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Dezember 12/1999
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Die hohe Kunst des Kompromisses

Die Arbeit des Vermittlungsausschusses

Es gibt Politiker, die den Vermittlungsausschuss schon einmal als die "heimliche Regierung" der Bundesrepublik beschrieben haben. Das ist gewiss übertrieben, doch in der Gesetzgebung kommt diesem ­ im Grundgesetz, Artikel 77 verankerten ­ Gremium ein besonderer Stellenwert zu. Sein Einfluss ist groß. Aktiv wird der Vermittlungsausschuss, wenn sich Bundestag und Bundesrat nicht einig sind. Dann ist die Aufgabe seiner 32 Mitglieder, hinter verschlossenen Türen Kompromisse zu finden, zwischen Bund und Ländern "zu vermitteln" eben.

Beratungen im Vermittlungsausschuss: Die Sitzungen dauern oft bis tief in die Nacht.
Beratungen im Vermittlungsausschuss: Die Sitzungen dauern oft bis tief in die Nacht.

Bundestag und Bundesrat entsenden jeweils 16 Vertreter in den Ausschuss. Jedes der 16 Länder hat damit eine Stimme. Der Bundestag bestimmt seine Mitglieder nach der Stärke der Fraktionen. Sechs Männer und zwei Frauen kommen derzeit aus der SPD­Fraktion. CDU und CSU sind mit sechs Abgeordneten vertreten, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. verfügen jeweils über einen Sitz. Wie wichtig die Bundestagsfraktionen den Vermittlungsausschuss nehmen, zeigt schon die Namensliste. Für Bündnis 90/Die Grünen ist die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller dabei, die SPD entsendet unter anderem mit Joachim Poß, Rudolf Dreßler, Sabine Kaspereit und Ulla Schmidt gleich eine ganze Gruppe stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Als stellvertretendes Mitglied behält sich auch CDU/CSU­Fraktionschef Wolfgang Schäuble vor, jederzeit einzugreifen, wenn bei umstrittenen Gesetzen neue Kompromisse ausgelotet werden sollen.

Anders als auf der Bundestagsseite schickt der Bundesrat keine Abgeordneten der Landtage in den Ausschuss, sondern Regierungsmitglieder. Oft kommt sogar der Regierungschef selbst, wie zum Beispiel Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) oder der sachsen­anhaltinische Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD). Andere Länder entsenden Minister, Nordrhein­Westfalen zum Beispiel seinen Finanzminister Heinz Schleußer (SPD).

Anders als bei Abstimmungen im Bundesrat sind die Bundesratsmitglieder im Vermittlungsausschuss nicht an die Weisungen ihrer Landesregierungen gebunden. Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Protokolle werden bis zur übernächsten Legislaturperiode unter Verschluss gehalten ­ mindestens also fünf Jahre. Das ist keine Geheimniskrämerei, um etwas zu verbergen. Es soll die Kompromisssuche erleichtern, weil es den Mitgliedern des Ausschusses ein hohes Maß an Unabhängigkeit gibt.

Vermittlungsverfahren bei Zustimmungsgesetzen

Da der Ausschuss ein gemeinsames Gremium von Bundestag und Bundesrat ist, gibt es auch zwei Vorsitzende. Sie wechseln sich alle drei Monate im Vorsitz ab. Bis zum 24. November war der CDU­Bundestagsabgeordnete Heribert Blens an der Reihe. Jetzt, wo der Vermittlungsausschuss unter anderem die Gesundheitsreform, die neue Familienförderung und das Steuerbereinigungsgesetz berät, führt Hamburgs Erster Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) die Geschäfte. Bis zum 24. Februar 2000, dann wird wieder gewechselt.

Der Bundesrat kann den Vermittlungsausschuss anrufen, wenn er einen Gesetzesbeschluss missbilligt oder zumindest einzelne Bestimmungen geändert sehen möchte. Lehnt der Bundesrat mit seiner Mehrheit ein Gesetz ab, zu dem nach der Verfassung die Zustimmung der Länder erforderlich ist, können auch der Bundestag oder die Bundesregierung initiativ werden und sich an den Vermittlungsausschuss wenden. Die Bundesregierung hat das letztmals am 26. November getan, nachdem ihre Gesundheitsreform im Bundesrat gescheitert war.

Was passiert, wenn der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss gefunden hat? Empfiehlt der Ausschuss die Änderung oder gar die Aufhebung des Gesetzesbeschlusses, muss sich der Bundestag erneut damit befassen. Folgt das Parlament dann dem Vermittlungsergebnis, ist der alte Gesetzesbeschluss hinfällig. Es kann aber auch sein, dass die Mehrheit im Bundestag trotz gegenteiligen Votums des Ausschusses auf ihrem alten Beschluss beharrt. Dann muss sich der Bundesrat noch einmal mit dem umstrittenen Gesetzentwurf auseinander setzen.

Lehnt er das Gesetz erneut ab, so ist bei einem so genannten zustimmungspflichtigen Gesetz ein weiteres Vermittlungsverfahren möglich. Antragsberechtigt dafür sind die Bundesorgane (Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung). Im Extremfall kann es so zu drei hintereinander geschalteten Vermittlungsverfahren zu einem Gesetz kommen. Dies passierte zuletzt beim Versuch der früheren Bundesregierung, die Fortzahlung der Beamtenbezüge im Krankheitsfall zu begrenzen, der am 19. Dezember 1996 nach drei vergeblichen Einigungsversuchen endgültig scheiterte. Zustimmungspflichtig ist ein Gesetz nach der Verfassung dann, wenn es den Aufgabenbereich oder das Steueraufkommen der Länder berührt.

Nach dem Umzug des Bundestages nach Berlin hat auch der Vermittlungsausschuss eine neue ­ zunächst nur provisorische ­ Heimat bekommen: im Berliner Abgeordnetenhaus. Dort hat der Ausschuss im Dezember mit einer umfassenden Tagesordnung erstmals in der Hauptstadt getagt. Seine echte Heimat wird er nach der Sommerpause 2000 im dann fertig gestellten Bundesratsgebäude in der Leipziger Straße, im ehemaligen Preußischen Herrenhaus, finden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9912/9912054
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