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147/2005
Stand: 31.05.2005
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Katsav: Für die Shoa kann es weder Vergeben noch Verzeihen geben

Sondersitzung zum 40. Jahrestag der Aufnahme deutsch-israelischer Beziehungen

Berlin: (hib/MAR) "Das Trauma der Shoa wird das jüdische Volk bis in alle Ewigkeit begleiten. Für die Shoa kann es weder Vergeben noch Verzeihen geben", erklärte der israelische Staatspräsident Moshe Katsav bei der Sondersitzung von Bundestag und Bundesrat zum 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Staat Israel und der Bundesrepublik Deutschland im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes. In diesem Gebäude, fuhr Katsav fort, habe die Tragödie, die zur systematischen Ausrottung des jüdischen Volkes führte, begonnen. Heute stehe er hier im Namen des jüdischen Volkes und sage: "Nie wieder!"

Der israelische Staatspräsident dankte den Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrats für ihre Einladung und er dankte Deutschland für seinen Beitrag "zur Stärkung des Staates Israel". Gleichzeitig würdigte er Ministerpräsident David Ben Gurion und Bundeskanzler Konrad Adenauer als "zwei begnadete Visionäre", die die historische Aufnahme der Beziehungen ermöglicht hätten, "trotz der seelischen und politischen Aufruhren, die sie heraufbeschwor". Katsav betonte die "besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel", basierend auf einem von Deutschland im Zweiten Weltkrieg ausgelösten weltweiten Erdbeben. Darauf hätten die beiden Völker zwar völlig unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen, die jedoch zu einer gemeinsamen Herausforderung führten: die Lehre der Shoa an die nächsten Generationen weiterzugeben. Heute sei Deutschland zu einem integralen und wichtigen Bestandteil der Völkerfamilie geworden und sei auf internationaler Ebene "ein echter Freund Israels", lobte Katsav. Der Staatspräsident konstatierte ferner zwischen Israel und Deutschland "eine politische Nähe", die nach seinem Willen in gemeinsamen Werten, gemeinsamen Überzeugungen und gemeinsamen Wegen ihren Ausdruck finden solle. "Verwandeln wir das Trauma der Vergangenheit in eine Hoffnung für die Zukunft, unsere besondere Beziehung in eine Brücke für die Freundschaft unter den Völkern, einen Anker gegen den Totalitarismus und für menschliche Werte - als Botschaft für Menschlichkeit gegen Rassismus und Antisemitismus", rief er auf.

Der Antisemitismus ist nach Katsavs Worten nicht nur eine Tragödie für das jüdische Volk, sondern auch eine moralische und historische Niederlage für die Menschheit, die Niederlage der Führer der Welt, die Niederlage der freien Welt. Ausdrücklich würdigte er die Regierungen Europas, die mit "entschiedenen Schritten" gegen die Welle des Antisemitismus vorgingen. "Diese Maßnahmen reichen jedoch nicht aus", stellte er fest. Mit Blick auf die in diesem Zusammenhang von einem radikalen, extremistischen Islam ausgehende große Gefahr, warnte der Staatspräsident aber auch vor einer "antimuslimischen Welle" und forderte die gemäßigten Muslime Europas und ihre Führer auf, gemeinsam auf eine freie, bessere Welt hinzuarbeiten und Toleranz und Verständigung zu verbreiten. Gleichzeitig forderte er, jeden Ausdruck der neonazistischen Lehren schon in den Anfangsstadien zu bekämpfen, und nahm für Israel "das moralische Recht" in Anspruch, von Deutschland zu verlangen, keinerlei neonazistische Philosophie Fuß fassen zu lassen. Die deutsche Demokratie sei widerstandsfähig und werde Wege finden, gegen dieses Problem anzugehen, gab Katsav sich überzeugt. Allerdings verfügten Demokratien nicht automatisch über genügende Abwehrkräfte gegen das Böse und die Tyrannei, fügte er hinzu.

Katsav sprach auch den israelisch-palästinensischen Konflikt an und betonte, der Staat Israel habe in den vergangenen zwölf Jahren seine Haltung den Palästinensern gegenüber verändert. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stehen nach seiner Ansicht auch nicht Israelis und Palästinenser. Der echte Kampf finde zwischen den positiven, konstruktiven, überlegten palästinensischen Kräften und den negativen, zerstörerischen, fanatischen Gruppen satt. Aber Versöhnung und Frieden mit den Palästinensern seien in Reichweite, so Katsav. Diese historische, "goldene" Gelegenheit dürfe nicht versäumt werden.

Zum Abschluss seiner Rede rief der israelische Staatspräsident die Bundesrepublik Deutschland dazu auf, "mit uns gemeinsam die Grundlage für unsere Beziehungen in den kommenden 40 Jahren aufzubauen, um eine Botschaft in die Welt zu tragen, um eine bessere Welt zu schaffen, um gemeinsam die Lehren aus der furchtbaren Vergangenheit zu ziehen und sie an die nächsten Generationen weiterzugeben".

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse dankte in seiner Begrüßungsrede dem israelischen Staatspräsidenten, dass er die Einladung angenommen habe, "hier in Berlin, dieser beladenen Stadt", das Wort zu ergreifen. Er sah darin eine Würdigung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel und zugleich ein Bekenntnis zum Ausbau der erfolgreichen Zusammenarbeit. Das Recht der Bürger Israels, in sicheren Grenzen frei von Angst, Terror und Gewalt leben zu können, sei elementarer Bestandteil der Solidarität und Freundschaft Deutschlands mit Israel, bekräftigte Thierse. Auch sehe der Bundestag eine besondere Verpflichtung Deutschlands darin, sich aktiv für die Überwindung des Nahost-Konflikts einzusetzen. Ziel sei die Existenz zweier souveräner, lebensfähiger und demokratischer Staaten, verbunden in gemeinsamer Sicherheit, garantiert durch die internationale Gemeinschaft. "Wir Deutsche, wir Europäer stehen an Ihrer Seite", schloss der Bundestagspräsident.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2005/2005_147/01
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