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Debatte
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Wortlaut der Reden

Wolfgang Mischnick, FDP Clemens Schwalbe, CDU/CSU >>

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre zu den drei Ältesten des Hauses, und ich weiß, daß in der jungen Generation viele ähnlich wie der Kollege denken, der soeben gesprochen hat. Ich habe allerdings in vielen Diskussionen leider auch feststellen müssen, wie viele dieser jungen Generation von Fakten ausgehen, die keine Fakten sind, und die tatsächliche geschichtliche Entwicklung vor 1933, bis 1945 und danach nicht vollständig wissen

(Beifall des Abg. Helmut Schäfer [Mainz] [FDP] und bei Abgeordneten der SPD)

und deshalb zu Fehlschlüssen gekommen sind.

Daher ein paar kurze Bemerkungen zur Entwicklung.

1949 entschied man sich für Bonn und gegen Frankfurt mit der Begründung, Frankfurt wäre eine Festlegung auf Dauer, Bonn sei das Provisorium. Gut, man kann 40 Jahre später zu neuen Überlegungen kommen.

Ende der 50er Jahre haben wir gemeinsam knirschend hingenommen, daß wir nicht mehr in Berlin tagen durften, weil die Alliierten das so wollten.

(Karl Stockhausen [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Man kann 20 Jahre, 30 Jahre später neue Überlegungen anstellen.

Wir haben die Vier-Mächte-Vereinbarung zur Kenntnis genommen und mußten wiederum feststellen, daß wir nicht in Berlin tagen durften. Wir haben bestätigt, daß das für uns eine vorübergehende Erscheinung ist.

Sodann, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, erinnere ich an einen Tag, der nicht lange zurückliegt. Am 9. November 1989, als hier nach kurzen Redebeiträgen dieser Bundestag spontan aufstand und unsere Nationalhymne sang, war das einer der bewegendsten Augenblicke meiner parlamentarischen Tätigkeit.

(Dr. Franz Möller [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wer mir an diesem Abend gesagt hätte, es sei zweifelhaft, daß dieser Bundestag in Zukunft in Berlin tagen werde, dem hätte ich erklärt: Das halte ich nicht für möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Heute muß ich feststellen, wie schnell dies vergangen ist, was damals an innerer Einstellung vorhanden war.

Nun wird, wie soeben, behauptet: Aber die Kostenfrage! -- Das war auch 1949 so. Da wurde Bonn billig und Frankfurt teuer gerechnet; hinterher war es genau umgekehrt. Das kann nicht die Entscheidungsfrage sein. Denn jeder muß wissen: Was kurzfristig billig ist, wird mittelfristig und langfristig teuer, wenn man es ernst meint, daß Berlin nicht nur ein Etikett ist, sondern eine Hauptstadt sein soll. Wenn man beides nebeneinander haben will, wird es nicht billiger, wird es teurer werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, kann dieses Argument nicht das entscheidende sein.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist für mich von großer Bedeutung. In dieser Stadt, wo beide Teile Deutschlands jetzt zusammenwachsen, ist es natür

lich von Bedeutung, ob wir uns an die Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben, halten oder nicht. Hier wird das Zusammenwachsen täglich für jedermann sichtbar. Hier wird das Zusammenwachsen auch für das Gesamtdeutschland von Bedeutung sein.

Wenn wir uns heute für Berlin entscheiden, heißt das, daß eben nicht nur wir Bundesbürger mit allen unseren Kräften für Berlin eintreten. Dann werden auch Dritte bereit sein, nach Berlin zu gehen. Und dann wird sich die Kostenfrage in einer ganz anderen Weise, als es heute dargestellt wird, stellen,

(Beifall des Abg. Peter Kittelmann [CDU/CSU])

als wenn wir uns umgekehrt entscheiden. Denn viele werden nicht nach Berlin gehen, wenn wir hierbleiben.

Für Bonn ist die europäische Komponente entscheidend. Wenn Bundesparlament und Regierung hierbleiben, wird Bonn nicht ein Pfeiler des künftigen Dreiecks Brüssel-Luxemburg-Bonn werden können. Hier ist die Zukunft für Bonn, dieses Dreieck zu bilden, damit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft davon die entsprechenden Impulse ausgehen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Renate Schmidt)

Berlin aber sollte für Deutschland die Brücke zu den östlichen Ländern bilden. Diese Doppelfunktion Bonn und Berlin, das ist wirklich die Zukunft. Deshalb bin ich für Berlin.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort hat der Kollege Clemens Schwalbe.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_026
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