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Bericht über die Teilnahme einer Delegation des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages an der VI. Europäischen Ombudsmann-Konferenz vom 21. bis 24. Mai 2002 in Krakau/Polen

Das Europäische Ombudsmann-Institut (EOI) richtete seine in unregelmäßigen Abständen stattfindende internationale Konferenz erstmals in Osteuropa aus. An der sechsten derartigen Konferenz nahmen Ombudsleute, Vertreter von Petitionsausschüssen und vergleichbaren Einrichtungen aus über 30 Ländern Europas und Osteuropas teil.

Der Deutsche Bundestag entsandte zu der Konferenz eine Delegation seines Petitionsausschusses, die aus den folgenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestand:

Heidemarie Lüth, MdB (PDS, Vorsitzende des Petitionsausschusses und Leiterin der Delegation)
Jutta Müller, MdB (SPD)
Gabriele Lösekrug-Möller, MdB (SPD)
Günter Baumann, MdB (CDU/CSU)
Helmut Wilhelm, MdB (Bündnis 90/GRÜNE)

Dienstag, 21. Mai 2002

Am Vorabend der Konferenz fand im Hotel ein Briefing der Delegation durch den stellvertretenden Konsul, Herrn Klaus Übbing, statt, bei dem die Delegation über die politische Lage in Polen, die bilateralen Beziehungen, die Tätigkeit des Generalkonsulats und das detaillierte Programm der Konferenz informiert wurde.

Mittwoch, 22. Mai 2002

Die Konferenz wurde am Mittwoch, dem 22. Mai 2002 unter anderem mit einer Festansprache des polnischen Staatspräsidenten, Aleksander Kwasniewski feierlich eröffnet. Der polnische Staatspräsident stellte in eindrucksvollen Worten die Umwandlung der Republik Polen in einen modernen Staat dar, dem der Schutz der Freiheiten und der Bürgerrechte ein besonderes Anliegen ist und unterstrich die Rolle, die Bürgerrechtsbewegungen wie die polnische Solidarnosc dabei spielten. Er würdigte die Bedeutung, die das Amt des Ombudsmanns im heutigen polnischen Staatswesen inne hat und zeigte auf, welch positive und stabilisierende Wirkung die internationale Zusammenarbeit der Ombudsleute und Petitionsausschüsse und vergleichbaren Einrichtungen in diesem Zusammenhang hat. Zugleich forderte er die Ombudsleute, die Vertreter von Petitionsausschüssen und vergleichbaren Einrichtungen aus über 30 Ländern Europas und Osteuropas auf, sich vor dem Hintergrund der tragischen Ereignisse des 11. Septembers 2001 nachhaltig für Pluralismus, Toleranz und kulturelle Vielfalt einzusetzen, um zu einem vereinten, sicheren und gerechten Europa zu gelangen.

In weiteren Festreden würdigten der Präsident des Europäischen Ombudsmann-Instituts, der Präsident der Universität von Krakau und der Ombudsmann der Republik Polen die Stellung und Bedeutung der Einrichtungen, die befugt sind, Bitten und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger zu bearbeiten und zu einem Ausgleich der verschiedenen widerstrebenden Interessen beizutragen.

In den Themenblock I:

Die Rolle des Ombudsmanns in besonderen und außergewöhnlichen Situationen

führte unter dem Vorsitz des Ombudsmanns von Katalonien/Spanien, Anton Canellas, der Ombudsmann des Kosovo/Serbien, Marek Antoni Nowicki, ein.

Herr Nowicki beschrieb den Ombudsmann als wichtiges Glied in einem umfassend aufgebauten und gut funktionierenden demokratischen System, das den Schutz der einzelnen Menschen vor einem möglichen Amtsmissbrauch der Verwaltungsorgane und der öffentlichen Einrichtungen sicherzustellen habe. Das ihm zur Verfügung stehende Instrumentarium, seine Befugnisse und seine Unabhängigkeit seien die Grundlage dafür, dass er schnell und effizient auf Beschwerden reagieren, umfassendes Engagement zeigen und in seiner Arbeit Effizienz aufweisen könne. Der Erfolg der Einrichtung des Ombudsmannes sei in der jüngsten Vergangenheit auf eine harte Belastungsprobe gestellt worden, indem das ihn kennzeichnende Instrumentarium in neuen, oftmals extremen Situationen einzusetzen war. Insbesondere in Konfliktgebieten wie dem Kosovo sei die Präsenz eines Ombudsmannes zur Befriedung des Gebietes und dem Aufbau eines funktionierenden Gemeinwesens unabdingbar. Er werde besonders in Situationen gebraucht, in denen sich einerseits rechtsstaatliche Instrumente zum Schutze der einzelnen Menschen wie Gerichte und Rechtsschutzinstanzen noch nicht herausgebildet hätten und zum anderen die Verwaltungsstrukturen in vieler Hinsicht nur außerhalb der normalen Kontrollmechanismen funktionierten, um den Willen und die Vorgaben der internationalen Staatengemeinschaft zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund habe der Ombudsmann im Kosovo seit seiner Einsetzung Mitte 2000 eine Pionierarbeit geleistet, die die Führungsorgane davon überzeugt habe, schnellstmöglich Maßnahmen zu treffen, um ein System von Rechtsinstitutionen und Rechtsgarantien zu schaffen und das umfassende Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen. Eine besondere Rolle habe dabei auch die Einbindung der örtlichen politischen Eliten und eine besondere Beziehung zu den lokalen Medien gespielt. Herr Nowicki verhehlte nicht, dass die internationale Staatengemeinschaft mit dem Wiederaufbau des Kosovo durch die Vereinten Nationen und die KFOR erstmals eine sehr konkrete und weitgehende Verpflichtung übernommen habe, die eine sehr vielfältige Verantwortung nach sich gezogen habe und wohl nur unter einer grundsätzlichen Immunität der handelnden Organe bewältigt werden könne. Für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger dürfe diese Situation jedoch nicht dazu führen, dass für sie der Eindruck entstehe, als seien sie den Aufbaukräften schutzlos anheimgestellt. Insofern habe er als Ombudsmann der internationalen Staatengemeinschaft in einem ersten Sonderbericht auch deutlich aufgezeigt, welche Wirkung die internationale Verwaltung und Machtausübung auf die Menschen habe. Dem Ombudsmann komme unbestritten eine außerordentlich wichtige Rolle zu, um den Prozess der Aussöhnung und Konfliktbewältigung auf allen Ebenen voranzubringen.

Im Anschluss an die Einführung fand eine rege Diskussion statt, in der einerseits dem Ombudsmann des Kosovo die Hochachtung der Teilnehmer vor seiner Aufgabe und der Respekt vor seinem bisherigen Wirken zuteil wurde, andererseits aber auch die große Herausforderung für das Amt des Ombudsmannes in einer solchen Übergangssituation kritisch beleuchtet wurde.

Die Einführung in den Themenblock II:

Der Ombudsmann und der Schutz der Flüchtlinge unter Berücksichtigung der internationalen Rechtslage

nahm unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des EOI, Markus Kägi, die Vertreterin des Menschenrechtskommissars des Europarates, Caroline Ravaud, vor.

Sie führte aus, dass in Europa der Druck im Zusammenhang mit dem ständigen Zufluss von Einwanderern wachse. So lange sich der Kontinent einer politischen und wirtschaftlichen Stabilität erfreue, so lange werde er das Ziel von Menschen sein, die weniger glücklich seien als die Europäer. Die Zuwanderung ausländischer Personen sei seit dem Ende des II. Weltkrieges eine wichtige und dauerhafte Erscheinung. Seit dem Niedergang des kommunistischen Systems bekämen auch die Länder des mittleren Osteuropas diesen Druck zu spüren. Deshalb stehe Europa als eine Gesamtheit vor zwei Hauptaufgaben. Die erste beziehe sich auf die Aufnahme und entsprechende Behandlung der einwandernden Ausländer. Die zweite Aufgabe betreffe ihre Integration. Auf beiden Gebieten hätten die Ombudsmänner eine wichtige Rolle zu erfüllen.

Die Integration der Ausländer werde die größte Herausforderung der nächsten Generationen sein. Vom Erfolg dieses Vorhabens hänge im Wesentlichen die Stabilität Europas ab. Gesellschaftliche Maßnahmen sollten in Angriff genommen werden, die darauf ausgerichtet sind, die Einwanderer zu unterstützen und ihnen bei ihrem Anpassungsprozess Hilfe zu leisten. Zugang zu Wohnungen, zu Ausbildung, zu gesundheitlicher Betreuung sowie zu Beschäftigung seien die Hauptelemente dieses Prozesses. Notwendig seien aber auch Programme, die die gegenseitige Achtung zwischen den Alteingesessenen und den Zugewanderten förderten. Dies sei zwar nicht der Hauptaufgabenbereich des Ombudsmannes, dieser habe aber eine wichtige Rolle in Bezug auf den Schutz der sozialen Rechte der Einwanderer zu erfüllen, zumal diese Rechte in den meisten europäischen Ländern auf der Grundlage der Europäischen Sozialcharta garantiert würden. Die Ombudsmänner hätten die Pflicht, Informationen über die zuständigen Behörden bekannt zu machen und den Ausländern den Zugang zu diesen Einrichtungen zu ermöglichen.

Ein noch größeres Problem stelle die Situation im Zusammenhang mit dem Zufluss der Immigranten dar. Die europäischen Ombudsmänner seien nicht so sehr an den Effekten der Asylbewerberanträge interessiert, sondern eher an den verfahrensrechtlichen Garantien, die den Asylbewerbern sowie anderen zugereisten Ausländern zustehen. Die Rechte und die Behandlung dieser Personen ? sowohl der Personen, die auf eine Entscheidung hinsichtlich ihrer Zukunft warten, wie auch derjenigen, denen eine zwangsweise Abschiebung drohe ? oblägen der besonderen Fürsorge des Menschenrechtskommissars des Europarats.

Die Rechte von Ausländern, die in das Gebiet eines der Mitgliedsstaaten des Europarats einreisen wollen sowie die Regelungen, die bei den Ausweisungsverfahren angewandt werden, bedürften besonderer Beachtung angesichts gewisser in Europa auftretender restriktiver Tendenzen als Reaktion auf die tragischen Ereignisse vom 11. September 2001. In diesem Zusammenhang könnten die Ombudsmänner eine sehr wichtige Rolle spielen, indem sie als Wächter der Gesetzgebung fungierten, indem sie die Legislative an ihre im internationalen Recht verankerten Verpflichtungen erinnerten, sowie als Sachverständige, die dafür sorgten, dass den Auswandern die ihnen gebührende Achtung zukomme.

Frau Caroline Ravaud führte insbesondere drei Bereiche an, in denen die Rechte der Ausländer besonderen Gefährdungen ausgesetzt seien:

  1. Der Moment des Eintreffens an der Grenze der Mitgliedsstaaten
  2. die Bedingungen am Ort der Niederlassung, sowie
  3. die Durchführung des Ausweisungsverfahren.

Die Ombudsmänner könnten auf nationaler Ebene eine wichtige Rolle bei der Propagierung der entsprechenden Verhaltensmaßnahmen spielen. Sehr wichtig sei es, dass die Ausländerbeauftragten die entsprechenden Kenntnisse und Qualifikationen besäßen, um die Heime, in denen die Asylanten auf die Entscheidung ihres Asylantrags warteten, überprüfen zu können. Sie sollten auch entsprechende allgemeine Anweisungen erteilen und im Bedarfsfall Einspruch erheben können. Gute Kontakte zu Nichtregierungsorganisationen, die auf diesem Gebiet tätig sind, würden auf jeden Fall helfen, die allgemeinen für das jeweilige Land charakteristischen Probleme besser zu verstehen und seien geeignet, die Sensibilität angesichts von individuellen Missbräuchen zu erhöhen. Ferner sei es sehr wichtig, dass die Ombudsmänner Kompetenzen auf dem Gebiet der Überwachung und Beurteilung von Gesetzesentwürfen unter dem Blickpunkt der genannten Prioritäten besäßen.

Im Anschluss daran fand eine Diskussion statt, in der die Delegation des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages die besondere Rolle des Petitionsverfahrens in Asylangelegenheiten und Fragen der Visaerteilung ansprach.

Donnerstag, 23. Mai 2002

Die Konferenz wurde am Donnerstag, dem 23. Mai 2002 fortgesetzt, indem der Vizepräsident des EOI, Herr Prof. Dr. Adam Zielinski in den Themenblock III:

Die Wirkung der Arbeit des Ombudsmanns

einführte. Den Vorsitz hatte der Ombudsmann von Schweden, Herrn Claes Eklundh, inne.

In seinen Ausführungen legte der frühere Ombudsmann von Polen verschiedene Kriterien an, um die Wirkung der Arbeit des Ombudsmanns zu beschreiben. Als grundlegend wichtig bezeichnete er das Wissen der Bürgerinnen und Bürger um die Einrichtung des Ombudsmannes, des Petitionsausschusses oder der vergleichbaren Einrichtung. Die Öffentlichkeits- und Pressearbeit spiele hierbei eine bedeutende Rolle, ebenso wie die einfache und direkte Erreichbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger ohne nennenswerte Frist bzw. Formerfordernisse beachten zu müssen. Hinsichtlich der Befugnisse unterstrich Herr Zielinski, welchen Wert er auf das Recht vieler Ombudsmänner legt, Gerichtsverfahren einzuleiten bzw. in diese eingebunden zu werden. In diesem Zusammenhang verhehlte er nicht, dass es allerdings problematisch sein könnte, wenn die jeweiligen Rechtsgrundlagen auf die sich das Amt des Ombudsmannes stützen ausschließlich Personen mit juristischer Bildung bevorzugen. Ein weiteres Kriterium, das die Effizienz der Arbeit eines Ombudsmannes bestimme sei das Gebot der Unabhängigkeit und Objektivität des Amtes. Zudem forderte Prof. Zielinski von dem Ombudsmann politische Zurückhaltung. Ein weiterer, die Effizienz bestimmender Faktor sei die Ausstattung des Amtes verbunden mit einer möglichst ranghohen Besoldung des Amtsinhabers. Die Berichte und Stellungnahmen des Ombudsmannes sollten den höchsten Staatsorganen zugehen. Ergänzend unterstrich er, welchen Stellenwert er der Immunität des Amtes und den persönlichen Qualitäten des Amtsinhabers einräume.

In der anschließenden Diskussion wurden die verschiedenen Aspekte ausführlich und teilweise kontrovers diskutiert, die Prof. Zielinski in seinem Vortrag in den Raum gestellt hatte.

Einen besonderen Höhepunkt der Konferenz stellte eine Exkursion nach Oswiecim (Auschwitz/Birkenau) dar.

Die Konferenzteilnehmer besuchten die Gedenkstätte KZ Auschwitz-Birkenau und gedachten im Rahmen einer Kranzniederlegung der Opfer des nationalsozialistischen Terrors.

Es folgte eine Informationsveranstaltung in der Gedenkstätte zu der Prof. Dr. Strozewski und der polnische Ombudsmann, Herr Prof. Dr. Zoll, eindringliche Beiträge lieferten, in denen sie sich mit Fragen der Menschenrechte befassten.

Freitag, 24. Mai 2002

Beendet wurde die VI. Europäische Ombudsmann-Konferenz mit einer würdevollen Schlussveranstaltung, in der die Ergebnisse der einzelnen Themenblöcke zusammengeführt und im Rahmen eines Resumees ausgewertet wurden. Aus Sicht der Delegation des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages war bemerkenswert, wie viele Ombudsmänner, Menschenrechtsbeauftragte und vergleichbare Institutionen es mittlerweile in Osteuropa gibt und wie sie ihre Rolle zu definieren beginnen. Sich in diesen Aufbauprozess einzubringen könnte eine Aufgabe nicht nur für den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages sondern auch die der Landesvolksvertretungen und Bürgerbeauftragten in Deutschland sein. Zudem könnte an eine stärkere Zusammenarbeit der deutschsprachigen Mitglieder im Europäischen Ombudsmann-Institut gedacht werden. Die Delegation konnte sich hervorragend in das Konferenzgeschehen einbringen und deutlich machen, dass das Wirken eines Petitionsausschusses nicht nur die Bearbeitung von Beschwerden sondern auch zunehmend Legislativpetitionen umfasst und auch Fragen der Gesetzesfolgenbeobachtung nicht ausschließt. Was die Rolle der Ombudsmänner angeht, wurde zur Kenntnis genommen, welche Ansätze vorhanden sind, um ihnen sowohl eine systembegleitende als auch verändernde Rolle und Erweiterung der Kompetenzen zuzugestehen. Insbesondere im osteuropäischen Raum scheint die Rollenfindung noch nicht abgeschlossen zu sein, wo es darum geht, ihnen eine besondere Funktion bei der Demokratisierung der Gesellschaften zuzuordnen und ihre Einrichtungen entsprechend im Staatsaufbau zu verankern. Besonderen Stellenwert werden dabei ihre Kompetenzen im Hinblick auf die Selbstbefassung mit Missständen, eigene Klagebefugnisse vor den Gerichten und ihre Zuständigkeiten im Polizeiwesen, im Justizsektor und im Hinblick auf die Tätigkeit staatlicher Stellen generell einnehmen.

Schließlich fand noch eine Generalversammlung des Europäischen Ombudsmann-Instituts statt, bei der auch Wahlen zum Vorstand anstanden. In meiner Funktion als Vorsitzende des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages wurde ich dabei in dem Amt als Vorstand des Europäischen Ombudsmann-Instituts bestätigt.

Quelle: http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv14/a2/pet_aktuell/pet_krakau
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