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Juni 01/1998
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Dr. N. Wieczorek
Interview mit Dr. Norbert Wieczorek, SPD

Schafft der Euro Arbeitsplätze?

Der Euro kommt. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. Doch wie wirkt sich die gemeinsame Währung auf Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Sozialsystem aus? Dazu befragten wir den Vorsitzenden des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag, Norbert Wieczorek (SPD).

Herr Wieczorek, es wird befürchtet, daß der Euro den Wettbewerb verschärft. Sind dadurch Arbeitsplätze in Deutschland bedroht oder schafft der Euro neue Arbeitsplätze?
Durch den Euro werden unterschiedliche Preise für gleiche Produkte klar erkennbar. Dies wird den Wettbewerb verschärfen. Intensiver Wettbewerb kann den Wohlstand steigern, da die Produktionsfaktoren effizienter eingesetzt werden. Gesteigerter Wohlstand durch intensiven Wettbewerb war ja auch der Grund, in Europa einen gemeinsamen Markt ohne Handelsschranken zu schaffen.
In der Praxis allerdings können Unternehmen bisher geschützter Sektoren zu Rationalisierungen gezwungen sein, die möglicherweise Arbeitsplätze kosten können. Zugleich ist mit einem " im Finanzsektor bereits jetzt zu beobachtenden " Konzentrationsprozeß zu rechnen, der ebenfalls zunächst eher negative Beschäftigungswirkungen erwarten läßt.
Mittelfristig ist dagegen bei einem stabilen Euro eine Wohlstandsmehrung und damit die Chance für mehr Beschäftigung zu erwarten.

Halten Sie zusätzliche Vereinbarungen zur Sicherung der Währungsstabilität für notwendig?
Nein, das Instrumentarium besteht. Der Bundestag hat in seiner Entschließung vom 23. April 1998, in der der Teilnahme Deutschlands an der Währungsunion zugestimmt wird, festgestellt, daß weiterhin Anstrengungen beim Abbau der Staatsverschuldung notwendig sind und daß der Wachstums- und Stabilitätspakt dazu ein geeignetes Mittel ist. Auch die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken zählt dazu. Dies muß jetzt aber mit Leben erfüllt werden und darf nicht nur auf dem Papier stehen.

Wenn der Euro die Wirtschaftspolitiken vereinheitlicht, müssen dann auch die Sozialsysteme und speziell die Beschäftigungspolitik in der EU vereinheitlicht werden?
Der Euro vereinheitlicht nicht die Wirtschaftspolitiken, er zwingt zu einer engeren Koordinierung der Wirtschaftspolitiken. Dies ist bereits im Maastrichter Vertrag, besonders im Amsterdamer Vertrag und im Stabilitäts- und Wachstumspakt verankert. Koordination bedeutet, daß sich die Regierungen über ihre Pläne informieren, gemeinsam Auswirkungen abschätzen und so gegenseitige Blockaden vermeiden. Bei der Sozialpolitik, aber auch bei der Steuerpolitik ist darauf zu achten, daß sich kein Land auf Kosten der anderen durch Sozialkürzungen oder Steuersenkungen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschafft.

Die Angleichung der Wirtschaftspolitiken schränkt die Entscheidungsfreiheit der einzelnen Länder ein. Entmachtet der Euro den Bundestag?
Nein, denn durch den mit der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages eingeführten Artikel 23 des Grundgesetzes hat sich der Bundestag seine Rechte ausreichend gesichert. Das Bundesverfassungsgericht hat dies bestätigt. Zudem ist eine unabhängige Zentralbank, die die Geldwertstabilität ohne Einflüsse der Tagespolitik verfolgt, für Deutschland keine neue Erfahrung. Andere Länder haben offensichtlich aufgrund ihrer anderen Traditionen größere Schwierigkeiten, sich daran zu gewöhnen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801067
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