Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ  |  Druckversion
 
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1998 > Blickpunkt Bundestag - Dezember 1998, Nr. 5/98, Inhalt >
Dezember 05/1998
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Streit um Steuern und richtigen Weg zu mehr Beschäftigung

(fi) Einer durchschnittlich verdienenden Familie mit zwei Kindern wird die Steuerreform bis zum Ende der Wahlperiode eine Nettoentlastung von 2.700 DM im Jahr bringen. Dies stellte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am 10. November im finanzpolitischen Teil seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag heraus. In der Aussprache dazu sagte Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) am 13. November vor dem Parlament, die Vorschläge sollten die Arbeitnehmer und die Familien entlasten. Es würden aber auch Vorschläge der Wirtschaft aufgegriffen, die darauf abzielten, die nominalen Steuersätze zu senken und zur Gegenfinanzierung die steuerliche Bemessungsgrundlage zu verbreitern. An den 70 "Subventionstatbeständen" im Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes (siehe S. 56) könne zwar einiges geändert werden, Einnahmeausfälle dürften aber nicht in "unvertretbarem Ausmaße" beschlossen werden.

Reine Umfinanzierung

Für die CDU/CSU-Fraktion hielt Friedrich Merz dem Minister entgegen, die Regierung beginne eine Umverteilung aus dem Steuerhaushalt in die Sozialhaushalte. Wenn die Regierung ohne Rückführung der gesamten Abgabenbelastung eine reine Umfinanzierung vornehme, werde sie ihr Ziel, die Arbeitslosigkeit zu senken, nicht erreichen. Entscheidend sei, die strukturellen Probleme des Steuersystems und der Sozialversicherung zu lösen.
Deutschland habe im internationalen Wettbewerb nicht in erster Linie das Problem einer Nachfrageschwäche, sondern das Problem einer anhaltenden Investitions- und Wachstumsschwäche der Volkswirtschaft, betonte Merz. Hierzulande sei die Risikoprämie für eingesetztes Eigenkapital im internationalen Vergleich am geringsten. Dabei werde unter Risikoprämie der Abstand zwischen den Zinsen für risikolose Staatsanleihen und den Zinsen für risikobehaftetes Eigenkapital in unternehmerischer Tätigkeit verstanden.
Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Gesetzentwurf als "solide durchgerechnet und sauber finanziert". Damit werde die Investitionskraft der Unternehmen gestärkt und die Binnennachfrage belebt. Aufgrund der schwierigen Situation der öffentlichen Haushalte müsse in der ersten und zweiten Stufe der Reform eine "strikte Aufkommensneutralität" gewahrt werden. Erst in der dritten Stufe sei eine Nettoentlastung von rund 15 Milliarden DM möglich. Angestrebt werde auch eine Unternehmenssteuerreform, für die eine Arbeitsgruppe eingesetzt werde. Ziel sei die rechtsformunabhängige Besteuerung von Unternehmen mit einem Steuersatz von etwa 35 Prozent. Scheel wies den Vorwurf zurück, die kleinen und mittleren Unternehmen hätten die Hauptlast dieser Reform zu tragen. Sie würden um etwa 4 Milliarden DM entlastet. Belastet würden Großunternehmen und Konzerne.
Für die F.D.P. wies Hermann Otto Solms darauf hin, daß die Regierung den Solidaritätszuschlag nicht abschaffen wolle. Facharbeiter würden fast nicht entlastet, weil der Tarif zwischen gesenktem Eingangssteuersatz und gesenktem Spitzensteuersatz kaum korrigiert werde. Unternehmen und Facharbeiter seien diejenigen, die die Wirtschaft in Gang hielten. Um die Entlastung von Unternehmen und Facharbeitern wäre es in Wirklichkeit gegangen, betonte Solms. Er rief die Regierung auf, ihre Pläne zu überprüfen, für niedrigere Steuersätze zu sorgen und das Steuersystem einfacher und gerechter zu machen. Man müsse sich an den Konkurrenzländern und deren Steuersystemen messen: "Wenn wir deren Niveau nicht erreichen, dann fallen wir zurück", sagte der F.D.P.-Politiker.

Umverteilung stoppen

Christa Luft (PDS) erklärte, ihre Fraktion halte den Abbau der steuerlichen Bevorzugung von Großunternehmen für gerechtfertigt. Dies sei auch fair gegenüber dem Mittelstand, der die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffe. Die PDS könne sich eine direkte Förderung des Mittelstandes anstatt einer indirekten Förderung über Steuerentlastungen vorstellen. Zu begrüßen sei die stärkere Besteuerung von Veräußerungsgewinnen beim Handel mit Wertpapieren und privaten, nicht selbstgenutzten Grundstücken. Das sei der "Einstieg in die Spekulationsbekämpfung".
Drei Schwerpunkte der Reform nannte Ingrid Matthäus-Maier (SPD). Erstens sollten die "Umverteilungen zu Lasten der Arbeitnehmer und ihrer Familien" gestoppt werden. Zweitens würden die Steuersätze für die großen Unternehmen und den Mittelstand gesenkt. Ausnahmeregelungen, Schlupflöcher, Steuervergünstigungen und Rückstellungsmöglichkeiten würden dafür auf ein "international übliches Niveau" reduziert. Drittens gehe es um den Einstieg in eine ökologische Steuerreform, bei der die Entlastung der Arbeit durch eine Verteuerung der Energie finanziert werde.

Mittelstand profitiert

Vom höheren Grundfreibetrag, vom höheren Kindergeld und vom niedrigeren Eingangssteuersatz profitierten auch Mittelstand, Handwerker und Einzelhändler, so die SPD-Steuerexpertin. Der Spitzensteuersatz für Gewerbebetriebe betrage 47 Prozent und werde von einem Handwerker erst erreicht, wenn er als Verheirateter im Jahr mehr als 214.000 DM zu versteuern habe.
Nach Ansicht von Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) belasten die Reformpläne diejenigen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen sollen. Dem Finanzminister hielt sie vor, die internationale Situation außer acht gelassen zu haben. Man könne nicht einfach zusehen, daß wegen besserer steuerlicher Bedingungen in anderen Ländern Arbeitsplätze aus Deutschland weg verlagert werden und die Arbeitslosen dann die Leidtragenden seien. Deshalb müsse sich jede Steuerreform daran messen lassen, ob sie Wachstumskräfte stimulieren, das Steuerrecht an die internationalen Bedingungen angleichen und Arbeitsplätze und Investitionen schaffen kann. Die CSU-Politikerin rechnet dagegen mit einem Verlust von Arbeitsplätzen. Positive Effekte am Arbeitsmarkt aufgrund der Politik der vorherigen Regierung würden nun durch die einseitige nachfrageorientierte Steuerpolitik wieder aufs Spiel gesetzt.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9805/9805018
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion