zu Seiten, die diese üblen Seiten verbreiten wollen. Diese Diskussion gibt es auch. Für wie realistisch halten Sie das, ist das durchsetzbar?

    Ich würde es auch begrüßen, wenn wir die praktischen Beispiele, die Sie hier genannt haben, die screen-shots, das shopping-Buch, die Unterlagen zur Wirkungsforschung zu unseren Unterlagen bekommen könnten, damit wir damit arbeiten können.

    Abg. Christine Lehder (SPD): Meine Frage richtet sich an Herrn von Heyl zum Thema Rechtsextremismus im Netz. Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme, dass der Verfassungsschutz zunehmend die Gefahr eines neuen Gewaltpotentials durch Spiele im Internet befürchtet. Welche Maßnahmen gibt es, um diese Gefahr einzudämmen, wie schätzen Sie die Zukunft auf diesem Gebiet ein?

    SV Christine Feil : Zur Frage nach dem Angebot im Internet für Kinder ohne Werbung: Die gibt es. Es sind meist von Fernsehanstalten oder Firmen, die über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen, deshalb keine Werbung machen müssen. Als Beispiel: Die Autolernwerkstatt. Sie wird finanziert von VW, ist werbefrei. Fast werbefrei ist die BR-Kinderinsel vom Hörfunk Bayern 2. Es gibt auch Privatinitiativen von engagierten Leuten, die Sachen für Kinder ins Netz stellen, oder web-design-Firmen, die das als Referenzprodukte für ihre eigentliche Arbeit machen, die piksi-tips. Oder die Seite Blinde Kuh ? da gibt es auch keine Werbung, viele Beispiele im Kindersektor, dass man Kinderseiten machen kann, die qualitativ hochwertig sind, ohne Werbung zu machen.

    Es gibt die neuen Trends von Firmen, Kinder im Internet könnte ein Geschäft sein. Folglich gibt es bereits Aktiengesellschaften, die ausschließlich gegründet worden sind, um web-sites für Kinder zu entwickeln. Die müssen irgendwie refinanziert werden. Also wird auf Werbung gesetzt oder andere versuchen es mit Taschengeldkonten. Wenn die Eltern das Konto einrichten, ist es kein Problem, wenn das Kind da kauft, hat aber nichts mehr mit dem eigentlichen Taschengeld zu tun.

    Zur Frage, ob man sich politisch auf das Problem Werbung beziehen sollte.

    Abg. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich meinte, ob es analog zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sagt, wir fördern gesellschaftspolitisch wissenschaftlich fundiertes Material, was auf eigenen Seiten präsentiert wird.

    SV Christine Feil : Das wäre sinnvoll. Es gibt schon Material, das man dort verwenden könnte. Man muss aber unter dem Gesichtspunkt des Kinder- und Jugendschutzes bedenken, wenn man ein Kinderportal macht, dass man den Eltern keine falschen Versprechungen machen darf, es könnte niemals passieren, auf eine Erotikseite zu kommen. Es liegt am Prinzip des Internet. Aber man hätte schon mal ein positives Angebot als Einstiegsmöglichkeit. Ich sehe das Problem nach zwei Jahre langem Herumsurfen auf Kinderseiten nicht so gravierend, dass man sagen müsste, an jeder Ecke lauerte jetzt die Gefahr für Kinder. Das Portal für Kinder könnte man ergänzen mit Informationen für Eltern und die Kinder selbst über den Kinder- und Jugendschutz zu informieren.

    SV Cornelius von Heyl : Zur Frage von Frau Fischbach: Die Konstruktion des Jugendschutzbeauftragen im geltenden Recht hat nicht zu dem geführt, was wir erhofft hatten. Das liegt an der gesetzlichen Formulierung. Anbieter, die jugendgefährdende Inhalte haben könnten, sind verpflichtet, einen Jugendschutzbeauftragten zu benennen, der Ansprechpartner für die Nutzer ist und der den Anbieter beraten kann. Wenn wir ein Angebot finden und fragen, wer ist der Jugendschutzbeauftragte, sagt der Inhaber der kleinen Firme, das bin ich selbst, oder der Geschäftsführer sagt, ich mache das, er ist Ansprechpartner für den Nutzer und berät über Jugendschutz. Bei der Frage ist nicht ganz im Blick gewesen, wie unendlich viele Kleinstanbieter, auch gewerbliche, es im Internet gibt, die niemanden freistellen können, die aber nach der gesetzlichen Formulierung keineswegs verpflichtet sind, sich etwa einer freiwilligen Selbstkontrolle, wie der FSF, anzuschließen.

    Was kann man dagegen tun? Man kann ins Gesetz schreiben, dass Jugendschutzbeauftragte frei zu stellen sind in einem angemessenen Umfang für ihre Aufgaben, dass sie nicht zugleich die kommerziellen Angelegenheiten des Anbieters wahrnehmen dürfen, und, wenn das in dem kleinen Betrieb nicht möglich ist, eine freiwillige Selbstkontrolle beauftragt werden muss. Es muss aber zugleich da stehen, dass der Anbieter den Jugendschutzbeauftragten in allen Angelegenheiten, die den Jugendschutz betreffen könnten, zu beteiligen und zu informieren hat. Das steht auch noch nicht darin. Insofern ist es im Grunde nicht schwierig. Das wird der nächste Zug des Gesetzgebers hoffentlich bringen.

    Zur Frage von Frau Griese: Was kann man tun bei den Dingen, die international noch nicht durchsetzbar sind: Der Ansatz ist der wichtigste, den wir im Moment setzen können. Jugendliche gehen immer über Suchmaschinen ins Netz. Die deutschen Suchmaschinen haben zum Teil eingeblendet bei bestimmten Suchbegriffen, dass man darauf aufmerksam macht, was man sucht. Zuviel dürfen Sie sich davon nicht erhoffen, denn sie dürfen nicht sperren, solange das, was gesucht wird, auch legal ist. Man kann ein legitimes Suchinteresse haben, wenn man z.B. im Geschichtsunterricht etwas über die Nazizeit schreiben will, muss man darüber etwas suchen. Man darf also nicht alles sperren, auch nicht bei Sex. Das wäre pädagogisch sogar falsch. Der nächste Punkt ist der inhaltliche, dass man nicht die Suchbegriffe sperrt, sondern bereits aufgefallene Adressen, die wirklich schädigende rassenhetzerische Inhalte haben. Uns fallen solche Adressen auf, die Kooperation mit den Suchmaschinenbetreibern, diese Adressen zu sperren, steht vor der Tür. Wir werden das erreichen. Es ist technisch möglich.

    Zur Frage von Frau Lehder betreffend die rechtsextremistischen Inhalte im Netz, dazu möchte ich Herrn Schindler das Wort geben, der sehr kompetent ist.

    SV Schindler : Zu den rechtsextremistischen Spielen: Wir haben im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung eine Recherche gemacht zum Thema rechtsextremistische Jugendszene im Internet. Da war das Thema ?Spiele? eine der Hauptschwerpunkte. Das hier gezeigte Nazi-Moorhuhn ist nicht typisch für die rechtsextremistischen Spiele, eher soz. ein gimic für die Naziszene, ein Werbespiel für Whisky, umfunktioniert in ein antinazistisches Spiel. Unter den Nazispielen würde ich eher Titel benennen wie ?KZ-mananger dates? oder speziell angepasste level von Spielen, die in der Jugendszene weit verbreitet sind, z.B. ein ?white power doom? oder ?Nazi-doom?. Kommerzielle Computerspiele bekommen einen eigenen level und werden umfunktioniert, weil die Gegner dann z. B. Schwarze sind oder ?Jüdische Bosse?. Neu ist die Bildung von sog. nazistischen Spiele-Clans, und darauf bezieht sich die Äußerung des Verfassungsschutzes. Es gibt momentan fünf oder sechs solcher Spiele-Clans. Das Umschlagen virtueller und realer Gewalt gab es z.B. bei diesem Littleton-Massaker, bei Bad Reichenhall, wo jeweils die Ballerspiele und eine nazistische Ideologie gepaart waren. Es ist aber kein Massenphänomen. Man kann nicht automatisch sagen, dass Jugendliche, die solche rechtsextremistischen Spiele spielen, jetzt auf die Straße gehen und das sofort umsetzen.

    Wir haben uns umgesehen: bei den Spielen, die infrage kommen, z.B. soldier forge, unreturnement, quake, usw. sind nur drei Spiele aufgetaucht, die rechtsextremistische Namen hatten, und Tausende von Spielern, die sich davon distanzieren. Es gibt eine Reihe von Spiele-Clans, die z.B. ?stop Faschismus? als Titel haben und von sich aus offensiv dagegen vorgehen, die werden von den Servern gekickt. Man muss das sehr genau beobachten und hat nur die Chance, dass die Spieler-Szene das ein Stück weit selbst reguliert. Vielleicht kann man sie dabei unterstützen.

    SV Volker Hönge : Zur Frage nach dem Verbot der inidzierten Filme. Mit dem 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und dem grundsätzlichen Verbot indizierter Filme im Fernsehen ist eine grundsätzliche Forderung der Bundesländer erfüllt worden. Ich bin damit zufrieden. Für mich sind die indizierten Spielfilme, die in völlig geänderter Fassung nochmals ausgestrahlt werden können, nicht das Problem im Jugendschutzbereich des Fernsehens. Die Filme sind durch die Altersstufungen bzw. die Sendezeitgrenzen relativ gut geregelt. Nicht geregelt ist die Werbung im Offline-Bereich, die immer intensiver wird, und andere Sendeformen. Damit meine ich nicht nur TV-Talkshows, sondern sog. Dokumentationen, die in hohem Maße jugendschutzrelevanter sind als die fiktionalen Filme. Das ist ein Punkt, der jugendschutzmäßig viel intensiver zu diskutieren wäre.

    Zur Frage nach den Freigaben im Netz: Von einem starren Freigabesystem im Netz für kleinere Kinder halte ich nicht viel, gleichwohl halte ich viel von der Zusammenarbeit verschiedener Institutionen, die sich zusammensetzen, um hier kindergeeignetes Angebot mit zusammen zu stellen bzw. hier gemeinsam darüber zu diskutieren. Da ist der Austausch zwischen Kinderfernsehen und Institution, z.B. der FSK, noch gering. Ich wünsche mir, dass hier eine Vertiefung kommt, dass gerade Erfahrung im Jugendschutzbereich auf der einen Seite und dem pädagogischen Bereich auf der anderen Seite Früchte tragen können, aber ohne ein starres System der Altersstufen.

    SV Irene Johns : Wir haben mit drei verschiedenen Gruppen von Eltern zu tun, einmal mit Gruppen, für die jugendgefährdende Inhalte kein Thema sind, die auch kein Problembewusstsein für diese Fragen haben, die verwenden diese Filter nicht ? die Risikogruppe, über die wir uns immer Gedanken machen.

    Die zweite Gruppe sind Eltern, die sich auch damit schon überfordert fühlen, die Beratung brauchten.

    Die dritte Gruppe sind Eltern, die uns rückmelden, jedes technisch begabte Kind kann den technischen Filter knacken, oder sie beschreiben so merkwürdige Folgen, wie ich sie eingangs geschildert habe, dass sie eine Kindersicherung einschalten und können dann nicht mehr auf ein seriöses Kindernetz gelangen, weil dort z.B. Sexualität diskutiert wird. Diese technischen Möglichkeiten, soweit sie mir bekannt sind, halte ich für nicht sehr wirksam. Ich setze eher auf die Kompetenz von Kindern und Eltern sowie auf klare Verhaltensregeln für die Anbieter, auf die sie sich selbst verpflichten, die durch gesetzlichen Vorgaben geregelt sind.

    SV Elke Monssen-Engberding : Zur Frage von Herrn Dehnel: Es ging nur um die Zurverfügungstellung dieser Inhalte. Wir werden ausreichend CD-Roms anfertigen und an das Ausschussbüro schicken.

    SV Dr. Wolfgang Schulz : Zur Frage: Gibt es andere sichere Möglichkeiten, wenn die Filter so untauglich sind? Was mit dem Internet zu tun hat, ist der klassische Fall von Risikomanagement. Da gibt es sicherlich keine technisch eindeutige Lösung, das heißt aber nicht, dass man diese Lösungen alle verdammen sollte. Im Gegenteil, man sollte alle Instrumente, die in Betracht kommen, stark machen, dass die Eltern, die hinreichend bewusst sind, solche Möglichkeiten zu nutzen, auch die Möglichkeiten in die Hand bekommen, dass man sich aber nicht darauf verlassen kann, dass alle Eltern in informierter Eigenverantwortung das übernehmen und man deshalb die Anbieter oder den Staat völlig aus der Verantwortung lässt. Diese Methoden sollte es geben, dazu aber auch die Instrumente der Selbstkontrolle und eine zumindest als Auffangnetz konstruierte staatliche Kontrolle. Das muss es alles zusammen geben und nicht nur die jeweils einzelne Lösung angestrebt werden, die möglichst sicher ist. Dabei spielt Transparenz eine entscheidende Rolle, auch im Hinblick auf die Erwachsenen. Wenn es z.B. dazu kommt, dass Suchmaschinen bestimmte Inhalte herausfiltern, möchte ich das als Erwachsener wissen, dass ich nicht daran komme aus bestimmten Gründen. Also Transparenz in alle Richtungen.

    Zur Frage nach der Werbung: Wenn man nicht dazu kommt, Werbung komplett aus Kinderangeboten zu verbannen, sofern das überhaupt gelingt und rechtlich möglich ist: Die zentrale Form der Werberegulierung ist, dass Kinder und Erwachsene in der Lage bleiben müssen, auch in dieser konsumorientierten Medienwelt den Unterschied zu erkennen, wo wird ein kommunikatives Angebot gemacht und wo will man mir etwas verkaufen. Diese Differenzierung ist ganz entscheidend, sie zu behalten ist wichtiger als bestimmte Werbemengenbegrenzungen, und dass Kinder lernen, das zu tun. Dafür mag sinnvoll sein, auch in Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsinstitution und Anbietern eine differenzierte Regulierung zu treffen, wie im Umfeld von Kindersendungen geworben wird ? was ist eine an den Spieltrieb anknüpfende Werbeform und was ist gefährlich. Das enthalten die Regelungen der Landesmedienanstalten bereits, aber in anderen Staaten ist dies noch differenzierter geregelt.

    In Kanada und USA gibt es auch Anreizmechanismen für Anbieter, besonders anspruchsvolles Kinderprogramm - werbefrei zumindest in bestimmten Anteilen pro Woche ? anzubieten. Dies wird, soweit ich informiert bin, an Lizenzen und deren Verlängerung geknüpft, so dass es einen Vorteil bedeutet, wenn sie einen bestimmten Anteil an anspruchsvollem Kinderprogramm anbieten. Dann müsste man im Internet, in Bereichen, wo es solche Lizenzanforderungen nicht gibt, andere Anreize überlegen, um es über diese positive Schiene einzufordern.

    Vorsitzende : Vielen Dank an die Damen und Herren Sachverständigen, vielen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen. Das war eine sehr interessante und zum Teil sehr aufschlussreiche Anhörung, die uns auch vor erhebliche Aufgaben stellt. Es kann gut sein, dass wir Sie noch einmal zu Rate ziehen müssen, wenn es darum geht, Ihre Vorschläge entsprechend umzusetzen. Herzlichen Dank, kommen Sie gut nach Hause.

    Christel Hanewinckel, MdB

    -Vorsitzende-

    Ende der Sitzung: 17.30 Uhr


    Quelle: http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv14/a13/a13_anh/a13_anh50
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