Pressemitteilung
Stand: 23.05.2002
Rede von US-Präsident George W. Bush vor dem Deutschen Bundestag Berlin, 23. Mai 2002
Herr Bundestagspräsident, herzlichen Dank für Ihre
liebenswürdige Begrüßung. Und dafür, dass ich
heute hier sein darf. Bundespräsident Rau, ich danke Ihnen,
ebenso Bundeskanzler Schröder. Wie ich höre, ist
Altbundeskanzler Kohl ebenfalls hier. Mein Dank gilt den
Mitgliedern des Deutschen Bundestages. [Mit Blick auf einen
bestimmten Abgeordneten:] Geht's gut?
Als mir der Bundestagspräsident sagte, Sie seien alle eigentlich auf Urlaub, war ich doch ein bisschen nervös. Ich brauche mir nur vorzustellen, wie die Kongressabgeordneten reagieren würden, wenn ich sie aus dem Urlaub holen würde, um sich eine Rede von mir anzuhören. Großen Dank also, dass Sie gekommen sind. Ich fühle mich sehr geehrt, hier sein zu können. Und meine Frau Laura und ich genießen Ihre Gastfreundschaft sehr.
Schon drei Mal hatte ich das Vergnügen, Ihren Bundeskanzler in Washington zu begrüßen, und zwischen uns entstand ein enges Verhältnis. Dafür bin ich dankbar, Herr Bundeskanzler.
Und nun wird mir die Ehre zuteil, diese großartige Stadt zu besuchen. Die Geschichte unserer Zeit ist im Leben Berlins nachzulesen. In diesem Gebäude wurden Feuer des Hasses entfacht, die die Welt verheerten. In einer 323 Tage und Nächte währenden Belagerung brachten alliierte Flugzeuge in diese Stadt Nahrung und Hoffnung. Hier sprangen Männer und Frauen aus Wohnhäusern über eine Schandmauer, durchbrachen Stacheldraht und riskierten den Tod, um in Freiheit zu leben. Ein amerikanischer Präsident kam hierher und bekannte sich stolz als Bürger Berlins. Ein anderer Präsident forderte die Sowjets auf: "Reißt diese Mauer nieder." Und in einer Novembernacht nahmen die Berliner die Geschichte in ihre Hand und machten aus ihrer Stadt wieder ein Ganzes.
In der Spanne eines einzigen Lebens ertrugen die Menschen dieser Stadt und dieses Landes 12 Jahre Diktatur, erlitten 40 Jahre bitterer Trennung und stellten sich mutig den Herausforderungen des Jahrzehnts der Wiedervereinigung. Aus allen diesen Prüfungen ging Deutschland als verantwortungsbewusste, blühende und friedliche Nation hervor. Vor mehr als einem Jahrzehnt - der Herr Bundestagspräsident hat es erwähnt - sprach mein Vater von Deutschland und Amerika als Partnern in der Führung - und eben dies sind sie geworden. Ein neues Zeitalter ist angebrochen: Das starke Deutschland, das Sie schufen, ist gut für die Welt.
Auf beiden Seiten des Atlantik war die Generation unserer Väter zu großen Taten berufen - und sie riefen das große transatlantische Bündnis der Demokratien ins Leben. Sie schufen das erfolgreichste Bündnis in der Geschichte. Als der Kalte Krieg zu Ende war, wurde in der relativen Ruhe der neunziger Jahre hier und da die Frage gestellt, ob unsere transatlantische Partnerschaft denn noch sinnvoll sei. Die Geschichte hat die Antwort darauf geliefert. Unsere Generation sieht sich neuen und schweren Bedrohungen der Freiheit, der Sicherheit unserer Völker, ja der Zivilisation selbst ausgesetzt. Wir sind mit einer aggressiven Kraft konfrontiert, die den Tod verherrlicht, Unschuldige ins Visier nimmt und danach trachtet, sich mit allen Mitteln durchzusetzen - für den Massenmord.
Wir erleben die weltweite Tragödie von Krankheit und Armut, die zahllose Leben fordern und ganze Völker der Unterdrückung und dem Terror aussetzen.
Diese Herausforderungen werden wir gemeinsam bewältigen. Wir müssen ihnen zusammen begegnen. Die die menschliche Freiheit verachten, werden sie auf jedem Kontinent angreifen. Die nach Raketen und Schreckenswaffen gieren, sind auch mit der Karte Europas vertraut. Wie die Bedrohungen einer anderen Zeit kann auch diese Bedrohung nicht befriedet werden, noch darf man sie ignorieren. Mit Geduld, Unerschrockenheit und Entschlossenheit werden wir die Feinde der Freiheit besiegen.
Indem wir unsere Geschlossenheit bewahren, stellen wir den modernen Bedrohungen die gewaltigste Kraft des Reichtums und Willens entgegen, die freie Völker jemals aufgebracht haben. Gemeinsam besitzen Europa und die Vereinigten Staaten den schöpferischen Genius, die wirtschaftliche Kraft, das moralische Erbe und die demokratische Vision für den Schutz unserer Freiheit und die Förderung unseres Anliegens: des Friedens.
So verschieden wir auch sind: Wir bauen und schützen dasselbe Haus des Friedens - dessen Tore allen Völkern Europas offen stehen, dessen Fenster den Blick auf die globalen Herausforderungen weit draußen freigeben. Das Fundament müssen wir mit einem Europa legen, das einig und frei und zum ersten Mal in der Geschichte mit sich im Frieden ist. Dieser jahrhundertealte Traum ist zum Greifen nahe.
Von den Wäldern der Argonnen bis zum Brückenkopf am Strand von Anzio hat der Streit in Europa das Blut von Millionen gekostet, quer durch die Welt Leben zerstört und zerschmettert. In den Parks und auf den Plätzen meines Landes stehen Tausende und Abertausende Denkmäler, die an achtzehn-, neunzehn-, zwanzigjährige junge Männer erinnern, die in Schlachten auf diesem Kontinent ihr Leben ließen. Unsere Generation ist die erste seit hundert Jahren, die nicht mehr mit einem Krieg in Europa rechnen, ihn nicht mehr fürchten muss. Und diese Leistung, Ihre Leistung, gehört zu den größten der Neuzeit.
Indem Europa an Einheit gewinnt, gewinnen Europa und Amerika an Sicherheit. Indem Sie in der Europäischen Union Ihre Märkte integrieren und eine gemeinsame Währung haben, schaffen Sie die Voraussetzungen für Sicherheit und gemeinschaftliches Wollen. In all dem sehen die Amerikaner nicht einen Rivalen heranwachsen, sondern das Ende der alten Feindseligkeiten. Wir sehen darin den Erfolg unserer Verbündeten, und wir spenden Ihrem Fortschreiten auf diesem Weg Beifall.
Mit der Erweiterung der NATO erweitern wir auch die Sicherheit auf diesem Kontinent, zumal für Nationen, die im vergangenen Jahrhundert nur selten Frieden oder Sicherheit kannten. Wir haben uns vorsichtig in diese Richtung bewegt. Jetzt gilt es, entschieden zu handeln.
In Erwartung unseres bevorstehenden Prager Gipfels bekennt sich Amerika zur NATO-Mitgliedschaft aller Demokratien Europas, die bereit sind, die mit der NATO einhergehenden Verantwortlichkeiten mitzutragen. Ein jeder Teil Europas soll an der Sicherheit und dem Erfolg auf diesem Kontinent teilhaben. Ein breiter gefasstes Bündnis wird die NATO stärken - es wird die Verheißung der NATO erfüllen.
Ein weiterer gemeinsamer Auftrag lautet, das russische Volk dazu zu ermuntern, seine Zukunft in Europa und mit Amerika zu finden. Russland besitzt die größte Chance seit 1917, Teil der Familie Europas zu werden. Noch ist die Umgestaltung Russlands nicht vollendet, noch steht ihr Ausgang nicht fest. Doch allen Problemen und Herausforderungen zum Trotz bewegt sich Russland auf die Freiheit zu - mehr Freiheit in der Politik und auf den Märkten, eine Freiheit, die dazu beitragen wird, dass Russland als große und gerechte Macht handelt. Ein Russland, das mit seinen Nachbarn im Frieden lebt und die legitimen Rechte der Minderheiten achtet, ist in Europa willkommen.
Eine neue russisch-amerikanische Partnerschaft wird geschmiedet. Russland gewährt entscheidende Unterstützung im Krieg gegen den weltweiten Terror. Im Stab des US-Armeegenerals Tommy Franks, des Befehlshabers im Krieg in Afghanistan, arbeitet jetzt ein russischer Oberst mit. Und in Afghanistan selbst hilft Russland beim Bau von Krankenhäusern und einer besseren Zukunft für das afghanische Volk mit.
Amerika und Europa müssen das alte Misstrauen ablegen und unsere gemeinsamen Interessen mit Russland erkennen. Morgen in Moskau werden Präsident Putin und ich erneut im Sinne dieser Interessen tätig werden.
Die Vereinigten Staaten und Russland entledigen sich der letzten Überreste der Konfrontation des Kalten Krieges. Wir sind über einen ABM-Vertrag hinausgelangt, der uns an der Verteidigung unseres Volkes und unserer Freunde hinderte. Manche unkten, ein Hinausgehen über den ABM-Vertrag werde ein Wettrüsten nach sich ziehen. Ganz im Gegenteil dazu sind Präsident Putin und ich dabei, die drastischste Reduzierung nuklearer Waffen in der Geschichte zu unterzeichen. Beide, die Vereinigten Staaten und Russland, werden ihre Atomarsenale um etwa zwei Drittel verringern - auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten.
Früher zielten die Rüstungsabkommen auf einen kontrollierten Zustand der Feindseligkeit und ein Gleichgewicht des Schreckens ab. Das neue Abkommen geht von der Erkenntnis aus, das Russland und der Westen nicht länger Feinde sind.
Das ganze transatlantische Bündnis stellt die Beziehungen mit Russland auf eine neue Grundlage. Nächste Woche werden sich Bundeskanzler Schröder, die NATO-Verbündeten und ich in Rom mit Präsident Putin als gleichberechtigte Partner zur Gründung des NATO-Russland-Rates versammeln. Anfangen wollen wir mit Projekten der Nichtproliferation, der Terrorismusbekämpfung und der Such- und Rettungsaktionen. Diese Zusammenarbeit werden wir im Laufe der Zeit erweitern und zugleich den Kernauftrag der NATO erhalten. Viele Generation haben mit Angst und Sorge auf Russland geblickt. Unsere Generation kann diesen Schatten über Europa endgültig verjagen, indem sie sich die Freundschaft eines neuen, demokratischen Russland voll und ganz zu eigen macht.
Wie wir nun unser Bündnis erweitern und zugleich Russland die Hand reichen, müssen wir auch den Blick über Europa hinaus auf sich ballende Gefahren und wichtige Aufgaben richten. Beim Bau des Hauses der Freiheit müssen wir uns den Herausforderungen einer größeren Welt stellen. Und das müssen wir gemeinsam tun.
Für die Vereinigten Staaten war der 11. September ein tiefer Einschnitt in unserer Geschichte - bezeichnete einen Zeitenwechsel so scharf und klar wie Pearl Harbor oder der erste Tag der Berlinblockade. Es gibt keine dauerhafte Sicherheit in einer Welt, die auf Gnade und Ungnade den Terroristen ausgeliefert ist - weder für mein Volk, noch für irgendein Volk.
Angesichts dieser Bedrohung bleibt der Wesenszweck der NATO - unsere kollektive Verteidigung - so dringend wie eh und je. Amerika und Europa brauchen einander für den Kampf und Sieg im Krieg gegen den weltweiten Terror. Mein Volk ist dem deutschen Volk für sein Mitgefühl unendlich dankbar, und dankbar für die starke Unterstützung durch Deutschland und ganz Europa.
Truppen aus über einem Dutzend europäischer Länder haben in und um Afghanistan Stellung bezogen, darunter auch Tausende aus Ihrem Land - zum ersten Mal seit 1945 stehen deutsche Streitkräfte außerhalb Europas. Deutsche Soldaten haben in diesem Krieg ihr Leben gelassen, und wir trauern um sie wie um unsere eigenen. Die deutschen Behörden sind terroristischen Zellen und ihrer Finanzierung auf der Spur. Und deutsche Polizisten helfen den Afghanen beim Aufbau ihrer eigenen Polizei. Und wir sind dankbar für die Unterstützung.
Gemeinsam stehen wir gegen einen Feind, der sich an der Gewalt und dem Leid der Unschuldigen labt. Das Wesensmerkmal der Terroristen ist Hass: Sie hassen Demokratie und Toleranz und die freie Meinungsäußerung und Frauen und Juden und Christen und jeden Moslem, der ihre Meinung nicht teilt. Andere werden im Namen der Reinheit der Rasse oder des Klassenkampfes getötet. Diese Feinde morden im Namen einer falschen religiösen Reinheit und pervertieren damit den Glauben, den sie vorgeblich bekennen. In diesem Krieg verteidigen wir nicht bloß Amerika oder Europa: Wir verteidigen die Zivilisation als solche.
Das Böse, das sich uns da entgegenstellt, hat man die "neue totalitäre Bedrohung" genannt. Die Urheber des Terrors gieren nach nuklearen, chemischen und biologischen Waffen. Regimes, die den Terror begünstigen, entwickeln diese Waffen und Raketen und liefern sie ihnen. Wenn es diesen Regimes und ihren terroristischen Verbündeten gelänge, diese Mittel zu vervollkommnen, dann wird keine innere Stimme der Vernunft, keine Regung des Gewissens deren Einsatz verhindern.
Wunschdenken mag beruhigen, aber Sicherheit bringt es nicht. Nennen Sie es eine strategische Herausforderung; nennen Sie es wie ich die Achse des Bösen; nennen Sie es, wie immer Sie wollen - aber sprechen wir die Wahrheit aus. Wenn wir diese Drohung ignorieren, dann ist uns Erpressung gewiss, dann bringen wir Millionen unserer Bürger in schwerste Gefahr.
Unsere Reaktion wird durchdacht, und gezielt, und wohl überlegt sein. Wir werden mehr einsetzen als unsere militärische Macht. Wir werden den Terroristen ihre Finanzquellen abschneiden, diplomatischen Druck ausüben und weiter unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse austauschen. Amerika wird sich in jeder Phase eng mit unseren Freunden und Verbündeten absprechen. Aber täuschen Sie sich nicht: Wir werden und müssen dieser Verschwörung gegen unsere Freiheit und unser Leben entgegentreten.
Die mit neuen Bedrohungen konfrontierte NATO braucht eine neue Strategie und neues Potential. Weit von Europa entfernt ausgehende Gefahren können Europa jetzt mitten ins Herz treffen - darum muss die NATO in der Lage und willens sein zu handeln, sobald eine Gefahr droht. Dazu sind alle Einsatzmittel der modernen Verteidigung vonnöten: mobile, schnell stationierbare Truppen, ausgeklügelte Sonderunternehmen, die Fähigkeit, unter der Bedrohung mit chemischen und biologischen Waffen zu kämpfen. Jede Nation muss sich auf das konzentrieren, was sie an militärischer Stärke in dieses Bündnis einbringen kann, welche harten Beschlüsse und finanziellen Verpflichtungen damit auch einhergehen mögen. Wir wissen nicht, von wo die nächste Bedrohung kommen kann, wir wissen wirklich nicht, welche Form sie annehmen wird. Aber wir müssen bereit sein, den Bedrohungen unserer gemeinsamen Sicherheit als vollgültige militärische Partner entgegenzutreten.
Ein Weg, wie wir sicherer werden können, besteht darin, uns den regionalen Konflikten zuzuwenden, an denen sich Gewalt entzünden kann. Unsere Arbeit auf dem Balkan und in Afghanistan zeigt, wie viel wir erreichen können, wenn wir zusammenstehen. Wir müssen weiterhin für den Frieden im Nahen Osten eintreten. Dieser Friede muss die beständige Sicherheit des jüdischen Volkes gewährleisten. Und dieser Friede muss dem palästinensischen Volk einen eigenen Staat geben.
Im Getümmel der terroristischen Gewalt im Nahen Osten mag die Hoffnung auf eine dauerhafte Einigung fern erscheinen. Doch so haben viele einst auch die Friedensaussichten zwischen Polen und Deutschland, Deutschland und Frankreich, Frankreich und England, Protestanten und Katholiken eingeschätzt. Dennoch haben wir erlebt, wie nach Generationen gegenseitiger Gewalt und Demütigung aus Feinden Partner und Verbündete wurden in einem neuen Europa. Wir hoffen und beten, dass derselbe Heilungsprozess, die gleiche Abkehr vom Hass, auch im Nahen Osten Einzug halten kann. Und bei unserer Suche nach diesem Frieden werden wir niemals nachlassen.
Wir müssen uns bewusst machen, dass Gewalt und Rachsucht durch Fortschritte bei Gesundheit, Bildung und Wohlstand besiegt werden können. Armut schafft keinen Terror - aber der Terror schlägt seine Wurzeln in hilflosen Nationen, die nicht für Ordnung sorgen und ihre Bevölkerung nicht versorgen können. Unser Gewissen und unsere Interessen sprechen dieselbe Sprache: Um eine sicherere Welt zu schaffen, müssen wir eine bessere Welt schaffen.
Die Ausweitung des Handels gehört in unserer Zeit zu den Hauptgründen für Fortschritte im Kampf gegen die Armut. In Doha haben wir uns verpflichtet, auf diesen Fortschritten aufzubauen, und diese Verpflichtung müssen wir einhalten. Die transatlantischen Nationen müssen das wenige Strittige in unseren riesigen Handelsbeziehungen im Rahmen der Regelungen und Schlichtungsmechanismen der Welthandelsorganisation beilegen - egal, ob es sich um Steuergesetze, Stahl, Landwirtschaft oder Biotechnologie handelt.
Damit alle Nationen... damit alle Nationen aus den globalen Märkten Gewinn ziehen können, brauchen sie gesunde und gebildete Bevölkerungen. Den Entwicklungsländern bei der Erreichung dieser Ziele zu helfen, ist für die Führer der wohlhabenden Nationen eine Gewissenspflicht - Es ist unsere Pflicht, unseren Reichtum großzügig und überlegt zu teilen. Die Führer der armen Nationen sind ihrem eigenen Volk verpflichtet - aber sie haben auch eine andere Pflicht: Reformen zu vollziehen, die vorübergehende Hilfe in dauerhaften Fortschritt verwandeln.
Ich habe vorgeschlagen, den Nationen die neue amerikanische Hilfe auf diesem Pfad der Reform zuzuteilen. Die Vereinigten Staaten werden den Kern ihrer Entwicklungshilfe in den nächsten drei Haushaltsjahren um 50 Prozent erhöhen. Über das hinaus, was wir jetzt schon zur Entwicklung beitragen, wird sie pro Jahr um 5 Milliarden steigen.
Wenn Nationen gerecht regiert werden, kommt es dem Volk zugute. Werden Nationen ungerecht regiert, nur zum Nutzen einiger weniger Korrupter, dann wird keine Hilfe, und sei sie noch so hoch, der notleidenden Bevölkerung helfen. Wenn Nationen gerecht regiert werden... wenn Nationen gerecht regiert werden, in Erziehung und Gesundheit investieren und die wirtschaftliche Freiheit fördern, dann bekommen sie unsere Hilfe. Und was noch wichtiger ist: Diese aufsteigenden Nationen werden dann ihre eigene Kraft und schließlich die notwendigen Ressourcen besitzen, um Krankheit zu bekämpfen, ihre Umwelt zu verbessern und ihren Völkern ein Leben in Würde aufzubauen.
Mitglieder des Bundestages, vereint verfolgen wir einen ernsthaften Zweck - sehr ernsthafte Zwecke -, auf denen die Sicherheit unserer Menschen und das Schicksal unserer Freiheit fortan ruhen. Entweder bauen wir eine Welt der Gerechtigkeit, oder wir versinken in einer Welt des Zwangs. Vor der Größe unserer gemeinsamen Verantwortung nehmen sich unsere Meinungsverschiedenheiten winzig aus. Und wer unsere Meinungsunterschiede übertreibt, spielt ein seichtes Spiel und hegt eine dumm-dreiste Vorstellung von unserem Verhältnis.
Amerika und die Völker in Europa sind mehr als militärische Verbündete, wir sind mehr als bloße Handelspartner: Wir sind Erben derselben Zivilisation. Die Verheißungen der Magna Charta, die Weisheit Athens, die Schöpferkraft von Paris, das unbeugsame Gewissen Luthers, der sanfte Glaube des Franziskus - all das ist Teil der amerikanischen Seele. Die Neue Welt war erfolgreich, weil sie den Werten der Alten Welt treu blieb.
Unsere jeweilige Geschichte ging unterschiedliche Wege, doch wir streben nach denselben Idealen. Wir glauben an freie, durch Mitgefühl gezähmte Märkte. Wir glauben an die offene Gesellschaft, die unwandelbare Werte widerspiegelt. Wir glauben an den Wert und die Würde eines jeden Lebens.
Diese Überzeugungen halten unsere Zivilisation zusammen und bringen unsere Feinde gegen uns auf. Diese Überzeugungen sind universell wahr und recht. Und sie sind ein einmaliges Wesensmerkmal unserer Völker und unserer Partnerschaft. Und es sind diese Überzeugungen, die uns die Tyrannei und das Böse bekämpfen heißen, so wie andere vor uns es getan haben.
Zu den größten Deutschen des 20. Jahrhunderts gehört Pastor Dietrich Bonhoeffer, der den sicheren Hort Amerika verließ, um gegen die Naziherrschaft aufzustehen. In einer dunklen Stunde bezeugte er das Evangelium des Lebens und bezahlte seine Jüngerschaft mit dem Tode, wenige Tage vor der Befreiung seines Lagers.
"Ich glaube", sagte Bonhoeffer, "dass Gott alles zum Guten wenden kann und will, sogar das Böse."
Dieser Glaube hat sich seit jenem Tag in der Geschichte Europas bewährt - in der Aussöhnung und Erneuerung, die diesen Kontinent verwandelte. Auch in Amerika haben wir vor sehr kurzer Zeit den Schrecken des Bösen und die Macht des Guten am Werk gesehen. In den Prüfungen unserer Zeit bekennen wir uns zu unseren tiefsten Werten und unseren engsten Freundschaften. In diesem Hohen Hause, quer durch diese Stadt, überall in diesem Land und Kontinent, besitzt Amerika wertvolle Freunde. Und gemeinsam mit unseren Freunden bauen wir jenes Haus der Freiheit - für unsere Zeit und für alle Zeit.
Möge Gott uns beistehen.
Als mir der Bundestagspräsident sagte, Sie seien alle eigentlich auf Urlaub, war ich doch ein bisschen nervös. Ich brauche mir nur vorzustellen, wie die Kongressabgeordneten reagieren würden, wenn ich sie aus dem Urlaub holen würde, um sich eine Rede von mir anzuhören. Großen Dank also, dass Sie gekommen sind. Ich fühle mich sehr geehrt, hier sein zu können. Und meine Frau Laura und ich genießen Ihre Gastfreundschaft sehr.
Schon drei Mal hatte ich das Vergnügen, Ihren Bundeskanzler in Washington zu begrüßen, und zwischen uns entstand ein enges Verhältnis. Dafür bin ich dankbar, Herr Bundeskanzler.
Und nun wird mir die Ehre zuteil, diese großartige Stadt zu besuchen. Die Geschichte unserer Zeit ist im Leben Berlins nachzulesen. In diesem Gebäude wurden Feuer des Hasses entfacht, die die Welt verheerten. In einer 323 Tage und Nächte währenden Belagerung brachten alliierte Flugzeuge in diese Stadt Nahrung und Hoffnung. Hier sprangen Männer und Frauen aus Wohnhäusern über eine Schandmauer, durchbrachen Stacheldraht und riskierten den Tod, um in Freiheit zu leben. Ein amerikanischer Präsident kam hierher und bekannte sich stolz als Bürger Berlins. Ein anderer Präsident forderte die Sowjets auf: "Reißt diese Mauer nieder." Und in einer Novembernacht nahmen die Berliner die Geschichte in ihre Hand und machten aus ihrer Stadt wieder ein Ganzes.
In der Spanne eines einzigen Lebens ertrugen die Menschen dieser Stadt und dieses Landes 12 Jahre Diktatur, erlitten 40 Jahre bitterer Trennung und stellten sich mutig den Herausforderungen des Jahrzehnts der Wiedervereinigung. Aus allen diesen Prüfungen ging Deutschland als verantwortungsbewusste, blühende und friedliche Nation hervor. Vor mehr als einem Jahrzehnt - der Herr Bundestagspräsident hat es erwähnt - sprach mein Vater von Deutschland und Amerika als Partnern in der Führung - und eben dies sind sie geworden. Ein neues Zeitalter ist angebrochen: Das starke Deutschland, das Sie schufen, ist gut für die Welt.
Auf beiden Seiten des Atlantik war die Generation unserer Väter zu großen Taten berufen - und sie riefen das große transatlantische Bündnis der Demokratien ins Leben. Sie schufen das erfolgreichste Bündnis in der Geschichte. Als der Kalte Krieg zu Ende war, wurde in der relativen Ruhe der neunziger Jahre hier und da die Frage gestellt, ob unsere transatlantische Partnerschaft denn noch sinnvoll sei. Die Geschichte hat die Antwort darauf geliefert. Unsere Generation sieht sich neuen und schweren Bedrohungen der Freiheit, der Sicherheit unserer Völker, ja der Zivilisation selbst ausgesetzt. Wir sind mit einer aggressiven Kraft konfrontiert, die den Tod verherrlicht, Unschuldige ins Visier nimmt und danach trachtet, sich mit allen Mitteln durchzusetzen - für den Massenmord.
Wir erleben die weltweite Tragödie von Krankheit und Armut, die zahllose Leben fordern und ganze Völker der Unterdrückung und dem Terror aussetzen.
Diese Herausforderungen werden wir gemeinsam bewältigen. Wir müssen ihnen zusammen begegnen. Die die menschliche Freiheit verachten, werden sie auf jedem Kontinent angreifen. Die nach Raketen und Schreckenswaffen gieren, sind auch mit der Karte Europas vertraut. Wie die Bedrohungen einer anderen Zeit kann auch diese Bedrohung nicht befriedet werden, noch darf man sie ignorieren. Mit Geduld, Unerschrockenheit und Entschlossenheit werden wir die Feinde der Freiheit besiegen.
Indem wir unsere Geschlossenheit bewahren, stellen wir den modernen Bedrohungen die gewaltigste Kraft des Reichtums und Willens entgegen, die freie Völker jemals aufgebracht haben. Gemeinsam besitzen Europa und die Vereinigten Staaten den schöpferischen Genius, die wirtschaftliche Kraft, das moralische Erbe und die demokratische Vision für den Schutz unserer Freiheit und die Förderung unseres Anliegens: des Friedens.
So verschieden wir auch sind: Wir bauen und schützen dasselbe Haus des Friedens - dessen Tore allen Völkern Europas offen stehen, dessen Fenster den Blick auf die globalen Herausforderungen weit draußen freigeben. Das Fundament müssen wir mit einem Europa legen, das einig und frei und zum ersten Mal in der Geschichte mit sich im Frieden ist. Dieser jahrhundertealte Traum ist zum Greifen nahe.
Von den Wäldern der Argonnen bis zum Brückenkopf am Strand von Anzio hat der Streit in Europa das Blut von Millionen gekostet, quer durch die Welt Leben zerstört und zerschmettert. In den Parks und auf den Plätzen meines Landes stehen Tausende und Abertausende Denkmäler, die an achtzehn-, neunzehn-, zwanzigjährige junge Männer erinnern, die in Schlachten auf diesem Kontinent ihr Leben ließen. Unsere Generation ist die erste seit hundert Jahren, die nicht mehr mit einem Krieg in Europa rechnen, ihn nicht mehr fürchten muss. Und diese Leistung, Ihre Leistung, gehört zu den größten der Neuzeit.
Indem Europa an Einheit gewinnt, gewinnen Europa und Amerika an Sicherheit. Indem Sie in der Europäischen Union Ihre Märkte integrieren und eine gemeinsame Währung haben, schaffen Sie die Voraussetzungen für Sicherheit und gemeinschaftliches Wollen. In all dem sehen die Amerikaner nicht einen Rivalen heranwachsen, sondern das Ende der alten Feindseligkeiten. Wir sehen darin den Erfolg unserer Verbündeten, und wir spenden Ihrem Fortschreiten auf diesem Weg Beifall.
Mit der Erweiterung der NATO erweitern wir auch die Sicherheit auf diesem Kontinent, zumal für Nationen, die im vergangenen Jahrhundert nur selten Frieden oder Sicherheit kannten. Wir haben uns vorsichtig in diese Richtung bewegt. Jetzt gilt es, entschieden zu handeln.
In Erwartung unseres bevorstehenden Prager Gipfels bekennt sich Amerika zur NATO-Mitgliedschaft aller Demokratien Europas, die bereit sind, die mit der NATO einhergehenden Verantwortlichkeiten mitzutragen. Ein jeder Teil Europas soll an der Sicherheit und dem Erfolg auf diesem Kontinent teilhaben. Ein breiter gefasstes Bündnis wird die NATO stärken - es wird die Verheißung der NATO erfüllen.
Ein weiterer gemeinsamer Auftrag lautet, das russische Volk dazu zu ermuntern, seine Zukunft in Europa und mit Amerika zu finden. Russland besitzt die größte Chance seit 1917, Teil der Familie Europas zu werden. Noch ist die Umgestaltung Russlands nicht vollendet, noch steht ihr Ausgang nicht fest. Doch allen Problemen und Herausforderungen zum Trotz bewegt sich Russland auf die Freiheit zu - mehr Freiheit in der Politik und auf den Märkten, eine Freiheit, die dazu beitragen wird, dass Russland als große und gerechte Macht handelt. Ein Russland, das mit seinen Nachbarn im Frieden lebt und die legitimen Rechte der Minderheiten achtet, ist in Europa willkommen.
Eine neue russisch-amerikanische Partnerschaft wird geschmiedet. Russland gewährt entscheidende Unterstützung im Krieg gegen den weltweiten Terror. Im Stab des US-Armeegenerals Tommy Franks, des Befehlshabers im Krieg in Afghanistan, arbeitet jetzt ein russischer Oberst mit. Und in Afghanistan selbst hilft Russland beim Bau von Krankenhäusern und einer besseren Zukunft für das afghanische Volk mit.
Amerika und Europa müssen das alte Misstrauen ablegen und unsere gemeinsamen Interessen mit Russland erkennen. Morgen in Moskau werden Präsident Putin und ich erneut im Sinne dieser Interessen tätig werden.
Die Vereinigten Staaten und Russland entledigen sich der letzten Überreste der Konfrontation des Kalten Krieges. Wir sind über einen ABM-Vertrag hinausgelangt, der uns an der Verteidigung unseres Volkes und unserer Freunde hinderte. Manche unkten, ein Hinausgehen über den ABM-Vertrag werde ein Wettrüsten nach sich ziehen. Ganz im Gegenteil dazu sind Präsident Putin und ich dabei, die drastischste Reduzierung nuklearer Waffen in der Geschichte zu unterzeichen. Beide, die Vereinigten Staaten und Russland, werden ihre Atomarsenale um etwa zwei Drittel verringern - auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten.
Früher zielten die Rüstungsabkommen auf einen kontrollierten Zustand der Feindseligkeit und ein Gleichgewicht des Schreckens ab. Das neue Abkommen geht von der Erkenntnis aus, das Russland und der Westen nicht länger Feinde sind.
Das ganze transatlantische Bündnis stellt die Beziehungen mit Russland auf eine neue Grundlage. Nächste Woche werden sich Bundeskanzler Schröder, die NATO-Verbündeten und ich in Rom mit Präsident Putin als gleichberechtigte Partner zur Gründung des NATO-Russland-Rates versammeln. Anfangen wollen wir mit Projekten der Nichtproliferation, der Terrorismusbekämpfung und der Such- und Rettungsaktionen. Diese Zusammenarbeit werden wir im Laufe der Zeit erweitern und zugleich den Kernauftrag der NATO erhalten. Viele Generation haben mit Angst und Sorge auf Russland geblickt. Unsere Generation kann diesen Schatten über Europa endgültig verjagen, indem sie sich die Freundschaft eines neuen, demokratischen Russland voll und ganz zu eigen macht.
Wie wir nun unser Bündnis erweitern und zugleich Russland die Hand reichen, müssen wir auch den Blick über Europa hinaus auf sich ballende Gefahren und wichtige Aufgaben richten. Beim Bau des Hauses der Freiheit müssen wir uns den Herausforderungen einer größeren Welt stellen. Und das müssen wir gemeinsam tun.
Für die Vereinigten Staaten war der 11. September ein tiefer Einschnitt in unserer Geschichte - bezeichnete einen Zeitenwechsel so scharf und klar wie Pearl Harbor oder der erste Tag der Berlinblockade. Es gibt keine dauerhafte Sicherheit in einer Welt, die auf Gnade und Ungnade den Terroristen ausgeliefert ist - weder für mein Volk, noch für irgendein Volk.
Angesichts dieser Bedrohung bleibt der Wesenszweck der NATO - unsere kollektive Verteidigung - so dringend wie eh und je. Amerika und Europa brauchen einander für den Kampf und Sieg im Krieg gegen den weltweiten Terror. Mein Volk ist dem deutschen Volk für sein Mitgefühl unendlich dankbar, und dankbar für die starke Unterstützung durch Deutschland und ganz Europa.
Truppen aus über einem Dutzend europäischer Länder haben in und um Afghanistan Stellung bezogen, darunter auch Tausende aus Ihrem Land - zum ersten Mal seit 1945 stehen deutsche Streitkräfte außerhalb Europas. Deutsche Soldaten haben in diesem Krieg ihr Leben gelassen, und wir trauern um sie wie um unsere eigenen. Die deutschen Behörden sind terroristischen Zellen und ihrer Finanzierung auf der Spur. Und deutsche Polizisten helfen den Afghanen beim Aufbau ihrer eigenen Polizei. Und wir sind dankbar für die Unterstützung.
Gemeinsam stehen wir gegen einen Feind, der sich an der Gewalt und dem Leid der Unschuldigen labt. Das Wesensmerkmal der Terroristen ist Hass: Sie hassen Demokratie und Toleranz und die freie Meinungsäußerung und Frauen und Juden und Christen und jeden Moslem, der ihre Meinung nicht teilt. Andere werden im Namen der Reinheit der Rasse oder des Klassenkampfes getötet. Diese Feinde morden im Namen einer falschen religiösen Reinheit und pervertieren damit den Glauben, den sie vorgeblich bekennen. In diesem Krieg verteidigen wir nicht bloß Amerika oder Europa: Wir verteidigen die Zivilisation als solche.
Das Böse, das sich uns da entgegenstellt, hat man die "neue totalitäre Bedrohung" genannt. Die Urheber des Terrors gieren nach nuklearen, chemischen und biologischen Waffen. Regimes, die den Terror begünstigen, entwickeln diese Waffen und Raketen und liefern sie ihnen. Wenn es diesen Regimes und ihren terroristischen Verbündeten gelänge, diese Mittel zu vervollkommnen, dann wird keine innere Stimme der Vernunft, keine Regung des Gewissens deren Einsatz verhindern.
Wunschdenken mag beruhigen, aber Sicherheit bringt es nicht. Nennen Sie es eine strategische Herausforderung; nennen Sie es wie ich die Achse des Bösen; nennen Sie es, wie immer Sie wollen - aber sprechen wir die Wahrheit aus. Wenn wir diese Drohung ignorieren, dann ist uns Erpressung gewiss, dann bringen wir Millionen unserer Bürger in schwerste Gefahr.
Unsere Reaktion wird durchdacht, und gezielt, und wohl überlegt sein. Wir werden mehr einsetzen als unsere militärische Macht. Wir werden den Terroristen ihre Finanzquellen abschneiden, diplomatischen Druck ausüben und weiter unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse austauschen. Amerika wird sich in jeder Phase eng mit unseren Freunden und Verbündeten absprechen. Aber täuschen Sie sich nicht: Wir werden und müssen dieser Verschwörung gegen unsere Freiheit und unser Leben entgegentreten.
Die mit neuen Bedrohungen konfrontierte NATO braucht eine neue Strategie und neues Potential. Weit von Europa entfernt ausgehende Gefahren können Europa jetzt mitten ins Herz treffen - darum muss die NATO in der Lage und willens sein zu handeln, sobald eine Gefahr droht. Dazu sind alle Einsatzmittel der modernen Verteidigung vonnöten: mobile, schnell stationierbare Truppen, ausgeklügelte Sonderunternehmen, die Fähigkeit, unter der Bedrohung mit chemischen und biologischen Waffen zu kämpfen. Jede Nation muss sich auf das konzentrieren, was sie an militärischer Stärke in dieses Bündnis einbringen kann, welche harten Beschlüsse und finanziellen Verpflichtungen damit auch einhergehen mögen. Wir wissen nicht, von wo die nächste Bedrohung kommen kann, wir wissen wirklich nicht, welche Form sie annehmen wird. Aber wir müssen bereit sein, den Bedrohungen unserer gemeinsamen Sicherheit als vollgültige militärische Partner entgegenzutreten.
Ein Weg, wie wir sicherer werden können, besteht darin, uns den regionalen Konflikten zuzuwenden, an denen sich Gewalt entzünden kann. Unsere Arbeit auf dem Balkan und in Afghanistan zeigt, wie viel wir erreichen können, wenn wir zusammenstehen. Wir müssen weiterhin für den Frieden im Nahen Osten eintreten. Dieser Friede muss die beständige Sicherheit des jüdischen Volkes gewährleisten. Und dieser Friede muss dem palästinensischen Volk einen eigenen Staat geben.
Im Getümmel der terroristischen Gewalt im Nahen Osten mag die Hoffnung auf eine dauerhafte Einigung fern erscheinen. Doch so haben viele einst auch die Friedensaussichten zwischen Polen und Deutschland, Deutschland und Frankreich, Frankreich und England, Protestanten und Katholiken eingeschätzt. Dennoch haben wir erlebt, wie nach Generationen gegenseitiger Gewalt und Demütigung aus Feinden Partner und Verbündete wurden in einem neuen Europa. Wir hoffen und beten, dass derselbe Heilungsprozess, die gleiche Abkehr vom Hass, auch im Nahen Osten Einzug halten kann. Und bei unserer Suche nach diesem Frieden werden wir niemals nachlassen.
Wir müssen uns bewusst machen, dass Gewalt und Rachsucht durch Fortschritte bei Gesundheit, Bildung und Wohlstand besiegt werden können. Armut schafft keinen Terror - aber der Terror schlägt seine Wurzeln in hilflosen Nationen, die nicht für Ordnung sorgen und ihre Bevölkerung nicht versorgen können. Unser Gewissen und unsere Interessen sprechen dieselbe Sprache: Um eine sicherere Welt zu schaffen, müssen wir eine bessere Welt schaffen.
Die Ausweitung des Handels gehört in unserer Zeit zu den Hauptgründen für Fortschritte im Kampf gegen die Armut. In Doha haben wir uns verpflichtet, auf diesen Fortschritten aufzubauen, und diese Verpflichtung müssen wir einhalten. Die transatlantischen Nationen müssen das wenige Strittige in unseren riesigen Handelsbeziehungen im Rahmen der Regelungen und Schlichtungsmechanismen der Welthandelsorganisation beilegen - egal, ob es sich um Steuergesetze, Stahl, Landwirtschaft oder Biotechnologie handelt.
Damit alle Nationen... damit alle Nationen aus den globalen Märkten Gewinn ziehen können, brauchen sie gesunde und gebildete Bevölkerungen. Den Entwicklungsländern bei der Erreichung dieser Ziele zu helfen, ist für die Führer der wohlhabenden Nationen eine Gewissenspflicht - Es ist unsere Pflicht, unseren Reichtum großzügig und überlegt zu teilen. Die Führer der armen Nationen sind ihrem eigenen Volk verpflichtet - aber sie haben auch eine andere Pflicht: Reformen zu vollziehen, die vorübergehende Hilfe in dauerhaften Fortschritt verwandeln.
Ich habe vorgeschlagen, den Nationen die neue amerikanische Hilfe auf diesem Pfad der Reform zuzuteilen. Die Vereinigten Staaten werden den Kern ihrer Entwicklungshilfe in den nächsten drei Haushaltsjahren um 50 Prozent erhöhen. Über das hinaus, was wir jetzt schon zur Entwicklung beitragen, wird sie pro Jahr um 5 Milliarden steigen.
Wenn Nationen gerecht regiert werden, kommt es dem Volk zugute. Werden Nationen ungerecht regiert, nur zum Nutzen einiger weniger Korrupter, dann wird keine Hilfe, und sei sie noch so hoch, der notleidenden Bevölkerung helfen. Wenn Nationen gerecht regiert werden... wenn Nationen gerecht regiert werden, in Erziehung und Gesundheit investieren und die wirtschaftliche Freiheit fördern, dann bekommen sie unsere Hilfe. Und was noch wichtiger ist: Diese aufsteigenden Nationen werden dann ihre eigene Kraft und schließlich die notwendigen Ressourcen besitzen, um Krankheit zu bekämpfen, ihre Umwelt zu verbessern und ihren Völkern ein Leben in Würde aufzubauen.
Mitglieder des Bundestages, vereint verfolgen wir einen ernsthaften Zweck - sehr ernsthafte Zwecke -, auf denen die Sicherheit unserer Menschen und das Schicksal unserer Freiheit fortan ruhen. Entweder bauen wir eine Welt der Gerechtigkeit, oder wir versinken in einer Welt des Zwangs. Vor der Größe unserer gemeinsamen Verantwortung nehmen sich unsere Meinungsverschiedenheiten winzig aus. Und wer unsere Meinungsunterschiede übertreibt, spielt ein seichtes Spiel und hegt eine dumm-dreiste Vorstellung von unserem Verhältnis.
Amerika und die Völker in Europa sind mehr als militärische Verbündete, wir sind mehr als bloße Handelspartner: Wir sind Erben derselben Zivilisation. Die Verheißungen der Magna Charta, die Weisheit Athens, die Schöpferkraft von Paris, das unbeugsame Gewissen Luthers, der sanfte Glaube des Franziskus - all das ist Teil der amerikanischen Seele. Die Neue Welt war erfolgreich, weil sie den Werten der Alten Welt treu blieb.
Unsere jeweilige Geschichte ging unterschiedliche Wege, doch wir streben nach denselben Idealen. Wir glauben an freie, durch Mitgefühl gezähmte Märkte. Wir glauben an die offene Gesellschaft, die unwandelbare Werte widerspiegelt. Wir glauben an den Wert und die Würde eines jeden Lebens.
Diese Überzeugungen halten unsere Zivilisation zusammen und bringen unsere Feinde gegen uns auf. Diese Überzeugungen sind universell wahr und recht. Und sie sind ein einmaliges Wesensmerkmal unserer Völker und unserer Partnerschaft. Und es sind diese Überzeugungen, die uns die Tyrannei und das Böse bekämpfen heißen, so wie andere vor uns es getan haben.
Zu den größten Deutschen des 20. Jahrhunderts gehört Pastor Dietrich Bonhoeffer, der den sicheren Hort Amerika verließ, um gegen die Naziherrschaft aufzustehen. In einer dunklen Stunde bezeugte er das Evangelium des Lebens und bezahlte seine Jüngerschaft mit dem Tode, wenige Tage vor der Befreiung seines Lagers.
"Ich glaube", sagte Bonhoeffer, "dass Gott alles zum Guten wenden kann und will, sogar das Böse."
Dieser Glaube hat sich seit jenem Tag in der Geschichte Europas bewährt - in der Aussöhnung und Erneuerung, die diesen Kontinent verwandelte. Auch in Amerika haben wir vor sehr kurzer Zeit den Schrecken des Bösen und die Macht des Guten am Werk gesehen. In den Prüfungen unserer Zeit bekennen wir uns zu unseren tiefsten Werten und unseren engsten Freundschaften. In diesem Hohen Hause, quer durch diese Stadt, überall in diesem Land und Kontinent, besitzt Amerika wertvolle Freunde. Und gemeinsam mit unseren Freunden bauen wir jenes Haus der Freiheit - für unsere Zeit und für alle Zeit.
Möge Gott uns beistehen.
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Quelle:
http://www.bundestag.de/bic/presse/2002/pz_0205235