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Debatte
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Wortlaut der Reden

Hans Gottfried Bernrath, SPD Dr. Christian Schwarz-Schilling, CDU/CSU >>

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Für einen Angehörigen meiner Generation ist es nicht leicht, sich für den Sitz von Parlament und Regierung in einem vereinigten Deutschland zu entscheiden. Ich wurde in den zwanziger Jahren, in der ersten deutschen Demokratie, der von Weimar, geboren. Meine Jugend wurde von den Nazidiktatoren der dreißiger/Anfang vierziger Jahre mißbraucht und zerstört. Nach dem verheerenden Weltkrieg haben wir den westlichen Teil des geteilten Deutschlands aufgebaut und einem freien Europa verbunden. Die Vereinigung ganz Deutschlands dagegen im freien Europa danken wir ganz besonders unseren Landsleuten im mittleren und östlichen Deutschland; und das wiegt, meine ich, schwer.

Die letzten 120 Jahre unserer Geschichte waren in ihren Höhen und auch in ihren abgründigen Tiefen eng mit dem Namen vieler deutscher Städte, aber eben auch mit dem Namen der Städte Berlin und Bonn verbunden.

Blicken wir zurück in diese Spanne unserer Geschichte, so spricht manches für eine erneuerte Hauptstadt Berlin mit Parlament und Regierung.

(Unruhe)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich bitte erneut um Gehör für den Redner. Es ist ihm kaum möglich, sich Gehör zu verschaffen.

Hans Gottfried Bernrath (SPD): Meine Damen und Herren, mit einer solchen Entscheidung könnten wir Berlin für seine großen kulturellen Leistungen, für seinen unbändigen Freiheitswillen und für sein Leiden danken.

Aber unser Blick muß in die Zukunft gerichtet sein, und das macht uns bewußt: Wir entscheiden heute auch für die nachfolgenden Generationen. Diese Generationen denken europäischer. Sie wollen europäisch und in einem dezentral organisierten europäischen Gemeinwesen leben. Bonn steht dabei für ein Deutschland des demokratisch-föderalistischen Alltags, für ein Deutschland, das aus seiner Geschichte gelernt hat. Bonn steht für die Integration der westdeutschen Demokratie, der Demokratie der Frankfurter Verfassung in die westliche Gemeinschaft freier Länder. Dieser Weg nach Europa ist noch lange nicht zu Ende gegangen. Das freie vereinigte Europa wächst noch, und es wird noch viel größer werden, als wir es uns noch vor wenigen Jahren haben erhoffen dürfen.

In dem von uns gewollten Europa haben Nationalstaaten, zentrale Staaten alter Prägung, wie ich einen erlebt habe, keinen Platz. Vor uns liegt das dezentrale Europa der Regionen mit einem politischen Entscheidungszentrum in einem der kleinsten Länder Europas, im belgischen Brüssel. Die regionalpolitischen Entscheidungen fallen künftig noch stärker in den Regionen, auch in unseren Regionen, also nicht in Bonn oder Berlin allein,

sondern in Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Schwerin, Stuttgart usw. Die exekutiven Verantwortungen werden in sich selbst verwaltenden starken und freien Städten liegen. Diesen Weg des Dreiklangs -- Europa, Regionen und Städte -- können wir gemeinsam und weiterhin mit Bonn als Stadt,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

in der die Politik der deutschen Bundesstaaten im vereinigten Europa koordiniert wird, gehen.

Dagegen wird die wirtschaftliche, wissenschaftliche, kulturelle Integration der neuen deutschen Länder und des europäischen Ostens in das vereinigte Europa hinein die große Aufgabe Berlins sein. Diese historische Aufgabe bedarf der wirtschaftlichen, kulturellen Kraft der größten deutschen Stadt, bedarf der ganzen Kraft Berlins.

Im übrigen, unsere Glaubwürdigkeit hängt ganz überwiegend davon ab, daß wir an Berlin, an die fünf neuen Länder, an den Osten Europas abgeben. Solange wir nicht auf einige Baustellen in unseren reichen westlichen Städten verzichten, werden wir weder Berlin noch den Ländern, noch dem Osten helfen können.

Darum: Berlin als Werkstatt der Integration eines um den Osten erweiterten Europas, als Zentrum kultureller und wirtschaftlicher Vielfalt in Deutschland und für Europa. Bonn dagegen in seinen jüngeren Traditionen soll Sitz von Parlament und Regierung bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP])

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der Abgeordnete Christian Schwarz-Schilling das Wort.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_068
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