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März 02/2000
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VERHANDLUNGEN ZUR ZWANGSARBEITERENTSCHÄDIGUNG IM INNENAUSSCHUSS

Stiftungsziel: Rasche Auszahlung und umfassenden Rechtsfrieden erreichen

(in) "Jede Anstrengung sei angemessen", den Zwangsarbeitern die Entschädigung bald, möglichst beginnend in diesem Jahr, zukommen zu lassen und einen umfassenden Rechtsfrieden zwischen den Opfern und den deutschen Unternehmen zu erreichen. Darin waren sich Stuard Eizenstat, Deputy Secretary des US­Schatzamtes als Sonderbeauftragter der US­Regierung, und Otto Graf Lambsdorff, Beauftragter der Bundesregierung, nach den über einjährigen Verhandlungen über die Zwangsarbeiterentschädigung einig. Über die Ergebnisse informierten sie am Abend des 16. Februar den Innenausschuss.

Auf zehn Milliarden DM festgelegt ist der Betrag, der in den Verhandlungen zur Entschädigung der Zwangsarbeiter in deutschen Unternehmen während der NS­Zeit nun von allen Beteiligten als Fonds der Stiftung akzeptiert wurde.

Unterhalb dieses Betrages wird es, so Lambsdorff und Eizenstat, ebenfalls Fondsbeträge mit festen Obergrenzen geben, die den unterschiedlichen Zahlungszielen dienen sollen.

7,7 Milliarden DM für Zwangsarbeiter

Festgesetzt wurden einvernehmlich 7,7 Milliarden DM zur Auszahlung an die Zwangsarbeiter, 1 Milliarde DM für den Zukunftsfonds und eine weitere Milliarde für die Claims­Conference sowie für noch zu bestimmende weltweit aktive Organisationen für nichtjüdische Empfänger in Nichtstiftungsstaaten, dazu gehöre zum Beispiel das Internationale Komitee des Roten Kreuzes.

Mit den 7,7 Milliarden DM sollen Versöhnungsstiftungen in Belorussland, Polen, Russland, Tschechien, der Ukraine und Deutschland Beträge von jeweils 15.000 bzw. 5.000 DM als humanitäre Kompensation an etwa 240.000 Zwangsarbeiter aus Konzentrationslagern (Kategorie A) und an etwa 700.000 Zwangsarbeiter in Fabriken und ländlichen Regionen (Kategorie B) verteilen.

Die Problematik der Verhandlungen habe darin bestanden, einerseits einen für alle Gruppen akzeptierbaren Finanzrahmen zu erreichen, aus dem den individuellen Opfern eine akzeptierbare Summe ausgezahlt werden könne, und andererseits in dem vitalen Interesse der deutschen Unternehmen, mit der Bereitstellung von fünf Milliarden DM in den Fonds der Stiftung einen möglichst umfassenden Rechtsfrieden zu erreichen.

Ausgeschieden sei damit allerdings die Möglichkeit, bei einem 10­Milliarden­DM­Rahmen der geringeren Zahl der besonders leidgeprüften Opfer angemessen viel und der weit größeren Zahl der übrigen Opfer zwar weniger, aber auch noch zu zahlen. Die nun erreichten unterschiedlichen Beträge würden insofern nur als Kompromiss und als sichtbares Zeichen der Deutschen für das erlittene Unrecht der Zwangsarbeiter verstanden.

Der nun erreichte umfassende Rechtsfrieden wurde schließlich, so Eizenstat, mit einem Briefwechsel zwischen Präsident Clinton und Bundeskanzler Schröder besiegelt.

Eizenstat betonte, es sei einzigartig in der 200­jährigen Geschichte der USA, dass eine US­Regierung in einer privatrechtlichen Klage gegen Unternehmen eines anderen Landes zugesagt habe, ihre exekutiven Rechte auch gegenüber der eigenen Gerichtsbarkeit durchzusetzen, um einen umfassenden und dauerhaften Rechtsfrieden zu gewährleisten.

Kaum Spielraum im Gesetzgebungsverfahren

Für das "hybride Verfahren" nach der jetzt abgeschlossenen Phase, die nun den Innenausschuss mit der Einbringung des Gesetzentwurfs und der ersten Lesung im Deutschen Bundestag zum Herrn des Verfahrens mache, gebe es nach Erinnerung der Beteiligten, so Lýmbsdorff, wenige oder keine historischen Vorbilder: Einerseits müssten die Abgeordneten über deutsche öffentliche und private Mittel und über eine angemessene Berücksichtigung und Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus befinden, andererseits ließe das Ergebnis der über einjährigen internationalen Verhandlungen kaum Spielraum, wolle man nicht das erreichte Ergebnis aufs Spiel setzen.

Schließlich, so Lambsdorff und Eizenstat, sei die Wirkung des Gesetzes vor allem auch im Ausland nicht nur in Bezug auf die klare Aussage zur Rechtssicherheit von nicht zu überschätzender Bedeutung.

Mögliche Probleme nicht gänzlich ausgeräumt

Informiert wurde der Ausschuss aber auch über Problemstellungen, bei denen es zwischen den USA und Deutschland politische Meinungsverschiedenheiten gibt. So die Frage, ob es sich um Reparationsforderungen handele oder nicht, wie auch in der Frage, ob undýinwieweit bei Vermögensschäden, die nicht auf rassischer Verfolgung beruhen, abgeschlossene Wiedergutmachungsverfahren neu eröffnet werden könnten, weil neue Beweismittel aufgetaucht seien, und auch, ob zu belegende Vermögensschäden außerhalb deutscher Grenzen mit einbezogen werden sollten.

Offen sei schließlich auch noch die Position, ob und inwieweit sich der jetzt erzielte Rechtsfrieden auch auf US­Muttergesellschaften oder andere ausländische Muttergesellschaften deutscher Unternehmen erstrecke, wobei damit gerechnet werden müsste, dass diese ausländischen Muttergesellschaften dann nicht in den Fonds der Stiftungsinitiative einzahlen würden, da ihnen dies in den USA oder anderen Staaten keinen Rechtsfrieden brächte.

Optimistisch äußerten sich die Verhandlungspartner, diese Probleme in den kommenden Wochen lösen zu können und das nun gesetzlich implementierte Verfahren möglichst bald abzuschließen, denn:

"Wir haben zu keinem Zeitpunkt die eigentlich Betroffenen vergessen, die auf dieses Ergebnis warten."

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0002/0002055
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