Elfter Kinder- und Jugendbericht unterschiedlich interpretiert
Berlin: (hib/HAU) Mit der Annahme eines Entschließungsantrages von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ( 14/875) zum elften Kinder- und Jugendbericht mit Stellungnahme der Bundesregierung ( 14/8181) endete die erweiterte öffentliche Beratung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Mittwochvormittag. Die Sitzung ersetzte die zweite Lesung vor dem Plenum und stellte somit nach den Worten der Ausschussvorsitzenden Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) ein "Novum in der deutschen Parlamentsgeschichte" dar. Neben dem Antrag der Regierungsfraktionen lagen noch Entschließungsanträge der FDP ( 14/8383) und der CDU/CSU vor. Der von unabhängigen Experten erstellte Bericht wurde von allen im Bundestag vertretenen Fraktionen begrüßt und als bedeutend und wichtig eingeschätzt. Allerdings wurde er von den verschiedenen Fraktionen kontrovers interpretiert und diskutiert.
Die Vertreterin der Bundesregierung sah in ihm eine Bestätigung des auf einen Dialog zwischen Jugend und Politik gerichteten Weges ihrer Regierung. Besondere Bedeutung komme ihm zu, da er der erste Bericht nach Inkrafttreten des Kinder- und Jugendschutzgesetzes sei. Das Leitmotiv des Berichtes "Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung" fordere eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen und der sozialen Infrastruktur. Dies bedeute nicht die Ersetzung, sondern eine Stärkung der Elternkompetenz. So sei zum Beispiel der weitere Ausbau von Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten kein Angriff auf die Wahlfreiheit der Eltern, sondern mache sie erst möglich. Der Abgeordnete Rolf Stöckel (SPD) erwähnte die wesentlichen Verbesserungen in der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in der vergangenen Legislaturperiode sowie den erfolgten Paradigmenwechsel. Kinder seien mit eigenen Rechten ausgestattet worden und somit von zu schützenden Objekten zu respektierten Subjekten geworden. Weitergehend forderte er eine explizite Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.
Thomas Dörflinger (CDU/CSU) verurteilte hingegen die Weichenstellung hin zu einer verstärkten öffentlichen Verantwortung. Nach Ansicht seiner Fraktion sei eine Prioritätensetzung zu Gunsten der Familienpolitik notwendig und nicht eine Prioritätensetzung, die unterschiedliche familienpolitische Handlungsebenen zu Gunsten des Bundes gegeneinander ausspielt. Der Abgeordnete wies weiterhin auf die seiner Meinung nach "gravierenden" Probleme der Jugendarbeitslosigkeit hin. So sei das "Jump"-Programm der Bundesregierung ineffizient. Die Jugendarbeitslosigkeit sei im Mai 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent gestiegen. Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) lobte hingegen die Erfolge der Bundesregierung. Der notwendige Paradigmenwechsel sei eingeleitet, die Rechte der Kinder seien gestärkt worden. Sie widersprach ihrem Kollegen von der Union mit Blick auf die Effizienz des "Jump"-Programmes. Immerhin hätten zwei Drittel der schwer vermittelbaren Jugendlichen nach Ablauf der Maßnahme eine festen Arbeitsplatz erhalten.
Klaus Haupt (FDP) begrüßte ebenfalls insbesondere den Paradigmenwechsels. Im Blickpunkt der Kinder- und Jugendpolitik sollten verstärkt die Kinder und Jugendlichen selbst stehen. Kinder- und Jugendpolitik müsse Querschnittspolitik sein, die sich an den jungen Menschen orientiere und sich in viele gesellschaftliche Bereiche erstrecke. Seine Fraktion mahnte deutliche Verbesserungen zum Beispiel im Bereich der Kinderbetreuung und der Ausbildung von Jugendlichen an. Monika Balt (PDS) stufte den Kinder- und Jugendbericht hoch ein. Es sei der erste Bericht, der innerhalb einer Legislaturperiode angefangen und auch beendet worden sei. Sie begrüßte den Auf- und Ausbau der sozialen Infrastruktur, kritisierte jedoch die mangelnde Ausstattung der Kommunen. "Sinnvolle Projekte müssen deshalb immer wieder eingestellt werden", sagte die Abgeordnete.