Das Parlament mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 05-06 / 31.01.2005
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Günter Pursch

Gebühren für das Studium?

Heftiger Parteienstreit nach dem Urteil der Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. Januar den Weg für Studiengebühren freigemacht und mehrere unionsgeführte Länder haben bereits angekündigt, diese einzuführen. Noch am selben Tag brach ein heftiger Streit zwischen den Parteien über den Karlsruher Richterspruch aus. In einer von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde warf die Union der rot-grünen Bundesregierung Versagen in der Bildungspolitik vor. Dies wurde von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zurückgewiesen. Sowohl die Opposition als auch die Regierung bekräftigten in der Debatte ihre unterschiedlichen Positionen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat nach den Worten der stellvertretenden CDU/ CSU-Fraktionsvorsitzenden Maria Böhmer deutlich gemacht, dass "die Politik dieser Bundesregierung wieder einmal gescheitert ist". Die Koalition hat eine eklatant falsche Weichenstellung im Hochschulbereich vorgenommen. Die Karlsruher Entscheidung ist "gut für unser Land und gut für unsere Hochschulen". Sie sei "sehr froh", dass die unionsregierten Bundesländer vorangegangen seien und vor dem Bundesverfassungsgericht dafür gekämpft haben, dass die "Hochschulen die Freiheit bekommen", die sie brauchen, um in Finanzfragen selbstständig zu handeln. Sie nannte zwei Bedingungen, die für die Union "essenziell" seien: Die Studienbeiträge müssten sozialverträglich gestaltet sein und den Hochschulen in vollem Umfang zur Verfügung stehen.

Für die SPD bezeichnete dagegen deren bildungs- und forschungspolitischer Sprecher Jörg Tauss, dass dies keine guter Tag "für die deutschen Studierenden" sei. Seine Partei bleibe dabei: "Studiengebühren für ein Erststudium sind und bleiben sozial ungerecht. Sie sind bildungspolitisch kontraproduktiv." Jetzt seien die Länder am Zug. Diese hätten von Karlsruhe die klare Aufgabe zugewiesen bekommen, die Bedingungen der Studiengebühren selbst zu regeln. Damit sei jedoch die "Gefahr gestiegen, dass es in Deutschland keine einheitlichen Lebensverhältnisse mehr gibt". Der Union warf Tauss vor, sie ziele darauf ab, das "BAföG abzuschaffen oder Darlehen einzuführen, für die die Studierenden aufzukommen haben". CDU und CSU wollten sie "mit Schulden von 40.000 oder 50.000 Euro ins Berufsleben entlassen".

Von der FDP wird das Karlsruher Urteil ausdrücklich begrüßt. Wie der Abgeordnete Hellmut Königshaus erklärte, besagt es, dass das "Verbot von Studiengebühren nicht nur falsch war, sondern sogar nichtig". Damit sei "endlich die Blockade durchbrochen", die Länder könnten ihren Hochschulen auch wirtschaftlich die Autonomie gewähren, die sie bräuchten. Bisher würden die Hochschulen daran gehindert, einen Wettbewerb um die Qualität der Lehre zu führen. Jeder, der mit einem "deutschen Studienabschluss im Ausland erscheint, ist drei oder vier Jahre älter als jemand aus einem anderen Land".

Grietje Bettin vom Bündnis 90/Die Grünen hob hervor, dass die Länder nun in der Pflicht seien, im Interesse "der jungen Menschen gerechte Lösungen zu finden". Das sei die "Hausaufgabe die das Bundesverfassungsgericht den Ländern aufgegeben" habe. Sie ist der Meinung: "Wir brauchen mehr und nicht weniger Akademikerinnen und Akademiker in Deutschland." Politisches Ziel müsse sein, "mehr junge Menschen zum Studieren zu befähigen und zu motivieren", stellte die Politikerin fest.

Die Forderung von Oppositionspolitikern, Bundesbildungs- und -forschungsministerin Edelgard Bulmahn solle wegen ihrer Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht zurücktreten, wurde von ihrem Parlamentarischen Staatssekretär Ulrich Kasparick - beide SPD - zurückgewiesen. Die Ministerin konnte aus "flugtechnischen Gründen" nicht an der Debatte teilnehmen. Karlsruhe sieht nach den Worten Kasparicks "sehr wohl Risiken", die sich aus der Zuständigkeit der Länder für die Studiengebühren ergeben. Das Gericht schließe auch nicht aus, dass es "zu Ungleichgewichten in Deutschland" kommen könnte. Eine solche Entwicklung zeichne sich jedoch nach Meinung der Richter derzeit noch nicht konkret ab. Deshalb dürfe der Bund hier vorerst keine Regelungen erlassen. Dadurch werde ihm eine "vorausschauende Planung" nicht erlaubt. Weiterhin hob der Parlamentarische Staatssekretär hervor: "Die Länder sind gefordert, die Sozialstaatlichkeit zu gewährleisten." Der Bund werde dies nicht mitmachen, falls die Länder Kosten auf ihn abwälzen wollten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.