Inneres. Auch 14 Jahre nach in Kraft treten des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wurde die Möglichkeit zur persönlichen Akteneinsicht durch Betroffene weit über das erwartete Maß in Anspruch genommen. Dies berichtet die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) im siebenten Tätigkeitsbericht für das Jahr 2005 (15/5960).
Nach 94.000 Anträgen im Jahr 2004 wünschten im ersten Halbjahr 2005 wiederum über 40.000 Betroffene Akteneinsicht. Dies weise darauf hin, dass viele Menschen einen zeitlichen Abstand brauchen, bevor sie sich entscheiden, Einblick in eine mögliche Einflussnahme der DDR-Staatssicherheit in ihr früheres Leben zu nehmen, heißt es. Anträge im Rahmen von Forschung nach dem Jedermannsrecht lagen im ersten Halbjahr 2005 mit 551 ebenfalls im Rahmen der Vorjahre.
Allerdings sei den Medien durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Rechtsstreit zwischen Altbundeskanzler Helmut Kohl und der BStU die Möglichkeit zur Nutzung der Unterlagen erheblich eingeschränkt worden. Obwohl es laut Urteil Personen des öffentlichen Lebens unter bestimmten Bedingungen hinnehmen müssten, dass Unterlagen ohne ihre ausdrückliche Einwilligung verwendet werden, sei das Gericht andererseits noch über bestehende Vorschriften zum Schutz des Persönlichkeitsrechts hinausgegangen. Es habe "teilweise sehr enge und vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Grenzen für die Herausgabe von MfS-Unterlagen gesetzt". Damit gelten "anders als vom Gesetzgeber bestimmt, fortan zum Beispiel unterschiedliche Zugangsbedingungen für Antragsteller aus Forschung und Medien", heißt es in dem Bericht.
Zum Wechsel der Behörde der Bundesbeauftragten vom Bundesinnenministerium (BMI) in den Geschäftsbereich der Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) gibt es laut Bericht unterschiedliche Stellungnahmen. Während die Gutachten der BKM und des BMI die Rechtmäßigkeit der Entscheidung bejahten, hätten der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages und das Justiziariat der BStU die Auffassung vertreten, die Entscheidung sei dem Gesetzgeber vorbehalten. Das Parlament sei zu beteiligen. Die Auslegung berühre aber nicht die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit der Amtsführung der Bundesbeauftragten.
Zum Haushalt und Personalbestand heißt es, mit 2.205 Beschäftigten, davon 1.292 in Berlin, sei der Personalbestand insgesamt um knapp 200 Personen oder acht Prozent zurückgegangen. Für 2005 war ein Etat von 101,74 Millionen Euro vorgesehen. Auf 2006 verschoben worden sei das Pilotprojekt zur virtuellen Rekonstruktion so genannter vorvernichteter Unterlagen. Dabei sollten in zwei Jahren 400 Säcke mit zerrissenen Unterlagen mit einem vom Fraunhofer Institut entwickelten Verfahren rekonstruiert werden - mehr als in den letzten zehn Jahren per Hand zusammengesetzt werden konnten. Manuell seien bisher in zehn Jahren erst 322 von über 16.500 Säcken bearbeitet worden.