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Stand: 05.12.2001
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Gute Aussichten für das bürgerschaftliche Engagement

Zum Abschluss des Internationalen Jahrs der Freiwilligen 2001 in Deutschland erklärt der Vorsitzende der Enquete-Kommison des Deutschen Bundestages "Zukunft des Bürgerlichen Engagements", Dr. Michael Bürsch:

Ein Jahr geht zu Ende, das bürgerschaftliches Engagement in Deutschland sichtbarer gemacht und das Bewusstsein dafür geschärft hat, dass dieses Engagement die unabdingbare Voraussetzung für den Zusammenhalt der Gesellschaft ist. Der Dank dafür gilt zunächst den Vereinen und Verbänden, den Trägern bürgerschaftlichen Engagements. Viele von ihnen haben das Jahr mit eigenen Kampagnen und Veranstaltungen begleitet. Vereine, Verbände, Initiativen und Projekte bilden unsere Bürgergesellschaft und den Nährboden bürgerschaftlichen Engagements - ohne sie ist der Sport, die Wohlfahrtspflege, die Kultur und vieles andere in Deutschland nicht zu denken. Für die damit verbundene Arbeit, ob haupt- oder ehrenamtlich, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.

Aber vor allem gilt der Dank natürlich den Ehrenamtlichen, Freiwilligen, bürgerschaftlich Engagierten selbst. Sie stehen im Mittelpunkt des Jahrs der Freiwilligen und zu Recht im Mittelpunkt der heutigen Feier. Eine repräsentative Gruppe der insgesamt 22 Millionen Engagierten ist heute hier: Sie helfen im Rettungsdienst und in der Freiwilligen Feuerwehr, sie versorgen Kranke und Hilfsbedürftige, sie kümmern sich um die Umwelt und vertreten politische Anliegen als "Themenanwälte" in der Öffentlichkeit. Und sie tragen zur Vielfalt kulturellen Lebens in Deutschland bei - ob im Heimatmuseum, im Theaterprojekt oder im türkischen Kulturverein. Allen 22 Millionen sage ich heute ein herzliches Dankeschön!

Es geht auch ein Jahr tragischer Ereignisse zu Ende, das überschattet ist von den Bildern des 11. September, von Terror und Gewalt. Die Anschläge in New York und Washington und die Folgen haben unsere Welt verändert; vieles sieht heute anders aus als vor einem Jahr, als wir in Bonn das Internationale Jahr der Freiwilligen eröffnet haben. Tief bewegt haben uns nicht zuletzt Bilder freiwilligen Engagements aus den USA: die freiwilligen Helferinnen und Helfer in den Trümmern des World Trade Center, von denen nicht wenige selbst ihr Leben eingesetzt haben. In Schrecken und Trauer geben sie uns auch ein Zeichen der Hoffnung. Diese Menschen sind für mich die "Freiwilligen des Jahres" - sie verdienen ganz besonderen Respekt und besondere Anerkennung.

Was hat das Internationale Jahr der Freiwilligen erbracht, wie sieht die Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements aus? Ich will hier nur drei Punkte nennen, die mir besonders wichtig erscheinen:

· Vielfalt: 22 Millionen engagierte Menschen lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Ihre freiwilligen Tätigkeiten sind so unterschiedlich wie die Motive, die sie dazu bewegen. Die Organisationsformen reichen von der befristeten Projektinitiative bis zum klassischen Verein oder der Kirchengemeinde. Diese Vielfalt sperrt sich gegen eine Vereinheitlichung von Rahmenbedingungen oder Fördermaßnahmen. "Den Ehrenamtlichen" oder "die Ehrenamtliche" gibt es nicht; jede Tätigkeit hat ihren eigenen Sinn und braucht ihre eigene angemessene Form der Unterstützung.

· Anerkennungskultur: Eine Unterstützung ist allen Formen bürgerschaftlichen Engagements angemessen. Was das Wort "Ehre" im "Ehrenamt" für manche heute nicht mehr ganz zeitgemäß ausdrückt, ist im Kern nach wie vor aktuell: Engagierte wollen etwas zurückbekommen für ihr Engagement, und zwar nicht in erster Linie Geld und Vergünstigungen, sondern Anerkennung. Das reicht von Auszeichnungen über eine Resonanz in den Medien, über Mitgestaltungsmöglichkeiten bis zur Erstattung von Auslagen. Nicht auf die einzelnen Maßnahmen kommt es an, sondern auf ihre richtige Mischung - entscheidend ist, dass Anerkennungskultur eine Wertschätzung und Würdigung des Bürgerengagements in der Gesellschaft ausdrückt.

· Partnerschaften und Netzwerke: Mit der Aufwertung bürgerschaftlichen Engagements ist auch ein bestimmtes Gesellschaftsbild verbunden: die Bürgergesellschaft, in der die Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen und der Staat die Aufgabe hat, diese Selbstorganisation nach Kräften zu ermöglichen. Der dritte Partner in der Bürgergesellschaft sind die Unternehmen. Wenn ein Unternehmen mit einer gemeinnützigen Organisation zusammen ein Projekt durchführt, haben alle etwas davon: Bürgerschaftliches Engagement wird durch die Mitwirkung der Wirtschaft stärker, die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens gewinnen soziale Kompetenzen, die dem Unternehmen unmittelbar zugute kommen.

Was kann nun die Politik tun, um diese Zukunftslinien bürgerschaftlichen Engagements zu unterstützen? Sie kann, wie im Internationalen Jahr der Freiwilligen oder beim jährlichen Tag des Ehrenamts, durch öffentliche Veranstaltungen ihren Beitrag zur Anerkennungskultur leisten. Das ist nicht wenig, aber es reicht natürlich nicht aus, um bürgerschaftliches Engagement nachhaltig zu fördern. Folgendes sollte die Politik beachten:

· Wir brauchen praktische Rahmenbedingungen, die bürgerschaftliches Engagement nicht behindern, sondern fördern. Das betrifft eine Vielzahl von Fragen: bürokratische Verfahrensweisen ebenso wie Auslagenerstattung und Versicherungsschutz. Wer sich engagiert, darf nicht der Dumme sein; wer etwas für andere und die Gemeinschaft tut, sollte nicht dazu auch noch Geld mitbringen müssen. Und vor allem: Engagierte müssen besser gegen Schäden abgesichert sein. Das betrifft Fragen der Unfallversicherung und des Haftpflichtschutzes.

· Wir brauchen eine Öffnung staatlicher Institutionen für bürgerschaftliches Engagement. Möglichkeiten, sich zu engagieren, dürfen nicht dort enden, wo politische Entscheidungen getroffen werden. Im Gegenteil: Gerade dort, wo es politisch wird, wo Angelegenheiten, die alle angehen, öffentlich ausgetragen werden, kommt das "Bürgerschaftliche" am Engagement zum Tragen. In einer Bürgergesellschaft, in der Demokratie und Solidarität durch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger mit Leben erfüllt werden, muss der Staat bereit sein, Macht abzugeben, ohne sich seiner sozialen Verantwortung zu entziehen.

Die Förderung bürgerschaftlichen Engagements ist eine der großen Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft, davon bin ich überzeugt. Ich wünsche mir, dass sich die Politik auch über das Internationale Jahr der Freiwilligen hinaus dieser Zukunftsaufgabe stellt - mit Nachhaltigkeit.

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Quelle: http://www.bundestag.de/bic/presse/2001/pz_011205
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