Geplantes Steueramnestiegesetz stößt bei Sachverständigen auf Kritik
Berlin: (hib/VOM) Kritisch hat sich die Mehrzahl der Sachverständigen zur heutigen öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zur geplanten Amnestie für Steuerhinterzieher geäußert. Zur Anhörung, die um 13 Uhr im Maritim proArte Hotel begonnen hat, liegen dem Ausschuss ein Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Förderung der Steuerehrlichkeit ( 15/1309), ein Gesetzentwurf der FDP zur vereinfachten Nachversteuerung als Brücke in die Steuerehrlichkeit ( 15/470) und ein Antrag der FDP zur Einführung einer Zinsabgeltungsteuer ( 15/217) vor. Der Koalitionsentwurf sieht vor, dass Steuerhinterzieher durch Abgabe einer startbefreienden Erklärung und Zahlung einer pauschalen Abgabe von 25 Prozent auf die erklärten Einnahmen im Jahr 2004 und von 35 Prozent im ersten Quartal des Jahres 2005 von Strafen oder Geldbußen befreit werden können. Das Institut "Finanzen und Steuern" zweifelt in seiner schriftlichen Stellungnahme an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Amnestie ohne eine parallele Reform der Zinsbesteuerung. Die bereits beschlossene Zinsrichtlinie der EU werde bei Zinsen, die ein Inländer aus dem EU-Ausland bezieht, aufgrund des einzuführenden automatischen Informationsaustauschs teilweise greifen, so das Institut. In Staaten mit einer Quellensteuer wie Luxemburg, Österreich und Belgien, aber auch der Schweiz und Liechtenstein, würde weiterhin faktisch ungleich besteuert, wenn diese Quellensteuer niedriger ist als der persönliche Steuersatz des Zinsempfängers. Eine deutsche Zinssteuer mit einem Satz, der nicht höher ist als diese Quellensteuer, würde die ungleiche Erhebung dagegen beseitigen. Auch der Steuerberater Hans Flick rät dazu, bis Jahresende ein einfaches Konzept einer Zinsabgeltungsteuer zu realisieren. Ähnlich äußert sich der Richter am Bundesfinanzhof Professor Heinz-Jürgen Pezzer. Eine gleichmäßige Besteuerung von Zinserträgen durch den Fiskus sei nur zu erreichen, wenn die steuerlichen Bedingungen keinen Anlass zur Steuerflucht mehr bieten, schreibt er in seiner Stellungnahme. Im Übrigen beklagt er die mangelnde Transparenz der Amnestieregelungen, die nur für Steuerberater durchschaubar seien.
Deutlich ablehnend äußert sich Professor Wolfram Reiß von der Universität Erlangen-Nürnberg. Der Steuerzahler müsse sich verhöhnt vorkommen, wenn der Steuerhinterzieher auch die Höhe des Rabattes de facto selbst bestimmen könne. Beispielsweise könne er Einnahmen von 100 000 Euro nacherklären und darauf 25 Prozent Steuer zahlen. Wenn die tatsächlichen Einnahmen aber höher gewesen seien, könne er in Ruhe abwarten, ob diese weiteren Hinterziehungen auffallen. In diesem Fall könne er auf seine steuer- und strafbefreiende Erklärung verweisen. Pech hätte er nur dann, wenn alle Hinterziehungen gleichzeitig aufgedeckt würden. Die Straffreiheit sollte sich nach Meinung des Sachverständigen auf die unzutreffende Erklärung von Kapitalerträgen beschränken. Unabdingbar sei aber eine zutreffende Nachdeklaration der tatsächlichen Einkünfte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht eine Gruppe von Steuerpflichtigen begünstigt, die dem Fiskus und den Sozialversicherungen jahrelang Steuern und Abgaben vorenthalten hat. Der Ehrliche werde auch weiterhin der Dumme bleiben. Die Bundessteuerberaterkammer erinnert daran, dass heute ganze Vermögen in Sekundenbruchteilen per Mausklick in alle Welt transferiert werden könnten.
In einer gemeinsamen Stellungnahme begrüßen acht Wirtschaftsverbände, darunter der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, das Amnestiegesetz. Allerdings halten sie den geplanten automatischen Kontenabruf, durch den den Finanzbehörden ermöglicht werden soll, über das Bundesamt für Finanzen Daten über Konto- und Depotverbindungen der Steuerzahler abzurufen, für bedenklich. Zumindest müsse die Finanzverwaltung dokumentieren, dass die Voraussetzungen für einen Kontenabruf vorgelegen haben. Der Steuerpflichtige müsse über einen Abruf seiner Kontodaten informiert werden.