"Einstimmig war nur die Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens"
Berlin: (hib/WOL) "Einstimmig hat das Bundesverfassungsgericht lediglich den Beschluss zur Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens getroffen", betonten Professor Wolfgang Löwer und Professor Günter Frankenberg am Mittwochmittag gegenüber den Abgeordneten des Innenausschusses. Die beiden Prozessbevollmächtigten des Deutschen Bundestages beim NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) sprachen klar von einer Niederlage, die sich aus der formellen Entscheidung zu Gunsten des Minderheitenvotums von drei gegen vier Richtern ergeben hätte. Gleichwohl, so betonten Frankenberg und Löwer, habe das Minderheitenvotum keine juristische Bindungswirkung. Auch wenn es nun bei anstehenden Prozessen zum Verbot verfassungsfeindlicher Organisationen sicherlich häufig angeführt und für Aufmerksamkeit sorgen werde.
Die Prozessbevollmächtigten stimmten in diesem Zusammenhang der Kritik zu, das BVG hätte nach geltendem Recht auch über Verfahrenshindernisse wie etwa die Staatsfreiheit bzw. die starke Einbindung von V-Leuten in der leitenden Struktur der NPD verhandeln müssen. Zur Kritik der SPD am BVG-Urteil und zur Mahnung der CDU/CSU, es stehe den Antragstellern nicht an, Gerichtsschelte zu üben, sagten Löwer und Frankenberg, "Kritik ist keine Einbahnstraße". Gerade weil die Sachgründe im Senat des BVG strittig gewesen seien, müsse sich das BVG der Kritik stellen. Im Übrigen sei der sogenannte "Fehler" einer Infiltration durch V-Leute in vermutete verfassungsfeindliche Strukturen ein systembedingtes Problem. Auch wenn es nach allgemeiner Einschätzung der Sachlage auf längere Sicht kein Parteiverbotsverfahren geben werde, bedeute der Begriff der Staatsfreiheit nicht, dass die geeignete Beobachtung von staats- oder verfassungsfeindlichen Organisationen und Parteien unzulässig sei. Der Staat habe vielmehr die Verpflichtung zu präventivem Verfassungsschutz.
Die SPD hatte zuvor die Folgen der BVG-Entscheidung als "verhängnisvoll" für eine wehrhafte Demokratie bezeichnet. Es sei hochproblematisch, wenn eine Minderheit von drei Richtern mit ihrer Bewertung damit in der Sache das letzte Wort hätte. Die CDU/CSU nannte das Ergebnis eine Blamage. Sie kritisierte die Gerichtsschelte von Innenminister Otto Schily (SPD) als mangelnden Respekt und bedauerte, dass der Innenminister es nicht für nötig befunden habe, in der Sitzung anwesend zu sein. Dies wurde von der SPD damit zurückgewiesen, dass das Parlament "seine" Prozessbevollmächtigten eingeladen habe und nicht den Minister als Vertreter des Bundes und dessen eigenständigem Verbotsantrag. Die FDP verwies auf ihre Bedenken zu Beginn des Verbotsverfahrens und auf die Risiken, die mit der vorliegenden Situation für einen präventiven Verfassungsschutz verbunden seien. Allerdings gebe es für anstehende Verfahren nicht nur das Verfassungsrecht, sondern auch das Strafrecht sowie andere Rechtswege. Vorrangig sei zudem Aufklärungsarbeit als zentrale Aufgabe der politischen Bildung.