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Stand: 01.06.2001
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Ausschuss für Menschenrechte zur Lage in der Türkei

In seiner Sitzung am 30. Mai 2001 hat der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe die Lage der Menschenrechte in der Türkei beraten. Dazu erklärte die Vorsitzende, Christa Nickels, MdB, im Namen des Ausschusses:

Die Ereignisse um den Hungerstreik zeigen erneut, dass die Menschenrechtssituation in der Türkei extrem angespannt ist.

Die türkische Regierung hat Reformen im türkischen Gefängniswesen eingeleitet. Das Ziel, Haftanstalten mit den bisher üblichen Massenzellen für über 50 Häftlinge durch neue Haftanstalten mit Kleinzellen (sog. F-Typ) zu ersetzen, entspricht internationalen Standards wie z.B. des Europarates und der Vereinten Nationen. Des weiteren wurden Gesetzesreformen im Strafvollzug verabschiedet bzw. angekündigt. In diesem Rahmen wurde Art. 16 des Anti-Terror-Gesetzes reformiert und die Einsetzung von Strafvollzugsrichtern beschlossen. Auch wurde im türkischen Parlament die Gründung von Überwachungskomitees für alle Haftanstalten diskutiert.

Diese Reformen sind im Prinzip zu begrüßen. Sie weisen jedoch erhebliche Defizite auf und können einen wirksamen Schutz vor Isolationshaft, willkürlicher Behandlung und Folter nicht garantieren. Dies betrifft insbesondere Häftlinge, die in den neuen F-Typ-Haftanstalten untergebracht sind und nach dem Anti-Terror-Gesetz verurteilt wurden. Der reformierte Art. 16 bietet nämlich weiterhin die Möglichkeit, Häftlinge von der Teilhabe an sozialen und sportlichen Gemeinschaftsaktivitäten auszuschließen und in Isolationshaft zu halten. Dies wiederum erhöht die Gefahr von Folter und erniedrigender Behandlung.

Die bisherige Konzipierung der vorgesehenen Überwachungskomitees sieht keine Einbindung von NGOs vor und nährt daher die Sorge, dass sie sich zu Gremien ohne wirkliche Kontrollfunktion entwickeln.

Über 200 Häftlinge befinden sich seit Monaten im Hungerstreik. Ihre Gesundheit ist schwer angegriffen und in vielen Fällen dauerhaft geschädigt. 23 Menschen sind bereits an den Folgen des Hungerstreiks gestorben. Es ist zu befürchten, dass die Zahl der Todesopfer rasch steigt. Außerdem droht sich der Hungerstreik auf weitere Häftlingsgruppen auszuweiten.

Die Häftlinge bzw. ihre Vertreter machen den Abbruch des Hungerstreiks von der Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen der türkischen Regierung und den Häftlingsvertretern abhängig. Sie fordern ferner den garantierten Schutz vor Isolationshaft in den F-Typ-Gefängnissen.

Die türkische Regierung wiederum hält die F-Typ-Haftanstalten in Verbindung mit den o.g. Gesetzesreformen für konform mit den Richtlinien des Europarates sowie den Vereinten Nationen. Sie lehnt daher kategorisch Gespräche mit den Häftlingsvertretern ab. Außerdem lehnt sie Gespräche mit Vertretern solcher Organisationen ab, die nach ihrer Ansicht nicht auf eine Veränderung der Haftbedingungen abzielen, sondern andere, gegen den Staat gerichtete politische Ziele verfolgen.

Angesichts der bedrohlichen Zunahme der Opfer fordern wir die Häftlinge auf, den Hungerstreik sofort zu beenden. Ein dringender Appell geht vor allem an diejenigen, die durch ihre Aufforderung zum Hungerstreik den Tod von Menschen in Kauf nehmen, um ihre politischen Ziele voranzutreiben, und die dadurch die Menschenrechte selbst missachten. Aufgrund der blockierten Situation sollten die türkische Regierung und die Hungerstreikenden eine Vermittlung durch Personen einschalten, die von beiden Seiten akzeptiert sind. Wir würden es begrüßen und als sehr hilfreich empfinden, wenn es mit Hilfe von Vertretern des Europarats zu einer Vermittlung kommen könnte. Außerdem muss auf Garantien gedrängt werden, die sicherstellen, dass bei der Strafvollzugsreform vor Isolationshaft und Folter insbesondere in den F-Typ-Gefängnissen Schutz geboten wird.

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Quelle: http://www.bundestag.de/bic/presse/2001/pz_0106011
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