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Gute Kondition und umfangreiches Fachwissen müssen Bundestagsabgeordnete mitbringen. Eine feste Arbeitszeit haben sie nicht. Sie üben ein öffentliches Mandat aus und keinen Beruf. Sie haben Arbeitswochen mit mehr als 80 Stunden. Ihre Mitarbeiter müssen Logistikkünstler sein, um alle Termine, Anfragen, Treffen, Sitzungen, Redenvorbereitungen im knappen Zeitbudget unterzubringen. Was sind die Aufgaben der Bundestagsabgeordneten? Wie arbeiten sie, wie organisieren sie sich? Und wie verläuft eine Sitzungswoche?
MdB steht hinter dem Namen auf der Visitenkarte: Mitglied des Bundestages. Die Mitgliedschaft im Parlament erwirbt der Abgeordnete – nachdem er gewählt worden ist – durch eine Annahmeerklärung gegenüber dem Landeswahlleiter beziehungsweise dem Kreiswahlleiter. Die Mitgliedschaft beginnt mit dem Zusammentreten des neuen Bundestages und endet mit Ablauf der Wahlperiode – in der Regel nach vier Jahren.
Der Gewählte wird Teil des Verfassungsorgans Bundestag. Er bekleidet ein hohes öffentliches Amt, ohne jedoch ein Beamter zu sein. Denn er ist niemandem untergeordnet, sondern „Repräsentant des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen“ – so steht es im Artikel 38 des Grundgesetzes.
Der Bundestagsabgeordnete genießt in seiner Amtszeit besonderen Schutz. Das Recht der Immunität sichert ihm zu, nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundestages rechtlich belangt oder gar verhaftet zu werden. Es sei denn, er wird in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Tat oder am Folgetag festgenommen. Die so genannte Indemnität schützt ihn zudem davor, wegen seiner Äußerungen oder Abstimmungen im Parlament gerichtlich oder dienstlich belangt zu werden. Als Zeuge vor Gericht kann er die Aussage verweigern über Personen, die ihm als Abgeordneten Tatsachen anvertraut haben – sowie über diese Tatsachen selbst.
Pflichten für Abgeordnete sind in der Verfassung nicht festgelegt. Sie ergeben sich aus der moralischen Verpflichtung, das Mandat nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle der Menschen in Deutschland auszuüben. Lediglich die Geschäftsordnung des Bundestages verpflichtet den Volksvertreter zur Teilnahme an den Arbeiten des Parlaments und zu ordnungsgemäßem Verhalten während der Sitzungen. Trägt er sich an Sitzungstagen nicht in die Anwesenheitslisten ein oder fehlt er unentschuldigt bei einer namentlichen Abstimmung, führt dies zu finanziellen Abzügen: Seine Kostenpauschale wird gekürzt.
In der politischen Praxis ist der Abgeordnete gewissen Regeln unterworfen, da er nicht als Einzelner, sondern als Vertreter einer Partei in den Bundestag gewählt wurde. Das Grundgesetz schreibt den Parteien ausdrücklich ein Mitwirkungsrecht an der politischen Willensbildung zu (Artikel 21) und setzt so dem freien Mandat des Abgeordneten Grenzen. Dennoch gibt es keinen Fraktionszwang, davor schützt den Abgeordneten die in Artikel 38 der Verfassung bestimmte Gewissensfreiheit.
Als Einzelpersonen würden die Abgeordneten wenig erreichen – deswegen schließen sie sich zu Fraktionen zusammen. Ohne sie zerfiele der Bundestag in Hunderte von Einzelinteressen. In der modernen Gesellschaft ist die Arbeit im Parlament äußerst komplex und spezialisiert –Abstimmung und Koordination sind unerlässlich. Dies wird von den Fraktionen geleistet. Sie verfügen über eigene parlamentarische Rechte – etwa Gesetzentwürfe und Anträge einzubringen, Aktuelle Stunden oder namentliche Abstimmungen im Plenum zu verlangen sowie Große und Kleine Anfragen an die Bundesregierung zu richten. Im Bundestag hat jeder Abgeordnete Rederecht. Über den Ablauf der Debatten und die Rednerlisten bestimmen die Fraktionen. Zudem kann ein Abgeordneter nach der Geschäftsordnung des Bundestages Änderungsanträge in zweiter Beratung zu Gesetzentwürfen einbringen, er darf mündliche oder schriftliche Fragen an die Regierung stellen, Erklärungen zur Abstimmung abgeben und alle Akten einsehen, die sich in der Verwaltung des Bundestages befinden.
Nach dem Grundgesetz steht den Abgeordneten eine „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ (Artikel 48) zu. Für die Dauer der Mandatsausübung erhalten die Bundestagsabgeordneten vom Staat eine Entschädigung, die so genannte Diät, in Höhe von derzeit 7.009 Euro im Monat. Diese müssen sie versteuern.
Da die Mandatsausübung längst zu einem Vollzeitjob geworden ist, der kaum Zeit lässt für den privaten Beruf, sind die Diäten häufig das einzige oder mindestens das wichtigste Einkommen der Abgeordneten.
Neben der Diät erhält der Abgeordnete eine steuerfreie Kostenpauschale, vergleichbar den Werbungskosten. Sie soll die Aufwendungen der Abgeordnetenarbeit decken – etwa Inlandsreisen im Rahmen der Mandatsarbeit oder den Betrieb eines Büros im Wahlkreis. In der 15. Wahlperiode betrug diese Kostenpauschale zuletzt 3.589 Euro monatlich. Außerdem stehen für die Beschäftigung von parlamentarischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen derzeit monatlich bis zu 10.660 Euro bereit. Um Transparenz über mögliche andere Einkünfte und Tätigkeiten neben der Mandatsausübung herzustellen, verpflichten sich die Abgeordneten nach einer selbst auferlegten Regelung, Nebentätigkeiten dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen. Die so genannten Verhaltensregeln legen auch fest, welche Angaben zu veröffentlichen sind – im amtlichen Handbuch und auf der Homepage des Bundestages. Dort können sich alle Bürgerinnen und Bürger über die Nebentätigkeiten ihrer Abgeordneten informieren.
Damit die Abgeordneten ihren parlamentarischen Funktionen nachkommen können, erhalten sie eine Amtsausstattung, zu der unter anderem die Bereitstellung eines eingerichteten Büros, die freie Benutzung der Deutschen Bahn sowie die Benutzung der Fernmeldeanlagen des Bundestages gehören. Überdies stehen ihnen die Parlaments- und Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zur Verfügung.
Wollen sie auf Dienstreise gehen, müssen sie diese beantragen. Reisen im Rahmen der freien Mandatsausübung – also zwischen dem Wahlkreis und Berlin – können die Parlamentarier, ohne Rechenschaft abzulegen, durchführen. Erworbene Vergünstigungen, etwa Bonusmeilen bei Fluggesellschaften, sind Eigentum des Deutschen Bundestags.
Abgeordnete halten sich in der Regel nur während der jährlich 21 Sitzungswochen in Berlin auf. Die restlichen sitzungsfreien Wochen stehen im Zeichen der Mandatsarbeit zu Hause im Wahlkreis. Die Sitzungswoche in Berlin läuft nach einem festen Schema ab, um das alle übrigen Termine arrangiert sind. Montags reisen die Bundestagsabgeordneten aus den Wahlkreisen an und treffen sich zunächst mit ihren Landesgruppen in den Landesvertretungen. Am Dienstag tagen dann die Fraktionen.
Der Mittwoch ist der Arbeit in den Ausschüssen vorbehalten, für die die Abgeordneten von ihren Fraktionen nach der Wahl benannt werden. Damit fällt ihnen die Bearbeitung eines Fachgebietes zu, über das sie ihre Fraktionen unterrichten und Entscheidungshilfen für eine einheitliche Fraktionslinie geben. Der Parteienproporz im Ausschuss richtet sich nach dem Wahlergebnis. Die Zahl der Ausschüsse wird zu Beginn einer Legislaturperiode festgelegt und orientiert sich am Fachzuschnitt der Bundesministerien. Vier Ausschüsse sind sogar im Grundgesetz vorgeschrieben: Auswärtiger Ausschuss, Verteidigungsausschuss, Petitionsausschuss und der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Mittwochmittag finden die Regierungsbefragung und die Fragestunde im Bundestag statt, hier können die Abgeordneten Antworten der Bundesregierung einfordern. Der Donnerstag und der Freitag stehen dann im Zeichen der politischen Debatte und Entscheidung im Plenum. Natürlich kann ein Politiker nicht die gesamte Zeit dabei sein. Er nimmt an Debatten teil, die für sein Fachgebiet von Belang sind und bei denen er als Redner seinen Standpunkt öffentlich machen will. Pflichttermine für alle Abgeordneten sind Regierungserklärungen mit nachfolgender Aussprache und namentliche Abstimmungen.
Die Abgeordneten sind in die Fraktionsarbeit eingebunden – aber der Einzelne ist nicht machtlos. Seine Persönlichkeit, seine Kenntnisse und Erfahrungen und sein politisches Geschick verleihen ihm Einfluss. Seine Wirkung entfaltet er bei der Willensbildung in seiner Fraktion und in den Gremien des Parlaments, vor allem in den Fachausschüssen, wo die eigentliche Gesetzesarbeit stattfindet. Und natürlich wirkt jeder Abgeordnete im Plenum durch seine Stimmabgabe. Besonders bei knappen Mehrheitsverhältnissen kommt es auf jede Stimme an.
Auch Abgeordnete, die keiner Fraktion angehören, haben eine Reihe von Rechten, die ihnen keine Mehrheit – und sei sie noch so groß – nehmen kann. Sie können in Plenardebatten Geschäftsordnungsanträge stellen, eine Erklärung zu Abstimmungen am Ende einer Debatte abgeben. Sie können mündliche und schriftliche Anfragen an die Bundesregierung stellen, in einem Ausschusses beratendes Mitglied werden und in Ausschüssen, in denen sie nicht Mitglied sind, Änderungsanträge stellen und insoweit mit beratender Stimme an der Sitzung des Ausschusses teilnehmen.
Text: Almut Lüder
Fotos: studio kohlmeier, Deutscher Bundestag, Picture-Alliance
Erschienen am 13. September 2005
Informationen zum Abgeordnetengesetz, zur Geschäftsordnung des Bundestages, zu Diäten und zu den Regelungen bei Nebentätigkeiten finden Sie unter: www.bundestag.de/mdb15