ANHÖRUNG ZU SCHULDENERLASS Experten: Eigenanstrengungen und Reformen unabdingbar(en) Sollte es zu einem Schuldenerlaß für die ärmsten Entwicklungsländer kommen, müsse dieser als ein Instrument in einem längerfristigen, umfassenden Konzept gesehen werden, in dem Eigenanstrengungen der betroffenen Länder sowie Reformen unabdingbar sind. Darin stimmten am 3. März in einer Öffentlichen Anhörung des Fachausschusses zur Verschuldungsproblematik in den Entwicklungsländern die Experten von Banken und Entwicklungsinstituten überein. Unterschiedlich bewertet wurde jedoch die Ursache der Verschuldung und die Frage, ob es überhaupt eine Entschuldung geben sollte. Der Bundesverband Deutscher Banken stand einem Schuldenerlaß eher skeptisch gegenüber. Seiner Auffassung nach schadeten wirtschaftlich ungerechtfertigte Schuldenstreckungen und Schuldenerlasse mittelfristig auch Ländern, die derzeit Zugang zum Kapitalmarkt haben. Denn falls sich dadurch in den Augen der Kapitalgeber das Risiko der Investition auch in bisher von Umschuldungen nicht betroffenen Ländern erhöht, hätten diese Länder die Konsequenzen in Form von höheren Zinsen oder eines versperrten Zugangs zu den Finanzmärkten zu bezahlen. Zudem sei die Gefahr eines "Dominoeffektes" nicht zu unterschätzen, da ungerechtfertigte Entschuldungen die Anstrengungen all derer ad absurdum führen würden, die sich bis dahin um die regelmäßige Bedienung ihrer Kredite bemüht haben. Wichtig sei in jedem Fall, jedes Land individuell zu betrachten. Der Bankenvertreter hob zudem hervor, die Kapitalzuflüsse sollten vor allem die Investitionen erhöhen und nicht den Konsum. Ferner sei die inländische Sparneigung und fähigkeit zu erhöhen. Kredit ist Chance Eine ähnliche Position bezog der Vertreter der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Neben dem Blick auf die Lasten, die sich für die Entwicklungsländer (EL) aus ihrer externen Verschuldung ergeben, dürfe nicht vergessen werden, daß der Zugang zu Kredit zunächst eine Chance für diese Länder bedeute, ihr Wirtschaftswachstum zu steigern und ihre Armut zu überwinden. Ob diese Chance zu einer Last werde, habe offenkundig nicht nur mit den Konditionen der Verschuldung sondern zunächst mit der Qualität der Verwendung der aufgenommenen Kredite zu tun. Maßnahmen zur Schuldenerleichterung müßten stets auch im Zusammenhang mit einer Wiederherstellung von Vertrauen der Kapitalgeber in die Eigenanstrengung der EL gesehen werden. Die Verschuldung der Staaten mit niedrigem Einkommen könne insgesamt nicht als der wesentliche Grund für deren Armut angesehen werden. Vielmehr hänge die Wirtschaftskraft eines Landes und damit auch das Ausmaß der Armut primär von anderen, vor allem strukturellen und "hausgemachten" Faktoren ab. Viele der Regierungen der EL seien von einer guten Regierungsführung ("good governance") weit entfernt. Zu nennen seien falsche Wirtschafts und Sozialpolitik, Klientelismus, Korruption, latente oder offene, gewalttätige Konflikte und oft enorme Militärausgaben. Ursachen der Armut Der Vertreter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) legte dar, es bestehe zwar kein zwingender Zusammenhang zwischen Armut und hoher Verschuldung, allerdings lasse sich zeigen, daß die hohe Verschuldung von Ländern mit einem großen Anteil armer Bevölkerung ein "Herauswachsen" aus dieser Armut erschwere. Armut werde beeinflußt von schlechter Regierungsführung, unvorsichtiger oder falscher Gläubigerpolitik, höherer Gewalt, wie Naturkatastrophen, und risikoreicher Schuldenstrukturpolitik. Zu der Frage, welche Lösungsansätze erfahrungsgemäß am ehesten sicherstellten, daß Eigenanstrengungen nicht vernachlässigt werden, erklärte der DIESachverständige, hier habe sich die Konditionalität von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank im Zusammenhang mit Struktur und Sektoranpassungskrediten sowie mit Schuldenerleichtungen "bei allen Detailproblemen im einzelnen" am besten bewährt. Die Erfahrung von erfolgreichen Reformen, so der Sachverständige der Weltbank, zeige, daß diese, um bleibende Resultate zu erzielen, in der Gesellschaft auf breiter Basis unterstützt werden und transparent sein müssen. Schuldenumstrukturierungen seien nur ein Element einer Gesamtstrategie. Erwähnenswert sei dabei, daß die Entwicklungshilfe der 21 reichsten Mitgliedsstaaten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 1997 auf ein Rekordtief gefallen sei. Sie betrage lediglich 0,22 Prozent des Volkseinkommens dieser Staaten. Zu möglichen Lösungen der Verschuldungsproblematik erläuterte der Experte der Initiative "Erlaßjahr 2000", diese müßten in erster Linie auf der politischen Ebene ansetzen, das heißt bei einer disziplinierten Haushaltspolitik auf Seiten der für das Weltzinsniveau entscheidenden Industrieländer, sowie bei einer angemessenen parlamentarischen und zivilgesellschaftlichen Kontrolle des Verschuldungsprozesses in den Ländern des Südens. Vor allem bei den absolut am höchsten verschuldeten Staaten im lateinamerikanischen und asiatischen Raum zeige sich, daß die anhaltende Überschuldung auf die extensive Aufnahme von Krediten während der Niedrigzinsphase der siebziger Jahre zurückgehe. Als wesentlicher ökonomischer Faktor komme die Überliquidität westlicher Banken in der Niedrigzinsphase und die daraus resultierende Neigung zu "unverantwortlicher Kreditvergabe" hinzu. Entschuldung negativ In eine ähnliche Stroßrichtung zielte der Beitrag des "Instituts Südwind". Dessen Vertreter kam zu dem Ergebnis, die bisherigen Entschuldungsstrategien seien negativ gewesen. Zahlreiche entwicklungspolitische Institutionen forderten seit Mitte der achtziger Jahre eine tiefgreifende Veränderung des internationalen Schuldenmanagements. Ihm sei kein Beispiel bekannt, in dem ein Schuldnerland niedrigen oder mittleren Einkommens in Folge von Pariser ClubVerhandlungen und/oder multilateralen Umschuldungsoperationen den Schuldenzyklus erfolgreich durchlaufen habe. |