> Dossier > Interparlamentarische Zusammenarbeit
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Die genaue Zahl der Teilnehmer an den Versammlungen der Interparlamentarischen Union (IPU) schwankt. Jedes Land mit weniger als hundert Millionen Einwohnern kann bis zu acht Delegierte entsenden, größere Länder maximal zehn. Bei 145 Mitgliedstaaten entstehen auf diese Weise sehr große Tagungen, die die Volksvertretung sozusagen global werden lassen – schon optisch. Neben dem Rat, der Versammlung, dem Exekutivausschuss und dem Treffen der Parlamentarierinnen hat die IPU auch drei ständige Ausschüsse eingerichtet: für Frieden und internationale Sicherheit, für nachhaltige Entwicklung, Finanzen und Handel sowie für Demokratie und Menschenrechte.
Bei der ersten IPU-Versammlung eines Jahres ist der Bundestag mit acht Abgeordneten vertreten, an der zweiten nimmt er mit fünf Parlamentariern teil. Leiter der deutschen Delegation ist Bundestagsvizepräsident Norbert Lammert (CDU). Sein Eindruck: „Ambivalent.“
Bedenken hat er bei manchen Mitgliedsländern, deren „Parlamente“ man bei einer anspruchsvollen Definition dieses Begriffs nur sehr eingeschränkt als solche bezeichnen könne. Frei gewählt? Echte gesetzgeberische Funktionen? Wirklich repräsentativ, also ohne vorherigen Ausschluss bestimmter Gruppen von der Wahl? Vor diesem Hintergrund ist für Lammert die „Interparlamentarische Union“ weniger eine „Union der Parlamente“ als vielmehr eine „parlamentarische Versammlung“.
„Skurril“ nennt der Bundestagsvizepräsident eine Reihe von formalisierten Abläufen in der IPU und eine gelegentliche Selbstüberschätzung. Kampfabstimmungen um das Aufsetzen von Tagesordnungspunkten, Fristen für das Einreichen von Änderungsanträgen, Einschaltung von Redaktionsausschüssen, damit „am Ende Texte zustande kommen, die spätestens in dem Augenblick ihre Wirkung verbraucht haben, in dem sie verabschiedet werden“. Lammert sieht hier zwischen dem verbissenen Eifer, der hinter manchen Resolutionen steht, und ihren absehbaren Wirkungen „eine tränentreibende Differenz“.
Nach den Erfahrungen des deutschen Delegationsleiters liegt die eigentliche Funktion der IPU nicht in einer direkten politischen Wirkung, sondern in ihren Möglichkeiten als Kontaktbörse für Parlamentarier. Hier biete sich eine einzigartige Chance, zu neuen Begegnungen zu kommen und persönliche Kontakte zu vertiefen. „Das kann man in seiner Bedeutung nicht unterschätzen“, betont Lammert. Zudem sei die dauernde Aufgabe sehr wichtig, der Diskriminierung, Verfolgung und Bestrafung von gewählten Parlamentariern nachzugehen, die Fälle zu sammeln und immer wieder zur Sprache zu bringen.
Text: Gregor Mayntz
Foto: picture-alliance
IPU in Kürze:
Seit 1889 existiert die Interparlamentarische Union (IPU). Ihre
Gründung erfolgte auf Initiative des britischen Abgeordneten
William Randell Cremer und des französischen Abgeordneten
Frédéric Passy, die damit als internationale Vereinigung
von Parlamentariern einen eigenen Beitrag zur Sicherung des
Friedens in der Welt leisten wollten. Auch 115 Jahre später
bemüht sich das inzwischen weltweit anerkannte Forum, dem
Frieden und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu dienen.
Hinzugekommen ist im Laufe der Zeit das Bestreben der IPU, dazu
beizutragen, dass repräsentative Institutionen im Sinne des
rechtsstaatlichen Demokratieverständnisses in allen Teilen der
Welt entstehen.
Mit Stellungnahmen, Empfehlungen und Entschließungen wendet
sich die IPU sowohl an nationale Regierungen und Parlamente als
auch an internationale Organisationen. In einer immer engeren
Zusammenarbeit will sie zudem der Arbeit der Vereinten Nationen
eine parlamentarische Dimension verleihen.
Wenn die IPU Fragen von internationalem politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Interesse erörtert und dazu
Resolutionen verfasst hat, sind die Mitglieder verpflichtet, diese
auf nationaler Ebene zu verbreiten und sich für eine Umsetzung
einzusetzen. Eine Verbindlichkeit besteht jedoch nicht. Zu den
Hauptaufgaben gehören zudem, Kontakte und Erfahrungsaustausche
zwischen Parlamenten und Parlamentariern aller Länder zu
fördern, Beiträge zum Schutz und zur Achtung der
Menschenrechte zu leisten und zum besseren Verständnis der
Arbeitsweise repräsentativer Einrichtungen beizutragen.
www.ipu.org