Novelle des Energiewirtschaftsrechts mit Koalitionsmehrheit angenommen
Berlin: (hib/VOM) Gegen das Votum von CDU/CSU und FDP hat der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit am Mittwochvormittag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts ( 15/3917, 15/4068) in geänderter Fassung zugestimmt. Das Gesetz soll am kommenden Freitag in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet werden. Die
Opposition hat signalisiert, dass sie mit Fristverkürzungen einverstanden ist, damit sich der Bundesrat am 29. April mit dem Gesetz beschäftigen kann. Damit könnte trotz des zu erwartenden Vermittlungsverfahrens der 1. Juli 2005 als Zeitpunkt des Inkrafttretens eingehalten werden. Eigentlich hätten die zugrunde liegenden EU-Richtlinien bereits zum 1. Juli des vergangenen Jahres in deutsches Recht umgesetzt sein müssen. Dieser Termin war nicht zu halten gewesen, weil Deutschland zunächst auf ein System der Verbände-Vereinbarungen gesetzt hatte, um Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt herzustellen. Nachdem dieses System jedoch gescheitert war, wurde nach Darstellung der Bundesregierung ein "Paradigmenwechsel" hin zu einem Regulierungssystem erforderlich. Ziel des Gesetzes ist es, durch Entflechtung und Regulierung des Strom- und Gasnetzes die Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten zu schaffen. Damit beauftragt wird die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die künftig auch für den Strom- und Gasmarkt zuständig sein wird. Dazu soll sie in "Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen" umbenannt werden, wie die Koalitionsfraktionen in einem ihrer zahlreichen Änderungsanträge verlangt hatten.
Die SPD erinnerte daran, dass die Bundesregierung bereits viele Anregungen des Bundesrates in ihren Entwurf aufgenommen hat, etwa die Einführung einer Anreizregulierung, die nachträgliche (ex post) Missbrauchskontrolle bei Erhöhungen der Netznutzungsentgelte auf dem Gasmarkt und eine Vorabkontrolle (ex ante) bei entsprechenden Erhöhungen auf dem Strommarkt. Eine Ex-ante-Kontrolle sei auf dem Gasmarkt nicht möglich, so die Regierung, weil hier im Gegensatz zum Strommarkt keine Vergleichspreise zur Verfügung stünden. Die SPD sprach im Übrigen von einem Paket, das aus dem Gesetz selbst sowie einer Reihe von Verordnungen besteht. Nach Einschätzung der Fraktion ist mit der koalitionsintern gefundenen Einigung in strittigen Fragen der "Spagat zwischen klarer Normierung und ausreichendem Spielraum für den künftigen Regulierer" geschafft worden. Die Bundesnetzagentur bekomme zwölf Monate Zeit, ein System der Anreizregulierung zu entwickeln. Dadurch sollen den Netzbetreibern Anreize gegeben werden, ihre Kosten zügiger zu senken als von der Regulierungsbehörde verlangt, um die entsprechend höheren Gewinne behalten zu können. Auch beim Mess- und Zählwesen habe man einen Einstieg in die Liberalisierung gefunden, so die SPD weiter. Noch keine Aussage sei über die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern getroffen worden. Aus Sicht der Sozialdemokraten muss sichergestellt sein, dass es eine bundeseinheitliche Regulierungspraxis gibt.
Die CDU/CSU lobte "substanzielle Fortschritte" in Richtung auf mehr Wettbewerb im Vergleich zum Regierungsentwurf. Auch mit der Entwicklung einer Anreizregulierung innerhalb eines Jahres erklärte sich die Union einverstanden. Insgesamt sei der Gesetzentwurf transparenter geworden, was eine wesentliche Voraussetzung für Wettbewerb sei. Das Gesetz gehe in die richtige Richtung, so die Abgeordneten, man sei allerdings noch nicht am Ziel. Bündnis 90/Die Grünen hoben die Notwendigkeit einer weitgehenden Entflechtung von Netzbetrieb und Energieerzeugung (so genanntes Unbundling) hervor. Ein neutraler Netzbetreiber, der nicht selbst Energie erzeuge, würde sich gegenüber allen Nutzern diskriminierungsfrei verhalten. Auch die FDP sprach von einer positiven Entwicklung, wenn auch noch einiges vermisst werde. Die Entflechtung ist aus ihrer Sicht mit "viel Bürokratie" verbunden.