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Seit meiner Wahl in den Deutschen Bundestag habe ich keinen einzigen Roman mehr geschafft. Und das, obwohl ich in den letzten Jahren mehr gelesen habe als in meinem ganzen bisherigen Leben: Zeitungen, Zeitschriften, Bürgerbriefe, Lobbyisten- Heftchen, Gesetzentwürfe, Aktenvermerke, Länder- und Lageberichte. Pro Sitzungstag mindestens eine dicke Mappe. Pro Sitzungswoche aufeinander gestapelt fast einen Meter hoch. Eine der Haupttätigkeiten: Papier fressen!
In der sparsam bemessenen Freizeit steht mir der Sinn eher nach Rauslassen als auf die weitere Aufnahme auch noch so schöner Buchstaben und Sätze. Nur ein kleines Büchlein, das ich im Auftrag meiner Schwester meiner Mutter zum Geburtstag schenken sollte, hat es geschafft, mich so zu fesseln, dass ich es ganz durchlesen musste. Nicht der Titel „Der weiße Neger Wumbaba“ weckte mein Interesse (als grüner Entwicklungspolitiker) – sondern der Untertitel: „Kleines Handbuch des Verhörens“. Durch Verhören sowie Übersetzungspannen sind auf vielen Delegationsreisen schon die komischsten Situationen entstanden.
Axel Hacke hat in diesem Büchlein köstliche Früchte des Missverstehens zusammengetragen. Da ist zum Beispiel von einem Jungen die Rede, der das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ anders hörte als die Erwachsenen. Aus dem aufsteigenden „weißen Nebel wunderbar“ machte der junge Verhörer den „weißen Neger Wumbaba“ und schuf – so Axel Hacke – eine „unvergessliche, radikal poetische Traumfigur“, die den Maler Michael Sowa, der Hackes Büchlein illustrierte, zu einem ausdrucksvollen Bild für die Titelseite inspirierte. Schallend gelacht habe ich auch über die Schülerin, die den Eltern freudestrahlend erzählt, dass am nächsten Tag der „Erdbeer-Schorsch“ die Schule besuchen wird. Erst durch einen Anruf beim Schulleiter wurde klar, dass es sich bei dem geheimnisvollen Besucher um den Erzbischof handelte. Ein Buch, das mich zum Schmunzeln und Lachen bringt und Erinnerung weckt – an unzählige Momente, in denen erst ein Missverständnis Würze und Humor ins Leben brachte.
Axel Hacke, Der weiße Neger Wumbaba – Kleines Handbuch des Verhörens, mit Illustrationen von Michael Sowa, Verlag Antje Kunstmann, München 2004
Thilo Hoppe, Jahrgang 1958, ist Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen des Deutschen Bundestages. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie entwicklungspolitischer Sprecher seiner Fraktion.